EUROPÄISCHES PARLAMENT 2009 – 2014 Plenarsitzungsdokument 4.2.2014 B7-0157/2014 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG eingereicht im Anschluss an die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung zur Lage in Syrien (2014/2531(RSP)) Willy Meyer, Takis Hadjigeorgiou, Kyriacos Triantaphyllides, Sabine Lösing, Patrick Le Hyaric im Namen der GUE/NGL-Fraktion RE\1018021DE.doc DE PE527.357v01-00 In Vielfalt geeint DE B7-0157/2014 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Syrien (2014/2531(RSP)) Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen, – unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, – unter Hinweis auf die Schlusserklärung der Aktionsgruppe für Syrien, die am 30. Juni 2012 in Genf angenommen wurde, – unter Hinweis auf das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) und das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen und von Toxinwaffen (BWÜ), – unter Hinweis auf den Beschluss des Exekutivrates der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) vom 27. September 2013 über die Vernichtung der syrischen chemischen Waffen (EC-M-33/DEC.1), – unter Hinweis auf das humanitäre Völkerrecht, – unter Hinweis auf die Genfer Flüchtlingskonventionen, – unter Hinweis auf den alle vierzehn Tage erscheinenden Bericht „Syria Crisis Response Update“ des UNRWA vom 7. bis 20. Januar 2014 zur Lage der palästinensischen Flüchtlinge in Syrien, – unter Hinweis auf die Forderungen des UNHCR und der interinstitutionellen Stelle für Flüchtlingshilfe für Syrien, – in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ der EU vom 20. Januar 2014, – unter Hinweis auf die Erklärung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ der EU vom 6. September 2013, – unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ der EU vom 28. Mai 2013, – gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, A. in der Erwägung, dass am 22. Januar 2014 – 18 Monate nach Annahme der Schlusserklärung der Aktionsgruppe für Syrien („Genf I“) am 30. Juni 2012 – die GenfII-Konferenz in Montreux (Schweiz) einberufen wurde, um nach einer politischen Lösung für den Konflikt in Syrien zu suchen; B. in der Erwägung, dass das Treffen der Delegationen der Regierung der Arabischen PE527.357v01-00 DE 2/6 RE\1018021DE.doc Republik Syrien und der Nationalen Koalition der Kräfte der syrischen Revolution und Opposition acht Tage gedauert hat; in der Erwägung, dass sich andere Oppositions- und Rebellengruppen geweigert haben, an den Gesprächen teilzunehmen; in der Erwägung, dass Vertreter von mehr als 40 Ländern bei den Gesprächen anwesend waren; in der Erwägung, dass alle regionalen Akteure wichtig sind, um zu einer Lösung zu kommen; in der Erwägung, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen den Iran eingeladen hatte, dieser jedoch aufgrund von Einwänden der USA zu Unrecht wieder ausgeladen wurde; C. in der Erwägung, dass in der ersten Runde laut den Erklärungen des Vermittlers der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, und der Vertreter beider Parteien nur sehr geringe konkrete Fortschritte erzielt wurde, obwohl beide Parteien die Erklärung „Genf I“ als Grundlage für die Gespräche anerkennen und die Rangfolge der Ereignisse unterschiedlich auslegen; in der Erwägung, dass die Bemühungen, begrenzte Vereinbarungen über a) die humanitäre Hilfe und den Zugang zu der verzweifelten und verhungernden Bevölkerung unter Belagerung, insbesondere den Frauen, Kindern, älteren Menschen und Kranken, in Homs und den palästinensischen Flüchtlingslagern Jarmuk und Sbeineh sowie das sichere Verlassen dieser Lager und b) die Freilassung oder den Austausch von Gefangenen zu treffen, erfolglos blieben; D. in der Erwägung, dass nach Aussagen des Vermittlers der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga nur sehr geringe Fortschritte erzielt wurden, diese Fortschritte aber einen kleinen ersten Schritt darstellen, auf dem aufgebaut werden kann; in der Erwägung, dass sich beide Parteien darauf geeinigt haben, dass die Gespräche fortgeführt werden müssen, und dass sie zu einer zweiten Gesprächsrunde am 10. Februar nach Genf eingeladen wurden, wobei die Nationale Koalition der Kräfte der syrischen Revolution und Opposition ihre Teilnahme bereits bestätigt hat, während das Verhandlungsteam der Regierung vor einer endgültigen Zusage erst mit Damaskus Rücksprache halten muss; E. in der Erwägung, dass es mehr als eine politische Oppositionsgruppe gibt; in der Erwägung, dass der Begriff „Oppositions- oder Rebellengruppen“ Gruppen wie den ISIL (Islamischer Staat im Irak und in der Levante) oder die Gruppen der Dschabhat alNusra umfasst und aus einer komplexen Zusammensetzung bewaffneter Gruppen besteht, darunter auch dschihadistische Gruppen, wobei verschiedene Allianzen in Syrien einen Stellvertreterkrieg führen und die internen Auseinandersetzungen Schätzungen zufolge bereits 1400 Todesopfer gefordert haben; in der Erwägung, dass nach Schätzungen 10 000 Ausländer an der Seite dieser bewaffneten Gruppen kämpfen; in der Erwägung, dass die westlichen Regierungen über mögliche schlimme Auswirkungen besorgt sind, da viele der an der Seite der bewaffneten Gruppen kämpfenden Ausländer EU-Bürger sind; in der Erwägung, dass die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts auf den gesamten Raum furchterregend ist; F. in der Erwägung, dass verschiedenen Berichten zufolge zeitgleich mit den Gesprächen in der Schweiz beinahe 1900 Menschen in Syrien gestorben sind, wodurch die bereits sehr hohe Todesopferzahl von mehr als 130 000 in diesem beinahe drei Jahre andauernden Konflikt, der im März 2011 begonnen wurde, noch weiter gestiegen ist; in RE\1018021DE.doc 3/6 PE527.357v01-00 DE der Erwägung, dass sich der Konflikt zu einem Bürgerkrieg, ja sogar zu einem Krieg der Konfessionen ausgeweitet hat, in dem täglich Blut vergossen und offenkundig gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen wird und somit Kriegsverbrechen begangen werden; in der Erwägung, dass nach Aussagen des UNHCR etwa ein Drittel der 22 Millionen Einwohner des Landes vertrieben und in den Nachbarländern 2 396 861 Flüchtlinge registriert wurden, von denen die Hälfte Kinder sind; in der Erwägung, dass diese Zahl bis Ende 2014 voraussichtlich 4 Millionen erreicht, wenn die Krise nicht beigelegt wird, und dass der ohnehin bereits sehr hohe Druck auf die Nachbarländer, insbesondere auf den Libanon, dadurch noch verstärkt wird; G. in der Erwägung, dass ein großer Teil der mehr als eine halbe Million registrierten palästinensischen Flüchtlinge in Syrien erneut zu Flüchtlingen wurden, weil sie aus den Flüchtlingslagern und Städten in Syrien fliehen mussten, als die militärischen Gruppen vorrückten und die Lager unter Missachtung der Neutralität der Flüchtlinge besetzten; in der Erwägung, dass Tausende in den Libanon geflüchtet sind; in der Erwägung, dass aufgrund der Präsenz der bewaffneten Gruppen und der daraus folgenden Belagerung durch die Regierungsstreitkräfte geschätzt 18 000 Menschen im inoffiziellen Lager Jarmuk in den Vororten von Damaskus und 4000 Menschen im Lager Sbeineh südlich von Damaskus eingeschlossen sind; in der Erwägung, dass die Situation der seit langem belagerten Bevölkerung trotz der begrenzten Bereitstellung humanitärer Hilfe in den vergangenen Tagen entsetzlich ist und die Menschen, vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen, anfangen zu verhungern und keine humanitäre Hilfe oder ärztliche Betreuung erhalten; H. in der Erwägung, dass der UNHCR und die interinstitutionellen Stelle für die regionale Reaktion auf die Krise in Syrien 4,2 Mrd. USD gefordert haben, um die Kosten bis Ende 2014 zu decken; I. in der Erwägung, dass nach einer Einigung auf einen Rahmen für die Vernichtung der syrischen chemischen Waffen am 14. September 2013 und gewissen Verzögerungen wegen Bedenken über den sicheren Transport zum Hafen von Latakia die erste Ladung mit 4,1 % der Chemikalien am 7. Januar versandt wurde, wobei die Hoffnung besteht, dass der Prozess beschleunigt werden kann; J. in der Erwägung, dass die al-Nusra-Front vor kurzem im Norden Syriens gestohlene deutsch-französische MILAN-Panzerabwehrlenkraketen eingesetzt hat, die in den 70erJahren in großen Mengen von Deutschland und Frankreich exportiert wurden, darunter auch nach Syrien; in der Erwägung, dass diese MILAN-Panzerabwehrlenkraketen eindeutig als in Deutschland hergestellte Raketen identifiziert wurden und dass Deutschland immer ein legales Vetorecht besitzt, selbst wenn Frankreich diese Raketen allein exportiert hätte; K. in der Erwägung, dass der Konflikt durch den im Mai 2013 gefassten und am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Beschluss der EU, das Embargo für Waffenexporte nach Syrien aufzuheben, verschärft wurde, da sich dadurch die Menge an Waffen und Ausrüstung, darunter Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die illegal über die syrischen Grenzen gebracht und mit denen verschiedene militärische Gruppen ausgestattet wurden, erhöht hat; PE527.357v01-00 DE 4/6 RE\1018021DE.doc L. in der Erwägung, dass Israel unbestätigten Berichten zufolge am 26. Januar 2014 einen Stützpunkt in Latakia bombardiert hat; M. in der Erwägung, dass die Lage an den Land- und Seegrenzen Syriens und im östlichen Mittelmeerraum angesichts der Präsenz verschiedener Streitkräfte und Flotten in diesem Raum äußerst instabil ist; in der Erwägung, dass sich diese Lage über die Grenzen hinaus auf die gesamten von Unruhen gekennzeichneten Gebiete ausweiten könnte, mit unvorhersehbaren Folgen; 1. unterstützt uneingeschränkt eine politische Lösung für den Konflikt in Syrien, mit der die Einheit, territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit Syriens sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Syrer ungeachtet ihres ethnischen oder religiösen Hintergrunds sichergestellt wird; betont, dass der Konflikt nicht auf militärischem Weg beigelegt werden kann, und fordert einen unverzüglichen Waffenstillstand, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen; bedauert die zahlreichen Todesopfer und das große Leiden der Zivilbevölkerung zutiefst; 2. fordert die syrische Regierung und die Nationale Koalition der Kräfte der syrischen Revolution und Opposition sowie alle beteiligten Parteien und die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen auf, in der zweiten Gesprächsrunde der Genf-II-Konferenz auf einen Fortschritt hinzuarbeiten; fordert alle Gruppen der politischen Opposition auf, an den Gesprächen teilzunehmen; 3. fordert alle Parteien auf, möglichst bald Vereinbarungen zu treffen, aufgrund deren humanitäre Helfer und medizinisches Personal Zugang zu belagerten Städten und palästinensischen Flüchtlingslagern erhalten und die dort eingeschlossenen Menschen sicher hinaus gelangen können; 4. fordert alle Seiten auf, sich auf die Freilassung oder den Austausch von Gefangenen und Festgehaltenen zu einigen, um Vertrauen aufzubauen und so einfacher zu einer politischen Lösung zu kommen; 5. fordert, dass alle beteiligten Länder jegliche direkte oder indirekte Unterstützung der in Syrien kämpfenden bewaffneten Gruppen einstellen und die Gruppen, mit denen sie in Verbindung stehen, unter Druck setzen, ihre ausländischen Kämpfer aus Syrien abzuziehen und eine Ausweitung auf die Nachbarländer dieses mit Problemen belasteten Raums abzuwenden; 6. fordert die syrische Regierung auf, die festgelegten Fristen einzuhalten und die Vereinbarung zur Übergabe der chemischen Waffen an die OVCW zwecks Vernichtung uneingeschränkt umzusetzen; 7. fordert eine stärkere internationale Unterstützung und Hilfe sowohl für Binnenflüchtlinge als auch für die Menschen, die in Nachbarländer fliehen; weist nachdrücklich warnend auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen hin, die ihr Leben auf der Flucht nach Europa in offenen Booten aufs Spiel setzen, und fordert, dass ihnen Asyl und Unterstützung gewährt werden; 8. betont, dass es allein dem syrischen Volk überlassen bleiben muss, über die Zukunft RE\1018021DE.doc 5/6 PE527.357v01-00 DE Syriens zu bestimmen; fordert eine vom syrischen Volk beschlossene politische Lösung für den Konflikt ohne jede externe Einmischung, die einen inklusiven nationalen Dialog ermöglichen würde mit dem Ziel, den berechtigten Hoffnungen und Anliegen der syrischen Bevölkerung in Bezug auf einen politischen und demokratische Wandel zu entsprechen; spricht sich entschieden dagegen aus, die „Verantwortung, Schutz zu gewähren“ als Vorwand zur Rechtfertigung militärischen Eingreifens zu verwenden; 9. betont, dass der Rüstungshandel und die Lieferung von Waffen und sogar von nichtletalen Ausrüstungen den Konflikt weiter verschärft haben; fordert alle Länder auf, die Lieferung aller Arten von Waffen einzustellen; fordert den Rat der EU auf, das Embargo für Waffenexporte nach Syrien wieder einzuführen; 10. fordert den Rat der EU auf, bei der Einberufung einer internationalen Konferenz für das Verbot und die umweltverträgliche Vernichtung aller nuklearen, chemischen und bakteriologischen Massenvernichtungswaffen auf der Welt die Führung zu übernehmen; 11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien, dem Generalsekretär der Union für den Mittelmeerraum sowie der Liga der Arabischen Staaten zu übermitteln. PE527.357v01-00 DE 6/6 RE\1018021DE.doc