Aufruf zur Einreichung von Beiträgen für die Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2009 Termin: 21.9.-23.9.2009 Ort: Deutsches Literaturarchiv Marbach Tagungsorganisation: Karin Priem (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd), Rita Casale (Universität Zürich), Gudrun M. König (Technische Universität Dortmund) Die Materialität der Erziehung: Zur Kultur- und Sozialgeschichte pädagogischer Objekte Die bildungshistorische Erforschung der „Materialität der Erziehung“ führt zu einer Wiederentdeckung der Werkstatt der Erziehung und zu jenen Gegenständen, denen eine erzieherische Absicht oder Wirkung innewohnt bzw. zugeschrieben wird. Dinge haben in der Geschichte der Pädagogik und in der pädagogischen Anthropologie immer wieder eine wichtige Rolle gespielt: Rousseau spricht in seinem „Emile“ (1762) davon, dass die Dinge „durch die Erfahrung, die wir damit machen“ und durch die „Anschauung“ erziehen. Walter Benjamin (1950) zufolge, wohnen Orten und Gegenständen Kräfte inne, die Erfahrung prägen. Eindrucksvoll beschrieben hat er dies in seiner „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“. In eine ähnliche Richtung weist Langevelds Überlegung über den „Appell der Dinge“. In seinen „Studien zur Anthropologie des Kindes“ (1956) greift er den Begriff „Dingeigenschaften“ auf und betont, dass Dinge mit einem „Aufforderungscharakter“ dem Menschen verbunden sind. Klaus Mollenhauer (1987) hat die bildungstheoretische Bedeutung von Dingen hervorgehoben. Neben Form, Funktion und Bedeutung, die auch in der kulturwissenschaftlichen Dingforschung eine zentrale Rolle spielen, nennt Mollenhauer einen weiteren Aspekt der Dinganalyse: Dinge sind für ihn „Wahrnehmungsinhalte“, die eine „Spur im Organismus“ hinterlassen. Auch Käte Meyer-Drawe (1999) räumt den Dingen eine „unser Wahrnehmen, Sprechen, Handeln und Denken“ evozierende Wirkung ein. Pierre Bourdieu (1979) weist aus kultursoziologischer Sicht in eine ähnliche Richtung: Dinge sind ihm zufolge Mittel der Herstellung von sozialer Differenz, sie kennzeichnen unsere Position im sozialen Raum und prägen unseren Habitus. In Bruno Latours „Versuch einer symmetrischen Anthropologie“ (1991) finden wir einen Weg aufgezeigt, wie die Welt des Objekthaften mit der Welt des Sozialen erkenntnistheoretisch wieder zu verbinden wäre. Die Reihe ließe sich fortsetzen, so zum Beispiel mit Michel Foucault (1975) und der Frage nach dem Zusammenhang von Objekten, Techniken und Körperdisziplinierung, literaturwissenschaftlich durch einen Hinweis auf den von Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer herausgegebenen Sammelband „Materialität der Kommunikation“ (1988) oder psychologisch im Hinblick auf Friedrich Wolfram Heubachs „Das bedingte Leben“ (1987). In der Bildungsgeschichte wurde das Thema „Materialität der Erziehung“ in jüngster Zeit vielfältig aufgegriffen: Dazu gehören u. a. Arbeiten zu Form und Funktion von Schulbauten und deren Möblierung, zur Produktion und Konsumgeschichte von Spielwaren oder zum Design von speziellen Objekten und Nahrungsmitteln für Kinder. Dinge, Objekte und Geräte als Grundstoff der Kulturanalyse offerieren Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte des Sozialen. Insgesamt ist damit eine Hinwendung zur historischen Anthropologie sowie zu einer kulturgeschichtlich erweiterten Erforschung erzieherischer sowie sozial-distinktiver Prozesse verbunden wie sie in der Alltags- und Mentalitätsgeschichte bereits angestoßen wurden. Aus bildungs- und erziehungshistorischer Sicht eröffnet sich damit ein weites Spektrum an Themen, das über die oben bereits erwähnten Forschungsgegenstände weit hinaus geht. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach der Bedeutung von Erinnerungsgegenständen in der autobiographischen Reflexion, die kulturgeschichtliche Analyse diätetischer Regeln, der Werkzeuge und Instrumente der Kultivierung des Körpers, die Erforschung von Möbeln und Kleidungsstücken als Bedeutungsträger (so zum Beispiel als Zeichen generationaler und sozialer Zugehörigkeit) sowie Mittel der Disziplinierung, die Analyse didaktischer Materialien und der versammelten Dinge einer musealen Repräsentation von Erziehungs- und Bildungsprozessen. Erwartet werden Beiträge zu folgenden Schwerpunkten: Dinge als verlängerter Arm der Erziehung: Kultivierung des Körpers und soziale Distinktion durch die gegenständliche Welt Esskultur: Nahrungsmittel und Mahlzeiten Geräte: Schreib- und Malwerkzeuge, Lineale etc. Bücher, Bilder, Musikinstrumente und andere Gegenstände der Bildung Kleidung (z. B. Schüler u. Lehrer) Möbel und Architektur pädagogischer Institutionen Dinge als Erziehungsgehilfen: strafende und belohnende Objekte, Spielzeug Dinge als biografische Objekte: Erinnerungsgegenstände und Bedeutungsträger Dinge in Autobiographien Die Dingwelt in Familien-, Kinder- und Jugendportraits Dinge in (Amateur-) Filmen über das Aufwachsen von Kindern Die Musealisierung der Pädagogik: Repräsentationen der materiellen Kultur der Erziehung Lehrsammlungen Schulmuseen Dioramen und Modelle Museumsdinge als pädagogische Objekte Vorschläge werden bis 28. November 2008 einschließlich eines etwa halbseitigen Exposés an eine der folgenden Adressen erbeten: Dr. Rita Casale Pädagogisches Institut Universität Zürich Freie Strasse 36 CH-8032 Zürich [email protected] Prof. Dr. Gudrun M. König Institut für Kunst u. Materielle Kultur TU Dortmund Emil-Figge-Str. 50 D-44227 Dortmund [email protected] Prof. Dr. Karin Priem Institut für Erziehungswissenschaft PH Schwäbisch Gmünd Oberbettringer Str. 200 D-73525 Schwäbisch Gmünd [email protected] Eine Benachrichtigung über Annahme oder Ablehnung eines Beitrages erfolgt ca. Ende Mai 2009.