Stammallomorphie und morphonologische Variation

Werbung
Ludwig-Maximilians-Universität München
06.05.2009
Department für Anglistik und Amerikanistik
Linguistisches Repetitorium für das Staatsexamen
Dr. Falkner
SoSe 2009
Referenten: Anna Doberauer, Anna-Maria Feldhege, Sylvia Fleindl, Philipp Deisenrieder, Yvonne Hauck
Morphologie und Wortbildung
1. Definitionen
Morphologie
Flexionsmorphologie

Wortbildung
Derivationsmorphologie
Wortbildung ohne
Berücksichtigung von
Morphemgrenzen
Morphem: Kleinste bedeutungstragende Einheit einer Sprache
z.B. cats ➧ Morphem {cat} und Pluralmorphem {S}
 Morph: Lautliche Realisierung eines Morphems
z.B. hit ➧ Morphem {hit} ➧ Morph /hɪt/
 Allomorph: Eine von mehreren lautlichen Realisierungen eines Morphems
z.B. Pluralmorphem {S} ➧ mögliche Allomorphe /s/ (cats), /z/ (dogs) und /ɪz/ (horses)
 Portmanteaumorphem: Morphem, in dem zwei oder mehrere Morpheme
verschmolzen sind: took /tuk/ = {take} + {-ED}
 Nullmorphem: Morphem, das zwar eine Bedeutung trägt, formal aber nicht realisiert

wird: one fish (Sing) ➧ {fish} two fish (Pl) ➧ {fish} + {∅}
Wurzel: Teil einer Wortform, der verbleibt, wenn alle gebundenen Morpheme

entfernt werden: disclaimers ➧ dis-, -er und -s sind gebunden, claim ist die Wurzel
Stamm: Teil einer Wortform, der verbleibt, wenn alle gebundenen grammatikalischen

Morpheme (=Flexionsmorpheme) entfernt werden: disclaimers ➧ -s ist
Flexionsmorphem, disclaim ist der Stamm
Basis: Jede Form, an die lexikalische Affixe angefügt werden können: claim ist die
Basis für die präfigierte Form disclaim, disclaim ist die Basis für die suffigierte Form
disclaimer
WORTBILDUNG
Morpheme
FLEXION
lexikalische
frei
Wurzel
{teach}
{key}
grammatikalische
gebunden
Derivationsaffixe
Präfix
{in-}
Suffix
{-ize}
frei
Funktionswörter
{to}, {of}
Unikale
{cran-}
1
gebunden
Flexionsaffix
Suffix
{-ing}
2.
Wortbildungsprozesse
2.1. Komposition (Compounding) / Komposita (compounds)
Def. Kompositum:
- Syntagma oder Kombination sprachlicher Elemente auf syntagmatischer Ebene
- Kombination zweier oder mehrerer lexikalischer Morpheme zu einer morphologischen
Einheit bzw. einem Lexem mit einer modifier - head - Beziehung
Charakteristika typischer Komposita:
- als Ausgangspunkt für die Beschreibung von Komposita
Morphologische Charakteristika:
- Alle typischen Komposita des Englischen sind Nomina und Adjektive.
- Zwei Konstituenten, die jeweils ein freies lexikalisches Morphem darstellen (z.B.
barman) oder ein freies lexikalisches Morphem enthalten (z.B. building-block)
- Keine Flexionsmorpheme am modifier (*fingerstip)
Phonologische Charakteristika:
- Hauptton auf der betonten Silbe des modifier, Nebenton auf dem head
Semantische Charakteristika:
- Der modifier modifiziert oder spezifiziert das head und steht grundsätzlich vor dem head
(a barman is a man who works in a bar). → Kompositum ist ein Hyponym des head
- Die Bedeutung lässt sich nicht immer aus der Bedeutung der Konstituenten ableiten
Klassifizierung von Komposita:
Grundtypen von Komposita aus semantischer Perspektive:
1. Determinativkomposita bzw. Endozentrische Komposita
- typisch
- girl, haircut, rainfall, washing machine, chewing gum
- echte modifier – head – Struktur (d.h. die erste Konstituente spezifiziert die zweite)
- Kompositum ist ein Hyponym1 des head (soweit keine Bedeutungsübertragung im
Spiel ist)
- Hauptton auf der betonten Silbe des modifier, Nebenton auf dem head ('dust,pan,
'racing,car)
- können metaphorische Bedeutung haben (backbone of society, pony tail)
2. Exozentrische Komposita und Bahuvrihi Komposita
- untypisch (abweichende semantische Struktur)
- können semantisch nicht dem head untergeordnet werden (paperback → weder eine
Art paper noch eine Art back, sondern ein Buch
- bezeichnen meist Personen, Objekte… durch auffällige Eigenschaften (paperback,
highbrow, hunchback, egghead, redskin, redbreast, pickpocket)
→ Beziehung zwischen Eigenschaft und Referent: Metonymie
- Bezeichnung einer Eigenschaft (highbrow): Bahuvrihi Komposita
- Bezeichnung einer Handlungsweise (pickpocket): rein exozentrische Komposita
1
Hyponym: Sprachliches Zeichen, das alle Bedeutungsmerkmale eines anderen sprachlichen Zeichens besitzt,
sich aber darüber hinaus durch ein oder mehrere zusätzliche Bedeutungsmerkmale von ihm unterscheidet.
2
3. Kopulativkomposita bzw. Dvandva-Komposita
- untypisch (abweichende semantische und phonlogische Struktur)
- verbinden zwei (oder drei) Lexeme auf gleicher Ebene (actor-director, actormanager, study bedroom, bitter-sweet, Japanese-American)…
- …wobei das erste Lexem das Bemerkenswerte darstellt und das zweite eher gegeben
ist
- level stress (=Haupttöne auf allen lexikalischen Konstituenten), um Gleichwertigkeit
der Konstituenten hervorzuheben ('bitter-'sweet)
Grundtypen von Komposita aus morphologischer Perspektive:
1. Nominale Komposita
- N + N (barman, backbone, nutshell, pony tail…) → vgl. auch Bahuvrihi-Komposita
(egghead); Dvandva-Komposita (actor-manager)
- Adj + N (high-chair, greenhouse, smalltalk, stronghold…)
- [V + ing] + N (building-block, dancing girl, dressing gown…)
- V + N (copyright, cease-fire, showroom…)
- N + [V + ing] (street fighting, credit rating) → Suffigierung?
2. Adjektivische Komposita
- N + Adj (accident prone, carefree…)
- N + [V + ing] (eye-catching, awe-inspiring…)
- Adj + [V + ing] (good-looking…)
- N + [V + ed] (earmarked, paper covered…)
Suffigierung?
- Adj + [V + ed] (dark-haired)
- Adj + Adj (bitter-sweet) → Dvandva-Komposita
3. Genetivkomposita
- untypisch (abweichende morphologische Struktur)
→ erste Komponente wird flektiert (descriptive genetive)
- Driver’s seat, ladies’ room, master’s degree, driver’s licence
4. Partikelkomposita
- untypisch (abweichende morphologische Struktur)
→ Sonderform, da streng genommen Partikel grammatikalisch geschlossene und nicht
lexikalische Morpheme sind (afternoon, bypass, inmate, overlook, undergo,
ongoing, overpowering, inbuilt)
- Komposition?/Präfigierung?
5. Neoklassische Komposita
- untypisch (abweichende morphologische Struktur)
→ Sonderform, da nicht aus freien Morphemen, sondern aus morphemähnlichen
Komponenten (combining forms)
- aus Fremdsprache, aber leicht identifizierbar
- oft auf Fachsprache beschränkt
- archeological, biography, biochemical, demographic, theological, melodramatic,
telephone, psychological
3
Übergangsphänomene und Abgrenzungsprobleme zu benachbarten
Wortbildungsmustern:
-
Identifizierbarkeit durch Kontext: Ob es sich um ein Kompositum handelt, ist oft nur aus
dem Kontext zu erkennen (I saw a very green house.)
Identifizierbarkeit nicht durch Orthographie: Komposita müssen nicht unbedingt
zusammengeschrieben oder durch Bindestrich verbunden werden!
Identifizierbarkeit durch Sinneinheit: Aber Achtung, auch Phraseologismen (kick the
bucket) oder phrasal verbs bilden Sinneinheiten!
Test: der head lässt sich durch das Prowort one nur in syntaktischen Gruppen ersetzen,
nicht in Komposita (*This is an elm tree, not an oak one.)
1. Phrasenkomposita
- ganze oder leicht verkürzte syntaktische Phrasen
- Sonderform, da sie häufig auch grammatikalische Morpheme beinhalten und da sie
selten nach Wortbildungsmodellen gebildet werden.
- in-law, forget-me-not, pepper-and-salt, good-for-nothing
2. Synthetische Komposita
- siedeln sich zwischen den Kategorien Komposita und Suffigierung an
- lassen sich nicht ohne weiteres in existente Lexeme zerlegen (bei watchmaker gibt
es *maker nicht, die verwendeten Lexeme sind aber vertraut, auch wenn sie nicht
etabliert sind
3. Verbale Komposita
- u.a. einige Partikelkomposita (meist phrasal verbs)
- Nominale oder adjektivische Rückableitungen (Konversion)
→ to blackmail, to bankroll, to mastermind, to press-gang, to sunbathe, to baby-sit, to
brainwash
2.2. Derivation
2.2.1. Präfigierung (Präfixation)
Typische Präfigierungen sind Kombinationen aus freien lexikalischen Morphemen (Basen)
und vorangestellten gebundenen lexikalischen Morphemen (Präfixe).
2 Klassen von Präfigierungen:
- synthetische Präfigierungen: Basen sind keine existierenden Lexeme im Engl. (undoubted)
- Pseudopräfigierungen (post-Freudian)
Präfixe:
- Präfixe mit adjektivischer (ex-minister), adverbialer (rebuild, unable) und präpositiver
(lokativ, temporal) Wirkung (extracellular, pre-existing)
- Wortklassen verändernde Präfixe: a-, be-, en-/em- vor /b/ und /p/, de-, dis-, un-, forea-sleep, ahead, alike, aloud, be-loved, be-spectacled, bestow, privativ: descale, deform, discourage, dishearten,
ablativ: displace, unearth, unhinge, privativ: unmask, unburden, en-courage, empower, embed, enable, enlarge,
4
Bedeutung von Präfixen:
- Negative, reversative und privative Präfixe: de-, dis-, in-, non-, undepolarisation, denervation, disabled, dislike, defrost, disarm, disadvantage, discover, disappear, non-violent,
unrest, unable, unknown, unknown, reversative Verben: unbutton, unbolt, unbuckle, unclamp, unclasp
in-: Allomorphe von Präfixen: il vor /l/, im vor /b/, /p/, ir vor /r/ = regressive Assimilation
illegal, incomplete, impossible, irreversible
- Lokative Präfixe: co- 'joint', extra- 'outside', inter- 'among', intra- 'inside', sub- 'below', trans'across'
co-operate, co-write, extra-cellular, interact, international, intracellular, subdivide, subordinate, transplant
- Temporale Präfixe: ex- 'former', fore-, post- 'after', pre- 'before', reex-Minister, ex-Nazis, forepleasure, post-war, pre-war, pre-exist, rebuild, re-establish, reopen, reproduce, reunite
- Grad anzeigende Präfixe: mini- (aus clipping miniature), 'little', ultra- 'extreme', arch-, superout-, over- 'surpassing', under- 'too little'
mini-sub, miniskirt, minigolf, ultra-right, over-crowding, underperformance
- Zahlenpräfixe: bi- 'two', mono- 'one', uni- 'one', semi- 'half', demi- 'half', di- 'two', tri- 'three',
multi-, poly- 'many'
bicycle, monosyllabic, multi-layered, polytechnic, semi-detached, trilaminar
- Einstellungsanzeigende Präfixe: anti- 'against', pro- 'for', mal-, mis-, pseudo-, contra-,
counteranti-climax, anti-communist, pro-Communist, pro-Israeli, malnutrition, mistrust, mislead, contrafactual,
counterattack
2.2.2. Suffigierung (Suffixation)
= Wortbildung, bei der an das Ende einer Basis, die mindestens aus einem freien
lexikalischen Morphem besteht, ein Suffix (= gebundenes lexikalisches Morphem)
herantritt.
z.B.: enjoyable, color-blindness, slowly
(NB: Suffixe dienen zur Wortbildung und sind nicht mit gebundenen grammatischen
Morphemen, also Flexionsendungen wie dem Plural-s in citizens zu verwechseln!)
Entstehung von Suffixen:
- manche Suffixe waren einmal unabhängige Worte, z.B. gehen die Suffixe -dom und
-hood auf altenglische Worte zurück
- als Halbsuffixe werden angehängte Elemente bezeichnet, die zwar wie Worte erscheinen, aber nicht isoliert auftreten können, z.B. -monger, -wright, -wise
- viele Suffixe im heutigen Englisch weisen fremde Herkunft auf; diese wurden i.d.R.
nicht als Suffixe, sondern als Konstituenten abgeleiteter Fremdwörter entlehnt und aus
diesen rückgewonnen: Sekretion = Ausgliederung v. Wortbildungselementen
z.B. –age (fr.), -ess (fr.), -ic (lat.)
5
Bedeutung:
- das gebundene Suffix entscheidet als head über die Wortklasse der ganzen Ableitung;
da es bei den meisten Suffigierungen zur Transposition in eine andere Wortklasse
kommt, gilt dieser Prozess als zentrale Funktion der Suffigierung
z.B.: write (V) → writer (N)
- das gebundene Suffix entscheidet über die semantische Klasse der ganzen Ableitung;
bei den meisten Suffigierungen kommt es zu einer Transposition in eine andere
semantische Klasse
z.B. dance (semant. Klasse d. Handlungen) → dancer (semant. Klasse d. Personen)
Typische Suffigierungen: die Basis bleibt beim Suffigierungsprozess phonologisch und morphologisch unverändert; typische Suffixe wie –able oder –er können an eine Vielzahl
grammatisch und semantisch ähnlicher Basen angefügt werden
z.B. acceptable, agreeable, comfortable
Stammallomorphie und morphonologische Variation
Bei zahlreichen englischen Suffigierungen geht die Basis nicht unverändert in die Suffigierung ein, sondern phonologisch und/oder morphologisch verändert;
Basen wie irony, die in Suffigierungen (z.B. ironical) ihr Betonungsmuster und die Qualität
der Vokale ändern, nennt man Stammallomorphe;
Wichtigste Typen morphonologischer Variation:
1. Assimilation des auslautenden Konsonanten der Basis an den Anlaut des Suffixes,
z.B.: commit → commission, exclude → exclusive, relate → relation (/∫/)
meist bei anlautenden Plosiven (/p, t, k, b, d, g/); Auslöser für die Lautveränderung
sind die Anlaute /i/ oder /j/ von Suffixen wie -ion, -ive, -ial bzw. -ual
2. In vielen Fällen wird die Assimilation von einer Veränderung des Vokals der betonten
Silbe begleitet, z.B. decide → decision, please → pleasure, describe → description
i.d.R. handelt es sich um die Verkürzung langer Vokale in der Basis; Grund dafür ist,
dass die durch das Suffix hinzukommende Silbe die prosodische Struktur verändert
3. Am häufigsten: Kombination aus Verschiebung des Haupttons innerhalb des Wortes
und qualitativer und quantitativer Veränderung von Vokalen
z.B.: adore → adoration, economy → economic, major → majority
Ob eine Suffigierung von solchen Veränderungen betroffen ist, hängt v.a. von sprachhistorischen Fakten ab;
z.B. werden Adjektive auf –ic und –ian grundsätzlich auf der vorletzten Silbe betont
(economic); ebenso Nomina auf –ion (combination) und –ity (mobility);
Die Veränderung des Betonungsmusters bewirkt die Vokalveränderung, da Silben den
Hauptton erhalten, die vorher unbetont waren und umgekehrt (major → majority;
economy → economical)
Derivationale Korrelation und Suffigierungen mit gebundenen Wurzeln
Wortpaare wie intricate – intricacy, aggressive – aggression, special – specific – specify sind
trotz der Beteiligung häufiger Derivationssuffixe wie -ate, -ous, -ity und -ify morphologisch
nicht einfach segentierbar; Grund: Die nach der Segmentierung der vermeintlichen Suffixe
verbleibenden Reste (intric-, aggress-, spec- oder specif-) sind keine freien Morpheme
6
Zwei Ansätze zur Lösung des Problems:
1. Strikt der Definition der Suffigierung folgen und Lexeme dieses Typs nicht weiter
segmentieren und so als monomorphematische Lexeme auffassen; ABER: den potenziellen Basen kann Bedeutung zugeordnet werden, die der von freien lexikalischen
Morphemen entspricht
2. Segmentierung in Basis und Suffix
Hansen et al.: gehen von korrelativer Derivation aus; diese entstand durch Lehnwortpaare, nach deren Muster im Englischen eine zweite Form gebildet wurde, auch
wenn nur ein Teil eines potenziellen Paars entlehnt wurde;
z.B. ambition – ambitious → vom entlehnten Nomen caution wird analog das
Adjektiv cautious abgeleitet
(Implizite Voraussetzung: Lehnwort muss truncation (Stutzung) durchlaufen, durch
den Teile eines bestehenden Lexems wie echte oder vermeintliche Suffixe abgespalten und durch andere Suffixe ersetzt werden)
Überblick über die häufigsten Modelle der Suffigierung nach Wortarten (Schmid 2005, 183):
2.3. Nullableitung / Zero-Derivation (Zero-Derivation)
= Wortbildung aus einem Wortstamm und einem Nullmorphem, das in Analogie zu
anderen Suffigierungen angesetzt wird.
Siehe:
legal
Adj
➧
+ {-ize}
legalize
clean
➧
V
‘make legal’
Adj
+ {∅}
clean
V
’make clean’
 keine phonetische Repräsentation
 aber Nullmorphem wird angenommen in Analogie zur offensichtlichen (d.h. durch ein
morphologisches Element und phonetisch repräsentierten) Suffigierung
 Wortklasse ändert sich
 ein Nullmorphem darf nur dann angenommen werden, wenn eine sichtbare formale
Markierung mit derselben Funktion existiert. (Marchand)
7
-
Hauptmuster der Nullderivation:
o
Deverbale Nomina (V ➧ N): desire, attempt, answer, walk, retreat
o
Denominale Verben (N ➧ V): bottle, butter, brake, cash, mai
o
Deadjektivische Verben (Adj ➧ V): calm, empty, dry
-
Historische Ursachen (im Englischen kommt Nullderivation häufiger vor als in
anderen Sprachen)
1) Lexeme, deren Stämme zwar schon im Altenglischen formgleich waren, deren
Verwendungen aber noch durch Flexionsmorpheme als verschieden markiert
waren, wurden durch den Verfall dieser Morpheme formal vereinheitlicht.
2) Beide Formen wurden entlehnt und waren formal bereits mehr oder weniger
identisch oder wurden es durch den Flexionsverfall
3) Eine der beiden Formen wurde von der anderen abgeleitet
 schwer zu bestimmen
 werden bei synchroner Ansicht außer Acht gelassen
-
Bestimmung der Ableitungsrichtung (synchron)
a) Basis tritt in der Paraphrase der Ableitung auf: dry (V) = ‚to make dry’ Adj = Basis
b) Ableitung ist semantisch enger und spezifischer: look
c) Analogie zur Suffigierung: to answer ➧ answer
confirm ➧ confirmation
d) Basis wird häufiger verwendet: author (Basis) ➧ to author
e) Wesen des Konzeptes: z.B. typisch nominale Konzepte, wie father, fish, hammer
oder typische Handlungskonzepte, wie break, kiss, jump
 trotzdem nicht immer eindeutig bestimmbar
Konversion
= wird manchmal mit Nullableitung gleichgesetzt
= andere bezeichnen mit Konversion Fälle, in denen ein Wort in einer seiner Wortart
eigentlich nicht entsprechenden syntaktischen Funktion verwendet wird, bei denen es sich
aber nicht um Wortbildungen handelt.
Siehe: the wealthy ➧ Adjektiv wird in der Position eines Substantivs genutzt, aber ist
keine Substantiv, da z.B. *the wealthies
Siehe auch: a facial ➧ keine Derivation, sondern Kürzung von a facial expression
2.4. Nichtmorphematische Wortbildungsprozesse
-
Diese Wortbildungsprozesse verwenden keine Morpheme als grundlegende Bausteine
(für die Rückableitung gilt dies nur zum Teil!)
Es gibt zwar eine Art von Systematik bei der Wortbildung, aber diese Prozesse sind
nicht regelmäßig und ihre Produkte sind nicht so vorhersehbar wie die typischen
morphematischen Muster (Präfigierung, Suffigierung, etc.) -> daher ist es nicht
angebracht, diesen Prozessen Produktivität zuzuschreiben
8
-
Wichtigste Funktion aller nichtmorphematischen Wortbildungsprozesse ist die
Formverkürzung (Ausnahme: Reduplikation)
bei allen nichtmorphematischen Wortbildungsprozessen bleiben die Wortklassen
erhalten (Ausnahme: Reduplikation)
Schöpfung läuft sehr viel bewusster ab als bei den regelmäßigen morphematischen
Mustern (unbewusste Ad-hoc-Bildungen gibt es kaum!)
2.4.1. Rückableitung/Rückbildung (Backformation)
- Abtrennung eines Suffixes von einem Lexem -> Wortklassenwechsel (z.B. to baby-sit
von baby-sitter); Voraussetzung für den Abtrennungsprozess: morphologische
Analyse des komplexeren Basiswortes (Ausnahmen, z.B. burgle, das von burglar
abgeleitet ist; burglar enthält aber nur scheinbar mehrere Morpheme -> burgle ist also
keine wirkliche Rückableitung!)
- Problem: Synchronische Betrachtungsweise: Substantiv peddler vom Verb peddle
abgeleitet durch Suffigierung: peddle + er.
Bei diachronischer Betrachtungsweise ist peddle jedoch das jüngere Wort, so dass
draus folgt, dass peddle von peddler durch Rückableitung abgeleitet worden sein muss
-> Rückableitung von Suffigierung nur zu unterscheiden bei historischen Kenntnissen
zur Wortentwicklung (welches Wort war zuerst vorhanden?).
Dennoch kognitive Relevanz: die Existenz dieses Phänomens dokumentiert das
Vertrauen der Sprecher in die Suffigierung (= Abtrennung von nur vermeintlichen
Suffixen genauso wie von echten Suffixen)
- Letztendlich keine beschreibbaren Regelmäßigkeiten
2.4.2. Kürzung/Kurzform (Clipping)
 möglich bei einfachen Lexemen / Komposita / syntaktischen Gruppen
- Reduktion eines Wortes auf einen seiner Bestandteile, der reduzierte Teil ist kein
Morphem; Wortklasse und Bedeutung des Ursprungswortes bleiben erhalten; spätere
Lexikalisierung möglich
- Kürzung betrifft nicht das Sprachsystem (langue), sondern den Sprachgebrauch
(parole)
- Kürzungen möglich am …
o Anfang (= Fore-clipping); Bsp.: omnibus -> bus, telephone -> phone
o Ende (= Back-clipping); Bsp.: public house -> pub, photograph -> photo,
taxicab -> taxi
o Anfang und Ende; Bsp.: influenza -> flu, refrigerator -> fridge
o Clipping-compounds; Bsp.: Eurasia (Europe + Asia)
-
Die Kurzform hat einen neuen sprachlichen Wert, z.B. mag für magazine wird v.a. im
Slang verwendet, Mex für Mexican impliziert eine Veränderung des emotionalen
Hintergrundes
-
Weitere Spielarten der Kürzung: Kombination aus Kürzung mit –ie (Aussie, movie);
Abtrennung des zweiten Teils von Komposita oder syntaktischen Gruppen (capital
[city], semidetached [house]); Kürzung von Eigennamen (sehr häufig; Alex[andra],
Chris[tian])
Bei vielen schon lange existierenden Kürzungen (werden meist als solche schon gar
nicht mehr wahrgenommen) ist eine Bedeutungsdifferenzierung zu beobachten (z.B.
broker -> heute semantisch umfangreicher als stockbroker - wobei dessen Bedeutung
aber nach wie vor die von broker dominiert)
-
9
-
Etablierung von Kürzungen aus soziopragmatischer Sicht: Fälle wie pub, zoo und
radio sind besser etabliert als ihre Ursprungsformen werden gar nicht mehr als
Kürzungen empfunden; andererseits Kürzungen, die sich nur in der jeweiligen
Fachsprache richtig etabliert haben, wie desirable residence -> des.res. (Jargon von
Immobilienmaklern); natürlich gibt es auch Kürzungen, die zwischen diesen beiden
Polen liegen (exam, plane, vel)
2.4.3. Initiawörter: Acronyme und Alphabetismen
 Derzeit der Wortbildungsprozess mit dem höchsten Output
- Lassen sich als extreme Formen von Kürzungen verstehen (nur Anfangsbuchstaben
selbst oder wenige Buchstaben am Anfang des Wortes bleiben übrig)
- Kann nur bei Komposita oder Wortgruppen zum Einsatz kommen (aber nicht bei
einfachen Lexemen)
-
2 Grundtypen bzgl. der Aussprache:
o die Buchstaben werden einzeln gesprochen (= Alphabetismen): FBI (Federal
Beaurau of Investigation), COD (Concise Oxford Dictionary), TV (television),
TUC (Trades Union Congress), IRA (Irish Republican Army)
o die Buchstaben werden verbunden gesprochen (= Akronyme): NATO (North
Atlantic Treaty Organisation), laser (lightwave amplification by stimiated
emission of radiation), radar (radio detecting and ranging), hi-fi (high fidelity)
-
3 Grundtypen bzgl. der Schreibung:
o Großbuchstaben, die zusammengeschrieben werden: BBC, IRA, UK
o Großbuchstaben, die durch Punkte getrennt sind: M.O.T.
o Ein Großbuchstabe am Anfang mit ansonsten ,normaler" Schreibweise: Nato,
Prolog, Unita -> aber: die Entscheidung, ob mit oder ohne Punkte abgekürzt
wird etc. ist oft von Hausstilen und Medien abhängig
Zusätzlich zu diesen 3 Grundtypen existieren wenige hochgradig lexikalisierte
Initialwörter (werden aber von vielen Leuten gar nicht als solche erkannt): laser (light
amplification by stimulated emission of radiation), radar (radio detection and
ranging) -> vergleichbar mit Kürzungen wie bus oder pub (-> werden auch nicht als
Ergebnisse eines Wortbildungsprozesses wahrgenommen)
-
-
Besonders interessantes Phänomen: Akronyme, die formal mit etablierten Wörtern
zusammenfallen, also mit diesen homonym sind: WAR (Women Against Rape), WASP
(White Anglo-Saxon Protestant) -> v.a. solche Akronyme beweisen, dass sie bewusst
geschaffen werden
Initialwörter sind nicht nur Spielereien ohne tieferen Nutzen - sie vereinfachen die
Kommunikation enorm, da sie stark verkürzen und so das Gesagte verständlicher
machen -> Internet / E-Mails / Chatrooms / SMS: ,Brutstätten' für expressive
Initialwörter (FAQ, lol etc.)
2.4.4. Wortmischung/Wortverschmelzung (Blending)
- Kommt von allen nichtmorphematischen Wortbildungsprozessen der Komposition am
nächsten, da sie 2 Konzepte zu einem neuen verbindet; Bsp.: smog (smoke, fog),
brunch (breakfast, lunch), infotainment (information, entertainment), motel (motor,
hotel), bit (binary digit)
- Das Ergebnis der Wortmischung ist immer ein Monem, d.h. ein nicht analysierbares,
einfaches Wort (also kein motiviertes Syntagma!)
10
-
Bei typischen Blends sind nicht nur die Wortformen, sondern auch die Inhalte der
beiden Ausgangskonzepte verschmolzen (z.B. brunch = eine Mahlzeit, die Elemente
von Frühstück und Mittagessen miteinander verbindet)
-
Diverse Varianten:
o Blends mit überlappenden Ursprungswörtern, z.B. wintertainment: winter,
entertainment; es können auch beide Ursprungswörter vollständig enthalten
sein: sexploitation (von sex und exploitation)
o Blends ohne überlappende Ursprungswörter, z.B. infotainment; diese Blends
können aus einem vollständig erhaltenen Ursprungswort und 1 Splitter (z.B.
vodkatini aus vodka und martini), oder aus 2 Splittern bestehen (z.B. Spanglish
aus Spanish und English)
o Die jeweils von den Ursprungswörtern eingebrachten Splitter bleiben i.d.R.
zusammenhängend erhalten -> aber: es gibt auch Beispiele, bei denen dies
nicht der Fall ist (z.B. entreporneur aus entrepreneur und porn(ography))
Wortmischung erfreut sich zwar als Ergebnis sprachlicher Kreativität und Originalität
im privaten Alltag und in den Medien einer gewissen Beliebtheit -> aber: es gelingt
nur wenigen Bildungen dieses Typs, sich dauerhaft zu etablieren, da viele Blends
mangelnde Transparenz aufweisen.
2.4.5. Reduplikation / Verdopplung (Reduplicative)
- Ein Wort oder eine wortähnliche Lautfolge wird ...
 unverändert wiederholt: hush-hush, girly-girly
 mit einem veränderten Vokal wiederholt (Ablautverdoppelung): singsong, hip-hop
 mit einem veränderten Konsonanten wiederholt (Reimverdoppelung):
walkie-talkie, boogie-woogie, bow-wow
-
2 Bildungen sind zu unterscheiden:
 Reduplikationen, die aus bereits etablierten Wörtern bestehen
 Reduplikationen, die sich aus expressiven oder lautmalerischen
Elementen ohne Wort- oder Morphemstatus zusammensetzen
-
In erster Linie expressive Funktion; in manchen Varietäten auch zur Intensivierung
(z.B. Indian English)
Einige Reduplikationen entstammen der Kindersprache (tick-tick, puff-puff, bow-wow)
-> ahmen meist Geräusche nach (hier: Uhr, Lokomotive, Hund), andere spiegeln in
lautmalerischer Form Gegensätze, Abwägungen, Hin- und Herbewegungen bzw. mit
diesen assoziierte Geräusche u.ä. wider (click-clack, dingdong, criss-cross, zigzag)
Viele Verdoppelungen drücken eine abwertende Haltung gegenüber dem
Bezeichneten aus: chitchat, tittle-tattle mit der Bedeutung ‚Geschwätz, Mischmasch,
Durcheinander’ (mishmash), oder ‚wässrig, lasch, oberflächlich’ (wishy-washy) - etc.
-
-
11
Literatur:
Herbst, Thomas, Rita Stoll und Rudolf Westermayr, Terminologie der Sprachbeschreibung –
Ein Lernwörterbuch für das Anglistikstudium, Ismaning: Hueber, 1991.
Kortmann, Bernd, English Linguistics: Essentials, Berlin: Cornelsen, 2005.
Marchand, Hans, The Categories and Types of Present-Day English Word-Formation – A
Synchronic-Diachronic Approach, München: Beck, 1969².
Schmid, Hans-Jörg, Englische Morphologie und Wortbildung – Eine Einführung, Berlin:
Schmidt, 2005.
12
Herunterladen