- Schneider & Beer

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Schneider, Beer, Veller & Weber
Rechtsanwälte und Notar
Im Herrengarten 7
57319 Bad Berleburg
Tel.: 02751/3989
www.sub-recht.de
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 08/2015:
Arbeitsrecht
Schwerbehinderung: Keine Einladung des Schwerbehinderten zum Bewerbungsgespräch bei
Fehlen der Voraussetzung
Ausbildungsvergütung: Auch Gemeinnützige müssen Azubi angemessen vergüten
Kündigungsrecht: Kündigung nach Geltendmachung des Mindestlohns ist unwirksam
Krankengeld: Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres
Baurecht
Baumangel: Entgelt für Schwarzarbeit muss auch bei Mängeln nicht zurückgezahlt werden
Vertragsrecht: Auftragnehmer haftet möglicherweise trotz mangelhafter Vorleistung des
Auftraggebers
Straßenwidmung: Kein Anspruch des Anliegers auf verkehrsrechtliche Maßnahmen zur
Beschränkung des fließenden Verkehrs
Familien- und Erbrecht
Elterliche Sorge: Elterliche Sorge kann bei regelmäßiger Züchtigung des Kindes entzogen
werden
Sorgerecht: Keine Sorgerechtsabänderung bei verfestigten Verhältnissen
Vormundschaftsrecht: Kein Verzicht auf gerichtliche Genehmigung bei freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen
Namensrecht: Ein zwangsweise geänderter Familienname rechtfertigt eine erneute
Namensänderung
Erbvertrag: Erbvertrag zugunsten der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes ist
unwirksam
Mietrecht und WEG
Modernisierung: Mieter müssen Rauchmelder-Einbau auch bei vorheriger Selbstausstattung
dulden
Hausfriedensstörung: Bedrohung von Mitmietern rechtfertigt fristlose Kündigung
Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung wegen Bezeichnung des Vermieters als „promovierter
Arsch“
Gewerberaummiete: Bei einer Sortimentsbindung kann der Konkurrenzschutz nicht
ausgeschlossen werden
WEG: Wohnungseigentümergemeinschaft ist Verbraucher
Verbraucherrecht
Haftungsrecht: „Rudelführen“ von Hunden löst Verkehrssicherungspflichten aus
Sozialrecht: Kostenerstattung für Zahnersatz nur bei vorheriger Prüfung des Heil- und
Kostenplans durch die Krankenkasse
Betriebliche Unfallversicherung: Betriebssport fällt unter gesetzliche Unfallversicherung
Haftungsrecht: Unfall auf Weg zum Sport: Auch Nichtmitglied hat Ersatzanspruch
Verwaltungsrecht: Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule in den Niederlanden
Verkehrsrecht
Restwert: Drei Angebote im Gutachten: Ein „Null-Angebot“ ist auch eins
Schadenabwicklung: Voraussetzungen für Inanspruchnahme des Büro Grüne Karte e.V.
Standgeld: Standgeld bis zur Erteilung des Reparaturauftrags
Unfallschadensregulierung: Versicherer muss auch zahlen, wenn die Heckscheibe bei der
Reparatur zerspringt
Dashcam: Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren
Steuerrecht
Vermieter: Fahrten zu den Mietobjekten: Entfernungspauschale oder Reisekosten?
Arbeitsrecht: Ferienjobs: Brutto ist meistens gleich netto
Aktuelle Gesetzgebung: Die geplanten Neuregelungen zur Erbschaftsteuerreform
Aktuelle Gesetzgebung: Neues zu Kindergeld, Entlastungsbetrag und kalter Progression
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Bundesregierung beschließt Reform der Aufsicht der Abschlussprüfer
Aktuelle Gesetzgebung: Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Neue Schwellenwerte für die
Größeneinteilung
Stille Gesellschaft: Ansprüche nach Kündigung der stillen Gesellschaft
Freiberufler und Gewerbetreibende: Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen für
Werkleistungen
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 08/2015:
Arbeitsrecht
Schwerbehinderung: Keine Einladung des Schwerbehinderten zum
Bewerbungsgespräch bei Fehlen der Voraussetzung
| Ein öffentlicher Arbeitgeber darf eine wegen Altersteilzeit frei gewordene Stelle begrenzt für
Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte ausschreiben. Er muss schwerbehinderte
Bewerber nicht zum Bewerbungsgespräch einladen, wenn diese nicht arbeitslos oder von
Arbeitslosigkeit bedroht sind. |
Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall einer
Universität. Diese hatte eine durch Altersteilzeit frei gewordene Stelle nur für arbeitslos
Gemeldete oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte ausgeschrieben. Nur dadurch hatte sie Anspruch
auf Fördermittel nach dem Altersteilzeitgesetz. Der fachlich für die Stelle zweifelsfrei geeignete
Bewerber bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Auf Nachfrage stellte er klar,
dass er nicht arbeitslos und auch nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei. Daraufhin berücksichtigte
ihn die Universität im Auswahlverfahren nicht weiter. Der Bewerber hielt dies für eine
Diskriminierung wegen seiner Behinderung. Er verlangte deshalb mit seiner Klage eine
Entschädigung in Höhe von mindestens 30.000 EUR.
Das LAG hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Die Universität habe den Bewerber nicht
benachteiligt. Der gesetzliche Schwerbehindertenschutz zwinge einen öffentlichen Arbeitgeber
nicht dazu, fachlich geeignete Menschen mit Behinderung zu einem Vorstellungsgespräch
einzuladen, wenn diese andere formale Bewerbervoraussetzungen nicht erfüllen. Auch ein
öffentlicher Arbeitgeber dürfe bei Stellenausschreibungen den Bewerberkreis auf Arbeitslose
oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte und damit nach dem Altersteilzeitgesetz Förderbare
beschränken. Dies folgt aus dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) und verstößt nicht
gegen das in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Prinzip der Bestenauslese.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.3.2015, 3 Sa 371/14, Abruf-Nr. 176876 unter
www.iww.de.
Ausbildungsvergütung: Auch Gemeinnützige müssen Azubi angemessen
vergüten
| Ausbildungsbetriebe müssen Auszubildenden eine angemessene Vergütung zahlen. Das gilt
auch für gemeinnützige Ausbildungsträger. |
Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG). Im konkreten Fall hatte ein gemeinnütziger
Verein mit dem Zweck, die qualifizierte Berufsausbildung zu fördern, Berufsausbildungsverträge
geschlossen. Die Azubi wurden in den Mitgliedsbetrieben des Vereins ausgebildet. Ein
Azubi wehrte sich vor Gericht gegen die Vergütung von rund 55 Prozent der tariflichen
Ausbildungsvergütung. Er verlangte, nach Tarifvertrag entlohnt zu werden. Das BAG gab ihm
recht. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem
einschlägigen Tarifvertrag geregelte Vergütung um mehr als 20 Prozent unterschreitet. Allein der
Status der Gemeinnützigkeit rechtfertigt es nicht, von den Vorgaben der einschlägigen
Tarifverträge so stark abzuweichen.
Quelle | BAG, Urteil vom 29.4.2015, 9 ZR 108/14, Abruf-Nr. 144452 unter www.iww.de.
Kündigungsrecht: Kündigung nach Geltendmachung des Mindestlohns ist
unwirksam
| Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie vom Arbeitgeber als
Reaktion auf eine Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohns ausgesprochen wurde. |
Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht Berlin im Fall eines Hausmeisters. Dieser wurde mit
einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich
315 EUR beschäftigt. Das ergab einen Stundenlohn von 5,19 EUR. Er forderte vom Arbeitgeber
den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR. Darauf bot der Arbeitgeber eine Herabsetzung der
Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325 EUR (Stundenlohn
10,15 EUR) an. Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt
hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als
eine verbotene Maßregelung angesehen. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt,
weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe. Eine
solche Kündigung sei unwirksam.
Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.4.2015, 28 Ca 2405/15, Abruf-Nr. 144448 unter
www.iww.de.
Krankengeld: Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres
| Bescheinigt der behandelnde Arzt Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“, ohne einen
Endzeitpunkt anzugeben, kann aus der Angabe eines Wiedervorstellungstermins nicht
geschlossen werden, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Termin beschränkt
sein soll. Deshalb kann die zuständige Krankenkasse verpflichtet sein, auch über den
Wiedervorstellungstermin hinaus Krankengeld zu zahlen. |
Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz entschieden. Betroffen war eine Frau,
der der behandelnde Arzt im letzten Auszahlungsschein Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“
bescheinigt hatte. Zudem war ein Wiedervorstellungstermin genannt. Nachdem der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu dem Ergebnis gelangt war, die Arbeitsunfähigkeit sei
nur bis zu einem früheren Termin belegt, hat die beklagte Krankenkasse eine weitere
Krankengeldzahlung abgelehnt. Die Frau müsse sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.
Die Frau legte zwei weitere Auszahlungsscheine mit einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bis
auf Weiteres vor. Ihr Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid wurde von der
Krankenkasse zurückgewiesen.
Der dagegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Koblenz stattgegeben, nachdem ein
orthopädisches Gutachten eingeholt worden war. Die Krankenkasse wurde verurteilt, mehr als
zwei Monate länger Krankengeld zu gewähren. Dagegen richtet sich ihre Berufung. Sie trägt vor,
es liege keine für die Krankengeldzahlung erforderliche ärztliche Bescheinigung der
Arbeitsunfähigkeit vor. Dem ist das LSG nicht gefolgt. Die ärztliche Feststellung der
Arbeitsunfähigkeit sei „bis auf Weiteres“ vorgenommen worden. Aus der bloßen Angabe eines
Wiedervorstellungstermins könne gerade nicht auf eine Begrenzung der Feststellung
geschlossen werden. Tatsächlich habe nach den nachvollziehbaren Angaben der behandelnden
Ärzte und den Ausführungen des gerichtlich bestellten Gutachters Arbeitsunfähigkeit in dem
Zeitraum bestanden, für den die Krankenkasse durch das Sozialgericht zur Krankengeldzahlung
verurteilt worden sei.
Quelle | LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.4.2015, L 5 KR 254/14, Abruf-Nr. unter
www.iww.de.
Baurecht
Baumangel: Entgelt für Schwarzarbeit muss auch bei Mängeln nicht
zurückgezahlt werden
| Verstößt ein Werkvertrag gegen das Verbot der Schwarzarbeit, ist er nichtig. In diesem Fall hat
der Besteller, der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Unternehmer keinen
Rückzahlungsanspruch. Dann liegt keine ungerechtfertigte Bereicherung vor. Das gilt auch, wenn
die Werkleistung mangelhaft ist. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Bauherrn, der einen
Dachdecker mit Dachausbauarbeiten beauftragte. Vereinbart wurde ein Werklohn von 10.000
EUR ohne Umsatzsteuer. Der Dachdecker führte die Arbeiten aus und stellte eine Rechnung
ohne Steuerausweis. Der Bauherr zahlte den geforderten Betrag. Mit der Klage fordert er jetzt die
Rückzahlung von 8.300 EUR wegen Mängeln der Werkleistung.
Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Der BGH hat die Entscheidung des
Oberlandesgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Dachdecker habe bewusst gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
(SchwarzArbG) verstoßen. Auch der Bauherr habe dies zu seinem Vorteil ausgenutzt. Beide
hätten vereinbart, dass für den Werklohn keine Rechnung mit Steuerausweis gestellt und keine
Umsatzsteuer gezahlt werden sollte.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass in solchen Fällen weder Mängelansprüche
des Bestellers noch Zahlungsansprüche des Werkunternehmers bestehen (BGH, Urteile vom
1.8.2013, VII ZR 6/13 und vom 10.4.2014, VII ZR 241/13).
Dem Bauherrn (Besteller) steht auch kein Anspruch auf Ausgleich der Bereicherung des
Dachdeckers (Unternehmers) zu. Diese besteht darin, dass er für die mangelhafte Werkleistung
zu viel bezahlt hat. Zwar kann ein Besteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen
erbracht hat, von dem Unternehmer grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen verlangen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn der Besteller mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot
verstoßen hat. Das ist hier der Fall. Zielsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit ist es, die Schwarzarbeit zu verhindern. Daher verstößt nicht nur die vertragliche
Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot. Vielmehr gilt das auch für die Leistung,
die infolge dieser Vereinbarung erbracht wird – somit auch die Zahlung.
Diesem Ergebnis stehen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Die
Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten
Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser
Vorschrift. Insoweit ist eine andere Sicht geboten, als sie vom BGH noch zum
Bereicherungsanspruch nach einer Schwarzarbeiterleistung vertreten wurde, die nach der alten
Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beurteilen war (BGH, Urteil vom
31.5.1990, VII ZR 336/89).
Quelle | BGH, Urteil vom 11.6.2015, VII ZR 216/14, Abruf-Nr. 144691 unter www.iww.de.
Vertragsrecht: Auftragnehmer haftet möglicherweise trotz mangelhafter
Vorleistung des Auftraggebers
| Der Auftragnehmer ist für einen Mangel seines Werks grundsätzlich nicht verantwortlich, wenn
dieser auf Vor- bzw. Teilleistungen anderer Unternehmer oder des Auftraggebers zurückzuführen
ist. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) München. Die Richter machten allerdings auch
deutlich, dass dies nur gelte, wenn der Auftragnehmer seinen Prüfungs- und Hinweispflichten
nachgekommen sei. Habe er dagegen den Mangel nicht erkannt und nicht auf ihn hingewiesen,
sei er gleichwohl in der Haftung.
Quelle | OLG München, Urteil vom 29.4.2015, 20 U 2941/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Straßenwidmung: Kein Anspruch des Anliegers auf verkehrsrechtliche
Maßnahmen zur Beschränkung des fließenden Verkehrs
| Ein Anlieger hat keinen Anspruch darauf, dass die Stadt bestimmte verkehrsrechtliche
Maßnahmen zur Beschränkung des fließenden Verkehrs unternimmt. |
Diese Klarstellung traf das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz im Fall eines Anwohners. Er wollte
mit seiner Klage die Stadt Remagen verpflichten lassen, die Straße „An der alten Rheinbrücke“
für den fließenden Verkehr zu sperren. Zuvor hatte die Stadt für die Straße einen
verkehrsberuhigten Bereich mit Parkplatz für Schwerbehinderte angeordnet. Der berechtigte
Verkehr zu einer Bootsrampe, dem Friedensmuseum und den Gartengrundstücken könne nicht
vollständig verhindert werden. Die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs entspreche am
ehesten den verschiedenen Interessenlagen und komme insbesondere den Anwohnern
entgegen.
Das sah der Anwohner anders. Nach erfolglosem Widerspruch erhob er Klage. Die Anordnung
eines verkehrsberuhigten Bereichs sei nicht ausreichend. In der Straße werde auch weiterhin zu
schnell gefahren und falsch geparkt. Außerdem führen Reisebusse bis an das Friedensmuseum
heran. Dementsprechend hätte das bisher bestehende Durchfahrtsverbot aufrechterhalten und
konsequent durchgesetzt werden müssen. Gegenwärtig komme es zu einer Gefährdung von Leib
und Leben seines Kindes sowie zu einer Eigentumsbeeinträchtigung.
Die Klage hatte vor dem VG keinen Erfolg. Der Kläger, so die Richter, hat keinen Anspruch auf
die von ihm verlangten verkehrsrechtlichen Maßnahmen. Die Anordnung von Beschränkungen
und Verboten des fließenden Verkehrs setze unter anderem eine Gefahrenlage voraus. Diese
müsse auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sein und zudem das allgemeine
Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigen. Insbesondere an
Letzterem fehle es hier. Hinsichtlich der Lärmbelastung sei die durch den Bahn- und
Schiffsverkehr hervorgerufene Belastung des Gebiets zu sehen. Zudem weise die Straße „An der
alten Rheinbrücke“ nach Ausbauzustand und Streckenführung kein besonderes
Gefährdungspotenzial auf. Es handele sich auch nicht um eine Durchgangsstraße, sondern um
eine Sackgasse. Sollten sich einzelne Fahrzeugführer nicht an die vorgeschriebene
Schrittgeschwindigkeit oder sonstige verkehrsrechtlichen Anordnungen halten, sei es Aufgabe
der Stadt, unter anderem durch entsprechende Kontrollen auf die Einhaltung der Vorschriften
hinzuwirken.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 8.5.2015, 5 K 742/14.KO, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Familien- und Erbrecht
Elterliche Sorge: Elterliche Sorge kann bei regelmäßiger Züchtigung des
Kindes entzogen werden
| Züchtigen und schlagen Eltern regelmäßig ihre Kinder aus religiöser Überzeugung, kann ihnen
die elterliche Sorge entzogen werden. |
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg in dem sogenannten ZwölfStämme-Verfahren. Damit hat es die Beschwerden der Eltern gegen Entscheidungen des
Amtsgerichts Ansbach zurückgewiesen. Das Amtsgericht hatte im Oktober 2014 mehreren Eltern,
die der Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ angehören, Teilbereiche der elterlichen Sorge
entzogen. Dazu zählte auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Das OLG hat diese Entscheidungen hinsichtlich zweier Elternpaare nunmehr im Ergebnis
bestätigt. Für die Richter steht fest, dass die betroffenen Eltern aufgrund ihrer religiösen
Überzeugung ihre Kinder auch in Zukunft körperlich züchtigen würden. Die Züchtigung mit der
Rute gehört nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die die betroffenen Eltern teilen,
unabdingbar zur Kindererziehung. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der
Erziehung vom 2.11.2000 bestehe ein Recht eines jeden Kindes auf eine uneingeschränkt
gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen seien damit in der Erziehung unzulässig.
Körperliche Züchtigungen der Art, wie sie von Mitgliedern der „Zwölf Stämme“ praktiziert werden,
gefährden nach Auffassung des OLG das Kindeswohl. Die Gefährdung des Kindeswohls liege
bereits darin, dass die Kinder künftig regelmäßig so behandelt würden. Sie müssten ständig
damit rechnen, geschlagen zu werden und daher in Angst davor leben. Ferner müssten sie beim
Einsatz der Rute körperliche Schmerzen erdulden. Die daraus resultierende Demütigung würden
sie als psychischen Schmerz erfahren. Auf den Eintritt länger andauernder physischer
Verletzungen oder das Ausmaß psychischer Spätfolgen komme es daher nicht entscheidend an.
Zwar stelle eine Trennung der Eltern von ihren leiblichen Kindern den stärksten vorstellbaren
staatlichen Eingriff in das Elternrecht dar. Der Schutz der Kinder sei in den konkreten Fällen aber
durch mildere Maßnahme als die Trennung der Kinder von ihren Eltern nicht zu erreichen.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 27.5.2015, 9 UF 1549/14 und vom 11.6.2015, 9 UF
1430/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Sorgerecht: Keine Sorgerechtsabänderung bei verfestigten Verhältnissen
| Wird ein fünfeinhalbjähriges Kind seit mehreren Jahren alleine von der Mutter erzogen, ist die
Versorgung und Betreuung bereits langfristig verfestigt. In einem solchen Fall ist eine
Sorgeentscheidung zugunsten des getrennt lebenden Vaters nicht geboten. |
Diese Entscheidung traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Richter machten deutlich,
dass dies auch gelte, wenn bereits die Halbschwester des Kindes beim Vater lebt. Bei der Frage
des Sorgerechts komme es in erster Linie auf das Wohl des Kindes an. Dabei sei der Stabilität
der Lebensverhältnisse eines Kindes stets besondere Bedeutung beizumessen. Zwar habe auch
der Gedanke der Geschwisterbindung ein hohes Gewicht. In diesem Fall müsse er aber hinter
der Stabilität zurückstehen.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 22.9.2014, 1 BvR 2102/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Vormundschaftsrecht: Kein Verzicht auf gerichtliche Genehmigung bei
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen
| In einer Vorsorgevollmacht kann nicht auf die gerichtliche Genehmigung bei
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verzichtet werden. |
Diese Klarstellung traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Nach der Entscheidung sei es
mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn eine gerichtliche Genehmigung für die Einwilligung des
Vorsorgebevollmächtigten in ärztliche Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen wie z.B. Fixierungen
gefordert wird.
Die Richter machten deutlich, dass es unwirksam sei, wenn bereits im Vorfeld beim Ausstellen
einer Vorsorgevollmacht auf das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung verzichtet werde.
Der damit verbundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ist aufgrund des
staatlichen Schutzauftrags gerechtfertigt. Der Staat ist durch das Grundgesetz verpflichtet, sich
dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die
sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor Eingriffen von Seiten Dritter zu
bewahren, wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht (mehr) dazu in der Lage sind. Dabei ist
einhellig anerkannt, dass es auf den tatsächlichen, natürlichen Willen, nicht auf den Willen eines
gesetzlichen Vertreters ankommt. Eine fehlende Einsichts- und Geschäftsfähigkeit lässt den
Schutz nicht von vornherein entfallen. Können Betroffene die Notwendigkeit der
Freiheitsbeschränkung nicht mehr selbst erkennen, empfinden Sie die durch Dritte
vorgenommene Beschränkung oft als besonders bedrohlich.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 10.6.2015, 2 BvR 1967/12, Abrufnummer unter www.iww.de.
Namensrecht: Ein zwangsweise geänderter Familienname rechtfertigt eine
erneute Namensänderung
| Wurde ein ursprünglicher Familienname zwangsweise geändert, ist dies ein wichtiger Grund für
den Betroffenen, der zu einer erneuten Namensänderung berechtigt. |
So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Würzburg. Dabei wiesen die Richter darauf hin,
dass nach dem Namensänderungsgesetz ein Familienname nur geändert werden dürfe, wenn
ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ob ein wichtiger Grund vorliege, könne allerdings
nicht pauschal bestimmt werden. Es müssten vielmehr in jedem Einzelfall die vorgebrachten
Gründe abgewogen werden. Nach allgemeiner Rechtsauffassung müssen die Gründe des
Betroffenen so wesentlich sein, dass die Belange der Allgemeinheit dahinter zurücktreten
müssten. Betroffen sei vor allem die soziale Ordnungsfunktion des Namens, d.h. die
Identifizierung und Individualisierung des Namensträgers. Im vorliegenden Fall waren
eingebürgerte syrisch-orthodoxe Christen mit aramäischer Volkszugehörigkeit aus der Türkei
betroffen. Deren ursprünglicher Familienname wurde in der Türkei zwangsweise in einen
türkischen Namen abgeändert. Eine solche zwangsweise Namensänderung ließ das LG als
wichtigen Grund ausreichen. Die Betroffenen konnten daher wieder ihren alten Namen
annehmen.
Quelle | VG Würzburg, Urteil vom 25.2.2015, 6 K 2/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Erbvertrag: Erbvertrag zugunsten der Geschäftsführerin eines ambulanten
Pflegedienstes ist unwirksam
| Ein Erbvertrag, mit dem die Geschäftsführerin eines Pflegedienstes zur Alleinerbin einer von
ihrem Pflegedienst Betreuten eingesetzt wird, ist unwirksam. |
Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im Fall einer ledigen und
kinderlosen Erblasserin. Diese wurde seit Jahren bis zu ihrem Tod von dem ambulanten
Pflegedienst der Geschäftsführerin betreut. Die Geschäftsführerin selbst hatte die Erblasserin
anlässlich eines Krankenhausaufenthalts kennengelernt. Sie hatte sie ab dann regelmäßig
besucht. Man hatte gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche zusammen
Mittag gegessen. Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die Erblasserin mit der Geschäftsführerin
einen notariellen Erbvertrag. Darin wurde die Geschäftsführerin als alleinige Erbin eingesetzt.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Geschäftsführerin auf der Grundlage des
Erbvertrags einen Erbschein, der ihr vom Nachlassgericht erteilt wurde. Der Wert des Nachlasses
betrug rund 100.000 EUR.
Nachdem das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde ein Bußgeldverfahren gegen die
Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über
Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den
Erbschein als unrichtig wieder ein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Geschäftsführerin,
die das OLG nunmehr nach Vernehmung mehrerer Zeugen zurückwies.
Zur Begründung führt das OLG aus: Die Geschäftsführerin sei nicht Alleinerbin geworden, da der
Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 7 HGBP unwirksam sei. Die Vorschrift untersage es der
Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von Betreuungs- und
Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die
Pflegeleistungen versprechen oder gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm (§ 14
Heimgesetz) erstrecke sich § 7 HGPB nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungsund Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Regelung solle verhindern, dass die Hilf- oder
Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt werde. Sie
diene auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern. Bei einer Erbeinsetzung – wie hier – liege ein
Verstoß allerdings nur vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der
Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolge. Hierfür bestehe eine gesetzliche Vermutung, die nur
durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden könne. Diesen Beweis habe die
Geschäftsführerin jedoch nicht erbringen können. Zwar sei nach der Beweisaufnahme davon
auszugehen, dass zwischen ihr und der Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine
Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung vorgelegen habe. Es könne aber nicht mit der
erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem
Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden habe. Eine eindeutige Trennung zwischen
dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung sei nicht erkennbar. Sie dürfte in der vorliegenden
Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen
die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das
Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.5.2015, 21 W 67/14, Abruf-Nr. unter
www.iww.de.
Mietrecht und WEG
Modernisierung: Mieter müssen Rauchmelder-Einbau auch bei vorheriger
Selbstausstattung dulden
| Ein Mieter muss den Einbau von Rauchwarnmeldern durch den Vermieter auch dann dulden,
wenn er die Wohnung zuvor schon selbst mit von ihm ausgewählten Rauchwarnmeldern
ausgestattet hat. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Fällen. Die Vermieterin – in einem
Fall eine Wohnungsbaugesellschaft, im anderen Fall eine Wohnungsbaugenossenschaft – hatten
jeweils beschlossen, den eigenen Wohnungsbestand einheitlich mit Rauchwarnmeldern
auszustatten und warten zu lassen. In beiden Fällen hatten die beklagten Mieter den Einbau mit
Hinweis darauf abgelehnt, dass sie bereits eigene Rauchwarnmelder angebracht hätten.
Die Richter entschieden, dass die von den Vermietern beabsichtigten Maßnahmen bauliche
Veränderungen sind, die zu einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts und einer
dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse führen. Sie sind deshalb von den
Mietern zu dulden. Weil der Einbau und die spätere Wartung der Rauchwarnmelder für das
gesamte Gebäude „in einer Hand“ liegen, wird ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Das
führt zu einer nachhaltigen Verbesserung auch im Vergleich zu einem Zustand, der bereits durch
den Einbau der vom Mieter selbst ausgewählten Rauchwarnmeldern erreicht ist.
Darüber hinaus muss der Mieter den Einbau auch dulden, weil dem Vermieter der Einbau von
Rauchwarnmeldern durch Gesetz (§ 47 Abs. 4 BauO LSA) auferlegt ist. Er muss den Einbau
daher aufgrund von Umständen durchführen, die von ihm nicht zu vertreten sind.
Quelle | BGH, Urteile vom 17.6.2015, VIII ZR 216/14 und VIII ZR 290/14, Abruf-Nr. unter
www.iww.de.
Hausfriedensstörung: Bedrohung von Mitmietern rechtfertigt fristlose
Kündigung
| Droht ein Mieter einem Mitmieter mit einem Verbrechen (Abschneiden von Körperteilen),
berechtigt dies den Vermieter zu einer außerordent-lichen fristlosen Kündigung. |
Das musste sich ein Mieter vor dem Amtsgericht Frankfurt a.M. sagen lassen. Das Gericht
begründete seine Entscheidung damit, dass der Vermieter nicht hinnehmen müsse, dass ein
Mieter sich eklatant gegen die Rechtsordnung verhält und somit nachhaltig den Hausfrieden stört.
Quelle | Amtsgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 26.3.2015, 33 C 3506/14, Abruf-Nr. 144253 unter
www.iww.de.
Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung wegen Bezeichnung des Vermieters
als „promovierter Arsch“
| Die Beleidigung des Vermieters durch den Mieter mit Sie „promovierter Arsch“ kann eine
fristlose Kündigung rechtfertigen. |
Das musste sich ein Ehepaar vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Die Eheleute hatten
eine Souterrainwohnung angemietet. Sie führten mit dem Vermieter zahlreiche Zivilverfahren im
Zusammenhang mit dem Mietverhältnis. Zudem wurden gegenseitig Strafanzeigen erstattet.
Am 2.5.2014 rief das Ehepaar zwischen 6.00 Uhr und 6.30 Uhr morgens beim Vermieter an. Sie
teilten mit, dass die Wassertemperatur im Bad ihrer Wohnung nur 35 Grad Celsius erreiche statt
der erforderlichen 40 Grad. Als die Parteien gegen 9.15 Uhr im Hof des Anwesens
zusammentrafen, forderte der Vermieter die Beklagten auf, ihm Zutritt zur Wohnung zu
gewähren. Er wolle die Wassertemperatur überprüfen. Dies lehnten die Eheleute ab. Sie wiesen
darauf hin, dass dies nicht notwendig sei. Schließlich sei im gesamten Haus das Wasser nicht
warm genug. Im Rahmen des Wortwechsels beleidigte der Ehemann den Vermieter mit den
Worten „Sie promovierter Arsch“.
Der Vermieter kündigte wegen dieser Beleidigung das Mietverhältnis fristlos. Die Mieter
akzeptierten die fristlose Kündigung nicht. Die Beleidigung sei nicht grundlos erfolgt. Der
Vermieter habe den Mieter zuerst geduzt und körperlich angegriffen. Daher sei die fristlose
Kündigung nicht gerechtfertigt.
Die zuständige Richterin gab dem Vermieter recht: Die fristlose Kündigung wegen der
Beleidigung ist wirksam. Die Vertragsverletzung durch die Beleidigung wiege so schwer, dass
dem Vermieter nicht zugemutet werden könne, das Mietverhältnis fortzusetzen. Eine Beleidigung
ist ein Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung.
Bloße Unhöflichkeiten, die keinen ehrverletzenden Charakter haben, scheiden als
Kündigungsgrund aus. Das Gericht stellte fest, dass die Titulierung mit „Sie promovierter Arsch“
die Ehre verletze. Eine solche Bezeichnung gehe weit über eine gegebenenfalls noch
hinzunehmende Pöbelei oder Unhöflichkeit hinaus. Diese grobe Beleidigung sei eine
Vertragsverletzung. Sie wiege so schwer, dass dem Vermieter die Fortsetzung des
Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Hierbei hat das Gericht berücksichtigt, dass die
Parteien im gleichen Haus wohnen. Damit seien regelmäßige Zusammentreffen unausweichlich.
Zudem habe sich der Mieter nicht entschuldigt. Die Eheleute hätten auch nicht den Beweis
erbracht, dass der Vermieter den Ehemann zuvor provoziert hat.
Das Gericht stellte weiter fest, dass vor der Kündigung keine Abmahnung erfolgen musste. Die
massive Beleidigung habe die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend
erschüttert, dass sie auch durch eine Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können.
Eine Abmahnung sei daher nicht Erfolg versprechend gewesen.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 28.11.14, 474 C 18543/14, rkr., Abruf-Nr. unter
www.iww.de.
Gewerberaummiete: Bei einer Sortimentsbindung kann der
Konkurrenzschutz nicht ausgeschlossen werden
| Gegen einen formularmäßigen Ausschluss des Konkurrenzschutzes auch in Verbindung mit
einer formularmäßigen Vereinbarung einer Betriebspflicht bestehen grundsätzlich keine
Bedenken. |
Diesen Grundsatz bestätigte noch einmal das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. Etwas
anderes gelte nach Ansicht der Richter aber, wenn dem Mieter darüber hinaus auch eine
Sortimentsbindung auferlegt werde (Änderungen im Sortiment nur mit -Zustimmung des
Vermieters) und Vorgaben hinsichtlich der Preisgestaltung gemacht würden. Diese Vielzahl der
dem Mieter auferlegten Beschränkungen würde in der -Gesamtschau zu einer unangemessenen
Benachteiligung des Mieters führen. Folge sei damit eine Unwirksamkeit des Klauselwerks
insgesamt.
Quelle | OLG Brandenburg, Urteil vom 25.11.2014, 6 U 117/13, Abruf-Nr. 144071 unter
www.iww.de.
WEG: Wohnungseigentümergemeinschaft ist Verbraucher
| In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur ist bislang umstritten, ob und
unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher oder als
Unternehmer anzusehen ist. |
Der BGH stellt nunmehr klar: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Interesse des
Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden
natürlichen Personen dann einem Verbraucher gemäß § 13 BGB gleichzustellen, wenn ihr
wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt,
der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient.
Konsequenz: Bei Abschluss eines Vertrags mit einem Energieversorgungsunternehmen zum
Bezug von leitungsgebundenem Erdgas handelt die Wohnungseigentümergemeinschaft in der
Regel zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit als
Verbraucher. Eine Preisanpassungsklausel, nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von
Gas entsprechend der Preisentwicklung für leichtes Heizöl ändert, ist wegen unangemessener
Benachteiligung der Kunden unwirksam.
Quelle | BGH, Urteil vom 25.3.2015, VIII ZR 243/13, Abruf-Nr. 144232 unter www.iww.de.
Verbraucherrecht
Haftungsrecht: „Rudelführen“ von Hunden löst
Verkehrssicherungspflichten aus
| Wer aus Gefälligkeit mehrere Hunde gleichzeitig ausführt („Rudelführen“), hat alle Hunde so zu
beaufsichtigen, dass sie fremde Menschen nicht gefährden. Verletzt der Hundeführer diese
Verkehrssicherungspflicht, weil einer der Hunde an einer fremden Person hochspringt und diese
verletzt, haftet er auf Schadenersatz. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer Frau entschieden, die bei einem
Spaziergang aus Gefälligkeit neben ihrem eigenen Schäferhund aus Gefälligkeit einen
Boxermischling und den Cane Corso eines Bekannten mit sich führte. Alle drei Hunde waren
angeleint. Als die Klägerin vorbeiging, wurde sie von dem Cane Corso überraschend
angesprungen. Die Klägerin erlitt Schürfwunden und unter ihrem Auge eine kleinere blutende
Gesichtsverletzung, die unter Narbenbildung verheilte. Sie fordert ein Schmerzensgeld in Höhe
von 3.000 EUR.
Die Schadenersatzklage war vor dem OLG erfolgreich. Die Richter sprachen ihr das geforderte
Schmerzensgeld zu. Die Beklagte hafte aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
Wer aus Gefälligkeit Hunde ausführe, müsse die Tiere so halten, dass von den Hunden keine
Gefahr für Leben und/oder Gesundheit von Menschen ausgehe, denen sie beim Ausführen
begegneten.
In Bezug auf den großen Hund Cane Corso habe die Beklagte zwar der im Landeshundegesetz
Nordrhein-Westfalen geregelten Leinenpflicht genügt. Sie habe den Hund aber dennoch nicht so
geführt, dass er nicht von sich aus die Klägerin habe anspringen und verletzen können. Hierzu
sei es nicht ausreichend gewesen, wenn die Beklagte – ihrer Einlassung entsprechend – den
Hund eng bei sich gehalten habe. Vielmehr habe die Beklagte ein Hochspringen des Hundes
durch einen hinreichend sicheren Griff von vornherein vermeiden müssen. Diese gelte vor allem
deswegen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass der Hund zum Schmusen schon einmal an
Personen hochzuspringen und ihnen die Pfoten auf die Schultern zu legen pflegte.
Dass die Beklagte zugleich zwei weitere Hunde an Leinen geführt habe, entlaste sie nicht. Eine
derartige „Rudelführung“ sei im vorliegenden Fall zwar nicht verboten gewesen. Es steigere aber
das Gefährdungspotential für Dritte. Deswegen könne es die an den Hundeführer zu stellenden
Sorgfaltsanforderungen erhöhen.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 3.2.2015, 9 U 91/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Sozialrecht: Kostenerstattung für Zahnersatz nur bei vorheriger Prüfung
des Heil- und Kostenplans durch die Krankenkasse
| Ein Kostenerstattungsanspruch nach Versorgung mit Zahnersatz besteht nur, wenn der Heilund Kostenplan der Krankenkasse vorab zur Überprüfung vorgelegt wurde. |
Diese Klarstellung traf das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines
Mannes, der freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse war. Er hatte bei seiner Zahnärztin
eine Versorgung mit Zahnersatz durchführen lassen. Die Krankenkasse lehnte seinen Antrag auf
Kostenerstattung der Rechnung dafür jedoch ab. Die Notwendigkeit von Zahnersatz müsse durch
einen Heil- und Kostenplan nachgewiesen werden. Der Plan müsse vor Durchführung der
Maßnahme der Krankenkasse zugeleitet werden, damit diese die Notwendigkeit der Maßnahme
prüfen könne. Das habe der Mann versäumt.
Der Mann trug bei Gericht vor, dass die Versorgung mit Zahnersatz medizinisch notwendig
gewesen sei. Es habe ein Heil- und Kostenplan vorgelegen. Seine Zahnärztin habe ihm vor
Beginn der Behandlung auch schriftlich den voraussichtlichen Festzuschuss mitgeteilt. Der
Wortlaut der gesetzlichen Regelung erfordere auch nicht ausdrücklich, dass die Bewilligung des
Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen habe.
Mit dieser Argumentation konnte er sich jedoch nicht durchsetzen. Das LSG bestätigte vielmehr
die Entscheidung der Krankenkasse. Aus Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie aus
dem systematischen Zusammenhang der Regelung im Sozialgesetzbuch SGB V folge, dass
sowohl die Prüfung des Heil- und Kostenplans als auch die Prüfung des Festzuschusses vor
Beginn der Behandlung zu erfolgen habe. Das Genehmigungserfordernis rechtfertige sich
daraus, dass die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Zahnersatzversorgung vorab besser
überprüft werden könne. Dieser mit dem Genehmigungserfordernis verfolgte Zweck entfalle,
wenn die Zahnersatzversorgung bereits durchgeführt worden sei. Dann habe eine nachträgliche
Genehmigung keinen Sinn mehr. Wenn sich der Mann nicht an das gesetzlich vorgeschriebene
Prozedere halte, falle dies in seinen eigenen Verantwortungsbereich.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.11.2014, L 4 KR 535/11, Abruf-Nr. unter
www.iww.de.
Betriebliche Unfallversicherung: Betriebssport fällt unter gesetzliche
Unfallversicherung
| In vielen Unternehmen können die Beschäftigten ein breit gefächertes Angebot zum
Betriebssport nutzen. Kommt es während des Betriebssports zu Unfällen, sind
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzlich unfallversichert. |
Hinweis | Entscheidend für den Versicherungsschutz ist, dass der Sport Ausgleichs- und nicht
Wettkampfcharakter hat. Betriebssport beschränkt sich im Wesentlichen auf Beschäftigte
eines Betriebs, findet regelmäßig statt und muss unternehmensbezogen organisiert werden.
Etwa, wenn das Unternehmen feste Zeiten vorgibt oder die Sportstätten und -geräte zur
Verfügung stellt.
Haftungsrecht: Unfall auf Weg zum Sport: Auch Nichtmitglied hat
Ersatzanspruch
| Nichtmitglieder, die bei Tätigkeiten für den Verein zu Schaden kommen, haben ohne
Verschulden des Vereins keinen Schadenersatzanspruch. Aus dem Auftragsverhältnis kann sich
aber ein Anspruch auf Aufwandsersatz ergeben. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall einer Frau. Diese war verunglückt,
als sie ihre Enkelin mit dem Pkw zu einem Wettkampf bringen wollte. Sie machte Kostenersatz
für eine erforderliche Zahnbehandlung sowie Schmerzensgeld geltend. Die Versicherung des
Vereins lehnte die Erstattung ab. Ein Nichtmitglied genieße keinen Versicherungsschutz. Auch
seien die Anforderungen an eine „offiziell eingesetzte“ Helferin nicht erfüllt.
Das OLG gab der Geschädigten teilweise recht. Ob die Frau vom Verein ausdrücklich beauftragt
war, die Spielerin zum Wettkampf zu bringen, sei ohne Belang. Denn die Übernahme des
Fahrdienstes entsprach dem Interesse des Vereins. Aus dem Gesetz ergebe sich ein
Aufwandsersatzanspruch für Schäden, die bei Ausführung des Auftrags entstehen, wenn ein
geschäftstypisches und nicht nur ein allgemeines Lebensrisiko bestand. Für das OLG war die
Teilnahme am Straßenverkehr ein „auftragsspezifisches Risiko“.
Quelle | OLG Celle, Urteil vom 16.10.2014, 5 U 16/14, Abruf-Nr. 143922 unter www.iww.de.
Verwaltungsrecht: Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule in den
Niederlanden
| Das Land NRW kann verpflichtet sein, eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule
in Kerkrade in den Niederlanden zu erteilen. |
Hierauf wies das Verwaltungsgericht (VG) Aachen im Fall einer 12-jährigen Schülerin hin. Die
Richter machten deutlich, dass nach dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz die Schulpflicht
grundsätzlich durch den Besuch einer deutschen Schule zu erfüllen sei. Dies diene unter
anderem der Integration in die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland. Hier
liege aber ein wichtiger Grund für eine Ausnahme vor. Die Schülerin besitze neben der
deutschen auch die niederländische Staatsangehörigkeit. Ihr Vater sei Niederländer. Es lasse
sich auch kein Lebensmittelpunkt der Schülerin in Deutschland feststellen. Bis zur Scheidung
ihrer Eltern habe sie ununterbrochen in den Niederlanden gelebt und dort die achtjährige
Basisschool nahezu durchlaufen. Seit der Trennung der Eltern lebe sie wöchentlich von
mittwochs bis freitags und alle zwei Wochen zusätzlich von freitags bis montags bei ihrem Vater
in den Niederlanden. Sie halte sich damit überwiegend dort auf.
Von Bedeutung sei auch die „Gemeinsame Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung von
schulischen Bildungsabschlüssen und Berechtigungen zwischen dem Königreich der Niederlande
und dem Land NRW“. Darin werde das außerordentliche Interesse beider Seiten betont, in einem
zusammenwachsenden Europa die Mobilität von Schülern und deren Familien durch eine
Vereinfachung der Anerkennung schulischer Bildungsabschlüsse und eine Erleichterung des
Wechsels zwischen den unterschiedlichen Schulsystemen zu fördern. Das niederländische HavoDiplom, das die Schülerin anstrebe, entspreche der deutschen Fachhochschulreife.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 19.5.2015, 9 K 2036/14, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
Restwert: Drei Angebote im Gutachten: Ein „Null-Angebot“ ist auch eins
| Der Geschädigte darf sich auf den im Schadengutachten benannten Restwert verlassen, wenn
der Sachverständige drei lokale Angebote im Gutachten vermerkt hat und ein Überangebot des
Versicherers zum Verkaufszeitpunkt noch nicht vorlag. Das gilt auch, wenn ein oder zwei „NullAngebote“ dabei sind. |
So entschied es das Landgericht (LG) Berlin als Berufungsgericht und korrigierte damit ein Urteil
des AG Berlin-Mitte. Das war der Meinung, im Gutachten seien keine drei Angebote gemäß der
BGH-Rechtsprechung hinterlegt. Denn zwei Angebote lauteten auf „Null“. Damit hatte das
Berufungsgericht kein Problem. Auch ein Null-Angebot ist ein Angebot.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 25.2.2015, 42 S 183/14, Abruf-Nr. 144236 unter www.iww.de.
Schadenabwicklung: Voraussetzungen für Inanspruchnahme des Büro
Grüne Karte e.V.
| Ist das Schädigerfahrzeug, das in Deutschland einen Verkehrsunfall verursacht, in einem
anderen europäischen Land zugelassen, hat der Geschädigte einen Direktanspruch gegen das
Deutsche Büro Grüne Karte e.V. Das Büro Grüne Karte e.V. darf sich nicht weigern, den
Schaden zu regulieren, wenn der Geschädigte zwar Namen und Anschrift des Halters sowie das
Fahrzeugkennzeichen benennen kann, vom Fahrer aber nur den Namen und nicht dessen
Adresse kennt. |
So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart. Das Fahrzeug des Schädigers war ein im
europäischen Ausland zugelassener Mietwagen. Der Geschädigte hatte alle erforderlichen
Daten, nur nicht die Adresse des Fahrers. Deshalb meinte das beim Gesamtverband der
Versicherungswirtschaft ansässige und für die Inlandsregulierung zuständige Büro Grüne Karte
e.V., nicht regulieren zu müssen. Damit kam es vor Gericht nicht durch.
Sinn des Grüne Karte-Abkommens zwischen den Ländern ist es gerade, dass der Geschädigte
die Regulierung im eigenen Land und in seiner Sprache durchführen kann. Er muss dann nicht
direkt im Ausland gegen den dort ansässigen Versicherer vorgehen. Deshalb hat das Büro Grüne
Karte e.V. neben dem ausländischen Versicherer die Pflichten eines Haftpflichtversicherers zu
übernehmen. Weil bei einem Unfall auf deutschem Boden deutsches Recht und damit die
Halterhaftung gilt, kommt es auf die Daten zum Fahrer nicht an.
Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 17.6.2015, 13 S 105/14, Abruf-Nr. 144801 unter www.iww.de.
Standgeld: Standgeld bis zur Erteilung des Reparaturauftrags
| Für die Zeit vom Unfall bis zum Reparaturauftrag muss der eintrittspflichtige
Haftpflichtversicherer Standgeld erstatten, wenn die Werkstatt das dem Geschädigten berechnet.
|
Nach Ansicht des Amtsgerichts Horb am Neckar gilt das, wenn das Fahrzeug unfallbedingt nicht
mehr fahrbereit war und der Geschädigte nicht vorwerfbar getrödelt hat. Die Wartezeit auf das
am Tag nach dem Unfall beauftragte Schadengutachten gehört zum relevanten Zeitraum.
Gleiches gilt für eine angemessene Überlegungszeit von drei Tagen ab Gutachteneingang, um zu
entscheiden, was nun geschehen soll. Wenn der Geschädigte nicht aus eigenen Mitteln in
Vorlage gehen kann und das dem Versicherer als Warnhinweis mitgeteilt hat, darf er sogar noch
die Bestätigung des Versicherers abwarten, dass der die Haftung anerkennt.
Im Urteilsfall akzeptierte das Amtsgericht ein Standgeld von neun EUR zuzüglich Mehrwertsteuer
pro Tag.
Quelle | Amtsgericht Horb am Neckar, Urteil vom 22.6.2015, 1 C 130/15, Abruf-Nr. 144804 unter
www.iww.de.
Unfallschadensregulierung: Versicherer muss auch zahlen, wenn die
Heckscheibe bei der Reparatur zerspringt
| Steht die Heckscheibe in der beschädigten Heckklappe so unter Spannung, dass sie beim
Ausbauen zerspringt, ist das ein vom Schädiger zu tragender Teil des ursprünglichen Schadens.
|
So beurteilte das Amtsgericht Miesbach einen entsprechenden Fall. Dabei führte das Gericht
eine Zeugenvernehmung durch. Damit wollte es prüfen, ob der Zusatzschaden zwangsläufig war
oder auf einen Arbeitsfehler zurückzuführen war. Das Ergebnis war die Zwangsläufigkeit.
Wäre allerdings unklar geblieben, was die Ursache war, oder wäre dem Mechaniker tatsächlich
ein Fehler unterlaufen, wäre das auch ein Teil des ursprünglichen Schadens. Denn es gilt die
Regel: Ohne den Unfall wäre es zu der Arbeit an der Heckklappe und der Scheibe gar nicht
gekommen. Und ebenso eindeutig ist der Grundsatz: Das Werkstattrisiko trägt der Schädiger.
Quelle | Amtsgericht Miesbach, Urteil vom 9.4.2015, [2] 1 C 875/14, Abruf-Nr. 144334 unter
www.iww.de.
Dashcam: Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren
| Im Strafverfahren besteht kein generelles Beweisverwertungsverbot für DashcamAufzeichnungen. Ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden darf, ist
vielmehr eine Frage des Einzelfalls. |
So sah es das Amtsgericht (AG) Nienburg und hat den Angeklagten u.a. wegen Nötigung in
Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Zugrunde gelegt hat es die
Aufzeichnung einer Dashcam, die der Geschädigte angefertigt hatte. Ihm war das Fahrzeug des
Angeklagten durch sehr dichtes Auffahren aufgefallen. Daher hatte er zum Zwecke der
Beweissicherung für den etwaigen Fall eines Zusammenstoßes eine neben seinem Innenspiegel
angebrachte Dashcam aktiviert. Diese filmte sodann den Straßenbereich und speicherte die
Aufnahmen digital auf einer SD-Speicherkarte.
Das AG hat die Aufzeichnung der Dashcam als verwertbar angesehen. Ihr steht weder ein
Beweiserhebungs-, noch ein Beweisverwertungsverbot entgegen. Die Anfertigung der
Kameraaufzeichnung durch den Geschädigten ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz zulässig.
Aus aktuellem und konkretem Anlass kann ein Zeuge vorausschauend Beweismittel fertigen. Die
zulässig angefertigte Kameraaufzeichnung darf auch im Strafverfahren verwertet werden. Es sind
keine Gründe ersichtlich, die einer Verwertung entgegenstünden. Hierbei kann ohne Weiteres auf
die allgemeinen Grundsätze zur Verwertbarkeit von Beweismitteln mit Spannungsbezug zum
allgemeinen Persönlichkeitsrecht Dritter zurückgegriffen werden.
Hinweis | Es handelt sich um die – soweit ersichtlich – erste gerichtliche Entscheidung zur
Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen im Straf-/Bußgeldverfahren. Ob und ggf. unter
welchen Voraussetzungen Dashcam-Aufzeichnungen in gerichtliche Verfahren zulässig
eingeführt und verwertet werden dürfen, wird derzeit noch diskutiert. Das AG Nienburg hat nun
für das Strafverfahren die Zulässigkeit der Verwertung bejaht, wenn anlassbezogen
aufgenommen worden ist, also die Dashcam in Bezug auf einen ganz bestimmten Vorgang
eingeschaltet wurde. Dem wird man im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zustimmen
können. Ob das auch gilt, wenn nicht „anlassbezogen“ gefilmt/aufgenommen worden ist, kann
man nach der Rechtsprechung des BVerfG aber bezweifeln.
Quelle | AG Nienburg, Urteil vom 20.1.2015, 4 Ds 155/14, Abruf-Nr. 144408 unter www.iww.de.
Steuerrecht
Vermieter: Fahrten zu den Mietobjekten: Entfernungspauschale oder
Reisekosten?
| Kann der Vermieter die Fahrten zu seiner Immobilie nach Reisekostengrundsätzen oder nur mit
der halb so hohen Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen? Die Antwort des
Finanzgerichts Berlin-Brandenburg lautet: Es kommt darauf an, ob eine regelmäßige
Tätigkeitsstätte vorliegt. |
Eine regelmäßige Tätigkeitsstätte am Vermietungsobjekt kann nur angenommen werden, wenn
sich hier der quantitative und qualitative Mittelpunkt der gesamten auf dieses Objekt bezogenen,
auf die Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit des Steuerpflichtigen befindet. Dies ist bei
gelegentlichen Fahrten zum Mietobjekt grundsätzlich nicht der Fall.
Fährt der Vermieter (wie im Streitfall) jedoch 165 bzw. 215 Mal im Jahr zu zwei
Vermietungsobjekten, um dort zu kontrollieren und regelmäßige Arbeiten (streuen, fegen,
wässern oder pflanzen) zu erledigen, kann nur die Entfernungspauschale anerkannt werden.
Praxishinweis | Gegen dieses Urteil ist die Revision anhängig, sodass geeignete Fälle
offengehalten werden können. Interessant ist auch die Frage, inwieweit diese Entscheidung auf
das neue Reisekostenrecht, das ab dem Veranlagungszeitraum 2014 anzuwenden ist,
übertragbar ist. Nach Verlautbarungen in der Fachliteratur soll die Finanzverwaltung derzeit ein
Schreiben zur steuerlichen Behandlung von Fahrten zum Vermietungsobjekt vorbereiten.
Quelle | FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.2.2015, 7 K 7084/13, Rev. BFH IX R 18/15,
Abruf-Nr. 144639 unter www.iww.de.
Arbeitsrecht: Ferienjobs: Brutto ist meistens gleich netto
| Viele Schüler nutzen die anstehende Ferienzeit dazu, um ihren Geldbeutel aufzubessern. Gut
zu wissen: Steuern und Sozialabgaben fallen dabei meistens nicht an. Worauf zu achten ist,
darauf haben jüngst das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen sowie der Bund der
Steuerzahler aufmerksam gemacht. |
Ferienjobber müssen ihrem Arbeitgeber grundsätzlich ihre Steuer-Identifikationsnummer, ihr
Geburtsdatum und die Information, ob es sich um das erste Beschäftigungsverhältnis handelt,
mitteilen. Anhand dieser Angaben kann der Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale, zum
Beispiel Steuerklasse und Religion, elektronisch abrufen.
Bis zu einem monatlichen Bruttolohn von knapp 900 EUR fällt zum Beispiel in der Steuerklasse I
keine Lohnsteuer an. Verdient der Schüler mehr und zahlt er Lohnsteuern, kann er sich die zu
viel gezahlten Steuern gegebenenfalls über eine Einkommensteuererklärung vom Finanzamt
erstatten lassen. Auch Sozialabgaben fallen regelmäßig nicht an, wenn die Tätigkeit maximal drei
Monate oder 70 Arbeitstage umfasst (sogenannte kurzfristige Beschäftigung).
Die Zeiten mehrerer aufeinanderfolgender kurzfristiger Beschäftigungen sind
zusammenzurechnen. Ferner gelten Besonderheiten für Schulabgänger. Hier kann unter
Umständen eine Berufsmäßigkeit vorliegen, sodass keine kurzfristige Beschäftigung vorliegt.
Aktuelle Gesetzgebung: Die geplanten Neuregelungen zur
Erbschaftsteuerreform
| Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Privilegierung des
Betriebsvermögens bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer angesichts ihres Ausmaßes und der
eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Gesetzgeber muss
bis spätestens zum 30.6.2016 eine Neuregelung treffen. Nun liegt ein Gesetzentwurf mit den
geplanten Änderungen vor. |
Obwohl das BVerfG rückwirkende Neuregelungen unter bestimmten Bedingungen zugelassen
hat, sieht der Entwurf keine rückwirkenden Änderungen vor. Das aktuelle Recht soll bis zum
Inkrafttreten einer Neuregelung uneingeschränkt anwendbar bleiben. Der Entwurf stellt aber noch
ein frühes Stadium im Gesetzgebungsverfahren dar. Im Hinblick auf die Komplexität der
Regelungen sind etwaige Anpassungen nicht unwahrscheinlich.
Begünstigtes Vermögen
Das BVerfG hält es für unverhältnismäßig, dass die Steuerverschonung auch eintritt, obwohl das
betriebliche Vermögen bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Nach der Neudefinition ist
das Vermögen begünstigt, das seinem Hauptzweck nach überwiegend einer originär land- und
forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Missbräuchlichen
Gestaltungen wie bei der „Cash-GmbH“ soll hierdurch die Grundlage entzogen werden.
Hinweis | Der Nettowert des nicht begünstigten Vermögens kann wie begünstigtes Vermögen
behandelt werden, soweit er 10 % des Nettowerts des begünstigten Vermögens nicht übersteigt.
Lohnsummenregelung
Die Steuerverschonung bedingt u.a., dass die sogenannte Lohnsummenregelung beachtet wird.
Dies bedeutet vereinfacht, dass für einige Jahre nach der Unternehmensübertragung nicht
signifikant weniger Lohn gezahlt werden darf als zuvor. Bei der derzeitigen Freistellung von der
Lohnsummenregelung für Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten handelt es sich nach
Ansicht des BVerfG eine unverhältnismäßige Privilegierung. Nach der geplanten Neuregelung
werden nur noch Betriebe mit bis zu drei Arbeitnehmern von der Einhaltung der
Lohnsummenregelung ausgenommen. Für Betriebe mit 4 bis 10 Arbeitnehmern bzw. 11 bis 15
Arbeitnehmern gilt eine jeweils abgeschwächte Lohnsummenregelung.
Neue Prüfschwelle
Neu ist eine Prüfschwelle, die bei einem begünstigten Vermögen von über 26 Millionen EUR liegt.
Bei der Prüfung sind von derselben Person anfallende Erwerbe innerhalb von zehn Jahren
einzubeziehen. Die Prüfschwelle beträgt ausnahmsweise 52 Millionen EUR, wenn bestimmte
qualitative Merkmale in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorliegen. Hiermit sind
Kapitalbindungen wie Ausschüttungs- und Verfügungsbeschränkungen in bestimmten
Familienbetrieben gemeint.
Liegt der Erwerb unterhalb der Prüfschwelle, erhält der Erwerber – wie bisher – Vergünstigungen
in Form eines Verschonungsabschlags (85 % nach der Regelverschonung, 100 % nach dem
Optionsmodell) und ggf. eines Abzugsbetrags. Die Steuerbefreiung ist von Behaltensfristen und
der Einhaltung der Lohnsummenregelung abhängig. Übersteigt der Wert die Prüfschwelle, soll
zunächst keine Verschonung, sondern auf Antrag ein verminderter Verschonungsabschlag oder
eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung beim Erwerber erfolgen.
Quelle | Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Regierungsentwurf vom 8.7.2015
Aktuelle Gesetzgebung: Neues zu Kindergeld, Entlastungsbetrag und kalter
Progression
| Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des
Kindergeldes und des Kinderzuschlags zugestimmt. Die nachfolgend aufgeführten
Neuregelungen können somit in Kraft treten. |
Grundfreibetrag und Unterhaltshöchstbetrag
Der steuerliche Grundfreibetrag, bis zu dessen Höhe keine Einkommensteuer gezahlt werden
muss, wurde für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2015 von 8.354 EUR auf 8.472 EUR
angehoben (8.652 EUR im VZ 2016). Die rückwirkende Anhebung des Grundfreibetrags (ab dem
1.1.2015) löst auch lohnsteuerliche Konsequenzen aus. Nach der vom Gesetzgeber
beschlossenen Sonderregelung wird die Erhöhung des Grundfreibetrags im Abrechnungsmonat
Dezember 2015 berücksichtigt. Geänderte Programmablaufpläne zur Lohnsteuerermittlung für
Dezember 2015 werden durch die Finanzverwaltung erstellt und bekannt gemacht. Ab Januar
2016 wird der neue Grundfreibetrag in die neu zu erstellenden Programmablaufpläne zur
Lohnsteuerermittlung eingearbeitet.
Der Unterhaltshöchstbetrag wurde an die neuen Werte des Grundfreibetrags angepasst.
Demzufolge erfolgt auch hier eine stufenweise Anhebung in 2015 sowie 2016.
Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderzuschlag
Im VZ 2015 beträgt der Kinderfreibetrag nunmehr pro Kind 2.256 EUR je Elternteil. Dies bedeutet
eine Erhöhung um 72 EUR. Im VZ 2016 erfolgt eine weitere Steigerung um 48 EUR.
Das monatliche Kindergeld wurde rückwirkend ab 2015 um jeweils 4 EUR angehoben. Dies
bedeutet: jeweils 188 EUR für das erste und zweite Kind, 194 EUR für das dritte Kind und 219
EUR für jedes weitere Kind. Ab 2016 erfolgt dann eine erneute Anhebung um jeweils 2 EUR.
Ab dem 1.7.2016 wird ein monatlicher Kinderzuschlag von 160 EUR (derzeit: 140 EUR) gewährt.
Einen Kinderzuschlag erhalten Eltern, die zwar ihren eigenen Bedarf durch Erwerbseinkommen
decken können, jedoch nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um auch den Bedarf
ihrer Kinder zu decken.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Für ein im Haushalt des Alleinerziehenden gemeldetes Kind wird rückwirkend ab dem VZ 2015
ein Entlastungsbetrag von 1.908 EUR p.a. gewährt (bislang 1.308 EUR p.a.). Durch die neue
Kinderkomponente erhöht sich der Entlastungsbetrag für jedes weitere gemeldete Kind um 240
EUR pro Kalenderjahr. Dies bedeutet: Bei zwei in 2015 zu berücksichtigenden Kindern beträgt
der Entlastungsbetrag im Kalenderjahr 2.148 EUR (1.908 EUR + 240 EUR). Der
Entlastungsbetrag wird aber nur für die Monate gewährt, in denen die Voraussetzungen
vorgelegen haben.
Abbau der kalten Progression ab 2016
Das Problem, dass trotz Lohnerhöhung letztlich weniger Realeinkommen zur Verfügung steht,
wird als kalte Progression bezeichnet. Hier versucht der Gesetzgeber nun gegenzusteuern.
Zum 1.1.2016 wird der Einkommensteuertarif um 1,48 Prozent „nach rechts“ verschoben. Damit
soll die Inflationsrate 2014 und 2015 ausgeglichen werden. Für die Steuerpflichtigen bedeutet
dies künftig eine jährliche Entlastung von 1,5 Milliarden EUR. Für den Einzelnen wird die
Entlastung aber wohl kaum wirklich spürbar sein.
Quelle | Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes
und des Kinderzuschlags, BR-Drs. 281/15 (B) vom 10.7.2015; DStV, Mitteilung vom 15.6.2015
„Abbau der kalten Progression: Was lange währt, wird endlich gut?“
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Bundesregierung beschließt Reform der Aufsicht
der Abschlussprüfer
| Das Bundeskabinett hat das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) beschlossen,
das berufs- und aufsichtsrechtliche Teile der EU-Abschlussprüferreform umsetzt. Ziel der EUReform ist es, das Vertrauen der Anleger in die Ordnungsgemäßheit und Zuverlässigkeit der
Unternehmensabschlüsse zu stärken sowie Wirksamkeit und Transparenz der Aufsicht zu
erhöhen. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegte Reform sieht
eine Neustrukturierung und Stärkung der Abschlussprüferaufsicht sowie Änderungen des
Berufsrechts (Wirtschaftsprüferordnung) unter weitest möglichem Erhalt der beruflichen
Selbstverwaltung vor. |
Die national und international hoch anerkannte Aufsichtstätigkeit der derzeitigen, in der Leitung
ehrenamtlichen, Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK), wird aufgrund der EU-Vorgaben in
eine berufsstandsunabhängige und selbstständige Abschlussprüferaufsichtsstelle beim
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überführt. Die Kontinuität der bisherigen
Aufsicht wird insbesondere durch eine weitest mögliche gesetzliche Übernahme des
vorhandenen hochqualifizierten Personals gesichert. Ein Teil der Aufgaben wird auf die
bestehende Selbstverwaltung der Wirtschaftsprüfer in der Wirtschaftsprüferkammer übertragen –
unter der Letztverantwortung der Abschlussprüferaufsichtsstelle.
Entsprechend den europäischen Vorgaben, sieht der Gesetzesentwurf neue oder strengere
berufsrechtliche Regelungen, etwa zum Qualitätssicherungssystem, zu den
Unabhängigkeitsanforderungen an Abschlussprüfer und zu Dokumentationspflichten vor. Zur
Vermeidung übermäßiger bürokratischer Belastungen werden insbesondere für kleinere und
mittelgroße Prüferpraxen zulässige Erleichterungen umgesetzt. Für die vereidigten Buchprüfer
wird die Möglichkeit einer verkürzten Prüfung zum Wirtschaftsprüfer wieder eingeführt.
Die Berufsaufsicht und das berufsgerichtliche Verfahren werden neu geordnet, sodass eine
einheitliche und zügige Sanktionierung von Berufspflichtverstößen ermöglicht wird. Konnten
Sanktionen bisher nur gegen einzelne Berufsangehörige ausgesprochen werden, so ist dies jetzt
auch gegen deren Prüfgesellschaften möglich. Neu ist auch, dass Berufspflichtverstöße, die bei
einer Qualitätskontrolle festgestellt werden, zu berufsaufsichtlichen Verfahren und Sanktionen
führen können (Aufhebung der sog. Firewall). Damit sind wirksame und verhältnismäßige
Sanktionen gegen Verstöße möglich.
Die EU-Abschlussprüferreform (Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG und Verordnung (EU) Nr.
537/2014) ist bis zum 17.6.2016 in deutsches Recht umzusetzen. Hinsichtlich der Regelungen,
die die Ausgestaltung der Abschlussprüfung im Handels- und Gesellschaftsrecht betreffen, erfolgt
eine separate Umsetzung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Weiterführender Hinweis
Den Gesetzentwurf der Bundesregierung finden Sie im Internetangebot des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Energie.
Aktuelle Gesetzgebung: Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Neue
Schwellenwerte für die Größeneinteilung
| Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) hat am 10.7.2015 den Bundesrat passiert. Die
Neuregelungen sind erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015
beginnen. Die angehobenen Schwellenwerte für die Größeneinteilung von Kapitalgesellschaften
(einschließlich der erweiterten Definition der Umsatzerlöse) dürfen jedoch bereits für das nach
dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr – bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr der
Jahresabschluss 2014 – angewendet werden (Wahlrecht). |
Die Größenklasse einer Kapitalgesellschaft (regelmäßig auch die einer GmbH & Co. KG) hängt
von drei Schwellenwerten ab. Es handelt sich beispielsweise um eine kleine Gesellschaft, wenn
an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei folgenden
Merkmale nicht überschritten werden:



Bilanzsumme: 6.000.000 EUR (vor BilRUG: 4.840.000 EUR)
Umsatzerlöse: 12.000.000 EUR (vor BilRUG: 9.680.000 EUR)
durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer: 50 (vor BilRUG: 50)
Nach Schätzungen werden durch die um ca. 24 Prozent erhöhten monetären Schwellenwerte
künftig rund 7.000 mittelgroße Kapitalgesellschaften als klein einzustufen sein und
Erleichterungen (z.B. geringere Anhangangaben, keine Prüfungspflicht, keine Offenlegung der
Gewinn- und Verlustrechnung) nutzen können.
Hinweis | Das Wahlrecht ist nur als Paket nutzbar, d.h., es muss zugleich die neue Definition
der Umsatzerlöse angewandt werden. Da hiernach auch Verkäufe und Dienstleistungen
außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit als Umsatzerlöse auszuweisen sind, ist ein
gegenteiliger Effekt möglich.
Darüber hinaus ist der Jahresabschluss 2014 bei vielen Unternehmen bereits in „trockenen
Tüchern“, sodass das Wahlrecht zur vorgezogenen Anwendung der erhöhten Schwellenwerte
oftmals ins Leere läuft. In diesen Fällen sind die angehobenen Schwellenwerte ebenfalls erst für
nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden.
Quelle | Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BR-Drs. 285/15 (B) vom 10.7.2015
Stille Gesellschaft: Ansprüche nach Kündigung der stillen Gesellschaft
| Die Kündigung der stillen Gesellschaft führt zu deren Auflösung und zur Auseinandersetzung
zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter. |
Auf diese Rechtsfolge wies der Bundesgerichtshof (BGH) hin. Die Richter erläuterten, dass dabei
die wechselseitigen Ansprüche grundsätzlich unselbstständige Rechnungsposten der
Gesamtabrechnung werden. Sie können vor Beendigung der Auseinandersetzung nur
ausnahmsweise geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass dadurch das Ergebnis der
Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere
die Gefahr von Hin- und Herzahlungen nicht besteht.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.2.2015, II ZR 335/13, Abruf-Nr. 177168 unter www.iww.de.
Freiberufler und Gewerbetreibende: Gewinnrealisierung bei
Abschlagszahlungen für Werkleistungen
| Ermitteln Ingenieure oder Architekten ihren Gewinn mittels Bilanzierung, tritt die
Gewinnrealisierung bereits dann ein, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2
HOAI (alte Fassung) entstanden ist. In einem aktuellen Schreiben hat das
Bundesfinanzministerium nun mitgeteilt, wie es diese neue Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs aus 2014 umsetzen will. |
Es wird nicht beanstandet, wenn die neue Rechtsprechung erstmals im Wirtschaftsjahr
angewendet wird, das nach dem 23.12.2014 (Datum der Veröffentlichung des Urteils im
Bundes-steuerblatt) beginnt. Damit sind Abschlagszahlungen regelmäßig ab dem Wirtschaftsjahr
2015 nicht mehr als (gewinnneutrale) erhaltene Anzahlungen zu bilanzieren.
Steuerpflichtige können (Wahlrecht) den aus der erstmaligen Anwendung der neuen Grundsätze
resultierenden Gewinn gleichmäßig entweder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen
Anwendung und das folgende Wirtschaftsjahr oder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen
Anwendung und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre verteilen.
Hinweis | Es ist nachvollziehbar, dass die Verwaltung die neuen Grundsätze auch auf
§ 15 Abs. 2 HOAI (neue Fassung) anwendet. Allerdings sollen die Urteilsgrundsätze auch auf
Abschlagszahlungen nach § 632a BGB anzuwenden sein. Es handelt sich, so die Verwaltung,
um die Abrechnung von bereits verdienten Ansprüchen, da der Schuldner des Werkvertrags
seine Leistung bereits erbracht hat. Abschlagszahlungen sind jedoch von Forderungen auf einen
Vorschuss abzugrenzen, bei denen weiterhin keine Gewinnrealisierung eintritt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 29.6.2015, IV C 6 - S 2130/15/10001, Abruf-Nr. 144842 unter
www.iww.de; BFH, Urteil vom 14.5.2014, VIII R 25/11, Abruf-Nr. 142955 unter www.iww.de.
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach
§ 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu
bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz
(DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 beträgt - 0,83
Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:



für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,17 Prozent
für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1
BGB): 1,17 Prozent
für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,17 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze
Zeitraum
Zinssatz
01.01.2015 bis 30.06.2015 - 0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent
01.07.2007 bis 31.12.2007 3,19 Prozent
01.01.2007 bis 30.06.2007 2,70 Prozent
01.07.2006 bis 31.12.2006 1,95 Prozent
01.01.2006 bis 30.06.2006 1,37 Prozent
01.07.2005 bis 31.12.2005 1,17 Prozent
01.01.2005 bis 30.06.2005 1,21 Prozent
01.07.2004 bis 31.12.2004 1,13 Prozent
01.01.2004 bis 30.06.2004 1,14 Prozent
01.07.2003 bis 31.12.2003 1,22 Prozent
01.01.2003 bis 30.06.2003
01.07.2002 bis 31.12.2002
1,97 Prozent
2,47 Prozent
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 08/2015:
| Im Monat August 2015 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
 Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): 10.8.2015

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): 10.8.2015

Gewerbesteuerzahler: 17.8.2015

Grundsteuerzahler: 17.8.2015
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem
Fälligkeitstermin vorliegen.
Hinweis | Bei der Grundsteuer kann die Gemeinde abweichend von dem vierteljährlichen
Zahlungsgrundsatz verlangen, dass Beträge bis 15 EUR auf einmal grundsätzlich am 15.8. und
Beträge bis einschließlich 30 EUR je zur Hälfte am 15.2. und am 15.8. zu zahlen sind. Auf Antrag
kann die Grundsteuer auch am 1.7. in einem Jahresbetrag entrichtet werden. Der Antrag ist bis
zum 30.9. des vorangehenden Jahres zu stellen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer
verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.8.2015 für die Umsatz- und
Lohnsteuerzahlung und am 20.8.2015 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an
dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für
Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden
Monats fällig, für den Beitragsmonat August 2015 am 27.8.2015.
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