Die ökologische Stadt

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Die ökologische Stadt
Hauptseminar „Regionale Nachhaltigkeit“
im SS 1999
bei Prof. Michael Matthies
Thorsten Schelhorn
30. Juli 1999
A.
DEFINITIONEN UND BEGRIFFE ............................................................................................................ 3
1.
2.
3.
B.
WAS IST EINE STADT? .................................................................................................................................. 3
WARUM AGGLOMERATION? ........................................................................................................................ 4
WAS HEIßT ÖKOLOGISCH? ............................................................................................................................ 4
HANDLUNGSFELDER ............................................................................................................................... 7
1.
2.
3.
4.
5.
ABFALL........................................................................................................................................................ 7
WASSER ....................................................................................................................................................... 7
ENERGIE ...................................................................................................................................................... 7
VERKEHR ..................................................................................................................................................... 8
FLÄCHE ........................................................................................................................................................ 9
C.
KÖNNEN STÄDTE ÖKOLOGISCH SEIN? ........................................................................................... 11
D.
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................... 12
Thorsten Schelhorn
Ökologische Stadt
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A. Definitionen und Begriffe
1. Was ist eine Stadt?
Die einfachst Definition der Stadt berücksichtigt nur die Einwohnerzahl eines geschlossenes Siedlungsgebietes;
diese Einteilung ist relativ alt und verwaltungstechnisch motiviert. Danach stehen in Deutschland schon
Siedlungen ab 2000 Einwohnern im Rang einer Kleinstadt, Städte über 100000 Einwohner sind Großstädte [Bähr
1992]. Für wissenschaftliche Betrachtungen angemessener ist z.B. die Definition einer Stadt als
größeres geschlossenes Siedlungsgebiet mit hoher Wohn- und Arbeitsstättendichte,
geringem Anteil landwirtschaftlicher Arbeitsplätze und zentraler Bedeutung für das
Umland [de Lange 1995].
Zum einen spielt also neben der Größe die Erfüllung vielfältiger Funktionen (z.B. Wohnen, Arbeiten, Freizeit)
eine Rolle, zum anderen darf die Stadt nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer in Zusammenhang mit
ihren Umlandbeziehungen.
Natürlich unterscheiden sich Städte strukturell sehr untereinander, z.B. bedingt durch die Größe, von der
Kleinstadt über "kleine Großstädte" (Osnabrück) und Metropolen (Hamburg) bis hin zu Stadtagglomerationen
wie dem Ruhrgebiet; oder bedingt durch Kulturkreis und Alter (z.B. die alte, historisch gewachsene,
frühindustrialisierte, (west-) europäische Stadt vs. nordamerikanische Städte mit ausgeprägten Central Business
District (CBD) vs. explodierende Metropolen der Entwicklungs- und Schwellenländer) (s. Abbildung 1). Im
Zentrum der folgenden Betrachtungen wird "die" europäische Stadt stehen.
Abbildung 1: Räumliche Stadtmodelle. Diese Modelle werden als die
klassischen Modelle bezeichnet und bieten beschreibende
Generalisierungen der Flächennutzungsstruktur.
1. CBD; 2. Kleingewerbe, Handel; 3. billige Wohnviertel; 4. mittlere
Wohnviertel; 5. gute Wohnviertel; 6. Industrie; 7. Gewerbe; 8. Vorstadt; 9.
Industriegebiet; 10. Pendlerzone.
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Ökologische Stadt
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2. Warum Agglomeration?
Mit der Seßhaftwerdung entstanden Staatsgebilde mit zentralen Verwaltungsapparaten, die einerseits versorgt
werden mußten und damit Handel generierten, andererseits die Bedürfnispyramide nach oben erweiterten durch
die Nachfrage nach Luxusgütern, Kultur und Dienstleistungen; eine arbeitsteilige, differenziertere Gesellschaft
entstand. Begleitet wurde dieser Prozeß von Rationalisierungen in der Landwirtschaft [Bähr 1992, S. 95ff; Hahn
93, S. 33ff, Jischa 1993, Kap. 1.4f].
Die Gründe für Verstädterung haben sich seitdem wenig geändert:




In der Stadt herrschen Angebots- und Nachfragevielfalt, es existieren mehr Nischenmärkte, und es sind
auch sehr selektive Angebote (z.B. Oper) möglich;
die Märkte sind nicht nur differenzierter, sondern auch größer;
kurze Wege ermöglichen hohe Verflechtung und effizienteres Wirtschaften (Agglomerationseffekte:
[Schätzl 1993, S. 32];
landwirtschaftliche Produkte haben sehr geringe oder gar negative Gewinnmargen.
Der Verstädterungsgrad in westlichen Industrieländern liegt inzwischen bei 80%, Schwellen- und
Entwicklungsländer holen den Abstand sehr schnell auf, da die Stadtbevölkerung weit überproportional
wächst.Verstädterung führt heute überall auf der Welt zur Entstehung von großen Städteansammlungen und
Verdichtungsräumen, z.B. im Jangtse-Delta oder an der USA-Ostküste von Boston bis New York.
Abbildung 2: Angaben zum Verstädterungsprozeß in Industrie- und Entwicklungsländern. [Bähr 19992,
S. 78]
Die Grenzen von Stadt und zugehörigem Umland sind nicht klar zu bestimmen, sondern fließend bzw. fraktal
[Batty 1994].
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Ökologische Stadt
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Verstädterung kann auch verstanden werden als Urbanisierung des Lebensstils, insbesondere in den
hochentwickelten Industriestaaten [Bähr 1992, S. 96]; d.h. auch in eher ländlichen Räumen werden von den
Bewohnern ein städtisches Angebot an Gütern und Dienstleistungen erwartet.
3. Was heißt ökologisch?
Ökologie wird durchaus unterschiedlich verstanden. Zwei Interpretationen des Begriffs seien hier aufgegriffen:


Ökologie als Umweltschutz verstanden lenkt das Augenmerk auf technische Maßnahmen, beispielhaft
seien Schadstofffilter und Deponieabdichtung genannt.
Ökologie als "Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt"
(Haeckel 1866) eröffnet breitere Perspektiven: Die Stadt "lebt" als Organismus in ihrem Umland, hat
einen Stoffwechsel und Stoffhaushalt, der auf dem Verhalten der Akteure in der Stadt beruht.
Welche Stoffströme und Tätigkeiten den Stoffhaushalt einer Stadt umfaßt, ist in anderen Beiträgen behandelt
worden. Aus der Perspektive der Stadt betrachtet liegen die Quellen und Senken für die Stoffströme meistens
außerhalb; die dadurch entstehenden Umweltkosten fallen deshalb hauptsächlich außerhalb der Stadt an, werden
also externalisiert. Beispiele sind z.B. fallende Grundwasserspiegel durch Trinkwassergewinnung, überhöhte
Nitratkonzentrationen infolge industrialisierter Massenproduktion von Nahrung, oder der Export von Sondermüll
(s. Abbildung 3).
Es gibt noch weitere Wirkungen der Städte auf das Umland, die sich nicht oder nur schlecht in Stoffbilanzen
ausdrücken lassen, aber trotzdem ökologisch relevant sind, z.B. den Bedarf an Verkehrsflächen zwischen
Städten, die Nutzung des Umlands für Erholungszwecke oder den Flächenbedarf für Stadterweiterungen.
Zusammenfassend könnte man behaupten, die Stadt lebt mehr oder weniger parasitär vom Umland: sie nimmt
viele (Umwelt-) Funktionen in Anspruch und bietet wenig direkten Ausgleich [Weizsäcker 1997, Kap. 13].
Abbildung 3: Beziehungen zwischen Stadt und Umwelt
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Ökologische Stadt
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4. Messung von Umweltverbrauch
Es existieren Konzepte für die Bemessung und Bewertung von Umweltverbrauch, d.h. wieviel Umwelt eine
Region oder Durchschnittsperson in Anspruch nimmt; diese Werte lassen sich dann für Städte hochrechnen,
wodurch man eine Abschätzung für die Größe des Hinterlandes einer Stadt erhält, das eine nachhaltige
Versorgung sicherstellen würde. Obwohl in anderen Beiträgen schon vorgestellt, seien drei davon hier nochmals
erwähnt:
 MIPS/FIPS (Material- / Flächenintensität Pro Serviceeinheit), ökologischer Rucksack; entwickelt am
Wuppertal Institut [Hinterberger 1996, S. 91ff.];
 Umweltraum, entwickelt im Rahmen der Studie "Sustainable Netherlands" [Hinterberger 1994, S.97];
 ökologischer Fußabdruck, entwickelt an der Uni Vancouver [Rees 19xx].
Die letzteren bezeichnen den "Raum ..., der ein stabiles Niveau an relevanter Umweltqualität und erneuerbaren
Ressourcen gewährleistet" [Hinterberger 1996, S. 39].
Die Ergebnisse von solchen Berechnungen sind:




80% der Materialströme dienen den Bedürfnissen von 20% der (Welt-) Bevölkerung, nämlich der der
hochverstädterten Ersten Welt.
Die anthropogenen Stoffströme liegen in der Größenordnung der geogenen.
Damit das derzeitige Wirtschaften der Erdbevölkerung nachhaltig sein könnte, bräuchte man bereits
jetzt die Fläche von 1-2 Erden, inkl. der Meere [Hinterberger 1996, S. 98; Rees 1997, S.86].
Die Lebens- und Wirtschaftsweise der Industrienationen benötigt etwa das 3-10fache ihrer Fläche ((s.
Tabelle)). Nach Rees' Berechnungen benötigt z.B. ein Deutscher 5,21ha, gut 2,5mal soviel wie ihm
rechnerisch global zur Verfügung stünden; der deutsch Kaffeekonsum benötigt alleine 12000km 2
Fläche, Londons Fußabdruck beträgt 120mal Londons Fläche [Rees 1997, S. 127].
Diese Studien belegen eindrucksvoll, daß sich der heute gepflegte konsumorientierte städtische Lebensstil
drastisch ändern, d.h. seine ökologischen Auswirkungen um den Faktor 10 einschränken muß.
Abbildung 5: Ökologischer Fußabdruck von
Deutschland [Rees 1997, S. 109]
Abbildung 4 : Fußabdrücke verschiedener Länder
im Vergleich [Rees 1997, S. 136]
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B. Handlungsfelder
Zur näheren Betrachtung werden fünf Problem- und Handlungsfelder herausgegriffen:
Abfall
Wasser
Energie
Verkehr
Fläche
1. Abfall
Abfall steht ganz am Ende der Produktions- bzw. Verbrauchskette. In Deutschland sind die
Abfallbehandlungsmethoden im internationalen Vergleich recht weit fortgeschritten, von der Deponieabdichtung
und -rekultivierung über Mülltrennung bis zur relativ sauberen thermischen Verwertung, die städtischen
Handlungsmöglichkeiten gering, sobald der Müll einmal angefallen ist. Das Ziel ist bekannt und heißt - in dieser
Reihenfolge -: Vermeidung - Wiederverwendung - Recycling - Downcycling. D.h. insbesondere die
Verwendung und Förderung langlebiger und reparaturfähiger Güter, wozu durchaus auch Gebäude zu zählen
sind. Insbesondere die enorme Menge an problematischem Bauschutt (60% Anteil am Müllaufkommen 1984
[Gelfort 1993, S. 94]) sollte durch die Wahl geeigneter Materialien (Holz, Naturstein, Stahl) und Bauteile sehr
weit zurückzuführen sein.
In den übrigen Industrie- und Schwellenländern ist die Situation meist weniger gut, spezielle Behandlung von
gefährlichen Abfällen findet in geringerem Maße statt. Daß die Megastädte der Dritten Welt beim
Müllaufkommen besser abschneiden, ist nur scheinbar paradox, da zum einen (unfreiwillig) weniger konsumiert
und verbraucht wird, zum anderen der Müll der Wohlhabenderen die Lebensgrundlage für die Armen ist; statt
grundsätzlich umweltfreundlichem Verhalten ist also eine schwere Schieflage der Gesellschaftsstruktur die
Ursache.
2. Wasser
Eine Stadtregion benötigt Wasser für die Industrie als Kühl- und Prozeßwasser, in Haushalten zum Waschen,
Reinigen und sanitäre Anlagen, und als Trinkwasser, in anderen klimatischen Regionen auch verstärkt zur
Bewässerung öffentlicher oder privater Grünflächen. Die Wassermengen, die über den minimalen Grundbedarf
(Nahrungsmittel) hinausgehen, sind enorm: Brauchte ein Pariser im Jahre 1850 etwa 1,33l pro Kopf und Tag,
sind es heute in Frankreich durchschnittlich etwa 320l [White 1994, S. 133], der Grundbedarf spielt so gut wie
keine Rolle mehr. Es sind die drei Teilbereich Gewinnung, "Verbrauch" und Abwasser zu betrachten.
In der Industrie sind in Produktionsprozessen möglichst geschlossene Wasserkreisläfe anzustreben, d.h. geringer
absoluter Durchflußraten, was z.B. durch Internalisierung von Abwasseraufbereitungskosten erreicht werden
kann, so daß saubere, wassersparende Prozesse wirtschaftlich lohnend werden. Beispiele sind in der Chipbranche
oder der Großchemie realisiert.
In den Haushalten sollte wassersparende Sanitärtechnik die Norm sein (Einsparung ~33%), Regenwasser
zumindest nicht abgeleitet, sondern versickert oder für Freiflächengestaltung verwendet werden. [Gelfort 1993,
S.99]. Aufwendigere Maßnahmen wie Nutzung als Grauwasser für WC und Waschen sind in Mitteleuropa nur
bei nicht ausreichenden lokalen Vorkommen sinnvoll [Spektrum 1998, S. 97]; für aride Regionen hingegen
bedeuten mitteleuropäische Standards wie Toiletten mit Wasserspülung Wasserverschwendung.
Auf der Gewinnungsseite ist eine möglichst lokale Versorgung anzustreben, im Vordergrund steht jedoch der
Erhalt der Grundwasseraquifere, nicht nur aus Nachhaltgkeitsgründen für die zukünftige Nutzung, sondern auch
wegen der Erhaltung des Untergrundes: Bangkok z.B. liegt zum großen Teil mehrere Dezimeter unter dem
Niveau der herbstlichen Sturmfluten aufgrund von extensiven Grundwasserentnahmen im Stadtgebiet [White
1994, S. 124]. Mexiko als zweites Beispiel lag einst auf einer wasserreichen Hochfläche mit Seen - heute müssen
die Trinkwasserbrunnen regelmäßig vertieft werden.
Das Problem auf der Entsorgungsseite ist - global gesehen - noch drängender: Die meisten größeren Großstädte
dieser Erde liegen an Küsten oder Flüssen, und die meisten davon, und sogar viele in der EU (insbesondere in
südlichen Ländern), haben nur ungenügende oder keine Kanalisation und Kläranlagen. Das ist nicht nur ein
Problem für die "Umwelt", sondern auch für die Menschen, die verschmutztes Wasser für alle möglichen
Zwecke benutzen müssen, vom Waschwasser bis zur Nahrungszubereitung. Die Beseitigung dieser
unhygienischen und unökologischen Zustände erfordert aber große finanzielle Aufwendungen für Kanalisation,
Wasserleitungen und andere Infrastruktur, die viele Städte als Kommunen nicht leisten können.
3. Energie
Hier soll nur der Energieverbrauch der Haushalte betrachtet werden. Es ist deutlich, daß das größte
Einsparpotential bei der Raumwärme gegeben ist, und zwar sehr wenig durch Umstieg auf andere Energieträger
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Ökologische Stadt
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mit höherer Energieeffizienz, sondern viel mehr durch Raumdämmung und passive Wärmenutzung (bis 80%
nach Schwedennorm), Absenken der Raumtemperatur, was außerdem positive gesundheitliche Effekte hätte, und
intelligente Raumheizungssysteme [Gelfort 1993, Spreng 1995].
Alternative Energiequellen und -formen, die in Städten realisierbar sind, sind Geothermie, Sonnenkollektoren
(auch für Warmwasser) und Blockheizkraftwerke, was auch den Vorteil einer dezentralen kommunalen
Energieerzeugung hätte. Effizientere Haushaltsgeräte und abschaltbare Elektronik sind ein weiterer Schritt.
Der Energiebereich ist derjenige, wo in absoluten Zahlen ausgelöste Stoffströme und Umweltfolgen am
einfachsten reduzieren ließen. Stichworte dafür sind Negawattkraftwerke, Least-Cost-Planung [Müller 1994, S.
145f.] und dezentrale Energieversorgung mit Kopplungseffekten und wenig Umwandlungsstufen (vgl.
Abbildungen 6 und 7 sowie [Jischa 1993, Kap. 4.4]).
Abbildung 7: Energieverbrauch von Haushalten in
Westdeutschland für 1991, in PJ [Spreng 1995, S. 26]
Abbildung 6: Effizienz verschiedener
Raumheizungssysteme [Spreng 1995, S. 26]
4. Verkehr
Verkehr findet überall auf der Welt hauptsächlich zwischen und in Siedlungen statt, als Berufs-, Ausbildungs-,
Einkaufs- oder Freizeitverkehr oder als Gütertransport; sein Aufkommen hängt direkt mit der Anzahl der
Menschen und dem Grad ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten zusammen. Verkehr ist notwendig für das
Wirtschaften zum Austausch von Waren und Dienstleistungen, und, mehr als das, Mobilität ist selbst zum Wert
und Ausdruck von Individualität geworden (vgl. das Motto "freie Fahrt für freie Bürger"). Leider bewirkt er
große ökologische Probleme, sowohl in den Städten als auch direkt und indirekt darüber hinausreichend :
Luftverschmutzung, Lärm und Flächenverbrauch bzw. Versiegelung sind die bedeutendsten; nebenbei fordert er
allein in Deutschland einige Tausend Tote im Jahr. Hauptträger der Verkehrslast im Güterverkehr in den
Industriestaaten ist der LKW, im Personenverkehr der PKW, Effizienzsteigerungen der Fahrzeuge werden mehr
als wettgemacht durch die Zunahme des Fahrzeugbestandes, höhere Laufleistungen, und speziell im
Personenverkehr durch höhere Durchschnitts- und Endgeschwindigkeiten [Monheim 1990].
Abbildung 8: Entwicklung der
Personenverkehrsleistung in den alten
Bundesländern [Gaßner 1997, S. 102]
Abbildung 9: Schadstoffemissionen in Deutschland (alte
Bundesländer) 1990 [Gaßner 1997, S. 102]
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Was kann man auf der Ebene der Stadt bzw. des Städters zur Ökologisierung des Mobilitätsverhaltens tun? Die
Einschränkung von Mobilität ist dabei nicht erwünscht. Die Stadt kann z.B. die Kosten für den Gebrauch des
Privatwagens steigern durch Park- und Straßengebühren oder durch entsprechende Parkvorschriften oder
zeitbegrenzte Straßensperrungen. Solche Maßnahmen schlagen in aller Regel fehl und erzeugen oft mehr
Verkehr durch Umwege und Parkplatzsuche (z.B. Utrecht, Athen, [Mahrarens 1991, S. 203f.]). Wer den modal
split nachhaltig beeinflussen will, muß psychologisch subtiler ansetzen: Durch entsprechende Angebote und
Informationskampagnen den Bürger davon überzeugen, daß ÖPNV komfortabel, billig, schnell und verfügbar
ist, zeitlich wie räumlich; daß man zu Fuß und mit dem Rad flexibel und sicher viele Ziele erreichen, d.h.
Funktionen nutzen kann. (Das setzt natürlich bestimmte strukturelle Eigenschaften des Siedlungsgebietes voraus,
auf die im nächsten Abschnitt "Fläche" eingegangen wird.) Wichtig zu sein scheint nach den Erfahrungen aus
verschiedenen Modernisierungsprojekten (Zürich, Bremen, Karlsruhe et alt., [Monheim 1990, Teil 4]) eine
einfache Tarifstruktur, insbesondere Zeitkarten für relativ große Zonen. Osnabrück mag zwar kein Vorreiter zu
sein, aber inzwischen hat Osnabrück als Beispiel ein ansprechendes und akzeptables und durchaus erfolgreiches
ÖPNV-Angebot. Auf der anderen Seite muß das Angebot und die "Durchfahrbarkeit" für den motorisierten
Individualverkehr reduziert werden, so daß das Auto als Fortbewegungsmittel in der/ in die Stadt seine
Attraktivität verliert und nach und nach nur noch für die Funktionen benutzt wird, für die es sinnvoll ist, nämlich
Tür- zu Tür-Transporte sperriger und schwerer Gegenstände und in ihrer Mobilität eingeschränkter Leute.
Abbildung 10: Der ökologische Fußabdruck eines Pendlers, der zweimal am Tag 5 Kilometer zurücklegt.
Nimmt er das Fahrrad, so belegt er rund 130 Quadratmeter; steigt er in den Bus, so sind es 310
Quadratmeter; zieht er das Auto vor, so beansprucht er 1250 Quadratmeter.
5. Fläche
Fläche ist gewissermaßen die Währung des Stadtplaners; je bedeutender eine Funktion oder Tätigkeit in der
Stadt ist, desto mehr und prominentere Flächen nimmt sie üblicherweise in Anspruch. Besonders versiegelte
Fläche, also Verkehrsfläche und überbaute Flächen, sind ökologisch nachteilig, vor allem wegen des gestörten
Wasserhaushalts. Neben dem relativen Anteil versiegelter Fläche ist aber ebenso die absolute Siedlungsfläche zu
beachten; weit auseinandergezogene Siedlungen mit vielen Freiflächen benötigen längere und mehr
Verkehrswege (s. Abbildung). Eine ökologisch orientierte Stadtplanung muß also zwei Ziele verfolgen:
Begrenzung des Wachstums nach außen, d.h. in erster Linie Verdichtung, und bestmögliche Nutzung im Innern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nutzungsverteilung. Man glaubte lange, der Königsweg zum Bau
angenehm bewohnbarer Städte wäre die strikte räumliche Trennung verschiedener Nutzungen, besonders
Gewerbe und Wohnbebauung. Um die Jahrhundertwende wurde z.B. die Gartenstadt propagiert, und auch die
Charta von Athen als Manifest modernen Städtebaus enthielt schon dieses Prinzip. In den Jahren des
wirtschaftlichen Aufstiegs nach dem zweiten Weltkrieg spielten Umweltgedanken keine große Rolle, die
Zielvorstellung waren immer noch funktional segregierte und besonders autogerechte Städte. Man handelte sich
damit folgende Probleme ein:
1.
2.
3.
Die Umweltbeeinträchtigungen durch die Industrie beschränkten sich nicht auf ihre unmittelbare
Umgebung.
Die Trennung erzeugte weiträumigen Verkehr.
Der Verkehr beruhte zunehmend auf dem Auto.
Heute versucht man das Gegenteil zu verwirklichen, nämlich Mischung der Funktionen, mit folgenden
Argumenten (oder Hoffnungen?):
1.
2.
Wege werden kürzer, d.h. besser ohne Autos zurückzulegen.
Interessenkonflikte werden sichtbarer, d.h. Einwohner der Stadt sind durch Lärm und Abgase in
unmittelbarer Nähe betroffen und werden eine Verbesserung einfordern.
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3.
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Die soziale Integration innerhalb von Stadtquartieren wird intensiver, da sich a) die sozialen
Interaktionen auf kleinere Räme und deshalb weniger Interaktionspartner beschränken, und b) Straßen
und Plätze vom reinen Verkehrsraum zum Lebensraum wandeln.
Ziel ist dabei nicht nur, direkte ökologische Effekte zu erzielen, sondern durch lokale Betroffenheit
Handlungsbewußtsein und Identifizierung mit der (städtischen) Umwelt herzustellen [Hahn 1993].
Abbildung 11: Autobenutzung und zurückgelegte Strecke [White 1994, SW. 108]
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C. Können Städte ökologisch sein?
Eine Stadt als hochartifizielles anthropogenes System stellt gerade das Gegenteil zur Natur dar. Insofern wird
sich nicht erreichen lassen, daß sie ökologisch neutral auf die Umwelt wirkt. Auch in Bezug auf ihr benötigtes
Umland, das Rohstoffe, Nahrung etc. bereitstellt, wird die Stadt immer eine negative ökologische Bilanz
ausweisen - an ihrer parasitären Eigenschaft wird sich prinzipiell kaum etwas ändern lassen (Die aufwendigen
Biosphere-Projekte, die nachhaltiges Leben unter einer Käseglocke ermöglichen sollten, sind gescheitert). Die
Frage könnte also realistischer so gestellt werden: Sind Städte weniger ökologisch als eine entsprechende Zahl
kleinerer Siedlungen, bzw. was ist die ideale Siedlungsgröße?
Dagegen spricht:



großer Bedarf, d.h. große In- (und deshalb auch Out-) putströme auf relativ kleiner Fläche
Stadt-Umwelt-Beziehungen nicht transparent für Bewohner und deshalb nicht bewußt wahrgenommen
zu große Ströme/Mengen nicht mehr effizient zu behandeln [White 1994, S. 43]
Dafür spricht:



große Mengen/Ströme sind effizienter zu behandeln, z.B. bei Deponierung oder Müllverbrennung
(Stadt und Umwelt, S. 164)
rämliche Dichte von Angebot und Nachfrage vermeidet lange Wege
(Weitere Argumente in [Mahrarens 1991, S. 164f.])
Die denkbar ungünstigste Kombination wären kleine ländliche Siedlungen zusammen mit dem Anspruch auf ein
urbanes wirtschaftliches und kulturelles Angebot, denn Städte (d.h. eine gewisse Nachfrage) sind unverzichtbar
für gewisse Angebote. Andererseits sind Städte ab gewisser Größe und Wachstumsrate nicht mehr "managable";
d.h. Umlandverflechtungen sind nicht mehr regional zu begrenzen bzw. der Ausbau der Infrastruktur kann mit
dem Wachstum nicht mithalten.
Die denkbar günstigste Kombination wären demzufolge kompakte Städte mittlerer Größe und Dichte mit
kleinrämiger Binnenstruktur. Wirkliche ökologische Effekte kann man aber erst erreichen, wenn sich alle
Akteure in den Städten ökologisch bewußt verhalten, also, wie anfangs angedeutet, durch eine
Verhaltensänderung bzw. eine Änderung des Lebensstils.
Thorsten Schelhorn
Ökologische Stadt
12
D. Literaturverzeichnis
Rahmenbedingungen:
[Agenda 21], [BUND 1996], [Hinterberger 1996], [Weizsäcker 1997]
Stadt und Umwelt allg.:
[Hahn 1993], [White 1994], [Knoll 1997]
Beispiele für ökologische Projekte in der Stadt:
[Gelfort 1993], [Hahn 1987], [Mahrarens 1991], [Wolpensinger 1998]
Verkehr:
[Gaßner 1997], [Mohnheim 1990]
[Agenda 21]
Agenda 21. Bonn; BMU 1992
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Gesellschaft Deutscher Chemiker, Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie,
4/1998, S. 4-8
[Bähr 1992]
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globaler, nationaler und regionaler Sicht. Stuttgart; Ulmer 1992, 2. Auflage
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nachhaltigen Entwicklung. Berlin, Basel, Boston; Birkhäuser 1996
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1987
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Frankfurt/Main; Helbing u. Lichtenhahn, 1990
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Erfahrungen aus Neubau und Modernisierung. Bael, Boston, Berlin; Birkhäuser 1993
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Berlin, Bern, New York, Paris, Wien; Lang 1993, 2. Auflage
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Ökologische Stadt
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Regional- und Landesplanung (DISP) 132, Jan. 1998, S. 35-42
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Wolpensinger, H.: Ökologisches Bauen. Referat bei Prof. Richter, Karlsruhe, Seminar
"Kosten- und Nutzergünstiges Bauen", Febr. 1998
Herunterladen