- Schneider & Beer

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Schneider, Beer, Veller & Weber
Rechtsanwälte und Notar
Im Herrengarten 7
57319 Bad Berleburg
Tel.: 02751/3989
www.sub-recht.de
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 09/2015:
Arbeitsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Neue Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung
Aktuelle Gesetzgebung: Betriebliche Altersvorsorge bei Arbeitgeberwechsel
Arbeitszeugnis: Arbeitszeugnis muss frei von Rechtschreibfehlern sein
Kündigungsrecht: Diskriminierungsschutz für schwangere Frauen
Betriebliche Altersversorgung: Eine Spätehenklausel in der Hinterbliebenenversorgung ist
unwirksam
Baurecht
Aktuelle Gesetzgebung: Bausicherheit: Paternosterverbot wird entschärft
Baumangel: Bauherr muss nachweisen, dass Kosten für Mängelbeseitigung notwendig waren
Nachbarrecht: Kein Beseitigungsanspruch bei Verschattung eines Grundstücks durch Bäume des
Nachbarn
Nachbarrecht: Baugenehmigung mit nicht ausreichenden Stellplätzen verletzt Nachbarn nicht in
ihren Rechten
Familien- und Erbrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Im Unterhaltsrecht wird der Mindestunterhalt von Kindern angepasst
Strafrecht: Auch Mütter müssen ins Gefängnis
Trennungsunterhalt: Posten von Fotos mit dem neuen Partner schließt den Trennungsunterhalt
nicht aus
Erbrecht: Kein Erbanspruch des Ehegatten trotz Rücknahme des Ehescheidungsantrags
Mietrecht und WEG
Pachtverhältnis: Erpresserischer Pächter muss Schadenersatz leisten
Mietmangel: Mieter kann selbst zu steuernde Heizungsmöglichkeit verlangen
Mängelbeseitigung: Vermieter darf beschädigten Teppichboden nicht gegen Laminat
auswechseln
Lärm: Mietminderung: Umweltgeräusche sind hinzunehmen
WEG: Zweckwidrige Nutzung eines Ladens als Gaststätte in einer Wohnungseigentumsanlage
Verbraucherrecht
Berufskrankheiten-Verordnung: Vier neue Berufskrankheiten
Haftungsrecht: Haftung, wenn Makler trotz erheblicher Vorerkrankungen zum Abschluss rät
Amtshaftung: Schadenersatz und Schmerzensgeld nach „Festnahme“ durch Polizeihund
Immobilienrecht: Wohnungskauf: Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen verschwiegenem
Mangel
Verkehrsrecht
Schadenersatz: Alkoholbedingt verkehrsuntüchtiger Fußgänger kann Schadenersatzansprüche
verlieren
Unfallschadensregulierung: Unfallbedingte Reinigungskosten sind erstattungsfähig
Unfallschadensregulierung: Beilackierung ist gemäß Gutachten erstattungsfähig
Unfallschadensregulierung: Ausfallschaden: Reparaturverzögerung bei fahrfähigem Kfz
Unfallschadensregulierung: Kein Abzug der Mehrwertsteuer bei Privatfahrzeug eines
Unternehmers
Fahrerlaubnisrecht: MPU kann bei Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung schneller angeordnet
werden
Steuerrecht
Alle Steuerzahler: Entlastungsbetrag für Alleinerziehende: Es kommt auf die Meldeadresse des
Kindes an
Arbeitnehmer: Diktatkassetten sind kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
Kapitalanleger: Freistellungsauftrag: Ab 2016 ohne Steuer-Identifikationsnummer nicht mehr
gültig
Kapitalanleger: Riester-Zulagen für Beamte: Mittelbare Zulageberechtigung als Rettungsanker
Arbeitnehmer: Arbeitsplatzwechsel: Kosten für die Abschiedsfeier können Werbungskosten sein
Grunderwerbsteuer: Grunderwerbsteuer: Die Ersatzbemessungsgrundlage ist verfassungswidrig
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Das Bürokratieentlastungsgesetz im Überblick
Freiberufler und Gewerbetreibende: Betriebsprüfung: Der Zeitreihenvergleich ist nur mit
Einschränkungen zulässig
Umsatzsteuerzahler: Zeitliche Zuordnung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen
Vereinsrecht: Anfechtungsrecht ist regelmäßig nach vier Monaten verwirkt
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 09/2015
Arbeitsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Neue
Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung
| Am 31.7.2015 ist die Verordnung zu den Dokumentationspflichten nach den §§ 16 und 17 des
Mindestlohngesetzes und den §§ 18 und 19 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in Bezug auf
bestimmte Arbeitnehmergruppen im Bundesanzeiger verkündet worden. Sie tritt am 1.8.2015 in
Kraft. Die Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung vom 18.12.2014 wird dafür
aufgehoben. |
Mit der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung wird die Einkommensschwelle von
2.958 EUR dahingehend ergänzt, dass die Aufzeichnungspflicht nach dem Mindestlohngesetz
bereits früher entfällt. Es reicht aus, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt mehr als
2.000 EUR brutto beträgt und dieses Monatsentgelt jeweils für die letzten tatsächlich
abgerechneten 12 Monate nachweislich gezahlt wurde. Zudem sind bei der Beschäftigung von
engen Familienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des
Arbeitgebers) die Aufzeichnungspflichten nicht mehr anzuwenden.
Aktuelle Gesetzgebung: Betriebliche Altersvorsorge bei
Arbeitgeberwechsel
| Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-MobilitätsRichtlinie beschlossen. Die Richtlinie hat zum Ziel, Mobilitätshindernisse für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer abzubauen, die sich aus Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung
ergeben können. |
Die Richtlinie der EU wird 1:1 umgesetzt. Dabei wird bewusst darauf verzichtet, die neuen EUVorgaben nur bei grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechseln anzuwenden. Um eine
Inländerdiskriminierung zu vermeiden und aus Praktikabilitätsgesichtspunkten gelten die neuen
Regelungen vielmehr für alle Beschäftigten. Der Gesetzentwurf hat folgende Schwerpunkte:

Arbeitgeberfinanzierte Betriebsrentenanwartschaften bleiben künftig bereits dann erhalten
(sind „unverfallbar“), wenn die Zusage drei Jahre bestanden hat. Bislang betrug die Frist
fünf Jahre. Darüber hinaus wird das Lebensalter, zu dem man dabei frühestens den
Arbeitgeber verlassen darf, ohne dass die Anwartschaft verfällt, vom 25. auf das 21.
Lebensjahr abgesenkt. Insbesondere junge mobile Beschäftigte können damit künftig
schneller und früher als bisher unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften erwerben.
Das kann zur besseren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung beitragen.

Betriebsrentenanwartschaften ausgeschiedener und beim Arbeitgeber verbliebener
Beschäftigter müssen gleich behandelt werden. Beschäftigte müssen also nicht mehr
befürchten, dass ein Arbeitgeberwechsel ihrer Betriebsrente schadet.

Die Abfindungs- und Auskunftsrechte werden zugunsten der Beschäftigten erweitert.
Die neuen Regelungen sollen am 1.1.18 in Kraft treten. Mit der frühzeitigen Umsetzung der
Richtlinie in deutsches Recht erhalten die Betriebsrentensysteme die notwendige Rechts- und
Planungssicherheit, ohne die der angestrebte weitere Auf- und Ausbau der betrieblichen
Altersversorgung nicht möglich ist.
Arbeitszeugnis: Arbeitszeugnis muss frei von Rechtschreibfehlern sein
| An Arbeitszeugnisse sind allgemeine Anforderungen zu stellen. Sind diese Anforderungen nicht
erfüllt, kann der Arbeitnehmer ein neues Zeugnis fordern, das den Anforderungen entspricht. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Die
Richter machten deutlich, dass durch die äußere Form des Zeugnisses nicht der Eindruck
erweckt werden dürfe, dass sich der Aussteller vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen
distanziere. So müsse zum Beispiel das Zeugnis auf einem Firmenbogen erteilt werden, wenn
der Arbeitgeber einen solchen besitzt und im Geschäftsleben benutzt. Außerdem dürfe ein
Zeugnis keine Merkmale enthalten, die eine andere als aus der äußeren Form und dem Wortlaut
ersichtliche Aussage treffen, die Aussage des Zeugnisses entwerten oder Anlass zu sonstigen
negativen Schlussfolgerungen geben.
Im vorliegenden Fall verpflichtete das LAG den Arbeitgeber, das Zeugnis neu auszustellen. Dabei
musste er zwei Anforderungen berücksichtigen:

Zum einen darf auf dem Geschäftsbogen, der für das Zeugnis genutzt wird, das
Adressfeld nicht ausgefüllt sein. So wird ein eventueller Hinweis auf einen vorherigen
Streit der Parteien vermieden.

Zum anderen muss das Zeugnis frei von Rechtschreibfehlern sein. Diese lassen im
Zeitalter des PC mit Rechtschreibkontrolle eher vermuten, der Aussteller distanziere sich
vom Inhalt des Zeugnisses, als dass sie lediglich eine Rechtschreibschwäche offenbaren.
Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 21.10.14, 12 Ta 375/14, Abruf-Nr. 178285 unter www.iww.de.
Kündigungsrecht: Diskriminierungsschutz für schwangere Frauen
| Die wiederholte Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der
Arbeitsschutzbehörde kann einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung
auslösen. |
Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden und den beklagten Arbeitgeber zur Zahlung einer
Entschädigung in Höhe von 1.500 EUR verurteilt. Der Arbeitgeber hatte die bei ihm beschäftigte
Klägerin bereits während der Probezeit gekündigt. Diese Kündigung hatte das Arbeitsgericht in
einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren für unwirksam erklärt. Die Klägerin hatte
dem Arbeitgeber nämlich gleich nach der Kündigung mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Dabei
hatte sie auch den Mutterpass vorgelegt. Der Arbeitgeber hatte trotzdem keine Zustimmung der
Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt. Einige Monate später kündigte er erneut ohne
Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde. Seine Einlassung, er sei davon ausgegangen, dass die
Schwangerschaft schon beendet sei, ließ das Arbeitsgericht nicht gelten. Es erklärte auch die
erneute Kündigung für unwirksam. Zudem muss der Arbeitgeber eine Geldentschädigung nach
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zahlen. Er habe aufgrund des ersten
Kündigungsschutzverfahrens und der Kenntnis des Mutterpasses mit dem Fortbestand der
Schwangerschaft rechnen müssen.
Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 8.5.2015, 28 Ca 18485/14, Abruf-Nr. 145150 unter
www.iww.de.
Betriebliche Altersversorgung: Eine Spätehenklausel in der
Hinterbliebenenversorgung ist unwirksam
| Eine Spätehenklausel in der Vereinbarung einer betrieblichen Altersversorgung verstößt gegen
das Verbot der Altersdiskriminierung und ist daher unwirksam. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Rechtsstreit um eine
Hinterbliebenenversorgung. Geklagt hatte die Witwe eines im April 1947 geborenen und im
Dezember 2010 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters des beklagten Arbeitgebers. Dem Mann
waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einschließlich einer Witwenversorgung
zugesagt worden. Die maßgebliche Pensionsregelung enthält eine „Spätehenklausel“. Danach ist
zusätzliche Voraussetzung für den Bezug der Witwen-/Witwerrente, dass der
versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres
geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht. Die
Ehe war erst Ende 2008 geschlossen worden. Der Arbeitgeber weigerte sich aus diesem Grund,
an die Witwe eine Witwenrente zu zahlen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Witwe hatte vor dem BAG
Erfolg. Die Richter erklärten die Spätehenklausel für unwirksam. Der verstorbene Ehemann
wurde durch die Spätehenklausel unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Die
Benachteiligung verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG). Sie kann
auch nicht gerechtfertigt werden. Das AGG lässt bei den betrieblichen Systemen der sozialen
Sicherheit zwar Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zu. Das
Gesetz erfasst aber, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geht, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung.
Nicht erfasst wird die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen/Witwerversorgung. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der unmittelbaren
Benachteiligung wegen des Alters nach dem AGG nicht vor. Die Spätehenklausel führt zu einer
übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten
Arbeitnehmer. Sie ist daher unwirksam.
Quelle | BAG, Urteil vom 4.8.2015, 3 AZR 137/13, Abruf-Nr. 145143 unter www.iww.de.
Baurecht
Aktuelle Gesetzgebung: Bausicherheit: Paternosterverbot wird entschärft
| Der Bundesrat hat einer Änderung der Betriebssicherheitsverordnung zugestimmt, die das
„Paternoster-Verbot“ entschärft. |
Der Beschluss geht nun zur Veröffentlichung an die Bundesregierung, er soll am Tag nach der
Verkündung in Kraft treten. Nach der am 1.6.2015 in Kraft getretenen
Betriebssicherheitsverordnung durften Paternoster nur noch von Beschäftigten benutzt werden,
die vom Arbeitgeber eine Einweisung erhalten haben. Damit war die Benutzung der Aufzüge in
öffentlichen Gebäuden für viele Bürgerinnen und Bürger verboten.
Diese Nutzungseinschränkung ist in der Öffentlichkeit auf erhebliche Kritik gestoßen. Um die
Nutzung der Fahrstühle künftig auch anderen Personen wieder zu ermöglichen, sind die
Betreiber nunmehr verpflichtet, durch zusätzliche Maßnahmen ein sicheres Benutzen zu
gewährleisten. Zum Beispiel sollen die Nutzer über mögliche Gefahren und sicherheitsgerechtes
Verhalten aufgeklärt werden.
Quelle | Bundesrat, Plenum kompakt
Baumangel: Bauherr muss nachweisen, dass Kosten für Mängelbeseitigung
notwendig waren
| Verlangt der Auftraggeber Ersatz der von ihm aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten, muss
er nachweisen, dass die durchgeführten Maßnahmen für die Mängelbeseitigung notwendig
waren. |
Hierauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) hingewiesen. Nach Ansicht der Richter bestehe keine
Vermutung, dass stets sämtliche von einem Drittunternehmer im Zuge einer
Mängelbeseitigungsmaßnahme durchgeführten Arbeiten ausschließlich der Mängelbeseitigung
dienen. Ein im Verhältnis zum Auftragnehmer schützenswertes Vertrauen des Auftraggebers, der
Drittunternehmer werde nur Arbeiten zur Mängelbeseitigung durchführen, besteht nicht.
Quelle | BGH, Urteil vom 25.6.2015, VII ZR 220/14, Abruf-Nr. 178336 unter www.iww.de.
Nachbarrecht: Kein Beseitigungsanspruch bei Verschattung eines
Grundstücks durch Bäume des Nachbarn
| Ein Grundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn nicht immer die Beseitigung von
Bäumen wegen der von ihnen verursachten Verschattung verlangen. |
Das mussten sich die Eigentümer eines Einfamilienhauses vor dem Bundesgerichtshof (BGH)
sagen lassen. Ihr 10 mal 10 m großer, nach Süden ausgerichteter Garten grenzt an eine
öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m
von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen. Die Kläger verlangen, dass diese Bäume
beseitigt werden. Die Bäume würden den Garten vollständig verschatten. Er eigne sich daher
weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen
Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht
vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach
Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Der BGH hat dieses Urteil heute bestätigt. Ein Beseitigungsanspruch setze voraus, dass das
Eigentum der Kläger beeinträchtigt werde. Daran fehle es. Eine Benutzung des Grundstücks in
dessen räumlichen Grenzen – hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden
Bäume – ist im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar können nach dem
im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte
Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zählt der Entzug von Luft und Licht als
sogenannte „negative“ Einwirkung nicht. Das ist seit Langem in der Rechtsprechung entschieden.
Allerdings könne das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von
Pflanzen und Bäumen beeinträchtigt werden. Das sei dann der Fall, wenn die in den
Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Diese
Voraussetzung liege hier aber nicht vor. Nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen
Landesrecht für stark wachsende Bäume beträgt der vorgeschriebene Abstand 4 m. Dieser
Abstand sei hier gewahrt.
Es besteht auch kein Beseitigungsanspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
Dieser komme mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in
Ausnahmefällen in Betracht. Er setze voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume
ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt werden. Das sei
hier nicht der Fall. Die Gartenfläche werde nicht ganzjährig vollständig verschattet. Zudem sei bei
der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der vorgeschriebene Abstand um
mehr als das Doppelte überschritten werde. Umso mehr trete in den Vordergrund, dass
öffentliche Grünanlagen besondere Aufgaben zu erfüllen hätten. Sie sollen die Luft verbessern,
Naherholungsräume schaffen und als Rückzugsort für Tiere dienen. Das erfordere gerade auch
große Bäume, die auf vielen privaten Grundstücken aus Platzgründen oft nicht angepflanzt
werden könnten. Das Grundstück der Kläger liege am Rande einer öffentlichen Grünanlage. Der
damit verbundene Schattenwurf ist daher Ausdruck der Situationsgebundenheit des Grundstücks.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2015, V ZR 229/14, Abruf-Nr. 145151 unter www.iww.de.
Nachbarrecht: Baugenehmigung mit nicht ausreichenden Stellplätzen
verletzt Nachbarn nicht in ihren Rechten
| Fehlende Stellplätze für ein geplantes Mehrfamilienhaus reichen noch nicht aus, um das
Vorhaben als unzumutbar für die Nachbarn einzustufen.|
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. Auslöser
der Streitigkeit war eine Baugenehmigung der Stadt Koblenz. Diese gestattete den Bau eines
Mehrfamilienwohnhauses für 14 Wohneinheiten. Sieben davon waren als Seniorenwohnungen
auswiesen. Hiergegen legten Nachbarn Widerspruch ein. Sie beantragten beim VG vorläufigen
Rechtsschutz. Nach ihrer Ansicht sei das Vorhaben für sie rücksichtslos im Sinne des Baurechts.
Die Genehmigung ließe auch denkmalrechtliche Belange außer Acht. Außerdem habe der
Bauherr nicht genügend Stellplätze vorgesehen.
Der Antrag hatte vor dem VG keinen Erfolg. Die Richter sahen keine Nachbarrechtsverletzung
durch die Baugenehmigung für das Mehrfamilienhaus. Die Interessenabwägung, so das Gericht,
falle zulasten der Nachbarn aus. Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen das
bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
Das Vorhaben habe für die benachbarte Wohnbebauung keine erdrückende Wirkung. Da es den
gesetzlich erforderlichen Abstand zu den benachbarten Grundstücken einhalte, führe es auch zu
keiner unzumutbaren Beeinträchtigung der Belichtung, Beleuchtung oder Belüftung der
Wohnhäuser der Nachbarn.
Die denkmalrechtlichen Einwendungen seien unbeachtlich. Die Stadt Koblenz habe dem
Bauherrn eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erteilt. Dieser Bescheid sei ein
selbstständiger Verwaltungsakt. Er müsse von den Nachbarn angefochten werden.
Soweit die Antragsteller die unzureichende Anzahl der Stellplätze rügten, sei die
Baugenehmigung zwar rechtswidrig. Die Baugenehmigung sehe nur 12 Stellplätze statt der
erforderlichen 24 Stellplätze vor. Dabei verkenne die Kammer nicht, dass bei Gebäuden mit
Altenwohnungen nur 0,2 Stellplätze je Wohnung nachzuweisen seien. Den Bauunterlagen könne
aber nicht entnommen werden, dass sich der Zuschnitt der sieben als Seniorenwohnungen
deklarierten Wohneinheiten von den übrigen Wohnungen unterscheide. Mithin sei insoweit von
einem Etikettenschwindel auszugehen. Da aber nicht ersichtlich sei, dass der Mangel an
Stellplätzen für das Mehrfamilienhaus die Nachbarn unzumutbar beeinträchtige, könnten sich die
Antragsteller auf diese Rechtsverletzung nicht berufen.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 15.7.2015, 1 L 473/15, Abruf-Nr. 145152 unter
www.iww.de.
Familien- und Erbrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Im Unterhaltsrecht wird der Mindestunterhalt von
Kindern angepasst
| Die Bundesregierung hat den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts sowie des
Unterhaltsverfahrensrechts beschlossen. |
Durch eine Änderung des Unterhaltsrechts soll die Anbindung des Mindestunterhalts für
minderjährige Kinder an den steuerlichen Freibetrag beendet werden. Die Anknüpfung an den
Kinderfreibetrag hat in der Vergangenheit zu Abweichungen zwischen der Höhe des
Mindestunterhalts und dem Existenzminimum minderjähriger Kinder geführt. Deswegen soll
künftig die Höhe des Mindestunterhalts direkt an das Existenzminimum gekoppelt werden.
Darüber hinaus soll das vereinfachte Unterhaltsverfahren anwenderfreundlicher geregelt und
deutlicher als bisher auf die typischen Fälle seiner Anwendung ausgerichtet werden. Dazu
werden die Verfahrensrechte der Beteiligten neu bestimmt und das Verfahren effizienter
gestaltet. Es sollen daher insbesondere die Regelungen im FamFG zum Anwendungsbereich des
vereinfachten Verfahrens, zu den Einwendungen des Antragsgegners, zum Übergang in das
streitige Verfahren und zum Formularzwang geändert werden.
Schließlich sind im Auslandsunterhaltsgesetz vorwiegend technische Anpassungen vorgesehen.
Hiermit wird insbesondere auf eine Entscheidung des EuGH zur örtlichen Zuständigkeit der
deutschen Familiengerichte in Auslandsunterhaltssachen reagiert.
Quelle | Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Strafrecht: Auch Mütter müssen ins Gefängnis
| Die Mutterrolle und Verantwortung für ein Kind ist keine Garantie dafür, dass eine notorische
Einbrecherin zukünftig keine Straftaten mehr begeht. |
Das musste sich eine 20-jährige vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Das Gericht
verurteilte sie wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr
und neun Monaten ohne Bewährung.
Die junge Frau war mit ihrem Ehemann kurz vor der Tat von Kroatien nach München gereist. Um
sich Geld zu verschaffen, war sie in ein Haus eingebrochen. Dabei hatte sie geringe Beute
gemacht, aber hohen Sachschaden verursacht. Kurz nach der Tat wurde sie verhaftet und in
Untersuchungshaft genommen. In der Justizvollzugsanstalt brachte sie eine Tochter zur Welt.
Das Kind wurde vom Kindsvater und dessen Eltern im Einverständnis mit der Angeklagten
abgeholt. Sie lebt nun bei der Familie des Vaters in Kroatien. Die Angeklagte vermisst ihr Kind
sehr.
Obwohl sie Mutter eines Neugeborenen ist und die Tat gestanden hat, wurde sie zu einer hohen
Haftstrafe verurteilt. Das Gericht hat auf die 20-jährige Angeklagte Jugendstrafrecht angewendet.
Es hat festgestellt, dass bei ihr schädliche Neigungen vorliegen. Die Angeklagte wurde bereits im
Jahr 2010 vom Amtsgericht Freiburg wegen zwei Einbruchsdiebstählen und vier versuchten
Einbrüchen zu acht Monaten Jugendstrafe und im März 2013 in Frankreich zu zwei Monaten
Freiheitsstrafe wegen Einbruchsdiebstahls verurteilt. Wegen dieser Vorverurteilungen saß die
Angeklagte in Frankreich bereits nein Monate in Haft. In Deutschland saß sie im Jahr 2010 zwei
Monate in Haft. Das Gericht stellt fest: Zwar ist sie mittlerweile Mutter geworden und hat in der
Hauptverhandlung nachvollziehbar geäußert, ihr Kind sehr zu vermissen. Angesichts der tief
verwurzelten kriminellen Energie der Angeklagten hat das Gericht jedoch nicht die Hoffnung,
dass allein die Mutterrolle und die damit verbundene Verantwortung für ihr Baby die Angeklagte
künftig längerfristig auf einem rechtstreuen Lebensweg halten kann.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 11.06.2015, 1034 Ls 468 Js 199228/14, Abruf-Nr.
145153 unter www.iww.de.
Trennungsunterhalt: Posten von Fotos mit dem neuen Partner schließt den
Trennungsunterhalt nicht aus
| Postet die getrennt lebende Ehefrau auf Facebook Fotos von sich und ihrem neuen
Lebensgefährten, ist ihr Anspruch auf Trennungsunterhalt damit noch nicht ausgeschlossen. |
So entschied es das Amtsgericht Lemgo. Das Gericht wertete auch die innige Vertrautheit der
beiden auf den Bildern nicht als schwerwiegendes Fehlverhalten das geeignet sei, den zum
Unterhalt verpflichteten Ehemann in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Dies gelte
insbesondere, wenn der Ehemann selbst ein außereheliches Verhältnis pflegt, das schon vor der
Trennung bestanden habe.
Quelle | Amtsgericht Lemgo, Beschluss vom 8.6.2015, 8 F 43/15, Abruf-Nr. 145154 unter
www.iww.de.
Erbrecht: Kein Erbanspruch des Ehegatten trotz Rücknahme des
Ehescheidungsantrags
| Liegen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vor, hat dies weitreichende Folgen für
das Erbrecht. |
Das erfuhr eine Frau vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. Sie hatte bei Gericht die
Scheidung eingereicht. Ihr Mann hatte der Scheidung zunächst zugestimmt. Dann hatten sich die
beiden wieder versöhnt. Kurz bevor die Frau die Scheidung bei Gericht zurücknahm, verstarb der
Mann. Das Nachlassgericht weigerte sich, der Frau einen Erbschein auszustellen.
Zu Recht, entschied das OLG. Die Frau sei vom Erbrecht ausgeschlossen. Das folge aus dem
Bürgerlichen Gesetzbuch. Danach sei das Erbrecht des überlebenden Ehegatten
ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die
Scheidung der Ehe gegeben waren und – als eine der beiden genannten Alternativen – der
Erblasser der Ehescheidung zugestimmt hatte. Der gesetzliche Erbrechtausschlussgrund
erfordere also zweierlei.Zum einen muss bei Gericht ein Antrag auf Ehescheidung rechtshängig
sein. Zum anderen muss dieser Antrag zur Zeit des Erbfalls begründet gewesen sein. Wird die
Rücknahme des Scheidungsantrags erst nach dem Eintritt des Erbfalls erklärt, ist das zu spät.
Das ändert dann nichts mehr am zuvor bereits kraft Gesetzes eingetretenen Ausschluss des
Erbrechts.
Quelle | OLG Naumburg, Beschluss vom 30.3.2015, 2 Wx 55/14, Abruf-Nr. 145155 unter
www.iww.de.
Mietrecht und WEG
Pachtverhältnis: Erpresserischer Pächter muss Schadenersatz leisten
| Erklärt der Pächter gegenüber dem Verpächter, er werde die Pachtsache nach wirksamer
fristloser Kündigung nur räumen und herausgeben, wenn der Verpächter im Gegenzug eine
Vereinbarung unterzeichnet, wonach er auf sämtliche offene Pachtzinsforderungen verzichtet und
sich verpflichtet, die Kaution und die seinerzeit gezahlte Maklercourtage zu erstatten, ist dies eine
vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in Gestalt einer Erpressung. |
Diese deutlichen Worte sprach das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. Die Richter machten
dabei deutlich, dass der Pächter hierfür dem Verpächter auf Schadenersatz hafte.
Im Übrigen könne der Verpächter die aufgrund dessen getroffene Vereinbarung über die
Gewährung der geforderten Vermögensvorteile wegen widerrechtlicher Drohung anfechten. Die
Ankündigung, das Mietobjekt ansonsten nicht herauszugeben, hat nämlich für ihn eine
Zwangslage geschaffen.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.6.2015, 2 U 201/14, Abruf-Nr. 144900 unter
www.iww.de.
Mietmangel: Mieter kann selbst zu steuernde Heizungsmöglichkeit
verlangen
| Ist zuvor nichts anderes vereinbart worden, muss in der Mietwohnung eine
Heizungsmöglichkeit vorhanden sein, die der Mieter allein und selbst steuern kann.|
Diese Klarstellung traf das Amtgericht Dortmund im Fall einer Frau, die eine Wohnung
angemietet hatte. Im Mietvertrag war u.a. geregelt, dass in der Zeit der Heizperiode vom 1.
Oktober bis zum 30. April des Folgejahres die Sammelheizung so in Betrieb zu halten sei, dass
die Mieträume eine angemessene Temperatur aufweisen. Nach dem Einzug stellte die Mieterin
fest, dass die Heizkörper in ihrer Wohnung über die Therme der Nachbarwohnung versorgt
wurden. Folge war, dass die Heizungen nur warm wurden, solange die Nachbarin ihre Therme
auch eingeschaltet hatte.
Das hielt auch das Gericht für unzumutbar. Es verurteilte den Vermieter, der Mieterin eine selbst
zu steuernde Heizung zur Verfügung zu stellen und deren grundsätzliche Gebrauchsfähigkeit zu
garantieren. Insoweit handele es sich schlicht und ergreifend um das, was der Vermieter im
Mietvertrag als selbstverständliche Standardleistung versprochen habe – nämlich eine
funktionsfähige Heizung und entsprechende Messeinrichtungen. Notwendiger Inhalt eines
Mietvertrags im nördlichen Mitteleuropa sei, dass jeder Mieter in der klar definierten Messperiode
seine Räume nach eigener Entscheidung beheizen könne und insoweit nicht auf die Mitwirkung
eines Wohnungsnachbarn angewiesen sei.
Quelle | Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 25.6.2014, 413 C 10946/13, Abruf-Nr. 145156 unter
www.iww.de.
Mängelbeseitigung: Vermieter darf beschädigten Teppichboden nicht gegen
Laminat auswechseln
| Der Vermieter einer Wohnung darf im Rahmen seiner Instandhaltungspflicht einen
mitvermieteten Teppichboden nicht ohne Weiteres gegen den Willen des Mieters durch einen
Laminatboden ersetzen. |
So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart in einem Streit zwischen Mieter und Vermieter.
Die Richter wiesen darauf hin, dass der Vermieter möglichst den ursprünglichen Zustand der
Mietsache wiederherstellen müsse, wenn er einen Mangel beseitige. Bringe er Laminatboden
statt Teppichboden ein, weiche dies erheblich vom bisherigen Zustand ab. Jedenfalls würde im
entschiedenen Fall das Interesse der Mieterin am Behalten des Teppichbodens das Interesse der
Vermieterin am Verlegen von Laminat überwiegen.
Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 1.7.2015, 13 S 154/14, Abruf-Nr. 144902 unter www.iww.de.
Lärm: Mietminderung: Umweltgeräusche sind hinzunehmen
| Ein Mieter muss Umweltgeräusche hinnehmen, solange sie unterhalb der sich aus der DIN
4109 ergebenden Höchstwerte liegen. |
Das stellte das Amtsgericht Hannover klar. Unter die Umweltgeräusche fallen nach Ansicht des
Gerichts u.a. Vogelgezwitscher oder Geräusche durch Fahrzeug-, Schienen- und Flugverkehr. Es
zählen aber auch durch haustechnische Anlagen verursachte Geräusche dazu, wie
Strömgeräusche des Heizwassers in Heizkörpern, Schaltgeräusche von in Wohnungen
installierten Heizungsanlagen, Geräusche von Gasbrennern und Betätigungsgeräusche bei
Wasserentnahmen aus dem Hausleitungsnetz sowie die Laufgeräusche und andere
Lebensäußerungen von Mietern im selben Objekt. Ein Anspruch auf Mietminderung ergebe sich
daher erst, wenn der DIN-Wert überschritten werde.
Quelle | Amtsgericht Hannover, Urteil vom 1.10.1014, 412 C 8478/13, Abruf-Nr. 144724 unter
www.iww.de.
WEG: Zweckwidrige Nutzung eines Ladens als Gaststätte in einer
Wohnungseigentumsanlage
| Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann verlangen, dass eine als „Laden“ ausgewiesene
Teileigentumseinheit nachts nicht als Gaststätte genutzt wird. |
Mit dieser Entscheidung gab der Bundesgerichtshof (BGH) einer
Wohnungseigentümergemeinschaft recht. Diese war nicht damit einverstanden, dass eine als
„Laden“ ausgewiesene Teileigentumseinheit nachts als Gaststätte genutzt wurde. Die
Eigentümerin hatte ihre Einheit an ihren Neffen vermietet. Der betrieb darin eine Gaststätte.
Diese ist nach Freigabe der Öffnungszeiten jedenfalls seit dem Jahr 2007 bis in die frühen
Morgenstunden geöffnet.
In einer Eigentümerversammlung im Mai 2011 hat die Eigentümergemeinschaft einen inzwischen
bestandskräftigen Beschluss gefasst. Dieser sieht vor, dass „die derzeit vorhandenen Gaststätten
und Restaurantbetriebe bis ein Uhr nachts geöffnet sein dürfen“. Gleichzeitig wurde die
Hausverwaltung beauftragt und bevollmächtigt, diesen Beschluss auch gerichtlich durchzusetzen.
Die Klage, mit der erreicht werden soll, dass die Beklagte die Gaststätte nicht nach ein Uhr
nachts betreiben und offenhalten darf, hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung ist
erfolglos gewesen.
Auf die Revision der Eigentümergemeinschaft hat der für das Wohnungseigentumsrecht
zuständige V. Zivilsenat des BGH die Beklagte nunmehr dem Antrag entsprechend verurteilt.
Die Richter haben ihre Entscheidung damit begründet, dass der Einwand der Teileigentümerin
nicht greift. Diese hatte sich auf eine unzulässige Rechtsausübung berufen. Nach ihrer Ansicht
sei der Anspruch verwirkt. Das war dem BGH nicht ausreichend. Es sei nämlich nicht
entscheidungserheblich, ob ein Unterlassungsanspruch verwirkt sei. Daher komme es nicht
darauf an, ob der Gaststättenbetrieb jahrzehntelang zu bestimmten Uhrzeiten geduldet worden
sei. Selbst wenn das der Fall gewesen sei, könne die Teileigentümerin nicht so gestellt werden,
als diente ihre Teileigentumseinheit als Gaststätte.
Ist ein Unterlassungsanspruch wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit
verwirkt, schützt dies den Eigentümer nämlich nur davor, dass er das bislang geduldete
Verhalten ändern oder aufgeben muss. Es begründet aber nicht das Recht, neue nachteilige
Veränderungen vorzunehmen. Um neue und qualitativ eigenständige Störungen geht es hier, weil
die Gaststätte vor dem Jahr 2007 nicht in den Nachtstunden betrieben worden ist.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig. Diene eine Teileigentumseinheit nach der Teilungserklärung als Laden, dürfe sie
grundsätzlich nicht als Gaststätte genutzt werden. Allerdings könne eine nach dem vereinbarten
Zweck ausgeschlossene Nutzung zulässig sein, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise
nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend sei dabei, dass eine solche
anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus
beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist.
Davon könne hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnanlage der Parteien im Saarland
belegen ist und Läden dort – anders als Gaststätten – zur Nachtzeit geschlossen sein müssen.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2015, V ZR 169/14, Abruf-Nr. 145157 unter www.iww.de.
Verbraucherrecht
Berufskrankheiten-Verordnung: Vier neue Berufskrankheiten
| Die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) enthält Krankheitsbilder, die durch besondere
Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht sind (z.B. -Chemikalien oder einseitige körperliche
Belastungen). Die Anlage 1 der BKV enthält derzeit 77 anerkannte Berufskrankheiten. Zum
1.1.15 sind die vier -folgenden Berufskrankheiten neu aufgenommen worden: |




Bestimmte Formen des „weißen Hautkrebses“ (Plattenepithelkarzinome) bzw. Vorstufen
der Erkrankung (multiple aktinische Keratosen der Haut) infolge Sonneneinstrahlung (BK
5103),
Carpaltunnel-Syndrom (BK 2113), Druckschädigung eines Nerves im -Unterarm durch
wiederholte manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, erhöhten
Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen,
Hypothenar-Hammer- und Thenar-Hammer-Syndrom (BK 2114), Gefäßschädigung der
Hand durch stoßartige Krafteinwirkung,
Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) infolge intensiver und mehrjähriger Aussetzung von
Schwefelsäuredämpfen (BK 1319).
Hinweis | Arbeitgeber oder Ärzte müssen den Verdacht auf eine Berufskrankheit bei einem
Arbeitnehmer dem Unfallversicherungsträger melden (Verdachtsanzeige). Seit 2010 werden
aktuelle Hinweise für die Berufskrankheitenanzeige von der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung herausgegeben (www.dguv.de/de/Versicherung/Berufskrankheiten).
Haftungsrecht: Haftung, wenn Makler trotz erheblicher Vorerkrankungen
zum Abschluss rät
| Eine Versicherungsmakler-GmbH muss sich das Verhalten ihres Geschäftsführers zurechnen
lassen und haftet einem Kunden auf Schadenersatz, wenn der Geschäftsführer seine
Sachwalterpflichten verletzt, und der Versicherer den Versicherungsvertrag deswegen anfechten
kann. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz klargestellt. Der Versicherungsmakler hatte dem
Kunden zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung geraten. Der Kunde hatte mehrfach Bedenken
geäußert wegen seiner teils erheblichen Vorerkrankungen wie Herzkatheteruntersuchung,
Koronarangiographie, LWS-Beschwerden und Rückenschmerzen. Im Beratungsgespräch brachte
der Makler Formulare mit, in denen die wesentlichen Gesundheitsfragen bereits mit „nein“
angekreuzt waren. Diese Pflichtverletzung des Maklers bewirkte, dass der Versicherer den
Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag anfechten konnte. Der Schaden des Kunden besteht in
den aufgewendeten Prämien, die der Versicherer behalten darf. Den Kunden trifft kein
Mitverschulden, weil er den Antrag noch unausgefüllt unterzeichnet hat. Denn er kann sich darauf
verlassen, dass der Makler als sein Sachwalter den Vertragsschluss sorgfältig bearbeitet und
erledigt. Die Versicherungsmakler-GmbH musste dem Kunden gegenüber daher für die
gezahlten Prämien haften.
Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 30.4.2015, 10 U 35/15, Abruf-Nr. 144703 unter
www.iww.de.
Amtshaftung: Schadenersatz und Schmerzensgeld nach „Festnahme“
durch Polizeihund
| Wird ein Jugendlicher bei der Festnahme von einem Polizeihund erheblich gebissen, sodass er
am ganzen Körper Verletzungen davonträgt, hat er einen Anspruch auf Schadenersatz und
Schmerzensgeld. |
Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall eines 14-jährigen
Jugendlichen. Der war mit seinen Freunden auf einem Gelände angetroffen worden, als die
Polizei dort gegen 23 Uhr nach dem Täter eines kurz zuvor begangenen Raubüberfalls fahndete.
Der Jugendliche und seine Freunde rannten davon, als sie die Polizeifahrzeuge sahen, um einer
polizeilichen Kontrolle zu entgehen. Die Polizei entschloss sich aufgrund dieses verdächtigen
Verhaltens, die Flüchtenden festzunehmen. Dabei kam ein Diensthund zum Einsatz. Der von der
Leine gelassene Diensthund stürzte sich auf den Jugendlichen und fügte ihm zahlreiche
Bissverletzungen an beiden Unterarmen, am rechten Oberarm, am Rücken und an den Beinen
zu. Nach der Festnahme stellte sich heraus, dass der Jugendliche mit dem Raubüberfall nichts
zu tun hatte. Er konnte aufgrund der Verletzungen mehrere Tage seine Hände nicht benutzen.
Die Wunden mussten mehrere Wochen lang versorgt werden.
Der Jugendliche – vertreten durch seine Eltern – forderte in einem Prozess gegen das Land
Baden-Württemberg Schmerzensgeld und Schadenersatz. Er ist der Ansicht, dass der Einsatz
des Polizeihundes rechtswidrig gewesen sei. Bereits das Landgericht Freiburg hatte ihm
Schadenersatz und Schmerzensgeld zugesprochen. Es war aber nicht von einer
Amtspflichtverletzung des Diensthundeführers ausgegangen. Zudem hatte es ein Mitverschulden
des zum Zeitpunkt des Vorfalls alkoholisierten Jugendlichen angenommen.
Das OLG hat nun im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Anders als das
Landgericht gingen die Richter jedoch von einer zumindest fahrlässigen Amtspflichtverletzung
des Hundeführers der Polizei aus. Zwar seien die Polizeibeamten damals berechtigt gewesen,
den Jugendlichen vorläufig festzunehmen. Es habe nämlich zunächst der Verdacht einer Straftat
gegen ihn bestanden. Jedoch habe der Hundeeinsatz nicht den gesetzlichen Voraussetzungen
der Anwendung des sogenannten unmittelbaren Zwangs entsprochen. Es gebe keinen
nachvollziehbaren Grund für die Vielzahl der Bissverletzungen, die der Jugendliche erlitten habe.
Das Ausmaß der Verletzungen sei unverhältnismäßig. Der Hundeführer sei verpflichtet gewesen
dafür zu sorgen, dass es – jedenfalls – bei einem einzelnen, der Festnahme dienenden Biss
bleibt. Der polizeiliche Hundeführer müsse den Hund auch in einer Festnahmesituation so
beherrschen und kontrollieren, dass ein willkürliches Beißen des Hundes ausgeschlossen sei. Es
liege eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung des Polizeibeamten vor. Dafür müsse das
Land Baden-Württemberg als Dienstherr einstehen.
Das OLG sprach dem Jugendlichen daher Schadenersatz und ein Schmerzensgeld von 2.500
EUR zu.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.6.2015, 9 U 23/14, Abruf-Nr. 145158 unter www.iww.de.
Immobilienrecht: Wohnungskauf: Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen
verschwiegenem Mangel
| Hat der Verkäufer einer Wohnung arglistig einen Mangel verschwiegen, hat der Käufer einen
Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, auf Ersatz von Aufwendungen und auf
Schadenersatz. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Geklagt hatte eine
Frau, die vom Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft hatte. Den Kaufpreis hatte sie teilweise
über ein Darlehen finanziert. Im Kaufvertrag hatten die Parteien die Haftung des Verkäufers für
Sachmängel ausgeschlossen. Dieser hatte versichert, dass ihm verborgene Mängel nicht
bekannt seien.
Nach dem Einzug stellte sich heraus, dass von einer unter der Wohnung im Erdgeschoss
gelegenen Seniorentagesstätte erhebliche Lärmbeeinträchtigungen ausgingen. Hierüber hatte
sich der Verkäufer bereits bei der Hausverwaltung beschwert, als er selber noch in der Wohnung
wohnte. Die Käuferin erklärte wegen der verschwiegenen Lärmbelästigung den Rücktritt vom
Kaufvertrag. Sie verlangte vom Beklagten u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises, den Ersatz von
Aufwendungen für Notar, Makler, Grunderwerbsteuer etc. sowie die Feststellung, dass der
Beklagte auch den weiteren Schaden aus dem zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen
Darlehen zu tragen hat.
Die Lärmbelästigung sei unerträglich und auf eine nicht ausreichende Lärmdämmung im Anbau
der Wohnung zurückzuführen. Man höre Gespräche, Singen und auch die Klingel aus der unter
der Wohnung befindlichen Seniorentagesstätte. Diesen Mangel habe der Verkäufer arglistig
verschwiegen. Auf die Frage der Käuferin nach Lärmbelästigungen habe er nur auf ein
gelegentliches Türschlagen verwiesen. Der beklagte Verkäufer verwies auf die bekannte
gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und die damit einhergehenden üblichen
Lärmeinwirkungen. Ein arglistiges Verschweigen des Mangels leugnete er. Zwar hätte es
diesbezüglich Beschwerden bei der Hausverwaltung gegeben, jedoch sei der Mangel dann
beseitigt worden.
Das Gericht hat u.a. ein Gutachten zum baulichen Zustand der Wohnung eingeholt und diese
auch selbst in Augenschein genommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die maßgeblichen
Schalldämmwerte der Wohnung deutlich unterschritten waren. Daher lagen die Störungen in
einem nicht mehr zumutbaren Bereich. Um diesen Mangel zu beheben, müsste die gesamte
Fassade neu konstruiert werden. Das Gericht war davon überzeugt, dass der Mangel auch schon
bei Übergabe der Wohnung vorgelegen habe. Dies folge aus der baulichen Ursache des
Mangels. Zudem sprächen hierfür die früheren Beschwerden des Beklagten gegenüber der
Hausverwaltung. Er habe auch noch nach kleineren Umbaumaßnahmen gegenüber der
Hausverwaltung erklärt, dass er sich wegen der Lärmbelästigung überlegen müsse, die Wohnung
wieder aufzugeben. Aufgrund des letztgenannten Umstands ging das Gericht auch davon aus,
dass der Beklagte den Sachmangel beim Verkauf der Wohnung arglistig verschwiegen habe.
Das LG hat den Beklagten verurteilt, den Kaufpreis zurückzuzahlen (gegen Rücknahme der
Eigentumswohnung) und die Aufwendungen der Klägerin zu erstatten. Weiter muss der
Verkäufer der Klägerin auch den Schaden aus dem zur Finanzierung des Kaufpreises
aufgenommenen Darlehen ersetzen. Schließlich muss er auch deren vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten tragen.
Quelle | LG Coburg, Urteil vom 23.12.2014, 23 O 358/13, Abruf-Nr. 145159 unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
Schadenersatz: Alkoholbedingt verkehrsuntüchtiger Fußgänger kann
Schadenersatzansprüche verlieren
| Verletzt sich ein mit 2,49 Promille alkoholisierter, verkehrsuntüchtiger Fußgänger, indem er
beim Versuch sich abzustützen, zwischen die Hinterachsen eines Sattelaufliegers gerät, kann
das Verschulden des Fußgängers die Betriebsgefahr des Lastzugs vollständig zurücktreten
lassen und Schadenersatzansprüche des Fußgängers ausschließen. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit die erstinstanzliche
Entscheidung des Landgerichts Essen im Ergebnis bestätigt. Der 48 Jahre alte Kläger geriet, mit
2,49 Promille alkoholisiert, als Fußgänger auf dem Parkplatz eines Lebensmittelsupermarkts
zwischen die Achsen eines Sattelaufliegers. Dabei erlitt er schwerste Verletzungen. Der Lastzug
hatte sich kurz zuvor langsam in Bewegung gesetzt. Aufgrund des Unfallgeschehens hat der
Kläger von dem Fahrer und der Kfz-Versicherung Schadenersatz und ein Schmerzensgeld von
20.000 EUR verlangt.
Seine Klage blieb ohne Erfolg. Den Unfall habe er, so die Richter, im weitaus überwiegenden
Maße selbst verschuldet. Demgegenüber sei ein Verschulden des Fahrers nicht festzustellen.
Ihm sei nicht anzulasten, dass er auf das Auftauchen des Klägers zu spät oder falsch reagiert
habe und der Unfall durch eine ihm zumutbare Reaktion zu verhindern gewesen wäre. Während
sich der Kläger dem Sattelauflieger genähert habe, sei er für den Fahrer nicht als hilfsbedürftige
Person zu erkennen gewesen. Demgegenüber habe der Kläger gegen das für ihn auch als
Fußgänger im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot verstoßen. Er sei sehenden
Auges mit nicht geringer Geschwindigkeit seitlich auf den hinteren Bereich des sich langsam
vorwärts bewegenden Sattelzugs zugelaufen. Anschließend habe er sich mit beiden Händen so
auf den Aufbau abgestützt, dass er zwischen die Hinterachsen des anfahrenden Aufliegers
gestürzt sei. Das in höchstem Maße eigengefährdende und verkehrswidrige Verhalten des
Klägers lasse sich nur mit seiner Alkoholisierung erklären. Angesichts der übersichtlichen
Örtlichkeit und des schnell zu registrierenden Anfahrvorgangs des Lastzugs seien andere
Ursachen ausgeschlossen. Hinter den groben Verkehrsverstoß des Klägers trete die
Betriebsgefahr des Lastzugs vollständig zurück.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 17.4.2015, 9 U 34/14, Abruf-Nr. 145160 unter www.iww.de.
Unfallschadensregulierung: Unfallbedingte Reinigungskosten sind
erstattungsfähig
| Wenn unfallbedingte Verschmutzungen zu beseitigen sind, muss der gegnerische
Haftpflichtversicherer die Kosten dafür erstatten. |
So entschied es das Landgericht (LG) Lüneburg. Das LG wörtlich: „Die Reinigungskosten in
Höhe von 25 EUR sind zu erstatten. Diese wurden von der Firma W. in Rechnung gestellt. Es ist
nachvollziehbar, dass die Reparatur zu nicht zu vermeidenden Verschmutzungen führt, die am
Schluss auch zu beseitigen sind.“
Quelle | LG Lüneburg, Urteil vom 7.4.2015, 9 S 104/14, Abruf-Nr. 144311 unter www.iww.de.
Unfallschadensregulierung: Beilackierung ist gemäß Gutachten
erstattungsfähig
| Wenn der Sachverständige in seinem Schadengutachten die Beilackierung zur Vermeidung von
Farbunterschieden als notwendig kalkuliert hat, gehören die Kosten dafür zum – auch fiktiv
abgerechneten – Schadenersatz. |
Das hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt klargestellt. Das Gericht folgte dabei den
technischen Erläuterungen des Sachverständigen. Letztlich kommt es darauf aber jedenfalls bei
einer tatsächlich durchgeführten Reparatur gar nicht an, weil der Geschädigte den Auftrag
„reparieren, wie im Gutachten vorgesehen“ geben darf.
Quelle | AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 1.7.2015, 4 C 1052/14, Abruf-Nr. 145025 unter
www.iww.de.
Unfallschadensregulierung: Ausfallschaden: Reparaturverzögerung bei
fahrfähigem Kfz
| Wird ein unfallbeschädigtes, aber fahrfähiges und verkehrssicheres, also noch benutzbares
Fahrzeug zur Reparatur gegeben und beginnt die Werkstatt erst mit einem Tag Verzögerung mit
der Reparatur, geht das zulasten des Schädigers, wenn der Geschädigte darauf keinen Einfluss
mehr hat. |
Das hat das Amtsgericht Duisburg im Fall eines Geschädigten entschieden. Der hatte das
fahrfähige Fahrzeug in der Werkstatt abgegeben, weil der Gutachter dorthin kam. Die Reparatur
begann aber erst mit einem Tag Verzögerung. Das fand das Gericht unbedenklich, weil das ein
typischer Fall des Werkstattrisikos sei. Auch sei es vermutlich am Ende teurer, die
Mietwagenleihe zu unterbrechen. Dann gelte nämlich der degressive Dreitage-Tarif nicht.
Insgesamt betrug der Ausfall mit dem „verlorenen“ Tag vier Tage. Hätte der Geschädigte das
Fahrzeug für den Leerlauftag wieder abgeholt, wären ein plus zwei Tage Mietwagen angefallen.
Quelle | Amtsgericht Duisburg, Urteil vom 17.4.2015, 79 C 4395/14, Abruf-Nr. 144960 unter
www.iww.de.
Unfallschadensregulierung: Kein Abzug der Mehrwertsteuer bei
Privatfahrzeug eines Unternehmers
| Wenn ein Unternehmer einen Unfall mit seinem Privatfahrzeug hat, hat er Anspruch auf die
Bruttobeträge. |
Das ist eine Selbstverständlichkeit, muss aber immer wieder von den Gerichten, wie jüngst vom
Amtsgericht Schwarzenbek bestätigt werden.
Hinweis | Zur Ehrenrettung der Versicherer sei eingeräumt, dass der Fehler oft schon bei der
Schadenmeldung beginnt. Wer beim Vorsteuerabzug „ja“ ankreuzt, wird Mühe haben, das mit
Hinweis darauf, dass das Privatfahrzeug betroffen ist, wieder zu korrigieren. Da ist also
ausreichende Sorgfalt anzuraten, besser noch anwaltliche Hilfe.
Quelle | Amtsgericht Schwarzenbek, Urteil vom 4.5.2015, 2 C 403/14, Abruf-Nr. 144958 unter
www.iww.de.
Fahrerlaubnisrecht: MPU kann bei Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung
schneller angeordnet werden
| Bei einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung kann die medizinisch-psychologische
Untersuchung schneller angeordnet werden. |
Hierauf wies das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt/Weinstraße im Fall eines Mannes hin, der
sich in einem gerichtlichen Eilverfahren gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner
Fahrerlaubnis der Klassen A (Motorrad), CE (LKW und PKW mit Anhänger), D und DE
(Personenbeförderung) gewandt hatte. Das VG hat dem Eilantrag zum Teil stattgegeben.
Das Gericht hat sich dabei im Wesentlichen mit der Frage befasst, inwieweit eine
Fahrerlaubnisbehörde berechtigt ist, neben dem bekannten Führerschein-Punktesystem (früher
Verkehrszentralregister, jetzt Fahreignungsregister) weitere Maßnahmen zu ergreifen, z.B. wie im
hier entschiedenen Fall eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen.
Das Gericht hat entschieden, dass bei der Prüfung „besonderer“ Fahrerlaubnisklassen, wie hier
der Klassen D und DE, gesteigerte Anforderungen an den Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis
zu stellen sind. Die Anforderungen an die besondere Verantwortung dieser Personen im
öffentlichen Straßenverkehr erlauben es schon unter geringeren Voraussetzungen als bei
„regulären“ Fahrerlaubnissen, neben dem Fahrerlaubnis-Punktesystem weitere Maßnahmen
gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu ergreifen. Danach durfte im vorliegenden Fall wegen vier
eingetragener Verkehrsverstöße innerhalb von rund vier Jahren und vier Monaten mit teils
erheblicher Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit nach Auffassung der Richter eine
medizinisch-psychologische Begutachtung gefordert werden. Nachdem ein positives Gutachten
nicht vorgelegt wurde, war die Behörde berechtigt, die Fahrerlaubnis für die Klassen D und DE zu
entziehen.
In Bezug auf die „regulären“ Fahrerlaubnisklassen, also den Motorrad-, Auto- und LKWFührerschein Klassen A und CE (der die Klasse B einschließt), hat das Gericht dagegen im
Beschluss ausgeführt: Der Umstand, dass der Antragsteller auch im Bereich der
Personenbeförderung und zudem als Fahrlehrer tätig ist, dürfe bezüglich der Fahreignung für die
„regulären“ Fahrerlaubnisklassen nicht zulasten des Antragstellers bewertet werden. Hier seien
grundsätzlich das vom Gesetz vorgesehene Punktesystem und die darin enthaltenen
Maßnahmen anzuwenden. Danach sei eine medizinisch-psychologische Untersuchung bei den
vom Antragsteller verwirklichten vier Verkehrsverstößen noch nicht vorgeschrieben. Seine
Fahrerlaubnis der Klassen A und CE darf der Betroffene deshalb vorläufig behalten.
Quelle | VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 25.6.2015, 1 L 407/15.NW, Abruf-Nr. 151161
unter www.iww.de.
Steuerrecht
Alle Steuerzahler: Entlastungsbetrag für Alleinerziehende: Es kommt auf die
Meldeadresse des Kindes an
| Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erhalten Alleinerziehende den
Entlastungsbetrag für ein in ihrem Haushalt gemeldetes Kind auch dann, wenn es in einer
eigenen Wohnung lebt. |
Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des
alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Daraus leitet der BFH eine unwiderlegbare
Vermutung für die Haushaltszugehörigkeit ab.
Hinweis | Aktuell wurde der Entlastungsbetrag rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum
2015 um 600 EUR auf 1.908 EUR p.a. erhöht. Zusätzlich wurde eine neue Kinderkomponente
eingeführt. Hierdurch erhöht sich der Entlastungsbetrag für jedes weitere gemeldete Kind um 240
EUR pro Kalenderjahr.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2015, III R 9/13, Abruf-Nr. 177863 unter www.iww.de; Gesetz zur
Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des
Kinderzuschlags vom 16.7.2015, BGBl I 2015, 1202.
Arbeitnehmer: Diktatkassetten sind kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
| Ein auf der Grundlage von Diktatkassetten und Excel-Tabellen geführtes Fahrtenbuch ist nach
einer rechtskräftigen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln nicht ordnungsgemäß. |
Ein Arbeitnehmer führte für seinen Firmenwagen ein Fahrtenbuch in Form eines Diktiergeräts.
Dabei ging er wie folgt vor: Er diktierte zu Beginn einer Fahrt den Zweck der Fahrt, das Datum
und den km-Stand. Unterwegs diktierte er besondere Vorkommnisse (z.B. Staus oder
Umleitungen) und am Ende wiederum den km-Stand. Die Ansagen auf dem Band wurden von
seiner Sekretärin im Durchschnitt zweimal wöchentlich in Excel-Dateien übertragen. Die Blätter
wurden aufbewahrt und am Jahresende gebunden. Auch die Bänder wurden aufbewahrt. Das
Finanzamt erkannte das Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß an und ermittelte den geldwerten
Vorteil aus der Pkw-Überlassung nach der Ein-Prozent-Regelung – zu Recht, so das FG Köln.
Das Fahrtenbuch sind die einzelnen Kassetten und nicht die Excel-Tabellen. Diese erfüllen die
Anforderungen an ein Fahrtenbuch bereits deshalb nicht, weil sie das ganze Jahr über als lose
Blätter gesammelt und erst am Jahresende gebunden wurden. Zudem sind sie jederzeit
änderbar. Die Kassetten stellen kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch dar, da es die heutigen
technischen Möglichkeiten erlauben, Bänder zu verändern, ohne dass ein Bruch erkennbar ist.
Außerdem kann jedes einzelne Band komplett neu besprochen werden. Ferner ist nicht mit
vertretbarem Aufwand nachprüfbar, ob die Kassetten vollständig in die Listen übernommen
wurden. Nach Ansicht des FG Köln ist ein mithilfe von elektronischen Aufzeichnungen erstelltes
Fahrtenbuch nur dann ordnungsgemäß, wenn die elektronische Aufzeichnung unmittelbar
ausgedruckt wird.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 18.6.2015, 10 K 33/15, Abruf-Nr. 145094 unter www.iww.de.
Kapitalanleger: Freistellungsauftrag: Ab 2016 ohne SteuerIdentifikationsnummer nicht mehr gültig
| Das Bundeszentralamt für Steuern hat darauf hingewiesen, dass Freistellungsaufträge, die für
einen unbefristeten Zeitraum erteilt wurden, zum 1.1.2016 ungültig werden, wenn diesen keine
Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-IdNr.) zugeordnet wird. Es genügt, wenn dem Kreditinstitut
die Steuer-IdNr. mitgeteilt wird. Ein neuer Freistellungsauftrag muss also nicht erteilt werden. |
Zum Hintergrund | Für Freistellungsaufträge, die seit dem 1.1.2011 neu gestellt oder geändert
werden, ist die Steuer-IdNr. ein Pflichtbestandteil. Für zuvor erteilte Freistellungsaufträge ohne
Steuer-IdNr. endet die Übergangsregel zum 1.1.2016.
Quelle | BZSt, Mitteilung vom 27.7.2015.
Kapitalanleger: Riester-Zulagen für Beamte: Mittelbare Zulageberechtigung
als Rettungsanker
| Beamte erhalten regelmäßig keine Riester-Zulagen, wenn sie es versäumt haben, der
Datenübermittlung innerhalb der gesetzlichen Zwei-Jahres-Frist einzuwilligen. Hier gibt es aber
einen Ausweg: Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) kann der Beamte nämlich über
seinen Ehepartner mittelbar zulageberechtigt sein. |
In dem betreffenden Fall hatte eine Beamtin in 2002 einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag
abgeschlossen, auf den sie in den Streitjahren 2005 bis 2007 eigene Beiträge einzahlte. Die
Einwilligungserklärung zur Datenübermittlung für die Beitragsjahre hatte sie erst in 2010 erteilt.
Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) lehnte die Festsetzung der
Altersvorsorgezulage für die Streitjahre ab, da die Einwilligung nicht fristgerecht erteilt worden
sei.
Unmittelbare Zulageberechtigung scheidet hier aus
Der BFH entschied zunächst, dass die Beamtin nicht unmittelbar zulageberechtigt ist. Die
Zulagebegünstigung von Besoldungsempfängern setzt nämlich eine Einverständniserklärung
gegenüber der Besoldungsstelle voraus, dass diese der zentralen Stelle jährlich die für die
Gewährung der Zulage erforderlichen Daten mitteilen darf. Diese Einwilligung muss spätestens
zum Ablauf des zweiten Kalenderjahrs, das auf das Beitragsjahr folgt, erfolgen. Diese Frist wurde
im Streitfall jedoch nicht eingehalten.
Mittelbare Zulageberechtigung möglich
Allerdings kann in einem solchen Fall eine mittelbare Zulageberechtigung bestehen. Liegen bei
Ehegatten die Voraussetzungen der steuerlichen Zusammenveranlagung vor und ist nur ein
Ehegatte unmittelbar begünstigt, so ist auch der andere Ehegatte zulageberechtigt, wenn ein auf
seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht.
Der BFH verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück, die nun die
Frage klären muss, ob im Streitfall die Voraussetzungen für eine mittelbare Zulageberechtigung
gegeben sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.3.2015, X R 20/14, Abruf-Nr. 178145 unter www.iww.de.
Arbeitnehmer: Arbeitsplatzwechsel: Kosten für die Abschiedsfeier können
Werbungskosten sein
| Veranstaltet ein Arbeitnehmer anlässlich eines Arbeitgeberwechsels eine Abschiedsfeier,
können die Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sein. Wie das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Münster zeigt, kommt es hier auf die Umstände des Einzelfalls an. |
Anlässlich seines Arbeitsplatzwechsels an eine Fachhochschule lud ein leitender Angestellter
Kollegen, Kunden, Lieferanten, Verbands- und Behördenvertreter sowie Experten aus
Wissenschaft und Forschung zu einem Abendessen in ein Restaurant mit
Übernachtungsmöglichkeit ein. Die Einladungen stimmte er mit seinem bisherigen Arbeitgeber
ab. Die Anmeldung für die Feier erfolgte über das bisherige Sekretariat des Arbeitnehmers. Die
Kosten (rund 5.000 EUR) für die Abschiedsfeier, an der ca. 100 Personen teilnahmen, machte er
in seiner Steuererklärung als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, da es sich
um eine private Feier gehandelt habe – jedoch zu Unrecht, wie das FG Münster entschied.
Insbesondere folgende Punkte sprachen für eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen:

Sämtliche Gäste stammten aus dem beruflichen Umfeld des Arbeitnehmers. Private
Freunde oder Angehörige waren nicht eingeladen. Ferner war die überwiegende Zahl der
Gäste ohne Partner eingeladen.

Der Arbeitgeber war in die Organisation der Feier eingebunden.

Die Höhe der Kosten wertete das Finanzgericht bei einem Bruttolohn von 240.000 EUR
als „durchschnittlich“. Sie sprachen nicht gegen eine berufliche Veranlassung.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 29.5.2015, 4 K 3236/12 E, Abruf-Nr. 144919 unter www.iww.de.
Grunderwerbsteuer: Grunderwerbsteuer: Die Ersatzbemessungsgrundlage
ist verfassungswidrig
| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält die Regelung über die
Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht für verfassungswidrig. |
Regelbemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung,
insbesondere der Kaufpreis. Auf die Ersatzbemessungsgrundlage wird zurückgegriffen bei
 fehlender Gegenleistung,
 Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sowie
 bei Übertragung von mindestens 95 Prozent der Anteile an Gesellschaften.
Da die Steuerwerte in diesen Fällen teilweise erheblich unter den tatsächlichen Verkehrswerten
liegen, kommt es zu einer Ungleichbehandlung der Steuerschuldner, deren Grunderwerbsteuer
auf Basis der (höheren) Regelbemessungsgrundlage berechnet wird.
Hinweis | Der Gesetzgeber muss spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine
Neuregelung treffen. Bis zum 31.12.2008 ist die Vorschrift weiter anwendbar. Es ist zu erwarten,
dass die Finanzverwaltung zur weiteren Vorgehensweise kurzfristig Stellung nehmen wird.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 23.6.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, Abruf-Nr. 145099 und
145100 unter www.iww.de.
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Das Bürokratieentlastungsgesetz im Überblick
| Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen durch das Bürokratieentlastungsgesetz,
das am 31.7.2015 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, profitieren. Wichtige Änderungen
werden nachfolgend vorgestellt. |
Unternehmen werden stärker von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des
Handelsgesetzbuchs und der Abgabenordnung befreit. Der Schwellenwert für die Umsatzerlöse
wurde von 500.000 EUR auf 600.000 EUR und der Gewinn-Schwellenwert von 50.000 EUR auf
60.000 EUR erhöht.
Hinweis | Die neuen Grenzen gelten erstmals für Kalenderjahre, die nach dem 31.12.2015
beginnen. Die Übergangsregelungen stellen jedoch sicher, dass Steuerpflichtige vom Finanzamt
keine Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht erhalten, für die ab dem Zeitpunkt der
Gesetzesverkündung nach bisherigem Recht eine Buchführungspflicht besteht, jedoch nicht mehr
nach der Neuregelung.
Existenzgründer werden durch die Einführung bzw. Anhebung von Schwellenwerten später in der
Wirtschaftsstatistik herangezogen. Die Änderungen treten am 1.1.2016 in Kraft.
Änderungen im Einkommensteuerrecht:

Die Lohnsteuerpauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte wurde um 6 EUR auf
68 EUR erhöht.

Das Faktorverfahren beim Lohnsteuerabzug bei Ehegatten oder eingetragenen
Lebenspartnern wurde vereinfacht. Insbesondere kann ein Faktor künftig für bis zu zwei
Kalenderjahre gelten.

Zum Kirchensteuerabzug auf Kapitalerträge verpflichtete Unternehmen müssen ihre
Gesellschafter bzw. Kunden nicht mehr jährlich, sondern nur noch einmal je
Geschäftsbeziehung darauf hinweisen, dass ein Abruf des Religionsmerkmals beim
Bundeszentralamt für Steuern erfolgt und dass ein Widerspruchsrecht besteht.
Hinweis | Diese Änderungen treten am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in
Kraft. Die Vereinfachungen beim Faktorverfahren sind jedoch erstmals für den
Veranlagungszeitraum (VZ) anzuwenden, der auf den VZ folgt, in dem die erforderlichen
Programmierarbeiten abgeschlossen worden sind. Das Bundesfinanzministerium wird den VZ
bekannt geben.
Quelle | Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie
(Bürokratieentlastungsgesetz) vom 28.7.2015, BGBl I 2015, 1400.
Freiberufler und Gewerbetreibende: Betriebsprüfung: Der
Zeitreihenvergleich ist nur mit Einschränkungen zulässig
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Möglichkeiten eingeschränkt, mittels des
Zeitreihenvergleichs Gewinne hinzuzuschätzen. Denn der Zeitreihenvergleich weist gegenüber
anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden Besonderheiten auf, die zumindest eine
vorsichtige Interpretation seiner Ergebnisse gebieten. |
Bei der Betriebsprüfung einer Gaststätte beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der
Buchführung u.a. weil die Programmierprotokolle der Registrierkasse nicht vorgelegt wurden, die
Tagesendsummenbons nicht vollständig bzw. nicht datiert waren und die Warenendbestände
zum Ende der Streitjahre nicht durch Inventuren, sondern durch Schätzung ermittelt wurden.
Der Prüfer erhöhte die Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen
Zeitreihenvergleich stützte. Dabei ermittelte er wöchentliche Rohgewinnaufschlagsätze und
bildete für je zehn aufeinanderfolgende Wochen Mittelwerte. Den höchsten Mittelwert wendete er
für das gesamte Jahr auf den erklärten Wareneinsatz an.
Bundesfinanzhof konkretisiert die Anwendungsvoraussetzungen
Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren gab der BFH der Revision des
Steuerpflichtigen statt. Zwar hat das Finanzamt wegen der Mängel in der Buchführung eine
Schätzungsbefugnis. Da der Zeitreihenvergleich jedoch Besonderheiten aufweist, ist diese
Schätzungsmethode nur unter folgenden Einschränkungen zulässig:

Das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen muss über das ganze Jahr hinweg
weitgehend konstant sein.

Bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ist der Zeitreihenvergleich zum
Nachweis materieller Mängel der Buchführung von vornherein ungeeignet.

Ist die Buchführung zwar formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle
Unrichtigkeiten nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden vorrangig.

Auch wenn andere Schätzungsmethoden nicht zur Verfügung stehen, dürfen die
Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen übernommen werden, sondern
können allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung bilden.

Nur wenn die materielle Unrichtigkeit der Buchführung bereits wegen anderer
Erkenntnisse feststeht, können die Ergebnisse eines – technisch korrekt durchgeführten –
Zeitreihenvergleichs auch für die Höhe der Hinzuschätzung herangezogen werden.
Formeller Mangel bei fehlenden Unterlagen
Wird ein programmierbares Kassensystem eingesetzt, liegt ein formeller Mangel der Buchführung
bereits dann vor, wenn die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung sowie
Protokolle nachträglicher Programmänderungen) fehlen. Der BFH vertritt die Auffassung, dass
dieser Mangel das gleiche Gewicht hat wie fehlende Tagesendsummenbons bei einer
Registrierkasse bzw. fehlende Tagesprotokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse.
Dieser Mangel berechtigt daher grundsätzlich schon für sich genommen zu einer
Hinzuschätzung.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.3.2015, X R 20/13, Abruf-Nr. 178301 unter www.iww.de.
Umsatzsteuerzahler: Zeitliche Zuordnung von UmsatzsteuerVorauszahlungen
| Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen hat sich zur sogenannten 10-Tages-Fiktion bei
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen geäußert und dabei u.a. klargestellt, dass sowohl die Fälligkeit
als auch die Zahlung innerhalb des 10-Tages-Zeitraums liegen müssen. |
Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung sind Ausgaben grundsätzlich
in dem Kalenderjahr anzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Allerdings gelten regelmäßig
wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit
nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, als in
diesem Kalenderjahr geleistet. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum bis zu zehn Tagen. Diese
Sonderregelung gilt auch für Umsatzsteuer-Vorauszahlungen. Allerdings müssen die Zahlungen
auch hier innerhalb dieses Zeitraums fällig und geleistet worden sein.
Fällt das Fristende auf ein Wochenende oder einen gesetzlichen Feiertag, endet die Frist mit dem
Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Eine Verlängerung des 10-Tages-Zeitraums kommt in
diesen Fällen nicht in Betracht. Dies bedeutet: Die Umsatzsteuer-Zahlung ist nicht im
Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu erfassen.
Auf den tatsächlichen Erfüllungszeitpunkt kommt es beim Lastschrifteinzug nicht an. Daher ist die
Zahllast einer am 10. Januar fälligen, aber später eingezogenen Vorauszahlung regelmäßig im
vorangegangenen Kalenderjahr als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
Hinweis | Wird der Betriebsausgabenabzug für das Kalenderjahr des Abflusses versagt und
beantragt der Steuerpflichtige eine Änderung der bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung
des Kalenderjahrs der wirtschaftlichen Zugehörigkeit, kann den Anträgen nach Ansicht der
Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen grundsätzlich nur entsprochen werden, wenn die
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.
Quelle | OFD Nordrhein-Westfalen vom 18.5.2015, akt. Kurzinfo ESt 9/2014.
Vereinsrecht: Anfechtungsrecht ist regelmäßig nach vier Monaten verwirkt
| Beschlüsse der Mitgliederversammlung müssen innerhalb von vier Monaten angefochten
werden. Danach ist das Anfechtungsrecht verwirkt. |
Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht Göttingen die Klage des Mitglieds eines
Lohnsteuerhilfevereins abgelehnt, das die Einladung zur Mitgliederversammlung für nicht
ordnungsgemäß gehalten und die Beschlüsse angefochten hatte. Aus der Treuepflicht des
Mitglieds ergibt sich, dass die Klage gegen Vereinsmaßnahmen mit zumutbarer Beschleunigung
erhoben werden muss. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken (Urteil vom 2.4.2004, 1 U
415/07) hat dem Mitglied eine Frist von maximal vier Monaten eingeräumt. Diesem
Anfechtungszeitraum ist nach Ansicht des Amtsgerichts zuzustimmen.
Hinweis | Eine Anfechtung muss sich zudem immer auf einen konkreten Einzelbeschluss
beziehen. Es ist unzulässig, pauschal alle Beschlüsse einer Mitgliederversammlung anzufechten.
Quelle | Amtsgericht Göttingen, Urteil vom 30.4.2015, 27 C 69/14, Abruf-Nr. 144633 unter
www.iww.de.
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach
§ 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu
bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz
(DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 beträgt - 0,83
Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:



für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,17 Prozent
für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1
BGB): 1,17 Prozent
für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,17 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze
Zeitraum
Zinssatz
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozenz
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent
01.07.2007 bis 31.12.2007 3,19 Prozent
01.01.2007 bis 30.06.2007 2,70 Prozent
01.07.2006 bis 31.12.2006 1,95 Prozent
01.01.2006 bis 30.06.2006 1,37 Prozent
01.07.2005 bis 31.12.2005 1,17 Prozent
01.01.2005 bis 30.06.2005 1,21 Prozent
01.07.2004 bis 31.12.2004 1,13 Prozent
01.01.2004 bis 30.06.2004 1,14 Prozent
01.07.2003 bis 31.12.2003 1,22 Prozent
01.01.2003 bis 30.06.2003 1,97 Prozent
01.07.2002 bis 31.12.2002 2,47 Prozent
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 09/2015
| Im Monat September 2015 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
 Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.9.2015

Lohnsteuer (Monatszahler): 10.9.2015

Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.9.2015

Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.9.2015

Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.9.2015
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem
Fälligkeitstermin vorliegen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer
verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.9.2015. Es wird an dieser Stelle nochmals
darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck
gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden
Monats fällig, für den Beitragsmonat September 2015 am 28.9.2015.
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