Staatsphilosophie

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Fachdidaktik des lateinischen Sprachunterrichts
Leiterin: Profin. Glas
SS 2007
Modul Staatsphilosophie
Nach dem Schulbuch „Res Publica“
Zusammengestellt von Romana Pattis und Karl Wechtitsch
Modul Staatsphilosphie
Der Staat, eine Räuberbande?
Augustinus von Hippo (354-430) in Thagaste in Numidien ist
einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer. Er war
zunächst Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand.
Durch den Einfluss von Ambrosius bekehrte er sich und ließ
sich 387 von ihm taufen. Von 395 bis zu seinem Tod war er
Bischof von Hippo Regius.
Augustinus hat viele theologische Schriften verfasst, die zu
einem großen Teil erhalten sind. Die „Civitas Dei“ gilt als letzt
Apologie gegen die heidnische Religion. Seine „Bekenntnisse“
sind einer der einflussreichsten autobiographischen Texte der
Weltliteratur.
Sandro Botticelli, Der heilige Augustinus
De civitate Dei, Liber IV, [IV]
4. Reiche ohne Gerechtigkeit sind große Räuberbanden
In der „civitas Dei“, seiner großen Apologie des Christentums, setzt sich der Kirchenvater
Augustinus u. a. auch mit der antiken heidnischen Staatsphilosophie auseinander. Bezüglich
irdischer Staaten kommt er zu folgendem Schluss:
Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia? quia et latrocinia
quid sunt nisi parva regna? Manus et ipsa hominum est, imperio principis
regitur, pacto societatis astringitur, placiti lege praeda dividitur. Hoc malum si in
tantum perditorum hominum accessibus crescit, ut et loca teneat sedes
constituat, civitates occupet populos subiuget, evidentius regni nomen adsumit,
quod ei iam in manifesto confert non dempta cupiditas, sed addita inpunitas.
Eleganter enim et veraciter Alexandro illi Magno quidam comprehensus pirata
respondit. Nam cum idem rex hominem interrogaret, quid ei videretur, ut mare
haberet infestum, ille libera contumacia: Quod tibi, inquit, ut orbem terrarum;
sed quia id ego exiguo navigio facio, latro vocor; quia tu magna classe,
imperator.
quia: hier: denn
et=etiam
manus, manus f.: Schar
ipsa übereingestimmt mit manus, gemeint
latrocinium, übersetze: latrocinium
ipsum est etiam manus hominum
pactum, i n.: Übereinkunft
astringo3 : verbinden
placitum, -i n.: Vorschrift
perditus,-a,-um: verkommen; perditorum
hominum abhängig von accesibus
acessus, accessus m.: Zuwachs
evidentius (Adv): recht offensichtlich
in manifesto: offenkundig
veraciter (Adv): wahrheitsgemäß
habere infestum: unsicher machen
contumacia,-ae f.: Trotz
Modul Staatsphilosphie
Was sind überhaupt Reiche, wenn die Gerechtigkeit fehlt , anderes als große Räuberbanden?
Sind doch auch Räuberbanden nichts anderes als kleine Reiche. Sie sind eine Schar von
Menschen, werden geleitet durch das Regiment eines Anführers, zusammengehalten durch
Gesellschaftsvertrag und teilen ihre Beute nach Maßgabe ihrer Übereinkunft. Wenn eine
solche schlimme Gesellschaft durch den Beitritt verworfener Menschen so ins große wächst,
daß sie Gebiete besetzt, Niederlassungen gründet, Staaten erobert und Völker unterwirft, so
kann sie mit Fug und Recht den Namen „Reich“ annehmen, den ihr nunmehr die
Öffentlichkeit beilegt, nicht als wäre die Habgier erloschen, sondern weil Straflosigkeit dafür
eingetreten ist. Hübsch und wahr ist der Ausspruch den ein ertappter Seeräuber Alexander
dem Großen gegenüber getan hat. Auf die Frage des Königs, was ihm denn einfalle, daß er
das Meer unsicher mache, erwiderte er mit freimütigem Trotz: „Und was fällt dir ein, daß du
den Erdkreis unsicher machst? aber freilich, weil ich es mit einem armseligen Fahrzeug tue,
nennt man mich einen Räuber, und dich nennt man Gebieter, weil du es mit einer großen
Flotte tust.“
Ergänzungstexte
Rede des Philus (Referat des Laktanz)
Lucius Furius Philus, Konsul 136 v. Chr. Freund Scipios und von Laelius
Es geht um die Gerechtigkeit, Philus übernimmt die Rede für die Gerechtigkeit und gibt
die Worte von Carneades wieder, der die Gerechtigkeit hier mit Dummheit gleichsetzt.
„Alle Völker, die eine blühende Herrschaft besäßen, und auch die Römer selber, die sich des
ganzen Erdkreises bemächtigten, müssten, wenn sie gerecht sein wollten, das heißt, wenn sie
fremden Besitz zurückerstatteten, in die Hütten zurückkehren und in Armut und Elend am
Boden liegen.“ (Lact. Inst. 5.16,2-4,5)
Auszug aus „Mein Kampf“
Kapitel 14
740 Keine Sentimentalität in der Außenpolitik
Staatsgrenzen werden durch Menschen geschaffen und durch Menschen geändert.
Die Tatsache des Gelingens eines unmäßigen Bodenerwerbs durch ein Volk ist keine höhere
Verpflichtung zur ewigen Anerkennung desselben. Sie beweist höchstens die Kraft der
Eroberer und die Schwäche der Dulder. Und nur in dieser Kraft allein liegt dann das Recht.
Modul Staatsphilosphie
De civitate Dei, Liber IV, [IV]
4. Reiche ohne Gerechtigkeit sind große Räuberbanden
Remota itaque iustitia (Abl.abs.)
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quid sunt regna nisi magna latrocinia?
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quia et latrocinia quid sunt nisi parva regna?
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Manus et ipsa hominum est. (= latrocinium ipsum est etiam manus hominum)
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Latrocinium imperio principis regitur.
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Latrocinium pacto societatis astringitur.
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placiti lege praeda dividitur.
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Hoc malum si crescit.
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Hoc malum si in tantum perditorum hominum accessibus crescit.
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Hoc malum si in tantum perditorum hominum accessibus crescit, ut et loca
teneat sedes constituat, evidentius regni nomen adsumit.
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Hoc malum si in tantum perditorum hominum accessibus crescit, ut et loca
teneat sedes constituat, civitates occupet populos subiuget, evidentius regni
nomen adsumit, quod ei iam in manifesto confert non dempta cupiditas, sed
addita inpunitas.
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Eleganter enim Alexandro pirata respondit.
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Eleganter enim et veraciter Alexandro illi Magno quidam comprehensus pirata
respondit.
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Nam cum idem rex hominem interrogaret, ille inquit.
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Nam cum idem rex hominem interrogaret quid ei videretur, ut mare haberet
infestum, ille libera contumacia [inquit]:
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Modul Staatsphilosphie
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Quod tibi [videtur], inquit, ut orbem terrarum [haberes infestum];
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sed quia id ego exiguo navigio facio, latro vocor;
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quia tu [id] magna classe [facis], imperator [vocaris].
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Staatstheorie heute
Die moderne Staatslehre unterscheidet drei Formen, die ein Staatswesen bestimmen
Staatsform
Regierungsform
Republik
Monarchie
Auf begrenzte Zeit aus
unbegrenztem Personenkreis
gewähltes Staatsoberhaupt
(Präsident)
Im Erbweg ernanntes oder
auf unbestimmte Zeit aus
begrenztem Personenkreis
gewähltes Staatsoberhaupt
(König)
Autokratie (Diktatur)
Demokratie
Volk herrscht direkt durch
Abstimmung und indirekt
durch Volksvertreter.
Organisationsform
Zentralstaat
Eine einzige Gesetzgebung
und Verwaltung für den
ganzen Staat
Ein Einzelner oder eine
Gruppe herrscht ohne
Legitimation durch freie
Wahlen
Bundesstaat
Kompetenzen der
Staatsgewalt sind zwischen
Oberstaat und den
Gliedstaaten aufgeteilt
Modul Staatsphilosphie
Der Staat Österreich legt in seiner Verfassung folgende Grundsätze fest:
Demokratisches Prinzip
Republikanisches Prinzip
Bundesstaatliches Prinzip
Gewaltentrennendes Prinzip
Rechtsstaatliches Prinzip
Art 1 BVG
Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.
Gewaltentrennendes Prinzip:
Staatsgewalt ist in verschiedene Funktionen geteilt und auf. verschiedene Organe aufgeteilt
Österreich ist ein Rechtsstaat:
Unter einem Rechtsstaat ist ein Staat zu verstehen, bei dem der Gesetzgeber an die
Verfassung und die Vollziehung an das Gesetz (= Legalitätsprinzip) gebunden ist und
der entsprechende Einrichtungen zur Sicherung der Einhaltung der Rechtsvorschriften
vorsieht.
Arbeitsvorschläge:
Vergleiche den Text von Augustinus mit denen von Laktanz und Hitler! Gib an, wie die
Herrschaften hier gerechtfertigt werden!
Wie äußern sich die oben genannten Verfassungsgrundsätze in Österreich in der Praxis?
Finde Beispiele für jede der oben genannten Staats-, Regierungs- und Organisationsformen!
Überlege, welche Staatsform dir am meisten zusagt und agumentiere deine Entscheidung!
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Privateigentum oder Kommunismus?
Der englische Hunmanist und Staatsmann Thomas More,
latinisiert Morus, veröffentlichte 1516 seinen Roman
„De optimo rei publicae statu sive de nova insula
Utopia“.
Darin
wird
ihm
ein
weitgereister
Entdeckungsreisender vorgestellt: Raphael Hythlodaeus.
Dieser hat auf dem Weg von Indien nach Europa auf der
Insel Utopia Halt gemacht, von deren staatlicher
Ordnung er in der Folge berichtet: Utopia ist
demokratisch organisiert, mit einem Wahlmonarchen an
der Spitze; auch Priester und Beamte werden vom Volk
gewählt, und Frauen sind von diesen Ämtern nicht
ausgeschlossen. Die Interessen des Einzelnen sind jenen
der Gemeinschaft untergeordnet. Jeder hat zu arbeiten,
doch werden während des 6-Stunden-Arbeitstages nur
die notwendigen Güter hergestellt: es gibt weder Mangel
noch Überfluss. Grund und Boden sind gemeinsamer Besitz.
Morus hegt zwar zweifel am Bestand eines Staates ohne Privateigentum, aber er wünscht sich
dennoch, dass manches vom utopischen Staat übernommen wird.
Privates Eigentum nährt Ungerechtigkeit
In Kapitel 4 des 1. Buches von Thomas Morus´ utopischem Roman „Utopia“ plädiert der
Entdeckungsreisende Raphael Hythlodaeus leidenschaftlich gegen das Privateigentum:
Quanquam profecto mi More (ut ea uere dicam, quae meus animus fert) mihi
uidetur ubicunque priuatae sunt possessiones, ubi omnes omnia pecuniis
metiuntur, ibi uix unquam posse fieri, ut cum re publica aut iuste agatur, aut
prospere, nisi uel ibi sentias agi iuste, ubi optima quaeque perueniunt ad
pessimos, uel ibi feliciter, ubi omnia diuiduntur in paucissimos, nec illos habitos
undecunque commode, caeteris uero plane miseris.
quamquam profecto: aber wirklich
cum re publica iuste agere: gerechte Politik betreiben
illos…commode: „wobei jene sich nicht völlig wohlbefinden“
Aber wirklich scheint mir, mein Morus (um meine Gedanken wahrheitsgetreu
wiederzugeben): wo es Privatbesitz gibt, wo alle alles nach Geld bemessen, dort ist es kaum
möglich, dass entweder gerechte Politik betrieben wird, oder erfolgreiche, wenn man nicht
das Gefühl hat, dass dort gerecht gehandelt wird, wo alles vom besten Zustand zum
schlechtesten degeneriert, oder dass dort glücklich gehandelt wird, wo alles auf sehr wenige
aufgeteilt wird, wobei jene sich nicht völlig wohlbefinden, die übrigen aber sich ganz elend
fühlen.
Modul Staatsphilosphie
Ergänzungstexte:
Platos Staatsutopie:
Plato beschreibt in seiner „Politeia“ seine Vorstellungen eines idealen Staatswesens. Im
Zentrum dieses Dialogs, der zehn Bücher umfasst, steht einmal mehr Sokrates, dem Plato
seine Gedanken in den Mund legt. In seinem utopischen Idealstaat ist die Gesellschaft streng
hierarchisch geordnet. Der Mensch zählt nur in seiner Funktion für den Staat. Der staatliche
Zentralismus dringt in alle Bereiche menschlichen Lebens: So gibt es etwa keine Familie und
keinen Privatbesitz. Alles ist staatlich gelenkt. Die Gliederung der Gesellschaft wird im
folgeden Schema deutlich, in dem auf Basis der Gerechtigkeit jedem Stand die ihm
gebührende Tugend und seine Funktion zugeteilt wird:
Gerechtigkeit: oberste Tugend, Basis des Idealstaates
Tugend
Weisheit
Tapferkeit
Bescheidenheit
Stand
Philosophen
Soldaten
Handwerker
Funktion
Herrschaft
Ordnung
Lebensunterhalt
Aristoteles, Politik I, 3
„Da nun klar ist, aus welchen Teilen der staatliche Verband gebildet ist, ist es notwendig,
zuerst die Führung eines Haushaltes zu behandeln, denn jeder Staat besteht aus Haushalten.
Die Teilbereiche der Führung eines Haushaltes entsprechen den Teilen, aus denen der
Haushalt seinerseits besteht: ein vollständiger Haushalt wird aus Sklaven und Freien gebildet.
Da man nun einen jeden Gegenstand zuerst in seinen kleinsten Einheiten untersuchen muss,
die ersten und kleinsten Teile des Haushaltes aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau,
Vater und Kinder sind, muss unsere Untersuchung das Wesen und die richtige Beschaffenheit
dieser deri (Verhältnisse) klären, gemeint sind das despotische Verhältnis, zweitens das durch
Heirat begründete – denn für die Verbindung von Frau und Mann haben wir keine besondere
Bezeichnung – und drittens das beim Aufziehen von Kindern – denn auch dies hat keinen
eigenen Namen. Es sollen aber diese drei, die wir genannt haben, sein. Es gibt aber noch
einen Bereich, der manchen als die Führung des Haushaltes selber gilt, anderen dagegen als
deren wichtigster Teil, ich meine die sogenannte Kunst, sich Besitz zu beschaffen. Welche
Auffassung zutrifft, muss untersucht werden.“
Arbeitsvorschläge:
Welche Folgen bringt – laut Hythlodaeus – privates Eigentum mit sich?
Welche Rolle spielt – laut Hythlodaeus - dort, wo privates Eigentum vorherrscht, das Geld?
(Vergleiche mit unserer heutigen Gesellschaft!)
Streiche die Gemeinsamkeiten zwischen den Ansichten von Hythlodaeus und Plato heraus!
Welche Probleme könnte ein solcher „Kommunismus“ mit sich bringen?
Worin unterscheiden sich die Gedanken Platos von jenen des Aristoteles?
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Das Verhältnis von Staat und Religion
Paulus war ein Jude aus Tarsus, einer Stadt unweit der Südost-Ecke
Kleinasiens. Sein Geburtsdatum ist unbekannt, doch wurde er
vermutlich zur selben Zeit wie Jesus geboren. Sein Tod in Rom wird
meistens zwischen dem Jahre 62 und 64 datiert. Um das Jahr 33 kam
es zu einer dramatischen Wende in seinem Leben. Entweder
offenbarte sich Gott in Christus ihm auf der Straße nach Damaskus
oder in Damaskus selbst. Jedenfalls war er von nun an bald nicht
mehr als Verfechter von Christen, sondern als leidenschaftlicher
Verkünder des Wortes Gottes. Seine Verkündigung beschränkte sich
aber nicht auf Juden, sodass er drei Missionssreisen im
Mittelmehrraum unternahm, Gemeinden gründete und jene Briefe
schrieb, die als Zeugnis des lebendigen juden-christlichen Glaubens in den Kanon des neuen
Testaments aufgenommen wurden.
Unterordnung unter die staatliche Gewalt
In seinem Brief an die junge christliche Gemeinde in Rom (verfasst um das Jahr 55) spricht
der Apostel Paulus die folgenden berühmt gewordenen Ermahnungen aus:
1 Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit. Non est enim potestas nisi
a Deo; quae autem sunt, a Deo ordinatae sunt.
2 Itaque, qui resistit potestati, Dei ordinationi resistit; qui autem resistunt ipsi,
sibi damnationem acquirent.
3 Nam principes non sunt timori bono operi sed malo. Vis autem non timere
potestatem? Bonum fac, et habebis laudem ex illa;
4 Dei enim ministra est tibi in bonum. Si autem malum feceris, time; non enim
sine causa gladium portat; Dei enim ministra est, vindex in iram ei, qui malum
agit.
5 Ideo necesse est subditos esse, non solum propter iram sed et propter
conscientiam.
6 Ideo enim et tributa praestatis; ministri enim Dei sunt in hoc ipsum instantes.
7 Reddite omnibus debita: cui tributum tributum, cui vectigal vectigal, cui
timorem timorem, cui honorem honorem.
ordino 1: einsetzen
timori: Dativ des Zwecks auf die Frage „wozu?“
in: auf…hin
vindex in iram: wörtlich: „Rächerin zum Zorn“. Wie könnte man dies frei übersetzen?
instantes: Subjekt
Modul Staatsphilosphie
Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine
staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.
2 Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und
wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.
3 Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst
du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre
Anerkennung findest.
4 Sie steht im Dienst Gottes und verlangt, dass du das Gute tust. Wenn du aber Böses tust,
fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und
vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.
5 Deshalb ist es notwendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor der Strafe,
sondern vor allem um des Gewissens willen.
6 Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die
Steuern einzuziehen haben.
7 Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre.
Ergänzungstexte
In der Bulle „Unam Sanctam“ von 1302 fordert Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) den strikten
Primat der päpstlichen vor der weltlichen Gewalt.
„Durch die Aussagen der Evangelien werden wir belehrt, daß in dieser ihrer Gewalt zwei
Schwerter sind, nämlich das geistliche und das zeitliche. [Angeführt werden Lk 22,38 und Mt
26,52]. ...
Beide also sind in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle.
Jedoch ist dieses für die Kirche, jenes aber von der Kirche zu handhaben. Jenes <in der
Hand> des Priesters, dieses in der Hand der Könige und Soldaten, aber auf die Zustimmung
und Duldung des Priesters hin. Es gehört sich aber, daß ein Schwert unter dem anderen ist und
die zeitliche Autorität sich der geistlichen Gewalt unterwirft.“
Lk 22,38
(Jesus erklärt seinen Jüngern, dass sich die Schrift erfüllen muss, und dass er als Verbrecher
behandelt werden würde. Für diese schwere Zeit sollen sich die Jünger rüsten)
„Da sagten sie: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte: Genug davon!“
Modul Staatsphilosphie
Arbeitsvorschläge:
Skizziere knapp den Argumentationsgang des Paulus. Dabei hilft dir sicherlich, wenn du in
jedem Vers den zentralen Begriff ermittelst.
Diskutiert, ob aufgrund des Paulus-Textes Widerstand gegen die Staatsgewalt berechtigt sein
kann! Immerhin spricht Paulus ja von einer Gewissensentscheidung. Auch fordert er
Ehrfurcht, nicht etwa Liebe, für die Staatsgewalt!
Wie argumentiert Papst Bonifaz? Auf welche Autoritäten beruft er sich?
Wie genau wird das Verhältnis der beiden Schwerter beschrieben? Nenne die lateinischen
Belegstellen!
Der Fall Konstantinopels
Die hier gezeigten Mauern sind Überreste der
ursprünglichen Stadt, die Konstantin I. ab 324
n. Chr. zum „Neuen Rom“ ausbauen ließ.
Nachdem das römische Reich gegen Ende des 4. Jhd. n. Chr. in ein weströmisches und in ein
oströmisches Kaiserreich aufgeteilt worden war, triffteten die beiden Reichshälften immer
weiter auseinander. Das Zentrum im Osten war Konstantinopel, das heutige Istanbul. Kaiser
Konstantin hatte sich hier im ersten Drittel des 4 Jhd. eine neue Hauptstadt errichet. Im 6 Jhd.
eroberte der oströmische Kaiser Justinian das bereits verlorene aber den Ostgoten überlassene
Westreich teilweise wieder, um das römische Reich in seiner alten Größe wieder erstehen zu
lassen. Das weströmische Reich war aber vorerst dem Untergang geweiht. Lange Zeit gab es
nur einen römsichen Kaiser, den im Osten in Konstantinopel.
Umso anmaßender musste der oströmische Kaiser es empfunden haben, dass der Papst den
Frankenkönig Karl den Großen im Jahre 800 zum weströmischen Kaiser krönte. Dieser hatte
den Papst in der Not unterstützt.
Das nächste Datum war für Konstantinopel aber die größte Katastrophe in seiner Geschichte.
1204 eroberten Kreuzfahrer auf Betreiben der seemächtigen Venezianer die Hauptstadt des
Ostens und errichteten ein lateinisches Kaiserreich, das etwa 60 Jahre Bestand hatte. Nicht
zuletzt war damit der Graben zwischen Ost und Westkirche beinahe unüberbrückbar
geworden. (erst 1965 hoben der römische Papst und der Patriarch von „Konstantinopel“ die
gegenseitige Exkommunikation von 1054 auf!) Zwar regierte danach wieder ein oströmischer
Kaiser in Konstantinopel, aber das Reich erholte sich von diesem Schlag nicht mehr.
Indes erstarkten die Osmanen und bedrängten Ostrom immer mehr. 1453 schließlich fiel die
Stadt.
Modul Staatsphilosphie
Rede von Papst Pius II zum Fall Konstantinopels im Jahr 1453 auf dem Türkenreichstag
1454::
Constantinopolitana clades, reverendissimi patres, illustrissimi principes
ceterique viri genere ac doctrina prestabiles, quoniam Thurcorum grandis
victoria, Grecorum extrema ruina, Latinorum summa infamia fuit,
unumquemque vestrum, ut arbitror, tanto magis angit magisque cruciat, quanto
et nobiliores estis et meliores. Quid enim viro bono et nobili magis congruit
quam curam gerere fidei orthodoxae, favere religioni, Christi nomen salvatoris
pro sua virili magnifacere atque extollere? Sed amissa nunc Constantinopoli,
tanta urbe in potestatem hostium redacta, tanto Christianorum sanguine fuso, tot
animabus in servitutem abductis, vulnerata est miserabiliter catholica fides,
confusa turpiter nostra reliogio, Christi nomen damnificatum nimis atque
oppressum. Neque si verum fateri volumus, multis ante saeculis maiorem
ignominiam passa est quam modo Christiana societas. Retroactis namque
temporibus in Asia atque in Aphrica, hoc est in alienis terris, vulnerati fuimus:
nunc vero in Europa, id est in patria, in domo propria, in sede nostra percussi
caesique sumus. Et licet dicat aliquis ante plurimos annos ex Asia Turcos in
Graeciam transivisse, Tartaros citra Thanaim in Europam consedisse, Saracenos
Herculeo mari traiecto Hispaniae partionem occupasse : numquam tamen aut
urbem aut locum amisimus in Europa, qui Constantinopoli possit aequari…
congruo 3: übereinstimmen
faveo 2, favi, fautum: günstig sein, begünstigen
magnifico, are: hochhalten
fundo 3, fudi, fusus: aus,-vergießen
animabus = animalibus
retroago 3, egi, actus: hier: vergehen lassen
Thanais: Don, Fluss im heutigen Südrussland (galt früher als Grenze zwischen Europa und
Asien)
contero 3, contrivi, contritus: aufreiben
iactura,ae: Opfer, Verlust
Konstantinopels Untergang, ehrwürdige Väter, erlauchte Fürsten und ihr anderen nach Stand
und Bildung hervorragenden Männer, der für die Türken ein großer Sieg, für die Griechen
die größte Katastrophe, für die Lateiner die höchste Schmach war, ängstigt und quält einen
jeden von euch, wie ich glaube, umso mehr, je edler und besser ihr seid. Denn was kommt
einem guten und edlen Mann mehr zu als sich um den Glauben zu sorgen, die Religion zu
fördern, den Namen des Erlösers Christus wie er kann zu stärken und zu erhöhen? Aber
nachdem nun Konstantinopel verloren, eine so große Stadt in die Gewalt der Feinde geraten,
so viel Christenblut vergossen ist, so viele Gläubige in die Knechtschaft geführt sind, ist der
katholische Glaube schwer verwundet, unsere Religion schändlich erschüttert, der Name
Christi im Übermaß geschädigt und erniedrigt. Auch viele Jahrhunderte zuvor hat die
Christengemeinschaft, wenn wir die Wahrheit bekennen wollen, niemals größere Schmach
Modul Staatsphilosphie
erlitten als jetzt. Denn in früheren Zeiten wurden wir in Asien und Afrika, das heißt auf
fremdem Gebiet, verwundet, nun aber sind wir in Europa, das heißt im Vaterland, im eigenen
Haus, an unserem Sitz erschüttert und niedergemetzelt worden. Und obwohl jemand sagen
mag, die Türken seien doch [schon] vor vielen Jahren von Kleinasien nach Griechenland
übergesetzt, die Tataren hätten sich diesseits des Don festgesetzt, die Sarazenen nach
Überschreitung der Straße von Gibraltar einen Teil Spaniens okkupiert; so haben wir
dochniemals eine Stadt oder einen Ort in Europa verloren, der Konstantinopel vergleichbar
wäre.
Arbeitsvorschläge:
Welches Bild von Europa wird anhand dieser Papstrede gezeichnet?
Laut Pius II. trifft der Verlust Konstantinopels Europa besonders hart. Warum?
In welchem Verhältnis stehen laut Pius II. Staat und Kirche? (Denke dabei an die ZweiSchwerter-Theorie!)
Welche rhethorischen Stilmittel, die dir bereits bekannt sind, kannst du hier ausfindig
machen?
Kannst du in diesem Thema auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen?
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