Umwelt und Technik: Radioaktive Strahlung in Medizin und Biologie In der Medizin werden radioaktive Stoffe eingesetzt um Funktionsstörungen und Erkrankungen von Organen und Gewebe festzustellen (Diagnose) und um Krankheiten zu behandeln (Therapie). Diagnose und Forschung Da sich radioaktive Stoffe noch in sehr kleinen Mengen mit empfindlichen Detektoren nachweisen lassen, setzt man der nichtradioaktiven Substanz, die vom Körper üblicherweise aufgenommen, in bestimmten Organen angereichert und vom Körper wieder ausgeschieden wird, kleine Mengen eines radioaktiven Nuklids des Stoffes (bzw. eines sich chemisch gleichartig verhaltenden Stoffes) hinzu: Der Stoff wird mit einem radioaktiven Indikator "markiert". Chemisch verhalten sich nämlich radioaktive Isotope vor dem Zerfall genauso wie stabile. Der so markierte Stoff lässt sich nun aber im Körper verfolgen, da gelegentlich ein Kern zerfällt und durch die ausgesandte Strahlung seinen Ort verrät. Man kann daher verfolgen, wie schnell der Stoff wandert, welche Organe ihn aufnehmen und wann er wieder ausgeschieden wird. Auf diese Weise hat man nachgewiesen, dass Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper sehr schnell ablaufen. Injiziert man z.B. eine radioaktive Kochsalzlösung in eine Armvene, so kann man bereits nach 75 s radioaktives Natrium im Schweiß des anderen Arms nachweisen. Das radioaktive Iod-131 kann zur Funktionsprüfung der Schilddrüse dienen. Der Patient trinkt eine Flüssigkeit, die I-131 enthält. Iod wird in der Schilddrüse angereichert und gespeichert. Die Strahlung, die von dem Iod ausgeht, wird mit einer geeigneten Messapparatur - einem Szintillationszähler - zeilenweise abgetastet. Auf diese Weise erhält man ein Szintigramm, auf dem die unterschiedlichen Strahlungsintensitäten mit Hilfe eines Computers in unterschiedliche Farben umgesetzt sind. Der Arzt kann dem Szintigramm dann entnehmen, ob die Schilddrüse krankhaft verändert ist. Heute wird zur Diagnose meist das metastabile Isotop Technetium-99m verwendet. Es sendet nur -Strahlung aus. Tumoren im Körper können auf ähnliche Weise diagnostiziert werden: Radioaktives Gallium-67 sammelt sich dort nämlich an, was sich wiederum in einem Szintigramm erkennen lässt. In der Lungenfunktionsdiagnostik wird das metastabile Kryptonisotop-81m verwendet. (Es entstehen keine Zerfallsprodukte, sondern es wird nur -Strahlung ausgesandt.) Der Patient atmet die mit diesem Isotop angereicherte Luft ein. Die Strahlungsintensität des sehr schnell zerfallenden Edelgases wird registriert und mit einem Bildwandlersystem kann der Arzt den Füllungsgrad der Lungenflügel feststellen. Man erkennt eine schlechte Luftversorgung des rechten Lungenflügels C. Keller: Die Anwendung radiochemischer Methoden in Forschung, Medizin und Technik. In: Kernforschungszentrum Karlsruhe (Hg.): Radioaktivität. Risiko - Sicherheit. 2. Aufl. Karlsruhe 1991, S. 24 In der biologischen Forschung stellt sich häufig die Frage, wo die Nährstoffe bleiben, die eine Pflanze durch die Wurzel aufnimmt. Werden die Nährstoffe mit radioaktiven Isotopen markiert, so kann man die Strahlung auf einem Film sichtbar machen oder mit einem Computersystem die Verteilung der Strahlungsintensität - und damit die Konzentrationsunterschiede - durch verschiedene Farben darstellen. Erste "Kontrastaufnahme" von 1896: In die Adern einer amputierten Hand wurde eine Mischung aus Kreide, Petroleum und Zinnober, injiziert. Das Calcium in der Kreide und vor allem das Quecksilber im Zinnober sorgen für eine Absorption der Röntgenstrahlung. Therapie Krebserkrankungen werden in der Strahlentherapie mit Röntgenstrahlung, -Strahlung oder Teilchenstrahlung (z. B. Protonen) behandelt. Schnell wucherndes Tumor-Gewebe ist gegenüber ionisierender Strahlung meist empfindlicher als gesundes Gewebe. Die Aufgabe der Therapie ist es, den Krankheitsherd so weit wie möglich zu zerstören, das umgebende gesunde Gewebe aber möglichst zu schonen. Eine Möglichkeit dies zu erreichen besteht darin, eine Strahlung mit schwächerer Dosis aus verschiedenen Richtungen auf den Tumor zu richten, sodass sich eine starke zerstörerische Wirkung nur an der Überlappungsstelle, dem Tumor, ergibt. Erkrankte Gewebe werden mit sog. "Cobaltkanonen" bestrahlt, die das Isotop Co-60 enthalten, das -Strahlung emittiert. In Form von Nadeln können radioaktive Präparate direkt in den zu bestrahlenden Bereich eingeführt werden. So können gesunde Gewebe vor einer Schädigung durch die Strahlung eher geschützt werden, was mit einer Röntgenröhre so nicht möglich wäre. Heute werden für Bestrahlungen Linearbeschleuniger verwendet, womit auch in der Tiefe des Körpers gelegene Tumoren bestrahlt werden können. Nachbarorgane und auch die Hautoberfläche bleiben hierbei weitgehend geschont. Nach dem Verfahren, das in der Diagnostik angewandt wird, um Tumore mit Hilfe von Radionukliden zu erkennen, können auch Therapiemaßnahmen durchgeführt werden. Z.B. ist bekannt, dass elementares Iod praktisch ausschließlich von der Schilddrüse aufgenommen wird. Verabreicht man also dem Patienten radioaktives Iod (I-131, I-123) - nun allerdings in höherer Dosis als bei der Diagnose - kann ein Schilddrüsentumor durch die vom Iod ausgehende -Strahlung zerstört werden. Wegen der geringen Reichweite von -Strahlung in organischem Gewebe werden andere Bereiche des Körpers praktisch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Jede ionisierende Strahlung kann selbst Krebs erzeugen. Daher muss man in der Strahlentherapie zwischen Gefahr und Nutzen abwägen. Das gilt bei der Anwendung offener Präparate in besonderer Weise, da sie sich unkontrolliert verbreiten können. Bei ihrer Verwendung wird darauf geachtet, dass die benutzten Mengen möglichst gering und die Halbwertszeiten der Isotope möglichst kurz sind. Röntgen- und -Strahlen schädigen z.B. an der Eintrittsstelle die Haut. Schnelle Teilchenstrahlen sind hier noch zu schnell und können hier keine Ionisationen bewirken. Bei geeigneter Wahl der Teilchengeschwindigkeit werden sie erst im Bereich des Tumors langsam und können dort die zur Zerstörung des Tumors notwendigen Ionisationen hervorrufen. Da sie dabei weitgehend absorbiert werden, wird im Gegensatz zur Verwendung von Röntgen- und -Strahlung das dahinter liegende empfindliche Rückenmark nicht bestrahlt. Solche Therapiemöglichkeiten eröffnen sich jedoch nur im Verbund mit der Grundlagenforschung an großen und teuren Teilchenbeschleunigern. Hinweis: Passendes Bildmaterial zu dieser Datei findet sich in folgenden Werken: Impulse Physik 1, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1997, S. 244 (Untersuchung der Funktion der Gehirnhälften) Kursthemen Physik - Spezielle Relativitätstheorie, Atomphysik -, Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt/M. 1995, S. 113 (Lungenfunktionstest) Dorn/Bader, Physik - Mittelstufe, Schroedel Schulbuchverlag, Hannover 1980, S. 399 (Kontrastaufnahme eines Blattes)