Absender: Harald Lübcke, Alt – Mariendorf 24, 12107 Berlin. 26.9.02 [email protected] An: Vorstand FA I z. Hd. Karl-Heinz Niedermeyer und Siegfried Seidl Betr.: TOP 4 Sitzung 25.9.02, Irak Lieber Karl – Heinz, mit meinem Beitrag hier möchte ich den Vorstand unterstützen, Gerhard Schröder den Rücken zu stärken, damit er seine „vernünftige“ und „eigenständige“ Politik fortsetzen möge. *Deutschland kann sehr wohl eine eigene Position vertreten. Wie jeder andere souveräne Staat. Das ist schon durch die Ereignisse als Folge des Ersten und Zweiten Weltkrieges begründet, was auch in den Bedingungen zur Wiedervereinigung ( z.B. Begrenzung der Truppenstärke, welchem souveränen Staat wird das sonst noch vorgeschrieben?) erkennbar wird. Die Wahlpropaganda der CDU mit ihrem Isolierungsslogan darf uns nicht irritieren. Frankreich mit seinen Agrarsubventionen, GB mit dem Extraweg in Europa. Jede Nation hat ihre eigenen Ziele und Wertungen. Deutschland kann nach seinen zwei gescheiterten Versuchen, die Hegemonie in Zentraleuropa zu erlangen, durchaus einen betont friedlichen Weg gehen. Schröder kann mit gutem Gewissen und mit Recht sagen, dass wir uns nicht militärisch im Irak engagieren. ( Bismarck hat einmal einem Afrikaforscher in der Kolonialfrage geantwortet: Hier liegt Russland und hier Frankreich und wir liegen dazwischen. Das ist meine Karte von Afrika. Später hat er allerdings dann doch der Bildung dt. Kolonien zugestimmt.) *Deutschland muß dennoch die Bedingungen der Völkergemeinschaft (UN-Resolutionen) anerkennen. Und diese legen die Kriterien für die Einwirkung der Völkergemeinschaft in den Irak fest. Wir können uns daran halten und brauchen keine eigenen Kriterien zu erarbeiten. Dennoch ist es gut, in unserem FA sozusagen spielerisch, um es besser zu verstehen, einen Katalog zu diskutieren. Allerdings, für eine Beschlussfassung an höhere Gremien, Landesvorstand, Fraktion oder Regierung sollte eine andere Zielrichtung verfolgt werden. Ermunterung zu einer Linie, die eine umfassende und konstruktive Lösung im Nahen Osten verfolgt. *Der Konfliktbereich um Irak – Iran – Palästina ist weiträumig zu betrachten und nicht auf ein einziges, kleines Land (Staat) zu verengen. Gemäß J. Fischers Maxime ist der Nahe Osten als Ganzes zu betrachten und eine Friedensinitiative muß die endgültige Regelung der Verhältnisse in Palästina (Paläst. Staat, Regelung der Flüchtlingsfrage etc.) mit einbeziehen. Daß die Bush-Administration das nicht tut und dass Bush im Gegensatz zu Clinton keinerlei wesentliche oder sichtbare Schritte in dieser Richtung unternimmt, entlarvt die amerikanische, auf Saddam Hussein verengte Sichtweise als nicht ernst gemeinte Initiative im Hinblick auf die Friedensordnung im Nahen Osten. Die Bundesrepublik Dtld. kann sehr wohl – im Gegensatz zur Bush-Administration - eine übergeordnete Zielsetzung im Nahen Osten verfolgen – und das natürlich möglichst zu einem europäischen Konsens führen. Die Terrorismusbekämpfung ist ein völlig anderes Thema. Die Solidarisierung mit Amerika nach dem 11.9.01 ist in der weltweiten Abwehr archaisch fundamentalistischer Auffassungen über Religion begründet, die physische Gewalt im Zusammenhang mit einer bestimmten religiösen Haltung zuläßt und sogar propagiert. Auch wenn dabei bestimmte politische Zustände der Gegenwart mit hineinspielen. Eine gewisse Relation zu dieser archaisch fundamentalistischen Haltung kann natürlich in dem Problemkreis in Palästina nicht geleugnet werden, allerdings nicht in der exzessiven Ausprägung wie beim weltweit agierenden Terrorismus. Die Sicherung des Staates Israel hat jedoch moderne Ursachen und kann heute von niemand mehr in Frage gestellt werden. Saddam weiß, dass sein Staat durch das israelische Waffenarsenal in seiner Existenz bedroht werden würde, wenn er Israel mit den als „gefährlich“ eingestuften Waffen angreifen würde. Israels Verteidigungskraft reicht sicher aus, um seine Existenz zu sichern. Daß die Bush-Administration bei ihrer Politik gegen Saddam den Schutz Israels nicht herausstellt und betont, ( und nicht annähernd so seriöse Schritte wie Clinton unternimmt) verweist auf den Verdacht, dass es ihr um ganz andere Ziele geht – und dem müssen wir uns nicht (direkt) anschließen. Fischers Nahostinitiativen sollten fortgesetzt werden. Das Angebot der Bundesrepublik, bei allen möglichen Friedensregelungen mitzuwirken – selbst beim Aufbau einer zivilen Infrastruktur im Irak, falls Amerika im Alleingang das kleine Irak zerstören sollte – sollte verstärkt erklärt werden. Deutschland kann seine Bereitschaft zu Aktivitäten, die den Weltfrieden fördern, erklären – ohne Amerika öffentlich zu kritisieren - und unter ausdrücklicher Nennung der Anerkennung der absoluten Rechtsetzungsgewalt der UN. Keine deutschen Soldaten in den Irak – aber das Angebot, wie in Afghanistan, zur Bereitschaft der Aufbauhilfe bei Ordnungsstrukturen – das halte ich für einen vertretbaren deutschen Weg. Und diese übergeordnete Zielsetzung halte ich für besser, als die von Amerika aufoktroyierte, verengte Sichtweise auf das Waffenarsenal des Irak. Dazu müssen wir keine Stellung beziehen. Das können wir getrost den UN überlassen. Herzliche Grüße, Harald Lübcke