MonikaBorza-Spätaussiedler

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Monika Borza
WS 2002/2003
Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen
Nach jedem Vorschieben der Grenze blieb das Ödland der alten Verhausäume frei und fiel
an den König. Die Besiedlung dieses sogenannten Königsbodens war aus strategischen und
wirtschaftlichen Gründen wichtig. Notwendig erschien es, hier, im Vorfeld der neuerrichteten
Verhausäume, eine kriegstüchtige Bevölkerung anzusiedeln, die zugleich im Stande sein
sollte, das Land durch Rodung urbar zu machen, Ackerbau, Handwerk und Handel zu
treiben, möglichst auch den wachsenden Bedarf an Salz und Edelmetallen durch
Erschließung der Bodenschätze zu decken.
Diesen Aufgaben waren die Ungarn allein wegen ihrer geringen Bevölkerungszahl nicht
gewachsen, auch die Hilfsvölker wurden rar und der Mangel an qualifizierten Fachkräften
machte sich bald besonders im Bergbau bemerkbar. Die Ungarn erkannten – wie bereits der
Staatsgründer Stephan seinen Sohn Emmerich ermahnte –, dass einwandernde "Gäste
verschiedene Sprachen und Sitten, verschiedene Lehren und Waffen mit sich bringen,
die alle Reiche und den königlichen Hof schmücken und erhöhen"
(Übersetzung aus: Die Donauschwaben, 1989; 66).
Um solche Gäste musste mit Zusagen, die sie anlockten, geworben werden. Das waren im
Mittelalter vor allem Grundbesitz – dafür stand der Königsboden der ehemaligen
Verhausäume bereit – und Privilegien. Diese waren auf alle Fälle jene Rechte, die die
Umworbenen bereits in ihrer Heimat besaßen und "in ihren Knochen mitbrachten" ("jus
ossibus inhaeret", sagte man damals). Es mussten aber auch Rechte sein, die darüber
hinausgingen, um sie dazu zu bewegen, das Risiko der Siedlung in ein tausende Kilometer
entferntes Gebiet auf sich zu nehmen: Vor allem persönliche Freiheit und Freizügigkeit
waren damals magische Worte, die eine Standeserhöhung bedeuteten, Sicherheit boten und
besseres Fortkommen versprachen. Sie wurden von den ungarischen Königen zugesagt und
1224 im Freibrief des Königs Andreas II. schriftlich festgehalten; diese Zusagen wurden von
Ungarn auch über die Jahrhunderte gehalten.
Die Ansiedlung erfolgte bereits unter Geisa II. (1141–1162), der Bauern, Handwerker,
Kaufleute und niedere Adlige (Ministerialen) aus dem Rheinland und aus Moselfranken, aus
Flandern und aus Luxemburg, aus Thüringen und aus Niedersachsen, aber auch aus
anderen Gebieten des Deutschen Reiches anwerben ließ und ihnen in der Zips, in der
heutigen Slowakei, sowie in Siebenbürgen, in den frei gewordenen Verhausäumen zwischen
Mieresch und Alt, zwischen Samosch und Ostkarpaten "Königsboden" zugewiesen hat. Ein
klar umrissenes Herkunftsgebiet dieser Siedler ist, da Schriftquellen über diesen Vorgang
weitgehend fehlen, nicht auszumachen und gibt es wohl auch nicht.
Für diese Siedler unterschiedlicher landschaftlicher Herkunft, die anfangs als "hospites
Theutonici" (deutsche Gäste) oder auch als "Flandrenses" (Flandrer) bezeichnet wurden,
setzte sich die in der ungarischen Kanzlei benutzte Kollektivbezeichnung "Saxones"
(Sachsen) durch, die auch für die deutschen Siedler in der Zips und die deutschen Bergleute
auf dem Balkan (im damals zu Ungarn gehörenden Bosnien und Kroatien ebenso wie in
Serbien und im Osmanischen Reich) benutzt wurde und offenbar die Inhaber der Privilegien
nach dem alten sächsischen Bergrecht bzw. dem "jus Theutonicum" (dem deutschen
Recht) meinte.
Diese "Siebenbürger Sachsen" haben die ihnen zugewiesenen Gebiete in kurzer Zeit
wirtschaftlich vorangebracht, nicht nur den Boden nutzbar gemacht und die Agrartechnik
verbessert, sondern auch die edelmetallreichen Gebiete der West- und Ostkarpaten
(Siebenbürgisches Erzgebirge, Rodenauer Berge) und die Salzstöcke im Siebenbürgischen
Hochland erschlossen, Gewerbe und Handel vorangebracht. Bereits 1186 konnte der
ungarische König von den "hospites regis de Ultrasylvas" (den Gästen des Königs
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jenseits der Wälder) mit Abgaben in Höhe von 15.000 Silbermark rechnen (Wagner, 1981;
434–435).
Im kommunistischen Machtbereich
Unter dem Druck der sowjetischen Truppen erfolgte die stufenweise Machtübernahme durch
die Kommunisten in Rumänien. Im März 1945 wurde eine kommunistische Regierung
eingesetzt, im Dezember 1947 musste König Michael von Hohenzollern das Land verlassen.
Roter Terror überzog das Land: Bürgerliche Politiker und Intellektuelle wurden interniert,
politische Parteien verboten, die Wirtschaft verstaatlicht, die konfessionellen und privaten
Schulen aufgelöst, die Sozialisierung der Landwirtschaft eingeleitet.
Die Deutschen des Landes wurden – obwohl sie kaum Schuld am Kriegsgeschehen traf – in
eine Art nationale Sippenhaft genommen. Im Januar 1945 erfolgte die Deportation der
arbeitsfähigen Männer und Frauen zum Wiederaufbau in die Sowjetunion, unter ihnen etwa
30.000 Siebenbürger Sachsen. Sie wurden durch Hunger, Kälte und Seuchen dezimiert,
etwa ein Drittel starb eines elenden Todes; die Überlebenden schufteten z. T. bis 1952 in
den Kohlebecken Russlands, und der Rücktransport eines guten Teils erfolgte nicht in die
Heimat, sondern in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Die bereits Leidgeprüften
wurden so für Jahre und Jahrzehnte von ihren Familien getrennt.
In Siebenbürgen blieben die Sachsen jahrelang politisch rechtlos und waren als
"Hitleristen" der behördlichen Willkür ausgesetzt. Durch die Agrarreform von 1945 wurden
etwa 60.000 sächsische Bauern enteignet. Sie mussten ihre Höfe verlassen, die ihnen erst
1956 – inzwischen völlig verwahrlost – zurückgegeben wurden. In den Städten wurden nicht
nur die Großbetriebe und Banken verstaatlicht, sondern auch die kleinen Handwerker und
Kaufleute enteignet, ihre Häuser wechselten den Besitzer. Vom Genuss der 1945
zugesagten Minderheitenrechte wurden sie ausdrücklich ausgeschlossen, auch das
Wahlrecht wurde ihnen aberkannt. Nur die in anderen Ländern Osteuropas vorgenommene
Vertreibung und Racheakte des Staatsvolks, mit dem sie jahrhundertelang friedlich
zusammengelebt hatten, blieben den Siebembürger Sachsen erspart.
Die evangelische Kirche durfte fortbestehen; sie blieb in den schweren Jahren der
kommunistischen Diktatur die halbwegs intakte Einrichtung der Siebenbürger Sachsen, ihr
letztes Refugium. Ab 1949 wurden auch die Maßnahmen gegen die Deutschen allmählich
gelockert. Staatliche deutsche Schulen, eine deutsche Zeitung, deutsches Theater wurden
zugelassen. 1956 wurde den Rumäniendeutschen der Minderheitenstatus zuerkannt und die
Bauernhäuser oder Wohnungen für den Eigenbedarf (das heißt, nicht der gesamte Besitz)
zurückerstattet.
Trotzdem erfolgte eine radikale Veränderung der sozioökonomischen Schichtung: Bis 1945
waren etwa 85 % der Rumäniendeutschen als Selbständige tätig, darunter 70 % als
Bauern. Nach knapp einem Jahrzehnt, 1956, wies die erste Volks- und Berufszählung im
kommunistischen Rumänien nur noch 22 % in der Landwirtschaft tätige Deutsche aus, die
nun in den neuen, unrentablen LPGs arbeiteten. Viele wurden zu Industriearbeitern,
unverhältnismäßig hoch ist die Zahl deutscher Hochschulabsolventen. Viele nun besitzlose
Eltern opferten sich auf, um ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen. Doch auch diese
einzige Mitgift, die sie geben konnten, erwies sich als zwiespältig, denn gerade Intellektuelle
wurden im Kommunismus besonders verfolgt. Ein Hinweis auf den Schriftstellerprozess oder
auf die Verurteilung deutscher Studenten Mitte der fünfziger Jahre kann das belegen.
Enteignung und Industrialisierung haben die Bindung an den heimatlichen Boden
zunehmend gelockert und das Verhältnis zum rumänischen Staat nachhaltig zerrüttet,
allerdings nicht jenes zum rumänischen Volk, das sich in all den Jahren weitgehend tolerant
und korrekt verhalten hat. Versuche des kommunistischen Staates, wieder Vertrauen zu
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schaffen, blieben fruchtlos. So gab Nicolae Ceausescu in seiner "Reformphase" der
sechziger Jahre frühere Fehler offen zu und ließ einen Rat der Werktätigen deutscher
Nationalität gründen, der die Minderheit vertreten sollte. Die spätere Minderheitenpolitik des
Diktators bestätigte aber das Misstrauen, das man diesen Versuchen entgegenbrachte. Er
sprach bald offen davon, dass er eine einheitliche rumänische, überdies sozialistische Nation
zu schaffen gedenke. Der Gebrauch deutscher Ortsnamen wurde verboten, die
geschichtlichen Leistungen weitgehend verschwiegen, wie ein Blick in die damaligen
Geschichtslehrbücher zeigt. Ein Gesetz über den Schutz nationalen Kulturguts proklamierte
ein Obereigentum des Staates über jeglichen Besitz, private Bücher oder Möbel nicht
ausgenommen. Die immer unerträglicher werdende Diktatur mit ihrem Büttel- und
Spitzelapparat verstärkte die Sehnsucht nach Freiheit. Und auch das Streben nach
wirtschaftlicher Verwirklichung ist legitim.
All diese Faktoren erklären den Wunsch der meisten Siebenbürger Sachsen, ihre Heimat zu
verlassen. Zunächst ging es um die Zusammenführung der im Krieg und in der unmittelbaren
Nachkriegszeit auseinandergerissenen Familien. Wehrmachtsangehörige, die nach dem
Krieg nicht mehr zurückkehren konnten, in die Sowjetunion Deportierte, die in Frankfurt an
der Oder freigelassen wurden, suchten ihre Angehörigen. Sieht man von der einmaligen
Aktion des Roten Kreuzes im Jahr 1951 ab, dank der rund tausend Rumäniendeutsche nach
Deutschland gelangen konnten, erlaubte das kommunistische Regime erst ab 1958 einer
nennenswerten Anzahl Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben die Ausreise. Sie
zogen ihrerseits Angehörige nach. Verwandtenbesuche – nach Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Rumänien möglich – verstärkten die
Sogwirkung.
Für die Familienzusammenführung entwickelte sich ein "geregeltes Verfahren", in dem
materielle Interessen des rumänischen Staates eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Eine
Beschleunigung der Ausreise, die aber immer noch mit vielerlei Schikanen verbunden war,
brachte die im Januar 1978 zwischen Bundeskanzler Schmidt und dem rumänischen Diktator
abgeschlossene Vereinbarung über die erweiterte Familienzusammenführung, die jährlich
etwa 11.000 Rumäniendeutschen die Aussiedlung ermöglichte. Die Zahl der Anträge wuchs
beständig, ungeachtet der als erniedrigend empfundenen Festsetzung eines Entgelts für die
Ausbildungskosten des rumänischen Staates, die man als "Kopfgeld" und "Sklavenhandel"
bezeichnete.
Ausklang
Bis zum Umbruch in Rumänien im Dezember 1989 sind auf diese Weise insgesamt 242.326
Deutsche aus Rumänien in die Bundesrepublik gekommen, davon etwa die Hälfte
Siebenbürger Sachsen. Schon während der letzten Jahre vereinsamten die
Zurückgebliebenen. Verwandte, Freunde, Nachbarn fehlten, Kindergärten und Schulen
mussten wegen fehlender Schüler geschlossen werden. Nur noch 96.000 Siebenbürger
Sachsen erlebten in Rumänien den Sturz des Diktators. Als danach die Grenzen geöffnet
wurden, gab es kein Halten mehr. In kürzester Zeit schrumpfte die Zahl der in der Heimat
verbliebenen Sachsen auf etwa 25.000. Die Zahlen der rumänischen Volkszählung von 1992
(rund 100.000 sind dort als Deutsche ausgewiesen) sind in diesem Zusammenhang etwas
trügerisch.
Die in Siebenbürgen verbliebenen Sachsen leben verstreut in Ortschaften mit meist weniger
als 20 evangelischen Gemeindemitgliedern. Zusammenhalt bietet neben der Kirche das
Ende 1989 gegründete Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, das auch im
neuen rumänischen Parlament vertreten ist und – mit Unterstützung durch die deutsche
Regierung – zahlreiche Maßnahmen zur sogenannten Stabilisierung der deutschen
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Bevölkerung des Landes in die Wege geleitet hat, im wirtschaftlichem wie im kulturellen
Bereich, besonders im deutschen Schulwesen. Jedoch, die Jugend hat das Land weitgehend
verlassen, aktiv sind in Siebenbürgen die 55–70-jährigen. Die siebenbürgisch-sächsische
Gemeinschaft in ihrer jahrhundertlang auf- und ausgebauten Form geht ihrem Ende
entgegen. Ein Neuanfang in der Diaspora ist möglich. Er wird von der rumänischen
Regierung ebenso gewünscht wie von den ungarischen Mitbürgern, die beide den Verlust
dieses ausgleichend-vermittelnden Elementes im siebenbürgischen Raum vermissen. Doch
hängt der Fortbestand, auch dieser kleinen Gruppe, vor allem von den allgemeinen
Rahmenbedingungen ab, nicht zuletzt von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung
Rumäniens.
Die Aussiedler streben in Deutschland nach Integration. Sie wollen, wie sie es ausdrücken,
als "Deutsche unter Deutschen" leben. Die relativ gute Kenntnis der deutschen Sprache und
die gute Berufsausbildung ebnen ihnen diesen Weg, die eingangs angesprochenen
Identitätsfragen sind marginal. In kurzer Zeit werden sie zu – oft recht erfolgreichen –
deutschen Staatsbürgern. Die Sehnsucht nach der alten Geborgenheit in einer vertrauten
und übersichtlichen Gemeinschaft führt die vornehmlich älteren Siebenbürger Sachsen in
landsmannschaftlichen, kulturellen oder Heimatortsvereinen zusammen, die jüngeren
passen sich im Alltag und in der Aussprache schnell an und sind von ihren Mitbürgern nicht
mehr zu unterscheiden. Für sie ist bestenfalls das Interesse an der Herkunft, die Suche nach
den Wurzeln ein Bindeglied zur Heimat der Väter. Die Integration erfolgt dabei im Wege der
Identifikation mit der eigenen Vergangenheit, wie das fortbestehende Interesse an
Geschichte und Kultur des Herkunftsgebietes zeigt, das sich in der Abnahme einschlägiger
Geschichtswerke oder in eigenen Schul- oder Hochschularbeiten mit siebenbürgischer
Thematik artikuliert. Ob auf diese Weise die Geschichte der Siebenbürger Sachsen
weitergeht? Sie wird wohl ein Kapitel im Buch der gesamtdeutschen Geschichte bleiben, mit
Stichworten wie "Wehrkirchen", "Städtewesen", "Mittler zwischen Ost und West", "Vermittler
zwischen den Völkern und Kulturen Siebenbürgens", "Freiheitsliebe" oder "gering an Zahl,
nie Staatsvolk, trotzdem unter wechselnden Regierungen über fast neun Jahrhunderte die
Identität bewahrt".
Literaturverzeichnis:
1. Bezirksregierung Hannover „Spätaussiedler“
2. Bildungsverein Die Linde e.V. „Geschichte der Russlanddeutschen“
3. Bundesvertriebenengesetz (BVFG)
4. Gabany, Anneli Ute „Geschichte der Deutschen in Rumänien“
5. Gündisch, Konrad, Dr. „Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen“
6. N.N. Naumova „Russlanddeutsche Spätaussiedler in Thüringen“
7. Waffenschmidt, Horst, Dr. „ Integration deutscher Spätaussiedler in
Deutschland“ - Konrad- Adenauer-Stiftung
Monika Borza
Links:
www.Siebenbürgen.de
www.russlanddeutschegeschichte.de
www.sibiweb.de
www.viadrina.euv-frankfurt-o.de
www.konrad-adenauer-stiftung.de
www.uni-saarland.de
www.bpb.de
www.BVFG.de
www.uni-bielefeld.de
www.hfdr.de
www.aussiedlerbeauftragter.de
www.uni-koblenz.de
www.wolgaheimat.de
www.mediasch.de
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