- Tumorzentrum Magdeburg - Otto-von

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Schriftenreihe des
Tumorzentrums
Magdeburg/Sachsen-Anhalt e.V.
Stellenwert
neoadjuvanter Therapiestrategien
Vorträge zur Fortbildungsveranstaltung
am 6. April 2005
Heft 24
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Schriftenreihe des Tumorzentrums
Magdeburg/Sachsen-Anhalt e.V.
Weitere Hefte dieser Reihe:
Heft 1: Diagnostik und Therapie kolorektaler Tumoren, März 1996
Heft 2: Klinisch-onkologische Einrichtungen des Universitätsklinikums, August 1996
Heft 3: Strahlentherapie aktuell - Bewährtes und Neues, November 1996
Heft 4: Diagnostik und Therapie maligner Lymphome, März 1997
Heft 5: Perspektiven der Psychoonkologie, Juli 1997
Heft 6: Aktueller Stand der Diagnostik und Therapie von hirneigenen Tumoren,
November 1997
Heft 7: Grenzen und Perspektiven der Immun- und Gentherapie in der Onkologie,
März 1998
Heft 8: Jahresbericht des Tumorregisters Magdeburg 1997, Juni 1998
Heft 9: Klinisch-onkologische Versorgung im Regierungsbezirk Magdeburg, Juni 1998
Heft 10: Sozialleistungen für Tumorpatienten - Informationen und Hinweise
1. Auflage 1998, 2. Auflage 1999, 3. Auflage 2001, 4. Auflage 2002
Heft 11: Therapie des Tumorschmerzes, November 1998
Heft 12: Bronchialkarzinom - Aktuelle Aspekte der Diagnostik und Therapie, März 1999
Heft 13: Jahresbericht des Tumorregisters Magdeburg 1998, Juni 1999
Heft 14: Paraneoplastische Syndrome, November 1999
Heft 15: Exokrines Pankreaskarzinom, Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und
Nachsorge, Februar 2000
Heft 16: Jahresbericht des Tumorregisters 1999, September 2000
Heft 17: CUP-Syndrom, November 2000
Heft 18: Urologische Malignome - Wandel in Diagnostik und Therapie, März 2001
Heft 19: Jahresbericht des Tumorregisters 2000, 2001, Juli 2002
Heft 20: Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, November 2002
Heft 21: Kolorektale Karzinome, März 2003
Heft 22: Palliativmedizin, November 2003
Heft 23: Weichteilsarkome, März 2004
Herausgeber:
Tumorzentrum Magdeburg/Sachsen-Anhalt e.V.
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Telefon: (0391) 6 71 59 55 Telefax: (0391) 6 71 59 31
e-mail: [email protected]
http://www.med.uni-magdeburg.de/tzm/
Nachdruck nur mit Genehmigung des Tumorzentrums Magdeburg/ Sachsen-Anhalt e.V.
2
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Schriftenreihe des
Tumorzentrums
Magdeburg/Sachsen-Anhalt e.V.
Stellenwert
neoadjuvanter Therapiestrategien
Fortbildungsveranstaltung am 6.4.2005
Wiss. Leitung:
PD Dr. med. J. Fahlke
Klinik für Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
3
Inhaltsverzeichnis
Seite
Neoadjuvante Radio-Chemotherapie bei HNO-Tumoren
5
Günther Gademann
Oesophaguskarzinom - Stellenwert der neoadjuvanten Therapie
11
Jörg Fahlke, Hans Lippert,
Neoadjuvante Therapiestrategien beim Magenkarzinom
16
Matthias Ebert
Ergebnisse der neoadjuvanten Radio-Chemo-Therapie und totalen
mesorektalen Exzision beim Rektumkarzinom – Lokalrezidivrate und
Langzeitüberleben
Karsten Ridwelski,
19
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Neoadjuvante Radio-Chemotherapie bei HNO-Tumoren
Günther Gademann
Klinik für Strahlentherapie der Otto-von-Guericke-Universität
Einführung
Mit der Vorbestrahlung vor einer definitiven Operation, d.h. der neoadjuvanten
Radiotherapie werden zwei Ziele verfolgt:
1. die Vorbeugung von Randrezidiven und Tumorzellimplantationen sowie der
hämatogenen Streuung
2. die Schrumpfung des Tumors bis zu der verzögerten Operation und damit
die Umwandlung von primär nicht resektablen oder schwer resektablen
Tumoren zu gut resektablen Tumoren
Ein weiterer Grund, die präoperative Radiotherapie zu propagieren, ist die oftmals
bestehende Hypoxie verbliebener Tumorzellen nach Operation, die die Behandlung
durch die Strahlentherapie erschwert.
Das
erste
Ziel
wird
insbesondere
durch
eine
kurzzeitig
angewendete
hypofraktionierte Strahlentherapie kurz vor der Operation verwirklicht. In dieser
kurzen Periode nur wenige Tage vor einer Operation kann es zu keinem klinischen
Ansprechen des Tumors kommen, damit auch nicht zum zweiten Ziel. Diese
Methode wird in der Regel beim Rektum-Ca angewandt, teilweise auch beim
Lungenspitzentumor (sog. Pankoast-Tumor), jedoch nie bei Hals-Nasen-OhrenTumoren. Dort stehen die Schrumpfung des Tumors und die Konvertierung vom
schwer resektablen zum gut resektablen Tumor im Vordergrund.
Neoadjuvante Radio-Chemotherapie
Die Wirkung der Strahlentherapie kann nach neueren Erkenntnissen durch Gabe
von bestimmten Chemotherapeutika noch verstärkt werden. Gerade das im HNOBereich vorherrschende Plattenepithel-Ca gilt als relativ strahlensensibel, so dass
sich dort verstärkt die neoadjuvante Strahlentherapie und letztendlich zur
Wirkungssteigerung die Radio-Chemotherapie durchgesetzt hat. Die klinisch zu
erfahrenen Remissionen bei derartig behandelten Patienten sind häufig frappierend
und werfen natürlich die Frage auf, inwieweit die Behandlung mit der Radiotherapie
als alleinige Behandlung Sinn macht.
5
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
In der Tat hat sich die neoadjuvante Radio-Chemotherapie aus diesem primären
Ansatz heraus entwickelt, der überwiegend für Patienten bestimmt ist, die definitiv
unresektable Tumoren haben bzw. aus internistischen Gründen nicht operabel sind.
In der Regel wird seitens der Strahlentherapie eine konventionelle Fraktionierung
mit 1,8 Gy bis 2 Gy angewendet, die täglichen Einzelbestrahlungen von Montag bis
Freitag ziehen sich über etwa 5 Wochen hin.
Der Zeitraum der Operation ist am günstigsten nach der 3. Woche und noch vor
Ende der 6. Woche nach Beendigung der Radio-Chemotherapie.
In den ersten Wochen nach der Behandlung müssen akute Nebenwirkungen an
Haut und Schleimhaut ausheilen können, auf der anderen Seite dürfen radiogene
Fibrosierungen und Vernarbungen nach der Behandlung noch nicht in diesem Maße
eingesetzt haben, dass sie die Operation behindern. Der Zeitraum zwischen der 3.
und 6. Woche ist folglich extrem wichtig für den Ausgang der Operation.
Das am häufigsten angewendete Schema, so auch in Magdeburg, besteht aus der
parallelen
Gabe
von
5-FU
und
Cisplatin
bzw.
Carboplatin
in
der
1.
Behandlungswoche Tag 1 bis 5 und in der 5. Behandlungswoche Tag 21 bis 25. Die
täglichen Einzeldosen der Bestrahlung belaufen sich auf 1,8 Gy. Die Gesamtdosis
dieser Vorbehandlung ist limitiert auf 50,4 Gy (28 Fraktionen).
Cisplatin wird in seiner Funktion als Radiosensitizer in einer Dosierung von
20 mg/m² gegeben, bei Carboplatin 60 mg/m². Wir geben 5-FU gerne als
Dauerinfusion über die 5 Behandlungstage, d.h. Montag bis Freitag in einer
Dosierung von 1000 mg/m² (Obergrenze für 5 Tage 8000 mg).
Ein weiterer wichtiger Radiosensitizer ist das Mitomycin C, welches z.B. am Tag 1
und 21 zusammen mit 5-FU in einer Dosierung von 10-15 mg / m² Körperoberfläche
statt der platinhaltigen Substanzen gegeben wird.
Strahlentherapietechniken
In der Regel sollen neben dem Primärtumorbereich auch die Lymphabflussgebiete
des Halses bds. bis zur Jugulargrube bds. mitbehandelt werden. Da die
Gesamtdosis im Bereich der Toleranzdosis des zervikalen Rückenmarkes liegt,
muss dieses entweder nach einer Dosis von etwa 30 Gy bzw. von Anfang an soweit
geschont werden, dass nur eine Maximaldosis von 40 Gy bis 45 Gy dort ankommt.
Das weitere Risikoorgan mit den wohl signifikantesten Nebenwirkungen in diesem
Bereich ist die Glandula parotis. Sie wird deswegen meist mit Teilbereichen in das
Zielgebiet eingefasst, da der benachbarte Lymphknoten im Kieferwinkel als erste
Station aus dem Bereich des Pharynx entweder befallen ist oder dieses Risiko trägt.
6
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Wir verwenden heutzutage in der Regel eine Technik, die darauf angelegt ist,
sowohl Rückenmark als auch die Glandulae parotides unter ihrem Toleranzbereich
zu halten. Dazu werden etwa 7 ineinander verschachtelte Felder im oberen Bereich
des Halses bzw. der Mundhöhle angewendet. Man kann diesem Verfahren auch
den modernen Ausdruck „immunmodulierte Radiotherapie, IMRT“ geben. Im
Bereich der Supraclaviculärregion reicht in der Regel ein Stehfeld von ventral.
Die strahleninduzierten Schleimhautentzündungen sind durch diese Technik in der
Regel nicht zu verhindern, sie führen im Verlaufe der Bestrahlung zu teilweise
massiven
Schluckbeschwerden,
Geschmacksveränderungen
bis
zur
Geschmackslosigkeit mit Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Aus diesem Grunde
sehen wir gerne als Prophylaxe eine PEG im Vorfeld der Behandlung, um den
Patienten während der Strahlentherapie bei Kräften zu halten. Dies gilt
selbstverständlich für alle Bestrahlungen in dieser Größenordnung bei Tumoren des
HNO-Bereiches.
Indikationen
Die neoadjuvante Radio-Chemotherapie von Hals-Nasen-Ohren-Tumoren betrifft die
Regionen Hypopharynx, Oropharynx, Mundboden und Mundhöhle und ist in der
Regel
auf
Plattenepithelkarzinome
beschränkt.
Larynxkarzinome
fallen
üblicherweise nicht darunter, da sie entweder noch gut resektabel sind oder aber
einer definitiven Radiochemotherapie zugeführt werden.
Nasopharynxkarzinome werden in der Regel ausschließlich radiotherapeutisch
behandelt. Da im Wesentlichen das gleiche Schema abläuft, kann man für
Halslymphknoten die dortige Bestrahlung auch neoadjuvant ansehen, falls dort eine
Operation Sinn macht. Ansonsten wird danach ein sog. Boost, d.h. eine zusätzlich
hochdosierte Aufsättigung im Primärtumor weiter appliziert.
Klinische Studien und Ergebnisse
Interessant ist, dass die neoadjuvante Radiochemotherapie zumindest bei KopfHals-Tumoren im amerikanischen Standardschrifttum bislang kaum eine Rolle
spielt. In einem Buch über die Radiotherapie von Kopf-Hals-Tumoren von Bang aus
Boston, MASS-General-Hospital, wird nur in wenigen Sätzen allgemein über die
neoadjuvanten Radiotherapie berichtet.
Die erste große Studie zu dieser Therapie wurde von den Mund-, Kiefer-,
Gesichtschirurgen bereits 1985 aufgelegt. Die Multizenterstudie, die auch
östereichische und schweizerische Einrichtungen (DÖSAK) integrierte, behandelte
7
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
165 Patienten vor einer eigentlichen Operation mit einer Bestrahlung von 32 Gy und
einer
zusätzlichen
Sensibilisierung
durch
Cisplatin
mit
5
x
20
mg/m²
Körperoberfläche.
In einer frühen Publikation von 1989 wird über ein besseres Einjahres-Überleben mit
dieser Kombinationstherapie von 12 % und nach 2 Jahren von 19 % im Vergleich zu
einer Gruppe von nur operierten Patienten berichtet. Die Weiterführung dieser
ersten DÖSAK-Studie wurde z.B. 1994 publiziert. In dieser wurde eine Dosis von 36
Gy in täglichen Einzeldosen von 2 Gy zusammen mit einer Niedrigdosis
Cisplatingabe von 5 x 12,5 mg/m² Körperoberfläche appliziert. Nach 10 bis 14
Tagen erfolgte die radikale Operation.
Diese Gruppe wurde verglichen mit Patienten, bei denen nur eine Operation
durchgeführt wurde. Die lokalen Rezidive waren nach alleiniger Chirurgie mit 31 %
deutlich höher als die 15,6 % nach Kombinationsbehandlung. Nach 3 Jahren waren
im ersteren 28 % der Patienten verstorben, im zweiten nur 18,6 %. Trotz der relativ
geringen Dosis und der geringen dosierten Chemotherapie war in allen Bereich die
Verbesserung auf Seiten der kombinierten Behandlung deutlich.
Ganz aktuell (2/2005) berichten Klug und Mitarbeiter aus Wien von einer
randomisierten Studie zur präoperativen Radio-Chemotherapie mit anschließender
radikaler Operation für Stadium II bis IV-Mundhöhlen- und Oropharynxtumoren.
Insgesamt wurden 222 Patienten in die Studie eingeschlossen. Die Behandlung
erfolgte konventionell in täglichen Einzeldosen von 2 Gy bis zu einer Gesamtdosis
von 50 Gy.
Die Patienten erhielten parallel dazu an den ersten 5 Behandlungstagen 15 bis
20 mg/m² Mitomycin C und als Dauerinfusion 5 FU 750 mg/m². Die 2- bzw. 5-Jahres
lokale Kontrollwahrscheinlichkeit lag bei 88 % bzw. 81 %, das Gesamtüberleben
entsprechend bei 76 % bzw. 72 %. Die Autoren weisen aus, dass die multimodale
Behandlung als enorm effektiv angesehen wird, wenn man bedenkt, dass 64 % der
Patienten im Stadium IV diagnostiziert waren.
Als Folge daraus wurde auch untersucht, inwieweit der Einfluss der Remission und
damit der histopathologische Grad der Regression signifikant für die Ergebnisse
sind. Die o.g. Autoren aus Wien definierten 4 Regressionsgrade vom nicht vitalen
Tumor über minimale Tumorreste in weniger als 5 % und 5 bis 50 % vitale
Tumorzellen bis hin zum Grad IV, d.h. mehr als 50 % vitale Tumorzellen. Die ersten
beiden Grade werden als Responder genannt, die letzten beiden Grade NonResponder.
In der multivariaten Analyse zeigt sich, dass sowohl Tumorklassifikation (T) als auch
Lymphknotenklassifikation (N), Stadium der Erkrankung, histologisches Grading,
8
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Tumorsitz, Alter und Geschlecht ein weniger ausgeprägter prognostischer Faktor
sind als dieser Regressionsgrad. Dies zeigt sich in der großen Rate von 71,4 %
sowie 72,1 % an Überleben nach 5 Jahren für die Regressionsgrade I und II im
Gegensatz zu nur 41,9 % bzw. 37,9 % für die Regressionsgrade III und IV.
Kerita von der Nara Medical University in Japan berichtet an 43 Patienten mit reinen
Zungentumoren, die zwischen 1988 und 1989 mit einer platinhaltigen RadioChemotherapie behandelt wurden, über ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der
Signifikanz des Regressionsgrades. In dieser Gruppe war nach einer mittleren
Nachbe
obachtungszeit von 60,5 Monaten die Gesamtüberlebensrate für alle Fälle 86 %.
Die progressionsfreie Überlebensrate für die Responder lag bei 100 %, für die NonResponder zwischen 33 % und 67 %.
In einer retrospektiven Auswertung stellen die Autoren Grabenbauer et al. aus
Erlangen die interessante Frage, ob nach einer erfolgreichen Radio-Chemotherapie
von fortgeschrittenen HNO-Tumoren eine Neck dissection erfolgen sollte. Sie
berichten über 142 Patienten aus dem Jahre 1980 bis 1997, bei denen eine primäre
Radio-Chemotherapie erfolgt
war.
Es
handelte
sich
dabei
vorrangig
um
Hypopharynx- und Oropharynx-Karzinome, im geringen Maß auch um MundhöhlenKarzinome. Die Stadien lagen bei den meisten Patienten bei IV.
Nach der Behandlung konnten alle Patienten mit einer kompletten Respons (N = 97)
wählen, ob bei Ihnen eine Neck dissection durchgeführt werden sollte oder nicht.
56 Patienten stimmten für die Neck dissection und 41 Patienten verweigerten sie.
Bei den 56 Patienten zeigte sich in 13 Fällen noch ein Residualtumor.
Das 5-Jahres-Überleben und das krankheitsspezifische Überleben für Patienten mit
Neck dissection betrug 44 % bzw. 55 %, für die Patienten ohne Neck dissection
42 % bzw. 47 % (P = 0,9). Es ergaben sich keine Unterschiede in der Langzeit- und
regionalen Kontrolle. Hinsichtlich der Nebenwirkungen für Mobilitäten nach Grad III
und IV (LENT-SOMA) waren die Patienten mit der Neck dissection signifikant
schlechter.
Die Autoren konstatieren aus dieser Beobachtung, dass eine Neck dissection nach
Radio-Chemotherapie mit kompletter Resektion nur bei vielen Residualknoten
wichtig ist.
Eigene Ergebnisse
An der Universität Magdeburg wird ein ursprünglich in Köln aufgesetztes Schema
eingesetzt, welches oben beschrieben ist. Eine anfänglichen einmalige Applikation
der Chemotherapie haben wir inzwischen auf zwei Zyklen erweitert. Die Daten aus
9
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
den letzten ca. 10 Jahren werden derzeit ausgewertet. Insgesamt liegt die Zahl
dieser Behandlung bei 90 Patienten. Bei nur wenigen Patienten konnte der 2. Zyklus
wegen hämatoxischer Probleme nicht gegeben werden.
Von Seiten des klinischen Aspektes liegen die Remissionsraten in der
Größenordnung der bekannten Zahlen, d.h. bei 80 % bis 90 % Remission,
komplette klinische Remission bei ca. über 60 %.
Die histologisch kompletten Remissionen sind bislang nicht ausgewertet, scheinen
jedoch ebenfalls in der Größenordnung von 20 % bis 30 % liegen.
Zusammenfassung:
Die neoadjuvante Radio-Chemotherapie von HNO-Tumoren hat sich im Laufe der
letzten 20 Jahre eindeutig etabliert. Trotzdem scheint bundesweit diese Akzeptanz
eher für die Kollegen der Mund-, Kiefer- Gesichtschirurgie zu gelten, als für die
HNO-Kollegen. Dies spiegelt sich auch in unserem Klinikum wider, wo wir die
neoadjuvante Radio-Chemotherapie bei diesen Tumoren meist zusammen mit den
Ärzten der Mund-, Kiefer- Gesichtschirurgie durchführen. Grund dafür dürften die
herausragenden Studien der DÖSAK sein.
Es ist zu hoffen, dass eine intensive Bewertung der Fälle eine noch bessere
Aussage über die Sinnhaftigkeit der neoadjuvanten Strahlen-Chemotherapie bei
Kopf-Hals-Tumoren zulassen.
10
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Oesophaguskarzinom Stellenwert der neoadjuvanten Therapie
Jörg Fahlke, Hans Lippert,
Klinik für Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg
Die
Prognose
des
Oesophaguskarzinoms
mit
einer
globalen
5-Jahres-
Überlebensrate zwischen 5 und 11 % ist sehr schlecht. Das häufigstes Symptom,
die Dysphagie, macht sich erst spät bemerkbar, sodass die Diagnose des
Oesophaguskarzinoms häufig erst in einem fortgeschrittenem Stadium gestellt wird.
Bei
60%
der
Patienten
liegt
zum
Zeitpunkt
der
Operation
eine
Lymphknotenmetastasierung vor. Unbestritten ist bei Patienten mit einem
lokoregionär
begrenzten
Oesophaguskarzinom
(T1-T2/N0/M0)
die
en-block-
Oesophagektomie mit Lymphadenektomie die Therapie der ersten Wahl. Bei
Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Oesophaguskarzinom (T1-T2/N1; T3T4/N0-N1/M0) ist besonders bei suprakarinaler Tumorlokalisation eine R0Resektion nicht sicher möglich. Es stellt sich daher die Frage, ob durch eine
neoadjuvante Therapie die Rate der R0-Resektionen gesteigert werden kann.
Grundlagen der neoadjuvanten Therapie
Das Ziel der neoadjuvanten Therapie ist neben der Steigerung der Häufigkeit einer
R0-Resektion
die
Verlängerung
des
rezidivfreien
Intervalls
bzw.
des
Gesamtüberlebens. Für eine präoperative Therapie sprechen verschiedene
tumorbiologische und klinische Überlegungen:

Operativ nicht zerstörte Blut- und Lymphgefässe, die eine effektive
Konzentration der Zytostatika im Zielgebiet und eine ausreichende
Oxygenierung des Tumorgewebes sicherstellen

Ein besserer Allgemeinzustand der Patienten, der die Anwendung von
Kombinationschemotherapien zulässt

Eine Verbesserung des Allgemeinzustandes präoperativ bei Ansprechen auf
die Therapie

Ein down-shrinking des Primärtumors und damit eine Erhöhung der R0resektionen

Die frühzeitige systemische Therapie von Lymphknotenmetastasen
11
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien

Die Elemination eventuell präoperativ schon vorhandener systemischer
Mikrometastasen

Durch Devitalisierung der Tumorzellen Minimierung des Risikos einer
intraoperativen Tumorzellverschleppung
Als Nachteile einer neodjuvanten Behandlung werden derzeit

die mögliche Progression der Erkrankung während der Therapie,

die therapiebedingte Toxizität, vor allem bei Nichtansprechen des Tumors
auf die Behandlung

eine Zunahme der perioperativen Morbidität und Mortalität gesehen.
Absolute Voraussetzung für ein neoadjuvantes Vorgehen ist ein genaues
prätherapeutisches
Staging,
sowie
eine
organisierte,
interdisziplinäre
Zusammenarbeit. Als mögliche neoadjuvante Therapieoptionen sind die alleinige
Strahlen- oder Chemotherapie und die kombinierte Strahlen-/Chemotherapie zu
diskutieren. Grundsätzlich müssen im neoadjuvanten Therapieansatz die Nachteile
einer neoadjuvanten Chemotherapie gegen den zu erwartenden und belegten
Vorteil für den Patienten abgewogen werden.
Stellenwert einer alleinigen neoadjuvanten Strahlentherapie
Hinsichtlich des Einsatzes der alleinigen Strahlentherapie im neoadjuvanten Setting
ist die Studienlage klar. Hier zeigt sich, dass die Ansprechraten gegenüber einer
kombinierten Strahlen-Chemotherapie deutlich geringer sind, sodass der alleinige
Einsatz einer Strahlentherapie unter neoadjuvanter Intention derzeit als suboptimal
eingeschätzt werden muss.
Stellenwert der alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie
Auch die neoadjuvante Chemotherapie ohne Kombination mit einer Strahlentherapie
kann
neoadjuvant
beim
potentiell
resektablen
Oesophaguskarzinom
nicht
empfohlen werden. Begründet wird dies mit einem nachgewiesenen häufigeren
lokalen Tumorprogress gegenüber der kombinierten Strahlen-Chemotherapie. Der
versprochene Nutzen einer intensivierten neoadjuvanten alleinigen Chemotherapie
hinsichtlich der Verhinderung des Auftretens von Fernmetastasen postoperativ
konnte in Studien nicht belegt werden.
12
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Stellenwert einer neoadjuvanten Strahlen-/Chemotherapie
Verbunden mit einer kombinierten Strahlen-Chemotherapie stellt sich die Frage, ob
durch den synergistischen Effekt einer Strahlen- und Chemotherapie die
lokoregionale Kontrolle des Tumors postoperativ verbessert und das Auftreten von
Metastasen im weiteren Verlauf verhindert werden kann. Zur Beantwortung dieser
Fragestellung existieren eine Vielzahl randomisierter und nicht randomisierter
Studien. Fasst man die Ergebnisse der vorliegenden randomisierten Studien
zusammen, so lässt sich ein Nutzen der neoadjuvanten Therapie auf die
Langzeitergebnisse bei Patientenkollektiven mit schlechter Prognose nach alleiniger
Chirurgie nachweisen. Dies betrifft vor allem Patienten mit lokal fortgeschrittenem
(T3
oder
T4)
Tumoren
oder
kleineren
Tumoren
mit
vorhandenen
Lymphknotenmetastasen. Es zeigt sich, dass von der neoadjuvanten StrahlenChemotherapie vor allem Patienten profitieren, die auf die Therapie ansprechen. Ein
großes Problem stellt die Tatsache dar, dass eine Volumenreduktion des Tumors
nur grob mit der histopathologischen Rückbildung korrelierbar ist. So können 20 %
der Patienten ohne partielle Tumorvolumenrückbildung eine komplette Remission im
histologischen Präparat aufweisen. Derzeit wird diskutiert, ob durch den Einsatz der
Positronenemissionstomographie (PET) vor und im Verlauf der neoadjuvanten
Strahlen-Chemotherapie die Vorhersage einer kompletten Remission verbessert
kann. Gerade bei suprakarinaler Lage des Oesophaguskarzinoms ist die
Einschätzung des Ansprechens auf die neoadjuvante Therapie äußerst wichtig, da
entschieden werden muss, ob der Patient mehr von einer Operation oder einer
definitiven Strahlen-/Chemotherapie profitiert. Gerade bei nicht R0-resektablen
Patienten stellt die definitive Strahlen-Chemotherapie oftmals eine risikoärmere
Alternative zur operativen Therapie dar.
Während in der Literatur hier überwiegend positive Einschätzungen zum Einsatz der
PET gegeben wurden, konnte dies im eigenen, sicher kleineren Krankengut bisher
nicht nachvollzogen werden.
Eine kumulative Analyse der vorliegenden Studien zeigt, dass bei 20% der in den
randomisierten
Studien
behandelten
Patienten
nach
neoadjuvanter
Radio-
Chemotherapie eine komplette Remission des Primärtumors auftrat. Zusätzlich ließ
sich bei mehr Patienten ein postoperativer tumorfreier Lymphknotenstatus
gegenüber dem Kontrollarm finden. Ferner konnte in den randomisierten Studien
nachgewiesen werden, dass eine neoadjuvante Strahlen-Chemotherapie zu einer
13
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
signifikanten Reduktion des postoperativen Lokalrezidivrisikos führt. Die Rate an
aufgetretenen
Fernmetastasen
war
jedoch
im
Vergleich
zu
den
nicht
vorbehandelten Patienten nicht reduziert. Hinsichtlich der Auswirkungen einer
neoadjuvanten Strahlen-Chemotherapie auf die perioperative Morbidität und
Mortalität sind die Ergebnisse der vorliegenden randomisierten Studien inhomogen,
sodass der Einfluss derzeit nicht klar bewertet werden kann. In älteren Studien
findet sich eine erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität nach Resektion von
Ösophaguskarzinomen neoadjuvant vorbehandelter Patienten im Vergleich zu ohne
Vorbehandlung operierten Patienten, vor allem bedingt durch eine erhöhte Rate
pulmonaler Komplikationen. Durch Reduktion der Strahlenfelder, eine strikte
prätherapeutische Risikoanalyse und Selektion der Patienten , sowie ein
Zweizeitiges operatives Vorgehen (zunächst Ösophagusresektion und Anlage einer
Speichelfistel und Wiederherstellen der Kontinuität in einer 2. Operation in einem
Intervall von 2-4 Wochen) konnten die Morbiditäts- und Mortalitätsraten jedoch
angeglichen werden
In kumulativer Zusammenschau der Ergebnisse der randomisierten Studien zeigt
sich jedoch, dass nach neoadjuvanter Vorbehandlung weniger Patienten zur
Operation als im Kontrollarm gelangen. Dies wurde vor allem durch die Ablehnung
der Operation durch den Patienten bei kompletter Remission, einen Progress der
Erkrankung und eine therapiebedingte Toxizität begründet. Die Wahrscheinlichkeit,
nicht operiert zu werden, war nach neoadjuvanter Therapie 6 mal so hoch wie im
Kontrollarm. Anderseits wurden im Kontrollarm häufiger palliative Operationen
durchgeführt, da gerade bei suprakarinalen T3-Karzinomen präoperativ nur schwer
beurteilbar war, ob wirklich in letzter Konsequenz eine R0-Resektion durchgeführt
werden kann. Daher war die Wahreinscheinlichkeit einer palliativen Resektion nach
neoadjuvanter Therapie um 2/3 kleiner als bei nicht vorbehandelten Patienten.
Die meisten der Studien verwendeten eine Gesamt-Strahlendosis zwischen 30 und
45 Gy in konventioneller Fraktionierung mit 1,8 – 2,0 Gy pro Fraktion und einer
Kombinations-Chemotherapie mit 5-FU / Folinsäure; Cisplatin / 5-FU; 5-FU /
Folinsäure; Cisplatin / Etoposid oder Mitomycin / 5-FU.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach derzeitiger Studienlage Patienten
mit einem Oesophaguskarzinom und einem frühen Tumorstadium (T1-T2, N0) von
einer neoadjuvanten Therapie nicht profitieren. Die alleinige operative Therapie stellt
für diese Patientengruppe eine optimale Therapieoption dar. Patienten mit lokal
14
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
fortgeschrittenem,
potentiell
resektablen
Oesophaguskarzinom
sollten
zur
Verbesserung der R0-Rate einer neoadjuvanten Strahlen-Chemotherapie zugeführt
werden. Mit diesem Verfahren lässt sich die lokale Tumorkontrolle verbessern und
das rezidivfreie Überleben verlängern. Eine signifikante Verbesserung des
Gesamtüberlebens ließ sich jedoch in randomisierten Studien derzeit nicht
einheitlich nachweisen, wobei gesagt werden muss, dass ein Ansprechen auf die
neoadjuvante Strahlen-Chemotherapie derzeit als Indikator für ein verbessertes
Gesamtüberleben gesehen wird. Das de facto-Standardregime ist eine Kombination
aus 5-FU und Cisplatin mit einer fraktionierten Strahlentherapie bis zu einer
Maximaldosis von 50,4 Gy. Auf Grund der weiterhin relativ hohen Toxizität und
damit in einzelnen Studien nachgewiesenen erhöhten postoperativen Morbidität und
Mortalität ist die Suche nach neuen Modalitäten der neoadjuvanten kombinierten
Behandlung und der Einsatz neuer zytostatischer Substanzen mit geringerer
Toxizität im neoadjuvanten Setting eine bestehende Herausforderung, um die
Ergebnisse der neoadjuvanten Strahlen-Chemotherapie noch optimieren zu können.
15
Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Neoadjuvante Therapiestrategien beim Magenkarzinom
Matthias Ebert
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
Trotz der rückläufigen Inzidenz des Magenkarzinoms stellt die Diagnostik und
Therapie des Magenkarzinoms immer noch eine große klinische Herausforderung
dar. Ca. 20.000 Personen erkranken jährlich an einem Magenkarzinom in
Deutschland. Wenngleich die Inzidenz für das Magenkarzinom des distalen Magens
fallend ist, zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Inzidenz des Magenkarzinoms im
proximalen Magen bzw. des Karzinoms am gastroösophagealen Übergang. Trotz
aller diagnostischer und therapeutischer Bemühungen ist die Prognose des
Magenkarzinoms dennoch sehr schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate aller
Patienten beträgt zwischen 12 - 25%. Verbesserungen der diagnostischen
Möglichkeiten und die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien sind daher von
grundlegender Bedeutung für die Verbesserung der Prognose dieser Patienten.
Die Resektion des Magenkarzinoms ist auch derzeit die einzige potentiell kurative
therapeutische Option, wenn der Patient rechtzeitig mit einem lokal resektablen
Befund diagnostiziert wird. Jedoch führt auch die erweiterte Resektion mit einer
systematischen Lymphadenektomie nur bei ca. der Hälfte der Patienten mit lokal
fortgeschrittenem Magenkarzinom zu einer mikroskopisch tumorfreien Resektion. In
der German Gastric Cancer Study, in die 1.999 Patienten mit Magenkarzinom
rekrutiert wurden, war die R0 Resektionsrate nur 41,1% im Stadium III.
Insbesondere die Lymphknotenmetastasierung ist beim Magenkarzinom daher von
herausgehobener
prognostischer
Bedeutung.
Die
Frage
der
erweiterten
Lymphknotendissektion (D1 vs. D2) wird kontrovers diskutiert. Während in einer
aktuellen
europäischen
prospektiv
randomisierten
Studie
kein
signifikanter
Überlebensvorteil für Patienten nach D2-Resektion im Vergleich zur D1-Resektion
nachweisen konnte und zudem die Morbidität und Mortalität nach D2-Resektion
signifikant im Vergleich zur D1-Resektion erhöht war, zeigen kleinere Studien,
vorwiegend aus Japan, dass eine D2- oder sogar D3-Resektion mit einem
verlängerten Überleben der Patienten einhergehen kann.
Ein weiterer interessanter Therapieansatz ist die neoadjuvante Chemotherapie mit
dem Ziel des Down-Stagings des Primärtumors und der potentiellen Elimination von
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Lymphknotenmetastasen. Diese Therapieoption wird daher bevorzugt im Stadium
IIIb und IV bei Patienten ohne Fernmetastasen evaluiert und zahlreiche Phase-IIStudien wurden bislang publiziert. Für die Beurteilung der Effektivität der
neoadjuvanten Behandlung ist die Definition der Resektabilität von großer
Bedeutung: In 5 Studien mit insgesamt 182 Patienten, die präoperativ bzw. i. R. der
Laparatomie als nicht resektabel bewertet wurden, wurde eine R0-Resektion in 14 –
44% erreicht. Entsprechend ist die R0-Resektionsrate signifikant höher (41 – 76%)
in Untersuchungen bei denen Patienten mit einem potentiell resektablen
Tumorstadium eingeschlossen wurden. Bislang ist die Effektivität der neoadjuvanten
Therapie bei potentiell resektablen Patienten mit Magenkarzinom jedoch nicht
ausreichend belegt. Eine große randomisierte multizentrische Studie (MAGICStudie) untersuchte dieses Vorgehen bei 503 Patienten mit Tumoren des oberen
Gastrointestinaltraktes (74% davon mit Magenkarzinom), die entweder eine alleinige
Resektion oder eine perioperative Chemotherapie (3 prä- und 3 postoperative
Zyklen des ECF-Schemas) erhielten. Die kurative Resektion war danach in 79% der
Patienten mit Kombinationsbehandlung im Vergleich zu 69% der primär nur
operierten Patienten möglich (p=0.02). Das PLF-Protokoll (2wöchentlich Cisplatin
und wöchentlich Leucovorin und 5-FU) wird derzeit als Referenzprotokoll in der
neoadjuvanten Behandlung empfohlen. Die R0-Resektionsrate wird darunter bei
50% angesetzt und die Toxizität ist in diesem Protokoll akzeptabel. In Fällen von
Cisplatin-Unverträglichkeit bzw. Kontraindikationen für Cisplatin ist eine Kombination
mit Hochdosis-5FU mit Mitomycin C möglich (Hofheinz et al., Onkologie, 2002). In
einer Phase-II-Studie mit 42 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom
(Stadium IIIa, IIIb und IV) erfolgte eine neoadjuvante Chemotherapie mit Etoposid,
Doxorubicin und Cisplatin (Schumacher et al., Cancer, 2001). Nach einem Follow up
von 5 Jahren war das mediane Überleben der Patientin 19,1 Monate. Diejenigen
Patienten, bei denen eine komplette chirurgische Resektion nach neoadjuvanter
Vorbehandlung durchgeführt werden konnte, zeigten einen Überlebensvorteil mit
28,4 Monaten. Zudem zeigten die Patienten mit einem deutlichen klinischen
Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie ein deutlich verlängertes
medianes Überleben von 45 Monaten. In einem weiteren Protokoll wurden 30
Patienten mit 5FU und Cisplatin behandelt. Eine R0-Resektion konnte in 60% der 28
behandelten Patienten durchgeführt werden und das 3-Jahre-Überleben war 38%.
Ajani et al. behandelte 48 Patienten mit EAP (Etoposid, Doxorubicin und Cisplatin)
sowohl prä- als auch postoperativ. Eine R0-Resektion war in 77% möglich und das
mediane Überleben war 18,5 Monate. In einer Untersuchung von Crooks et al.
wurden 59 Patienten mit 5FU, Leucovorin und Cisplatin behandelt, anschließend
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
reseziert und postoperativ eine intraperitoneal Chemotherapie verabreicht. Bei 40
Patienten war eine kurative Resektion möglich und bei 31 Patienten konnte eine
intraperitoneale Chemotherapie durchgeführt werden, die mit einem deutlich
verlängerten Überleben assoziiert war. Auch in einer Untersuchung von Kelsen et
al. wurden 3 Zyklen einer präoperativen Chemotherapie mit FAMTX und einer
postoperativen intraperitonealen 5FU/Cisplatingabe kombiniert.
Ein Downstaging wurde in 51% der 56 Patienten beobachtet, 50 Patienten konnten
operiert werden. Dabei erhielten 34 Patienten (61%) eine potenziell kurative R0Resektion. Die mediane Überlebenszeit dieser Patienten war 15.3 Monate und die
2-Jahres-Überlebensrate 40%.
Einen weiteren Ansatz stellt die präoperative Bestrahlung oder Radiochemotherapie
dar. In kleineren randomisierten Untersuchungen mit Patienten mit Adenokarzinom
des
Ösophagus
bzw.
des
gastroösophagealen
Übergangs
konnte
ein
Überlebensvorteil nach präoperative Chemo-Radiotherapie nachgewiesen werden.
In einer randomisierten Studie mit 370 Patienten mit Kardiakarzinom zeigte die
präoperative Strahlentherapie eine Verbesserung der 5-Jahres-Überlebensrate (30
vs. 20%).
Trotz
allem
ist
eine
Verlängerung
des
Überlebens
nach
präoperativer
Chemotherapie bei Patienten mit operablem lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom
bislang nicht gesichert und dieser Therapieansatz muss weiterhin als experimentell
eingeschätzt werden. Jedoch zeigen einige der Phase-II-Studien im Vergleich zu
historischen Kontrollen eine Verlängerung des Überlebens. Dennoch erschweren
die erheblichen Unterschiede bei den Einschlusskriterien, dem präoperativen
Staging, dem Einsatz verschiedener Zystostatika und der Art der Resektion des
Tumors die Vergleichbarkeit dieser Phase-II-Studien. Für eine ausreichende
Beurteilung sind daher große randomisierte Phase-III-Studien erforderlich, um den
Wert der neoadjuvanten Chemotherapie bei Magenkarzinomen letztlich zu klären.
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Ergebnisse der neoadjuvanten Radio-Chemo-Therapie und
totalen mesorektalen Exzision beim Rektumkarzinom –
Lokalrezidivrate und Langzeitüberleben
Karsten Ridwelski,
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Städtischen Klinikums Magdeburg
Für fast alle malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes gilt, dass nur der Chirurg
in der Lage ist, mit seinem operativen Eingriff dem Patienten die Möglichkeit einer
kurativen Therapie und damit des Langzeitüberleben zu ermöglichen.
Diese Feststellung gilt auch für die operative Behandlung des Rektumkarzinoms.
Eine Voraussetzung für gute Therapieergebnisse ist jedoch bei höheren
Tumorstadien die Einbettung der Operation in ein multimodales Therapiekonzept.
In einer Auswertung von 36 publizierten Studien zur alleinigen operativen Therapie
des Rektumkarzinoms werden stadienabhängige Lokalrezidivraten zwischen
0 – 53 % angegeben. Sie schwanken im Stadium Dukes A zwischen 0-4 %, im
Stadium Dukes B zwischen 13-17 % und im Stadium Dukes C zwischen 20-24 %.
Die Rate von Fernmetastasen wird nach 5 Jahren von fast allen Autoren einheitlich
mit ca. 30 % angegeben.
Die teilweise deutlichen Unterschiede in den Ergebnissen führten zur Fokussierung
auf die Qualität der operativen Therapie. Besonders in der deutschen kolorektalen
Karzinomstudie (Hermanek et al.) konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse
zwischen den Kliniken und vor allem in Abhängigkeit vom Operateur starken
Schwankungen unterliegen. In der Folge wurde der Verbesserung der chirurgischen
Therapie große Aufmerksamkeit gewidmet.
Die totale mesorektale Exzision beim Rektumkarzinom wurde zum Standard im
letzten Jahrzehnt. Protagonisten für diese Therapie waren in Deutschland der
Bonner Chirurg Stelzner und der Engländer Heald. Mit dieser Operationsmethode
konnte die Lokalrezidivraten auf ca. 10 % gesenkt werden.
Die hohe Lokalrezidivrate führte bereits in den 80-er Jahren zum Einsatz einer
adjuvanten Radio-Chemo-Therapie. Studien konnten eine signifikante Senkung der
Lokalrezidive bei konstanter Fernmetastasierung aufzeigen.
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
In den 90-er Jahren wurde das neoadjuvante Konzept der Strahlentherapie beim
Rektumkarzinom in randomisierten Studien untersucht. Übereinstimmendes
Ergebnis war ebenfalls die signifikante Senkung der Lokalrezidivrate, die jedoch
nicht immer von Verbesserungen im 5-Jahres-Überleben gefolgt war.
Die Angst vieler Chirurgen vor möglichen intraoperativen und postoperativen
Komplikationen nach vorangegangener neoadjuvanter Radio-Chemo-Therapie führt
zur Favorisierung des adjuvanten Strahlentherapiekonzeptes.
Die Qualitätssicherungsstudie des An-Institutes Magdeburg (Wissenschaftlicher
Leiter: Prof. Dr. med. H. Lippert, Magdeburg) konnte dies bei fast 30.000
eingeschlossenen Patienten mit kolorektalem Karzinom nachweisen.
Während nur 5,1 % der Patienten mit einem Rektumkarzinom neoadjuvant bestrahlt
wurden, erfolgt die adjuvante Therapie bei Patienten im Stadium UICC III (II) in fast
60 % der Fälle.
Die offene Frage der Vorteile einer adjuvanten versus einer neoadjuvante RadioChemo-Therapie beim Rektumkarzinom wurde in 2 randomisierten Studien
untersucht. Zum einen handelt es sich um die NSABP R03-Studie, zum anderen
durch die von Sauer, Erlangen, geleitete Studie der CAO/ARO und AIO. In beiden
Studien wurde die sofortige Operation, gefolgt von einer adjuvanten Radio-ChemoTherapie gegenüber einer neoadjuvanten Radio-Chemo-Therapie mit
anschließender Operation und systemischer Chemotherapie geprüft.
Die Studie von Sauer et al. konnte keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich
postoperativer Komplikationen, wie Anastomoseninsuffizienz, postoperativen
Blutungen, verzögerten Wundheilung, Ileus oder Fistel nachweisen.
Dagegen gelang durch die neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie ein Down-Staging
des Tumors mit einer signifikant höheren Rate des Sphinktererhaltes. Die
Lokalrezidivrate war mit 6 versus 12 % für die präoperative Strahlen-ChemoTherapie signifikant niedriger als im adjuvanten Behandlungsarm.
Mit der präoperativen Kurzzeitbestrahlung von 5 x 5 Gy gelingt dieses DownStaging nicht (Boujko et al.). Sowohl in der präoperativen als auch postoperativen
Radio-Chemo-Therapie-Gruppe war eine identische Rate an Rektumexstirpationen
zu verzeichnen.
Es ist aus dieser Studie festzustellen

Die neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie senkt die Lokalrezidivrate im
Vergleich zur adjuvanten Radio-Chemo-Therapie.
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien

Durch die neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie treten keine höhere Raten
an operativen Komplikationen auf.

Die neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie erhöht die Rate an
sphinktererhaltenden Operationen.

Die neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie ist der Kurzzeitradiotherapie durch
höhere R0-Resektionen und höhere Rate an sphinktererhaltenden Eingriffen
überlegen.
Durch die gegenwärtig praktizierte neoadjuvante Strahlen-Chemo-Therapie wird
jedoch die Rate der Fernmetastasen von ca. 30 % nicht beeinflusst. Offen ist
deshalb die Frage einer optimalen adjuvanten systemischen Chemotherapie nach
neoadjuvanter Behandlung.
Aktuelle Studienkonzepte prüfen hier den Einsatz von Capecitabin, 5 FU /
Oxaliplatin, Avastin.
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Fortbildung des Tumorzentrums: Stellenwert neoadjuvanter Therapiestrategien
Referenten:
Prof. Dr. med. Serban -Dan Costa
Direktor der Universitätsfrauenklinik,
Universitätsklinikum Magdeburg
PD Dr. med. Matthias Ebert
OA der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie,
Universitätsklinikum Magdeburg
PD Dr. med. Jörg Fahlke
OA der Klinik für Allgemein- Visceral- und Gefäßchirurgie,
Universitätsklinikum Magdeburg
Prof. Dr. med. Günther Gademann
Direktor der Klinik für Strahlentherapie,
Universitätsklinikum Magdeburg
PD Dr. med. Karsten Ridwelski
ChA der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie,
Städtisches Klinikum Magdeburg
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