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Wortbildung: Komposition
(s-komposition; Prof. Dr. Wolfgang Boettcher, Ruhr-Universität Bochum)
Aus zwei (oder mehreren) selbständigen Wörtern (= Lexemen) bzw. Wortstämmen wird ein
komplexes Wort (= Kompositum, Plural: Komposita) zusammengesetzt („Verbrechen“ [+
sog. „Fugen-Element“, hier ein „-s“] + „Bekämpfung“ = „Verbrechensbekämpfung“).
Das Bestimmungswort kann aus einem Wort oder auch einer Wortgruppe bestehen (bei
„Dreizimmerwohnung“ liegt dem Bestimmungswort *„Dreizimmer-„ eine Gruppe aus zwei
Wörtern zugrunde („drei Zimmer“), bei Komposita wie („Rühr-mich-nicht-an-Stimmung“),
die dann in der Regel mit Bindestrich geschrieben werden, sind es sogar ganze Sätze ganze
Sätze.
Auf diese Weise kann man den Fachbegriff „Zusammenbildung“ umgehen, der in
manchen Grammatiken für solche Wortbildungsphänomene verwendet wird und ein eigenes,
weiteres Wortbildungsverfahren darstellen würde.
Komposita werden im Deutschen in der Regel zusammengeschrieben (anders z.B. im
Englischen); Ausnahmen sind z.B. Firmenbezeichnungen („Lang Verlag“); (noch) nicht
etablierte Komposita werden oft mit Bindestrich geschrieben.
Das erste der beiden Wörter (= Bestimmungswort, auch: Determinans) gibt in der Regel eine
nähere Kennzeichnung (= Determination) des zweiten Wortes (= Grundwort, auch:
Determinatum); „Würfelzucker“ ist also etwas anderes als „Zuckerwürfel“.
Das Grundwort ist dabei für die grammatische Charakteristik (Wortart, Flexion)
verantwortlich. Nur das Grundwort wird flektiert.
zum Nachdenken:
ein Kind, für das Deutsch die Zweitsprache ist, hat Komposita aufgelistet, darunter die beiden folgenden:
„ein Herrenuhr, eine Damenuhr“
In anderen europäischen Sprachen, z.B. dem Italienischen, ist die Reihenfolge von
Bestimmungswort und Grundwort vertauscht: „Aschenbecher“ = „portacenere“ (entsprechend
auch bei „portabagaglio“, „portalettere“ usw.). Interessanterweise werden solche Komposita
nicht flektiert; z.B. wird der Plural von „portacenere“ durch die gleiche Wortform dargestellt;
dies leuchtet ein, wenn auch für das Italienische gilt, daß das Grundwort die Flexion trägt, und
andererseits Flexionssignale dann im Wortinneren zu stehen kämen, also gerade nicht an dem
wahrnehmungsgeeigneten rechten Außenrand.
Für das Bedeutungsverständnis ist diese Reihenfolge der romanischen Sprachen sinnvoller: Man erfährt zunächst
das Grundwort als für lexikalische wie grammatische Basis entscheidenden Bestandteil; dann werden –
etappenweise, sofern in diesen Sprachen überhaupt mehrfachzusammengesetzte Wörter bestehen – die
lexikalischen Spezifizierungen nachgeliefert; im Deutschen muß man bis zum Ende eines mehrfach
zusammengesetzten Wortes warten, bis man diese Basis-Information überhaupt erst erhält; dies trägt vermutlich
bei zur Schwerverständlichkeit mehrfach zusammengesetzter Wörter.- Entsprechendes gilt für die Stellung
deslexikalisch und valenzmäßig relevanten infiniten Verbform in mehrteiligen Prädikaten: „Er hatte ... ... ... ... ...
angekündigt“, die oft von Deutsch als Fremdsprahe Lernenden – am drastischsten von Mark Twain – beklagt
worden ist.
Zusammensetzungen lassen sich nach der Wortart-Kombination klassifizieren: Nomen +
Nomen („Bücherschrank“), Verb + Nomen („Schlafplatz“), Adjektiv + Nomen: „Großfeuer“,
usw.
Die Kombination Nomen+Nomen ist für das Wortbildungsverfahren der Komposition
prototypisch.
Grundsätzlich sind mehr- und vielfache Zusammensetzungen möglich; jedes Kompositum
könnte seinerseits wieder Bestimmungswort in einem noch komplexeren Kompositum
werden. Insofern gibt es im Deutschen keine feste grammatische Obergrenze für den
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Komplexitätsgrad von Komposita; in anderen europäischen Sprachen (z.B. dem Italienischen
oder Englischen) sind Kompositionen insgesamt seltener und mehrfache Kompositionen
praktisch unmöglich.
Determinativkomposita und Kopulativkomposita:
Man nennt diesen ´Standard-Typ´ von Zusammensetzung Determinativ-Komposition. Man
nimmt demgegenüber einen zweiten Typ von Zusammensetzung an, bei dem die beiden Teile
gleichrangig verbunden seien (= Kopulativ-Komposition); als Beispiele gelten oft
„blaugrün“ oder „Hosenrock“. Auch hier liegen freilich Bestimmungs-Beziehungen vor:
„blaugrün“ ist ein ins Blau gehende Grün, neben „grünblau“, das ein ins Grüne gehendes Blau
wäre; und Hosenröcke findet man in großen Damenmodegeschäften in der Abteilung `Rock´
und nicht in der Abteilung `Hose´. Eindeutiger kopulativ zu analysieren ist ein Wort wie
„schwarzweiß“, weil hiermit nicht Farbübergänge/Farbmischungen (sondern Streifung oder
Karo o.ä.) gemeint sind und ein Gegenbegriff wie „weißschwarz“ nicht üblich ist. Insofern
liegt für das Deutsche ausgebaut nur der o.g. Standard-Typ vor.
Etwas anders ist es bei Eigennamen, die mit Bindestrich geschrieben werden: „Schleswig-Holstein“ oder
„Nordrhein-Westfalen“ wären Kopulativkomposita, in denen beide Bestandteile gleichrangig verbunden wären.
Bochum-Langendreer wäre demgegenüber ein Determinativkompositum, in dem „Bochum“ den Status des
Grundworts hätte, das durch „Langendreer“ näher spezifiziert wird (in diesen Fällen läge eine andere
Reihenfolge von Grund- und Bestimmungswort vor).
In „Freund-Feind-Denken“ bestünde das Bestimmungswort dieser Determinativkomposition seinerseits aus einer
kopulativ zu lesenden Wortgruppe „Freund-Feind“; ähnlich in „Subjekt-Objekt-Trennung“ oder „Nord-SüdGefälle“.
zur Gaudi:
„Einzig, nicht artig!“ (Kelts)
"Von wegen Wachskerzen! Kleiner werden sie, immer kleiner!"
"Wußten Sie schon, daß Staubsauger viel rentabler sind als Klopfsauger? Staub kommt nämlich
häufig vor, während Klöpfe relativ selten sind."
Fügungs-Bedeutung von Determinativkomposita:
Welche Bedeutungsbeziehung zwischen Grund- und Bestimmungswort vorliegt, ist von der
`Wortoberfläche´ her nicht erkennbar. Zwei Gruppen von Komposita sind dabei zu
unterscheiden:
1.
Komposita mit einer musterbezogenen Bedeutungsbeziehung. Hier lassen sich
verschiedene semantische Muster unterscheiden:
- Schweineschnitzel = ein Schnitzel aus Schweinefleisch
- Jägerschnitzel = ein Schnitzel nach Jäger-Art
- Abendessen = ein Essen am Abend
- Bücherschrank = ein Schrank für Bücher
- Biedermeierschrank = ein Schrank aus der Zeit des Biedermeier, usw.
Bei solchen Paraphrasen wird der Bedeutungstyp durch die Präposition des
präpositionalen Attributs verdeutlicht; die Bedeutung des Bedeutungstyps ist nicht von
dem jeweiligen Grundwort abhängig.
Freilich handelt es sich nur um prototypische Muster, neben denen es auch immer Fälle von Komposita
gibt, die keinem dieser Muster voll entsprechen. Und zudem gibt es keine morphologischen Indikatoren,
nach welchem Muster die Bedeutungen zusammengefügt sind. Vielmehr regeln wir dies zum einen von
den etablierten, d.h. in diesem Kontexttyp häufig vorkommenden Muster aus, zum andern von unserem
`Weltwissen´ (z.B. verstehen wir unter „Schuhcreme“ zunächst spontan `Creme für Schuhe´ und nicht
`Creme aus Schuhen´, obwohl es für beides analoge Kompositumbildungen gibt). In spezifischen
Kontexten können wir aber dazu gebracht werden, die nicht-übliche Lesart zu wählen (etwa wenn ein
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Paar Schuhe unter den Mühlstein geraten ist und jemand der Umstehenden ausruft: „Oh, Schuhcreme
(wie lecker)!“). Mit dieser Nicht-Festgelegtheit bzw. Kontextsensitivität operieren ja auch Witze.
2.
Komposita mit individueller Bedeutungsbeziehung: z.B. bei „Verbrechensbekämpfung“
(= deverbales Nomen) entspricht die Bedeutungsbeziehung zwischen „Verbrechen“ und
„Bekämpfung“ derjenigen zwischen dem Satzgliedkern „die Bekämpfung“ und dem
Genitivattribut „des Verbrechens“ in einem Satzglied „die Bekämpfung des
Verbrechens“ oder derjenigen zwischen dem prädikatsbildenden Verb „bekämpfen“ und
der von ihm abhängigen Akkusativergänzung „Verbrechen“ in dem Satz „Jemand
bekämpft Verbrechen“. Daher versucht man die jeweilige Bedeutungsbeziehung auch
nicht durch typenspezifische Paraphrasen wie in (1) zu verdeutlichen, sondern verweist
auf die Valenzbedingungen des dem Grundwort zugrundeliegenden Verbs (bzw. des
nominalen Grundworts bei Komposita wie „Geldgier“ oder des adjektivischen
Grundworts bei Komposita wie „geldgierig“). Je nach dem vorliegenden Kompositum
und dem dortigen Valenzträger kann das Bestimmungswort
- dem Subjekt (wie in „Gottesurteil“ = „Gott urteilt ...“) oder
- der Akkusativergänzung (wie in „Verbrechensbekämpfung“ = „Jemand bekämpft
Verbrechen“),
- nicht (ohne Weiteres) aber einer Dativergänzung (z.B. *„Armengeber“ = „Jemand
gibt den Armen ...“)
entsprechen.
Man könnte daher Komposita der Gruppe 2 als valenzgebundene Komposita von denen der
Gruppe 1 als nicht-valenzgebundenen unterscheiden.
Bei „Abendessen“ sind beide Interpretationen denkbar: „essen“ läßt eine valenzgebundene Ergänzung erwarten
(wie in „Spargelessen“); bei „Abendessen“ scheitert eine solche Lesart schnell, und man wechseltin die Lesart
einer mustergebundenen Bedeutungsbeziehung.
Analyseverfahren:
Auch bei der Dekonstruktion von Zusammensetzungen aus mehr als 2 Wörtern kann man
schrittweise die jeweils beiden unmittelbaren Konstituenten festlegen: „Personenkraftwagen“
besteht aus „Personen“ + „Kraftwagen“, dieses Grundwort ist seinerseits zusammengesetzt
aus „Kraft“ + „Wagen“. Dabei sind Fehl-Zerlegungen denkbar (und sie sind eines der Mittel
zur Produktion von Sprachwitzen), weil nur semantisch nahegelegt (nicht aber syntaktisch
festgelegt) ist, wie die Etappen dieser Zusammensetzung aussahen (bei diesem Beispiel eben
nicht „Personenkraft“ + „Wagen“ = `Auto mit Hand- oder Fußantrieb´).
Man
unterscheidet
rechtsverzweigende
(wie
Personenkraftwagen)
von
linksverzweigenden (wie Altpapiersammlung) und ihnen gegenüber rechts-linksverzweigende (wie „Altpapier-Sammlungsstelle.
Motivierung und Transparenz:
Wozu überhaupt wird der Bedarf an neuen Wörtern nicht durch Schaffung neuer Wortkörper
(*„Bate“, *“wenkern“, *“gleu“ usw.) gedeckt, sondern durch Zusammensetzungen und
Ableitung auf der Basis schon vorhandener Wörter.
Durch Rückgriff auf vorhandene Wörter sind solche Wortbildungs-Produkte natürlich
„motiviert“ und damit - in der Phase der Etablierung wie im Spracherwerb - leichter
bedeutungserschließbar. Diese Motiviertheit ist freilich nie eine das Bedeutungsverständnis
zwingend lenkende hundertprozentige; „Handschuh“ ist vermutlich schwächer motiviert als
„Tischbein“.
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Mit diesem Phänomen der – immer nur bedingten – Motiviertheit einer Komposition spielen
auch Witze / Sprachspielereien:
"Ich trinke Jägermeister, weil mich Herr Schäfer auf ein Stündchen eingeladen hat"
Walter Kinn, der Erfinder des gleichnamigen Hakens
„Besser AutoZug als AutoBahn“ (DB)
Zudem verlieren die Wörter auf Dauer durch ihre Speicherung als lexikalische Einheit diese
Nachvollziehbarkeit ihrer einzelnen Wortbestandteile; dieser Verlust an BedeutungsErschließbarkeit geht unterschiedlich weit:
-
-
-
morphologische Intransparenz:
- In einem Wort wie „Eimer“ ist nicht einmal mehr die Zusammengesetztheit zu
erkennen („aus „ein-bar“ = Gefäß mit einem Henkel, im Kontrast zu „Zuber“ [aus
„zuo-bar“ = Gefäß mit zwei Henkeln]).
lexikalische Intransparenz:
- In einer Zusammensetzung wie „Nachtigall“ ist das Grundwort „-gall“ in seiner
lexikalischen Bedeutung nicht mehr transparent („galan“ = althochdeutsch
„singen“), in „Brombeere“ das Bestimmungswort („broma“ = althochdeutsch
„Dorn“). „-gall“ wie „Brom-„ bezeichnet man auch als unikale Morpheme, weil
sie außerhalb solcher Zusammensetzungen nicht (mehr) frei als eigenständige
Lexeme verwendet werden können. Die Komposition ist also gewissermaßen ein
Museum für viele ehemalige Lexeme.
Intransparenz der Motiviertheit:
- z.B. durch Veränderungen der gesellschaftlichen Praxis, auf die sich frühere
Wortbildungen bezogen, verändern sich entsprechend die Bedeutungen der
Wortbestandteile: „Buchhalter“ arbeiten heute in Regel am PC; dadurch sinkt – für
uns heute - die Motiviertheit solcher Kompositionen. „Junggesellen“ können alt
sein und beruflich etabliert; zum Zeitpunkt der Etablierung dieses Kompositums
waren „Junggesellen“ noch jung und beruflich noch unselbständig und daher nicht
zur Heirat `berechtigt´
Solche Demotivierungen können durch zwei Vorgänge umgelenkt werden:
-
sog. Remotivierung: z.B. durch Bindestrichschreibung wird die historisch ältere
Motivierung wieder aktualisiert („Hoch-Zeit“ statt „Hochzeit“)
sog. sekundäre Motivierung (auch „Volksethymologie“): wenn die ursprüngliche
Bedeutungsherkunft nicht mehr bewußt ist, werden - bei geeigneter Lautgestalt - andere
Bedeutungsherkünfte zugeordnet Hängematte“ aus indianisch „(h)amaca“)
Lexikalisierung:
Warum etablieren sich manche Wortbildungen, während andere über spontanen Gebrauch
nicht hinauskommmen (sog. okkasionelle Wortbildungen): Es lassen sich also feste (sog.
usuelle) Wortbildungen von (vorerst) Gelegenheits-Wortbildungen unterscheiden; wie hier
gesellschaftlicher Bedarf und `Promotion´-Effekte zusammenspielen, ist ungeklärt (und wohl
auch nur im nachherein registrierbar).
Attribuierung zu Bestimmungswörtern:
Manchmal beziehen sich Attribute von Komposita nicht – wie üblich - auf das Grundwort,
sondern auf das Bestimmungswort:
5
1.
2.
3.
„roter Nelkenstrauß“
(*)„psychologische Beratungsstelle“
*“vierköpfiger Familienvater“.
Während man bei (1) noch argumentieren kann, „rot“ beziehe sich auch – zumindest als
Farbeindruck - auf den „Strauß“ (als Grundwort), ist der Bezug des Attributs in (2 )und in (3)
auf das jeweilige Grundwort unstrittig; (3) ist – nicht nur wegen der biologischen
Unmöglichkeit des `vierköpfigen Vaters´ - sicherlich nicht akzeptabel, (2) mag als Grenzfall
eingeschätzt werden, es ist jedenfalls üblicher Gebrauch.
Im folgenden Beispiel kooperiert das Bestimmungswort „Einstieg (in) ...“ mit dem
nachgestellten Präpositionalattribut „in eine andere Energiepolitik“; dies ist grammatisch
nicht korrekt, das Attribut darf sich offensichtlich nur auf das Grundwort „Diskussion“
beziehen.
„Wir brauchen eine Einstiegsdiskussion in eine andere Energiepolitik“
(Bundeswirtschaftsminister Müller am 9.3.99)
Komposition bei Verben:
Komposition ist bei Verben weniger produktiv als bei Nomen, es gibt weniger
Wortbildungsmodelle als beim Nomen.
Komposition bei Verben verändert deren Valenzen: „sagen“ – „danksagen“.
Komposition mit nominalem Erstglied: nach neuer Rechtschreibung gibt es nicht mehr
*„maschineschreiben“ (sondern „Maschine schreiben“), *„radfahren“ (sondern „Rad fahren“).
Es bleiben also sehr wenige Komposita wie „danksagen“ (neben „Dank sagen“) „teilnehmen“,
die trennbare Verben sind (= „Sie nahm teil“ / „Sie hat teilgenommen“), und – noch seltenerwie „schlafwandeln“, die untrennbare Verben sind („Sie schlafwandelte“ / „Sie hat
geschlafwandelt“). Achtung: „notlanden“ ist eine Rückbildung aus „Notlandung“.
Komposition mit adjektivischem Erstglied: auch hier werden nach der neuen
Rechtschreiben Verben wie „“braun brennen“ nicht mehr zusammengeschrieben; es bleiben
aber nach wie vor relativ viele Komposita, wie z.B. „feststehen“, „festsetzen“, die in der
Regel trennbare Verben sind („Es stand inzwischen fest“). Achtung: „frühstücken“ ist eine
Konversion aus „Frühstück“, „neubauen“ kann als Konversion aus „Neubau“ oder als
Kompositum angesehen werden.
Komposition mit verbalem Erstglied: durch die neue Rechtschreibung entfallen viele
frühere Komposita wie “verlorengehen“ (jetzt „verloren gehen“) oder „liegenlassen“ (jetzt
„liegen lassen“). Es bleiben wenige Komposita wie „ziehschleifen“ (=
Determinativkompositum) oder „mähdreschen“ (= Kopulativkompositum), die in der Regel
fachsprachlich und nur im Infinitiv möglich sind (*„Er drosch mäh“ oder *„Er mähdrosch“).
Kompositum mit Partikel als Erstglied: „vorübergehen“, „vorbeilaufen“, „überholen“;
es handelt sich um ein sehr produktives Wortbildungsmuster. Teilweise sind diese Verben
trennbar (wie „vorübergehen“ – dann ist das Erstglied betont), teilweise untrennbar (wie
„überholen“ – dann ist das Erstglied unbetont); „übersetzen“ stellt ein Homonym dar:
„übersetzen“ (in der Bedeutung von „to translate“) ist untrennbar, „übersetzen“ (in der
Bedeutung von „mit dem Schiff übersetzen“) ist trennbar. Die Abgrenzung zwischen
Komposition und Präfigierung (z.B. „umfallen“) ist nicht immer einfach; ein Verb als
Kompositum zu klassifizieren setzt ja voraus, daß das Bestimmungswort als freies Morphem
vorkommt, und zwar mit gleicher bzw. vergleichbarer Bedeutung; dies ist in der Sache und in
der Prüfbarkeit nicht immer einfach: Zwar ist „unter“ in „(etwas) unternehmen“ als
Präposition ein freies Morphem, aber handelt es sich um die gleiche Bedeutung wie in
„unternehmen“? Bei solchen Unsicherheiten von Präfixoiden zu sprechen, bringt m.E. nicht
viel; daher plädiere ich in allen solchen Grenzfällen für die Klassifikation als Präfixverb, also
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als Derivation (vgl. weiter unten). Schon das oben als Kompositum angebotene „überholen“
könnte mit mindestens gleichem Recht als Präfigierung eingestuft werden.
Konfixe/Konfixkomposita:
In Wörtern wie „hardware“ sind sowohl „hard“ wie auch „ware“ für sich nicht freie
lexikalische Morpheme, sie sind andererseits auch nicht bloße Affixe im Sinne von
Wortbildungsmitteln der Derivation. Andere Konfixe wären z.B. „bio-„.
Man kann das Problem natürlich dadurch beseitigen, indem man sie zu importierten
Komposita erklärt (die in der Herkunftssprache unstrittig beides Lexeme / freie Morpheme
wären). Bezogen auf das Wortbildungssystem der deutschen Sprache kann man ihre
Besonderheit, daß sie als gebundene lexikalische Morpheme eingestuft werden, also als
Mittelding zwischen Lexem und Affix.
Man kann also sagen, daß Komposita aus Lexem+Lexem oder Konfix+Lexem oder
Konfix+Konfix gebildet werden.
Fugen-Elemente:
Es gibt ein Nebeneinander von fugenkennzeichenlosen und fugenkennzeichenhaften Wörtern:
„Rindfleisch“ neben“ „Rinderbraten“.
Und bei den Komposita mit Fugenzeichen gibt es – teilweise regional - unterschiedliche
Fugenzeichen: „Rindsbraten“ (= süddeutsch) und „Rinderbraten“.
Bei einigen der Komposita mit Fugenzeichen könnten diese Fugenzeichen als erstarrte
Flexionsendungen gesehen werden: bei „Bahnhofsvorsteher“ oder „Storchennest“ könnten die
Fugenzeichen „-s-„ bzw. „-en-„ als (ehemalige) Genitiv-Markierungen gelesen werden.
Aber solche Fugenzeichen - z.B. ein Pluralkennzeichen „-en“ - werden auch in
Kompositionen übernommen, deren Bestimmungswort gar nicht pluralbestimmt ist:
„Tortenstück“ (= ein Stück einer Torte), und umgekehrt findet sich ein Singular-Genitiv-„s“
auch in Kompositionen, die eigentlich den Plural des Bestimmungsworts verlangen:
„Bischofskonferenz“ (eigentlich ein Treffen mehrerer Bischöfe). Und das „s“ findet sich auch
bei Bestimmungswörtern, die ihren Genitiv gar nicht mittels „s“ bilden würden:
„Liebesdienst“,
„Arbeitslohn“.
Unter historischer Perspektive können Komposita wie „Gottesurteil“ oder „Freundeshand“ als Univerbierung,
also als Zusammenschreibung, ursprünglich vorangestellter Genitivattribute („Gottes Urteil“, „(des) Freundes
Hand“) verstanden werden; entsprechend wären hier die Fugenelemente als ex-Flexions-Markierung „Genitiv“
motiviert. Für eine synchrone Betrachtungsweise sind solche historischen Auflösungen zwar interessant, aber
nicht immer erfolgreich und in ihrem grundsätzlichen Status für eine synchrone Betrachtungsweise zwiespältig,
zumal wenn solche Komposita unter historischen Aspekten als „uneigentliche Komposita“ bezeichnet werden.
Die Art des Fugenzeichens richtet sich vorrangig nach dem jeweiligen Bestimmungswort,
dessen Wortart, morphologischer Gestalt, Lautstruktur und Wortbildungsstatus, aber auch
regionale und nationalsprachliche (Österreichisch versus Schweizerisch) Unterschiede lassen
sich finden.
Daher sehe ich Fugenelemente nicht als Wortbildungsmorpheme an (weil sie synchronisch
gesehen keine lexikalischen oder grammatischen Bedeutungen tragen); entsprechend zähle ich
sie auch nicht zu den Affixen (manche Grammatiken bezeichnen sie als Infixe oder Interfixe).
Man könnte Unterschiede wie die zwischen „klagen“, „kläglich“ und „Klagemauer“ dadurch elegant (und klug?)
einordnen, indem man für Flexion, Derivation und Komposition unterschiedliche Stammformen ansetzt, hier
also: eine Flexions-Stammform „klag-„, eine Derivations-Stammform „kläg-„ und eine KompositionsStammform „Klage-“. Entsprechend könnte man die Ablaut-Unterschiede z.B. bei „werfen“ und „Wurf“ oder
„trinken“ und „Trank“ behandeln; vgl. unter „Derivation“.
Fugenzeichen wurden bislang an Nomen+Nomen-Komposita erläutert, sie gelten auch für
andere Kompositionen.
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Fremdsprachliche Komponenten in der Wortbildung:
Entweder sind beide/alle Konstituenten fremdsprachlich (wie bei „Kopulativkompositum“)
oder nur eine/einige: bei Kompositionen z.B. Grund- („Lautelement“) oder Bestimmungswort
(„Demonstrationsort“), bei Derivationen z.B. Affix („superscharf“ bzw. „lautieren“) oder
Derivationsbasis (z.B. „unsolide“).
Welche Kombinationsmöglichkeiten bei solchen Sprachenmischungen (sog.
Hybridisierungen bzw. Hybriden) zulässig/üblich sind, ist kompliziert geregelt.
In manchen verdeutlichenden Komposita wird gleichsam doppelt eine Bezeichnung realisiert, z.B. „Kieselstein“;
dabei werden oft auch Zusammensetzungen aus eigen- und fremdsprachlichem Wort (sog. Hybrid): z.B.
„Einzelindividuum“) benutzt.
Reste:
Bei Komposita wie „Lästerzunge“ handelt es sich um „eine Person, die eine Lästerzunge hat“;
insofern ist nicht wie bei „Holzhaus“ die näher bestimmte Sache durch das Grundwort bereits
vertreten, sondern „außerhalb“ zu ergänzen. Daher spricht man manchmal auch von
„exozentrischen“ Komposita (Fleischer/Barz bevorzugen „Possessivkompositum“, was ich
nun wieder semantisch irreführend finde).
Mit solchen Kommentaren zur Wortbedeutung hat man aber nicht den Wortbildungstyp
erfaßt („eine Zunge, die lästert“), der als Fall von Komposition zu sehen ist, sondern bewegt
sich in semantischen Diskussionen, die nicht Gegenstand der Wortbildung sind.
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