VHS 42 02061 15 min. Farbe Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Insulin Frederick Banting, Charles Best, James Collip, John Macleod Frederick Banting, Charles Best, James Collip, John Macleod Bis in die 20er Jahre bedeutete die Diagnose Zuckerkrankheit den sicheren Tod. Obwohl bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts der Zusammenhang zwischen Bauchspeicheldrüse und Zuckerkrankheit vermutet wurde, konnte die eigentliche Ursache, der Mangel an dem Hormon Insulin erst sehr viel später nachgewiesen werden. 1921 schließlich gelang es einer kanadischen Forschergruppe um Frederick Banting, das Insulin aus tierischen Bauchspeicheldrüsen zu isolieren. Die rasche Umsetzung der Insulingewinnung in den industriellen Maßstab hat seitdem Millionen von Diabetikern das Leben gerettet. Schlagwörter Entdeckung; Blutzuckerspiegel; Diabetes: Zuckerkrankheit; Insulin Hormondrüse; Hormon; Insulingewinnung; Frederick Grant Banting, Charles Herbert Best; James Collip, John Macleod; Bertrand; Lernziele: Die Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus, als hormonelle Stoffwechselkrankheit kennen; das Insulin als blutzuckersenkendes Hormon verstehen; verschiedene Herstellungsmethoden von Insulin wissen Kurzbeschreibung Die Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus, war bis in die 20ziger Jahre unseres Jahrhunderts eine schwere Stoffwechsel-Krankheit mit meist tödlichem Ausgang. Die Symptome, hoher Zuckergehalt im Urin, starkes Hunger- und Durstgefühl, Abmagerung und Koma der Patienten waren wohl bekannt, nicht aber deren Ursache, sekretorische Drüsen waren nicht gerade das Zentrum der medizinischen Untersuchungen und eher zufällig fiel der Verdacht als Verursacher der Zuckerkrankheit auf die Bauchspeicheldrüse. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es schließlich einer kanadischen Forschergruppe um Frederick Banting 1921 aus den Langerhansschen Inseln einen insulinhaltigen Extrakt zu isolieren. Nach vorangegangenen Versuchen an Hunden konnte der erste Mensch mit Hilfe von Insulin von den Folgen der Zuckerkrankheit befreit werden. Sehr schnell danach, bereits 1923, begann die Insulinproduktion aus tierischen Bauchspeicheldrüsen im großtechnischen Maßstab. Millionen von Menschenleben wurden gerettet und die Nachfrage an Insulin stieg unaufhörlich. Erst nach der Strukturaufklärung durch Frederick Sanger konnte die chemische Synthese versucht werden. Dieses Verfahren erwies sich jedoch als zu aufwendig, so dass das Insulin heute vorwiegend auf gentechnischem Weg mit Hilfe von Bakterien gewonnen wird. Zum Inhalt 1921 gelingt es einer kanadischen Forschergruppe, aus tierischen Bauchspeicheldrüsen das Hormon Insulin zu isolieren. Schätzungen zufolge wurde durch das Insulin in den ersten 50 Jahren nach dessen Entdeckung zwischen 20 und 30 Millionen Zuckerkranken das Lehen gerettet. Die innere Sekretion Obwohl die Organe des menschlichen Hormonsystems den Anatomen schon früh bekannt waren, war man sich über deren Funktion jahrhundertlang im Ungewissen. Der erste, der sie für Drüsenorgane hielt, war der französische Arzt Théophile de Bordeu (1722-1776). De Bordeu vertrat 1775 die Auffassung, dass in diesen Organen besondere Säfte produziert werden, die auf direktem Wege in das Blut abgegeben werden (innere Sekretion). Eine Reihe von Krankheiten führte er auf Anomalien der Organfunktion zurück. Experimentelle Beweise konnte er jedoch nicht vorlegen. Beweis für die Existenz einer inneren Sekretion Den Beweis für die Existenz einer inneren Sekretion erbrachte 1849 Arnold Adolph Berthold in Göttingen. Berthold entfernte sechs Hähnen die Hoden. Zweien von ihnen pflanzte er die Hoden in die Bauchhöhle ein. Bei diesen Tieren kam es nicht zu den üblichen Kastrationsfolgen. Die anderen vier jedoch zeigten die erwarteten Symptome: die Bart- und Kammlappen verkümmerten, die Tiere wurden ruhiger, ihr Sexualtrieb erlosch. Durch die Verpflanzung der Hoden waren die ursprünglichen Verbindungen zu den Nerven unterbrochen worden. Dass dennoch keine Kastrationsfolgen auftraten, konnte nur bedeuten, dass es die Hoden selbst sind, die entsprechende Stoffe an das Blut abgeben. 1856 konnte Charles-Edouard Brown Séquard (1817—1894) an Tieren zeigen, dass das Entfernen der Nebennieren zum Tod führt. Hingegen wurde der Tod der nebennierenlosen Tiere hinausgezögert, wenn ihnen Blut, und damit die lebensnotwendigen Hormone normaler Tiere injiziert wurde. Zum ersten Male wurde gezeigt, dass diese Drüsen lebenswichtige Funktionen ausüben. 1889 machte der zweiundsiebzigjährige Brown-Séquard von sich reden, als er vor dem Publikum berichtete, wie er seine in letzter Zeit seine körperlichen und geistigen Kräfte durch Injektionen eines Extraktes aus Meerschweinchenhoden wiedererlangt haben soll. Mit einem Male stand nun die Lehre von der inneren Sekretion im Mittelpunkt des Interesses, Insbesondere begann man sich nun auch für die Ursache der Zuckerkrankheit zu interessieren. Die Zuckerkrankheit Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist eine Stoffwechselstörung, bei der die Verwertung des Traubenzuckers (Glukose) beeinträchtigt ist. Anstatt in die Zellen aufgenommen, um dort verbrannt zu werden, verbleibt der Zucker zunächst im Blutstrom und wird später mit dem Urin ausgeschieden. Zuckerkranke geben enorme Mengen Urin ab. Als Folge davon leiden sie an unerträglichem Durst. Da der Großteil der Nährstoffe ungenutzt wieder abgegeben wird, quält sie zudem ein ständiges Hungergefühl. Zuckerkranke fühlen sich schwach, verlieren an Gewicht und sind anfälliger für Infektionskrankheiten. Vor der Entdeckung des Insulins war der Diabetes eine tödlich verlaufende Krankheit, der die Ärzte nichts entgegenzusetzen hatten. Spezielle Diäten konnten den Tod lediglich aufschieben. Erste Forschungen und Vermutungen Zunächst hielt man den Diabetes für eine Magenkrankheit. Nach Claude Bernards Entdeckung, dass die Leber Nährstoffe umwandelt und Zucker in den Blutkreislauf abgibt (1850), verfiel man auf die Leber. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts häuften sich die Hinweise, dass die Bauchspeicheldrüse das für die Zuckerkrankheit verantwortliche Organ ist. Doch schien die einzige Aufgabe der Bauchspeicheldrüse, Verdauungsenzyme zu produzieren, die von dort über einen eigenen Ausgang direkt in den Dünndarm geleitet werden. 1869 berichtete der damals erst zweiundzwanzigjährige Paul Langerhans (1847-1888) über. inselförmige Zellanhäufungen im Gewebe des Pankreas (der Bauchspeicheldrüse). 1893 wurden diese nach ihrem Entdecker Langerhanssche Inseln genannt. Später werden bestimmte Zellen der Langerhansschen Inseln als Bildungsstätte des Hormons Insulin erkannt. Die Versuche von Brown Séquard und Mering 1889, im gleichen Jahr. in dem Brown Séquard seinen aufsehenerregenden Vortrag hielt, teilten Joseph von Mering (1849—1908) und Oskar Minkowki (1858—1931) mit, dass es ihnen gelungen war, Hunde durch Entfernen der Bauchspeicheldrüse künstlich zuckerkrank zu machen. Damit war bewiesen, dass die Zuckerkrankheit eine durch die Bauchspeicheldrüse verursachte Störung ist. In einem weiteren Experiment unterband Minkowski den Kanal zwischen Drüse und Dünndarm. Als Folge dieses Eingriffs waren zwar kleinere Verdauungsstörungen zu beobachten. nicht jedoch Diabetes. Überdies verpflanzte Minkowski Hunden, deren Bauchspeicheldrüse zuvor entfernt wurde, Pankreasstückchen unter die Haut. Durch diese Maßnahme konnte ein Diabetes verhindert werden. Die Bauchspeicheldrüse musste neben den Verdauungsenzymen eine weitere Substanz produzieren, die direkt in das Blut abgegeben wird. Eine Substanz, deren Fehlen zur Zuckerkrankheit führt. Erste Versuche zur medizinischen Anwendung der Erkenntnisse 1901 erkannte der Amerikaner Eugene Opie, dass bei Diabetes meist auch die Langerhansschen Inseln geschädigt sind. In ihnen musste also jener geheimnisvolle Stoff entstehen. Bereits seit einigen Jahren behandelte man bestimmte Schilddrüsenkrankheiten erfolgreich durch Verabreichen von Schilddrüsenextrakten. Im Falle der Zuckerkrankheit lag es nahe, Pankreasextrakte zu verwenden. Doch die meisten Versuche, der Zuckerkrankheit durch Gaben von Pankreasextrakten beizukommen, verliefen wenig ermutigend. Die Misserfolge wurden den ebenfalls in der Bauchspeicheldrüse produzierten Verdauungsenzymen zugeschrieben, die den gesuchten Wirkstoff zerstören. Den größten Erfolg hatte noch Georg Ludwig Zülzer (1870-1949). Ihm gelang es, wirksame Extrakte herzustellen, mit denen er 1906 erstmals Zuckerkranke behandelte. Zu stark waren jedoch die Nebenwirkungen. Zülzer hielt sie für die Wirkung von toxischen Verunreinigungen. Hätte ihm damals eine zuverlässige Methode der Blutzuckerbestimmung zur Verfügung gestanden, so hätte er erkennen können, dass diese Reaktionen vielmehr durch eine Überdosierung des Insulins verursacht wurden. Durch eine genaue Dosierung des Extraktes hätte leicht Abhilfe geschaffen werden können. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges jedoch hielt Zülzer von weiteren Experimenten ab. Die Entdeckung des Insulins Der entscheidende Durchbruch gelang in den Jahren 1920 bis 1922 einer kanadischen Forschergruppe um Frederick Grant Banting (.1891-1941). Als Repetitor an der Medizinischen Fakultät in Toronto kannte er auch die Berichte Minkowskis, die von Langerhans beobachteten Inseln und auch die Veröffentlichung Zülzers. In der Nacht des 30. Oktober 1920 notierte er: Unterbinde den Bauchspeicheldrüsengang von Versuchshunden. Warte sechs bis acht Wochen bis zur Degeneration des Pankreasgewebes. Entferne das übrige Gewebe, extrahiere und injiziere es Zuckerkranken.“ Durch das Abbinden des Drüsenausgangs sollte derjenige Teil der Bauchspeicheldrüse verkümmern, der die eiweiß-spaltenden Enzyme produziert. Aus der zurückgebildeten Bauchspeicheldrüse, die dann überwiegend aus den Langerhansschen Inseln besteht, sollte sich so der gesuchte Wirkstoff isolieren lassen. Der Belgier De Meyer hatte für diesen Stoff bereits 1909 einen Namen gefunden: Insulin. Der Name sollte auf die Langerhansschen Inseln als Bildungsort des gesuchten Hormons hinweisen. Banting, der seine Idee experimentell überprüfen wollte, wurde an John Macleod (1876— 1935) verwiesen, einem Fachmann auf dem Gebiet des Kohlenhydratstoffwechsels. Nach anfänglichem Zögern, denn Macleod kannte die vielen vergeblichen Versuche selbst angesehener Wissenschaftler, stellte er Banting ein Labor und die nötigen Versuchshunde zur Verfügung. Charles Herbert Best (1899— 1978), ein Medizinstudent, assistierte ihm bei seinen Versuchen. Im Juli 1921 gewann Banting erstmals den geheimnisvollen Stoff durch Extraktion mit eiskalter Salzlösung aus der unterbundenen Bauchspeicheldrüse. Das Insulin konnte nach intravenöser Zufuhr den Blutzuckergehalt eines diabetischen Hundes auf den Normalwert reduzieren, so dass sich dessen Zustand merklich besserte. Ein anderer Hund, dem die Bauchspeicheldrüse total entfernt worden war, konnte immerhin acht Tage lang am Leben gehalten werden. Die Vorräte an Insulin waren schnell aufgebraucht, und neues herzustellen war sehr mühsam. Zudem war der Extrakt nicht stabil und konnte somit nicht auf Vorrat hergestellt werden Macleod erkannte die Bedeutung der Ergebnisse Bantings und betraute den Biochemiker James Bertram Collip (1892-1965) mit der Extraktion des Insulins. Collip stellte bald schon fest, dass das umständliche Abschnüren der Bauchspeicheldrüse nicht notwendig ist. Es zeigte sich, dass saure Alkoholextrakte der ganzen Bauchspeicheldrüse weitaus wirkungsvoller waren. Erste Behandlungserfolge Der erste Mensch, der mit Insulin-Extrakten behandelt wurde, war der vierzehnjährige Leonard Thompson. Am 11. Januar 1922 wurde ihm zum ersten Mal ein von Banting und Best gewonnener Extrakt gespritzt. Der Blutzuckergehalt sank daraufhin um 25%, zu wenig, um von einem wirklichen Erfolg sprechen zu können. In der Zwischenzeit bemühte sich Collip, einen reineren Extrakt herzustellen. Dieser wurde am 23. und am 24. Januar injiziert. Der Blutzuckergehalt fiel diesmal um rund 75%. Weitere Insulingaben folgten, der Junge blühte wieder auf. Insulin heute Seit Mitte der 50er Jahre kennen wir die genaue Struktur des Insulins, eines Eiweißmoleküls. 1964 gelang die chemische Synthese des Insulins, doch erwies sich die Isolierung aus tierischen Bauchspeicheldrüsen weiterhin als praktikabelste Methode. Heute produzieren genmanipulierte Bakterien menschliches Insulin. Dieses Verfahren hat inzwischen dem mühsamen Isolieren aus abertausenden von tierischen Bauchspeicheldrüsen den Rang abgelaufen.