Europa und Irak: Nicht nur. „Woher?“ sondern auch „Wohin?“ Gastkommentar von Alexander Schertz, München für www.transatlantic-networks.com Für die deutschen Medien ist es schon eine Binsenweisheit, dass der Irakkrieg ein großer Fehlschlag war. Der "Bürgerkrieg" steht im Zentrum der Berichterstattung. Kaum jemand interessiert sich hierzulande dafür, dass die meisten Provinzen des Irak relativ selten von Terrorakten heimgesucht werden. Etwa 80% der Anschläge passieren in Bagdad und der Provinz Anbar. Dagegen genießen die Kurden auf ihrem Territorium Freiheit und Selbstverwaltung in relativer Sicherheit. Es sollte auch nicht zu gering geschätzt werden, dass Verfassung und Regierung des Iraks inzwischen demokratisch legitimiert sind. Hohe Wahlbeteiligungen und Umfragen haben gezeigt, daß die große Mehrheit der Iraker die Demokratie auch will. Es gibt Pressefreiheit und eine breite öffentliche Diskussion über die Probleme des Landes. Der Irak hat endlich eine Regierung, die nicht nach Massenvernichtungswaffen strebt. Immerhin hat ein Land (Libyen) unter dem Eindruck der Intervention im Irak solche Bestrebungen ebenfalls - zumindest vorerst - aufgegeben. Die täglichen Gewalttaten im Zentrum des Landes sind natürlich eine furchtbare Belastung, mag man nun von Bürgerkrieg sprechen oder nicht. Eine Analyse der heutigen Situation sollte aber auch die Frage stellen, welche Alternativen es denn zum Sturz Saddam Husseins durch eine Intervention gab. Der Fortbestand der Diktatur hätte bei den immer wieder zu erwartenden Aufständen (mit sehr geringen Erfolgsaussichten) vielleicht nicht weniger Opfer gekostet als die heutigen Terroranschläge. Selbst die internationalen Sanktionen gegen das Regime Saddam Husseins hatten ungewollt viele tausend zivile Opfer verursacht, die natürlich nicht so ins Auge der TV-Kameras fielen wie die heutigen Opfer von Bombenanschlägen. Der Irak-Krieg war nur dann verfehlt, wenn ihn die friedenswillige Mehrheit der Iraker und die demokratischen Länder der Welt letztlich verlieren. Zehn- oder zwanzigtausend Terroristen können sich durch völlige Rücksichtslosigkeit gegenüber menschlichem Leben (einschließlich ihrem eigenen) aber nur dann durchsetzen, wenn ihre Gegner in den demokratischen Ländern ihre haushohe materielle Überlegenheit nicht mit einem langen Atem und Opferbereitschaft verbinden. Die Folgen einer Niederlage im Irak, der ein Desaster in Afghanistan auf dem Fuße folgen dürfte, wären katastrophal. Amerikaner und Europäer müssen mit aller Kraft an einem Strang ziehen, um das zu verhindern. © www.transatlantic-networks.de