doc - GUE/NGL

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EUROPÄISCHES PARLAMENT
2009 - 2014
Plenarsitzungsdokument
23.11.2010
B7-0680/2010
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zur Westsahara
Willy Meyer, João Ferreira, Rui Tavares, Sabine Lösing, Jacky Hénin,
Elie Hoarau, Patrick Le Hyaric, Miguel Portas, Ilda Figueiredo, Marisa
Matias, Marie-Christine Vergiat
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
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In Vielfalt geeint
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B7-0680/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Westsahara
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation
zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem
Königreich Marokko andererseits, insbesondere auf Artikel 2 dieses Abkommens,
– unter Hinweis auf den von Marokko unterzeichneten Internationalen Pakt der Vereinten
Nationen über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Resolutionen 1754, 1783, 1813 und 1920 der Vereinten Nationen
sowie auf alle vorangegangenen Resolutionen der Vereinten Nationen, in denen der
Konflikt in der Westsahara als ein Problem der Entkolonialisierung bezeichnet wird,
dessen Lösung auf dem Recht zur Selbstbestimmung der Saharauis gründen muss,
– unter Hinweis auf die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen für den Sicherheitsrat
verfassten Berichte über die Westsahara vom 14. April 2008 und 6. April 2010,
– unter Hinweis auf den Bericht seiner Ad-hoc-Delegation vom März 2009, insbesondere
auf ihre Empfehlungen zur Achtung und Einhaltung der Menschenrechte in der
Westsahara,
– unter Hinweis auf die Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch und der
Weltorganisation gegen Folter sowie auf den Bericht des UN-Hochkommissars für
Menschenrechte von 2008, in dem gravierende Verletzungen der Menschenrechte in der
Westsahara durch Marokko bestätigt werden,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Westsahara, insbesondere
diejenige vom 27. Oktober 2005,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 9. Oktober über 12.000 Saharauis El Aaiún verlassen und ein
Zeltlager mit 8.000 Behausungen errichtet haben, um friedlich gegen die unhaltbare
politische, soziale und wirtschaftliche Situation der Bewohner dieser Gebiete zu
protestieren,
B. in der Erwägung, dass am 24. Oktober Nayem El-Garhi, ein 14-jähriger Saharaui, von
marokkanischen Sicherheitskräften getötet und fünf weitere Personen verletzt wurden, die
sich auf dem Weg zum Protestlager Gdaim Izyk in den Außenbezirken von El Aaiún
befanden,
C. in der Erwägung, dass am 8. November die marokkanische Armee und Polizei einen
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brutalen Angriff gegen das Protest-Zeltlager durchführten, bei dem über ein Dutzend
Menschen getötet wurden – unter ihnen der spanische Staatsangehörige Bani Hamadi
Bujemaa –, Tausende Verletzungen davontrugen und Hunderte der im Zeltlager
Anwesenden verhaftet wurden,
D. in der Erwägung, dass es nach diesem Angriff in El Aaiún zu Protesten gekommen ist, die
unter exzessiver Anwendung von Gewalt und Folter sowie der Zerstörung von Häusern
von Saharauis und Angriffen marokkanischer Siedler gegen die Bewohner brutal
unterdrückt wurden,
E. in der Erwägung, dass das Königreich Marokko das Gebiet der Westsahara abgeriegelt hat
und unabhängigen Beobachtern den Zutritt verweigert, und dass mehrere seiner Mitglieder,
unter anderem Willy Meyer, nicht nach El Aaiún reisen durften,
F. in der Erwägung, dass aufgrund dieser Blockade durch Marokko keine Informationen über
die Lage in diesen Gebieten die Außenwelt erreichen,
G. in der Erwägung, dass Hunderte von Saharauis weiterhin ohne jeglichen Kontakt zu ihren
Familien festgehalten werden und dass acht von ihnen, darunter auch Ennaama Asfari, der
stellvertretende Vorsitzende des CORELSO, bereits einem Militärgericht überantwortet
wurden,
H. in der Erwägung, dass mehrere saharauische Menschenrechtsaktivisten, u.a. auch Ali
Salem Tamek, Brahim Dahan und Hammadi Naciri, nach ihrer Rückkehr von einem
Besuch der Zeltlager am 8. Oktober 2009 festgenommen wurden und weiterhin im
Gefängnis im marokkanischen Salé festgehalten werden,
I. in der Erwägung, dass die Westsahara ein der Kontrolle der Vereinten Nationen
unterstelltes Gebiet ohne Selbstregierung ist, dessen Entkolonialisierungsprozess noch
nicht abgeschlossen ist,
J. in der Erwägung, dass gemäß dem Völkerrecht das Königreich Marokko nicht nur in der
Westsahara über keinerlei Hoheitsrechte verfügt, sondern sogar eine Besatzungsmacht ist,
K. in der Erwägung, dass mehrere saharauische Menschenrechtsorganisationen, unter
anderem die CODESA mit ihrem Vorsitzenden Aminetu Haidar, Repressionen und
Einschüchterungsversuchen durch die marokkanischen Behörden ausgesetzt sind,
1. verurteilt die Gewaltanwendung durch die marokkanischen Behörden bei der Auflösung
der friedlichen Kundgebung im Protest-Zeltlager von Gdaim Izyk, die zu dem tragischen
Verlust von Dutzenden von Menschenleben und zahlreichen Verletzten geführt hat;
2. fordert eine unparteiische internationale Untersuchung unter UN-Schirmherrschaft, um die
Umstände aufzuklären, unter denen unschuldige Menschen ums Leben kamen, damit
derartige Vorfälle in Zukunft vermieden werden können;
3. fordert die Kommission und den Rat auf, das Assoziationsabkommen zwischen der EU
und dem Königreich Marokko sowie den fortgeschrittenen Status einzufrieren, bis das
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Königreich Marokko seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt, und zwar
insbesondere den Beschlüssen der UN-Resolutionen, in denen die Abhaltung eines
Referendums über die Selbstbestimmung in der Westsahara und der Abschluss des
Entkolonialisierungsprozesses im Hinblick auf eine Beendung der Besatzung durch
Marokko gefordert werden;
4. fordert die EU auf zu verlangen, dass sich das Königreich Marokko im Zusammenhang mit
der Zerstörung der natürlichen Ressourcen der Westsahara an die Bestimmungen des
Völkerrechts hält, insbesondere im Hinblick auf das Fischereiabkommen zwischen der EU
und Marokko;
5. betont erneut, dass, wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Oktober 1975 in
einem Gutachten feststellte, die Hoheitsgewalt Marokkos über die Westsahara nie
völkerrechtlich anerkennt wurde; stellt fest, dass Marokko das Gebiet der Westsahara
illegal besetzt hält und daher über keinerlei Hoheitsrechte über dessen natürliche
Ressourcen, insbesondere seine Fischereiressourcen, verfügt; betont, dass gemäß dem
Völkerrecht die Fischerei im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und
Marokko nur in Gewässern nördlich von 27º 40' nördlicher Breite zulässig ist;
6. verurteilt die willkürlichen Verfolgungs- und Repressionsmaßnahmen gegen Unschuldige
in Marokko und fordert das Königreich Marokko auf, diese Maßnahmen einzustellen;
7. fordert, dass das Königreich Marokko unabhängigen Beobachtern, Parlamentsmitgliedern,
Journalisten und humanitären Organisationen den freien Zugang zur Westsahara gestattet
und ihnen erlaubt, sich dort frei zu bewegen;
8. unterstützt die laufenden Verhandlungen unter der Vermittlung der UN und fordert die
beiden Parteien dazu auf, bei den laufenden Verhandlungen umfassend, ohne
Vorbedingungen und mit gutem Willen mit der UN zusammenzuarbeiten, um eine Lösung
zu erzielen, die die Ausübung des unverbrüchlichen Rechts auf Selbstbestimmung durch
das Volk der Saharaui gewährleistet;
9. unterstützt ohne Einschränkungen die Empfehlung seiner Ad-hoc-Delegation, in der die
UN aufgefordert wird, in ihr Mandat in der Westsahara auch die ungehinderte
Überwachung der Menschenrechtslage vor Ort aufzunehmen, um Maßnahmen, die nicht
mit der Achtung der Menschenrechte in Einklang stehen, aufzudecken;
10. fordert die Kommission auf, die Menschenrechtslage in der Westsahara weiterzuverfolgen
und regelmäßig Informationsreisen in dieses Gebiet zu unternehmen;
11. verurteilt die gegen saharauische Aktivisten laufenden Gerichtsverfahren und fordert die
Kommission auf, diese genau zu verfolgen;
12. fordert die Kommission und den Rat auf, auf das Königreich Marokko einzuwirken, damit
dieses gemäß Artikel 19 des Internationalen Pakts der Vereinten Nationen über bürgerliche
und politische Rechte alle saharauischen Menschenrechtsaktivisten und politischen
Gefangenen aus der Haft entlässt, insbesondere Ali Salem Tamek, Ahmed Alnasiri und
Brahim Dahane;
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13. fordert die Kommission auf, die humanitäre Hilfe für saharauische Flüchtlinge in Algerien
zu verstärken, die seit 35 Jahren unter unsicheren Bedingungen und in Abhängigkeit von
Hilfe von außen leben;
14. beschließt, eine Delegation in die Westsahara zu entsenden, um die Menschenrechtslage
vor Ort zu prüfen;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen
Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen, dem Präsidenten des UN-Menschenrechtsrates, dem Generalsekretär
der Afrikanischen Union, der Delegation für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern
und der Union des Arabischen Maghreb sowie dem Präsidium der Parlamentarischen
Versammlung Europa-Mittelmeer, der Regierung und dem Parlament Spaniens und
Marokkos und der Frente Polisario zu übermitteln.
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