Berühmte Soziologen

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Berühmte Soziologen
Berühmte Soziologen ................................................................................................................................................................. 1
1 Adorno ..................................................................................................................................................................................... 2
2 Elias ......................................................................................................................................................................................... 4
3 Comte ...................................................................................................................................................................................... 7
4 Durkheim ................................................................................................................................................................................. 8
5 Habermas .............................................................................................................................................................................. 10
5.1 Begründbarkeit einer kritischen Gesellschaft ................................................................................................................ 11
5.2 Erkenntnisleitende Interessen ....................................................................................................................................... 11
5.3 Universalpragmatik ....................................................................................................................................................... 12
5.4 Die ideale Sprechsituation ............................................................................................................................................ 12
5.5 Gesellschaft als System und Lebenswelt ...................................................................................................................... 12
6 Luhmann ............................................................................................................................................................................... 13
7 Spencer ................................................................................................................................................................................. 14
8 Simmel .................................................................................................................................................................................. 16
9 Weber .................................................................................................................................................................................... 17
10 Parsons ............................................................................................................................................................................... 19
11 Weitere berühmte Soziologen ............................................................................................................................................. 20
1 Adorno
Theodor Wiesental Adorno
Bild entfernt
Ein Schöngeist, ein Musiker unter den Soziologen.
Adorno wurde am 11. September 1903 geboren.
Was war das für eine Zeit?

Es gab noch keine Flugzeuge, aber die Brüder Whright machten in diesem Jahr ihren ersten Lufthopser von
59 Sekunden.
 Ein Elektrotestzug fuhr 208 km schnell.
 In Berlin gründet Walter Rathenau die AEG.
 Leipzig wird deutscher Fußballmeister gegen Prag und auf der Leipziger Messe stellt Margarete Steiff
Plüschtiere aus. Zum ersten mal startete in Paris die Tour de France.
 AlsAdorno15 war, endete der 1. Weltkrieg.
Sein Vater hieß Wiesengrund. Er war ein zum Christentum konvertierter Jude, ein Weingroßhändler in Frankfurt.
Seine Mutter - eine Opernsängerin - kam aus einem korsischen Adelsgeschlecht und trug bis zu ihrer Heirat den
wunderschönen Namen Calvelli-Adorno della Piana.
Adornowuchs großbürgerlich behütet auf.
Aber er lernte außerhalb des Wohnzimmers schon früh die Grausamkeit dieser Welt kennen. Erst wurde er in der Schule als
Klassenprimus gehetzt und geprügelt, dann als Jude.
Die Verachtung durch die Mitschüler war ihm schon nahe gegangen. Mehr noch aber die Ideologie des Nationalsozialismus
– doch dieses vulgäre Denkgebäude überraschte den Schöngeist nicht mehr.
War Adorno ein Soziologe?
Ganz sicher, aber eben auch ein Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist
Und als Soziologe war er ein leidender.
Theodor W. Adorno war sein Pseudonym. Eigentlich hieß er Theodor Ludwig Wiesengrund und manchmal nannte er sich
auch Hektor Rottweiler, Teddie Wiesengrund und Castor Zwieback.
Adorno starb 1969 in der Schweiz.
Um seinen Tod ranken sich Gerüchte, auf die ich noch zu sprechen komme.
Aber zuerst ein paar Anmerkungen zu seinem Leben
Nach dem Abitur studierte er zwei Jahre lang Musik, dann aber Philosophie, Soziologie, Psychologie und Musikwissenschaft.
Sein Schwerpunkt lag ohne Zweifel in dieser Zeit auf der Musik, aber trotzdem schrieb er 1924 eine philosophische
Dissertation mit dem Titel
"Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie".
(Noematik = Lehre von den Denkinhalten)
Seine erste Habilitation missglückte. Aber dann legte er eine neue Habilitation vor und habilitierte sich 1931 mit einer Arbeit
über Kierkegaard: "Kierkegaard, Konstruktion des Ästhetischen."
1933 wurde ihm die Lehrbefugnis aus rassischen Gründen entzogen und er emigrierte erst nach Großbritannien, kam aber
mehrmals nach Deutschland zurück.
Mit 34 Jahren heiratet er Gretel Karplus, eine Chemikerin.
Es war eine große, schwärmerische, lebenslange Liebe.
Aber dann wurde auch England zunehmend unsicherer und er ging er mit seiner Frau 1938 in die USA ins Exil. Er wurde
amerikanischer Staatsbürger.
Erst lebte er in New York. Hier hatte er eine Reihe von Freunden - besonders zu nennen: Max Horkheimer.
Dann ging er nach Kalifornien.
Unter dem Eindruck der Ereignisse in Deutschland entstand hier ein berühmtes wenn auch methodisch kritisierenswerte
Werk: "Die autoritäre Persönlichkeit" über den Zusammenhang des autoritären Charakters mit dem Faschismus.
Aber Adorno war nie ein Empiriker, die "Erbsenzählerei" blieb ihm fremd. Über die Kontoverse zwischen den Erbsenzählern
und den Denkern gibt es eine berühmte Debatte:
"Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie".
Andere, wie z.B. Ralf Dahrendorf, waren daran beteiligt.
Heute ist diese Debatte wohl weitgehend überholt.
Durchgesetzt hat sich in der Soziologie weitgehend die "positivistische" Position Poppers - nach meine Meinung auch
deswegen, weil sie die verantwortungsvollere ist.
Adorno liebte das feingeistige Jammern über diese schlechte Welt.
Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, soll nur ein Satz von ihm diese Haltung andeuten:
"Noch der Baum, der blüht, lügt in dem Augenblick, in welchem man sein Blühen ohne den Schatten des Entsetzens
wahrnimmt [...] und es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Ganze geht, ihm standhält und
im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält."
Für Adorno war alles Werdende krank, "Denn wahr ist nur, was nicht in diese Welt paßt" und "Es gibt kein richtiges Leben im
falschen"
Von Adorno kommt auch der Satz, dass man in Deutschland nach Ausschwitz keine Gedichte mehr schreiben dürfe.
1949 kehrte Adorno aus der Emigration nach Deutschland zurück und lehrte und forschte in Frankfurt.
Er war Mitbegründer einer besonderen, kritischen und "linken" Form der Soziologie, der "Frankfurter Schule".
Um zu erahnen, was das Besondere an der Frankfurter Schule war und ist, müssen die zwei Grundpositionen von
Wissenschaft gegenübergestellt werden.
Die "linken" Soziologen Adorno, Horkheimer, Habermas charakterisieren die traditionelle Form der Soziologie so:
Die traditionelle Theorie

operiert mit Wenn-dann-Sätzen

formuliert Hypothesen, um Sachverhalte zu erforschen. Damit trennt sie Werte von Forschung, Wissen von
Handeln

tendiert zur Bildung mathematischer, abstrakter Zeichensysteme

ignoriert den Umstand, dass der Wissenschaftsbetrieb besonders diejenigen Sachverhalte für das Wissen
fruchtbar macht, die gerade verwertbar sind

ist aus dem wissenschaftlichen Betrieb des bürgerlichen Zeitalters hervorgegangen. Sie gehört zum
arbeitsteiligen Produktionsprozess und ist ein Teil der gesellschaftlichen Praxis

entsprang nicht allein logischen Erwägungen, sondern steht in einem konkret historischen Zusammenhang

hat durch isolierende Betrachtung kein Bewusstsein ihrer eigenen Beschränktheit und wird zur Ideologie.
Die kritische Gegenposition benennt Max Horkheimer
Es gibt nur ein menschliches Verhalten, das die Gesellschaft selbst zu seinem Gegenstand hat. Dieses Verhalten wird im
folgenden als das "kritische" bezeichnet. Das Wort wird hier weniger im Sinn der idealistischen Kritik der reinen Vernunft, als
in dem der dialektischen Kritik der politischen Ökonomie verstanden. Es bezeichnet eine wesentliche Eigenschaft der
dialektischen Theorie der Gesellschaft.
Folgende Besonderheiten sind hervorzuheben:
Die Kritische Theorie

gibt dem blinden Zusammenwirken der Einzeltätigkeiten vernünftige Zielsetzungen

misst die als Zufall erscheinende Übereinstimmung zwischen Denken und Sein, Verstand und Sinnlichkeit,
Bedürfnissen und ihrer Befriedigung am Verhältnis vernünftiger Absicht und Verwirklichung

hält das Verhältnis von Subjekt, Theorie und Gegenstand nicht für unveränderlich

entnimmt der historischen Analyse der menschlichen Aktivität die Idee einer vernünftigen, der Allgemeinheit
entsprechenden gesellschaftlichen Organisation, die der Arbeit bereits immanent ist

wahrt dem Gehalt der Idee einer vernünftigen Gesellschaft die Treue als der Gemeinschaft freier
Menschen, wie sie bei den vorhandenen technischen Mitteln möglich ist

treibt zur Transformation des gesellschaftlichen Ganzen; ihr Sinn besteht nicht in der Reproduktion der
gegenwärtigen Gesellschaft, sondern in ihrer Veränderung zum Richtigen.
Oder, um es kurz zusammenzufassen:
Die traditionelle Theorie nimmt die Gesellschaft, wie sie gerade ist und analysiert lediglich ihr Funktionieren. Politik wird
damit zur Sozialtechnologie.
Im Gegensatz dazu knüpft die kritische Theorie mit ihrer Dialektik an die Konflikte und den Wandel in der Gesellschaft an
und sucht sie zum Besseren zu transformieren. Politik wird so zur Gesellschaftsveränderung.
Mit einer solchen idealistischen Grundposition hatte Adorno einen großen Einfluss auf die Vorstellungen der
demonstrierenden Studenten der Sudentenbewegung.
Aber der Schöngeist konnte sich mit den in seinen Augen rüden Protestformen der Studenten nicht abfinden.
Als die Studenten das Institut für Soziologie in Frankfurt besetzten, kam es zum offenen Bruch.
In einer Veranstaltung, in der er sprach, stürmten protestierende Studentinnen das Podium, zogen ihre Blusen aus und
tanzten barbusig vor ihrem Professor.
Dieses offenkundig sexistische Ereignis verletzte Adorno tief und verschlimmerten seine Herzkrankheit.
In einem Erholungsurlaub in der Schweiz starb er an Herzversagen.
Es gibt nicht wenige, die ihn als Opfer der Studentenbewegung sehen.
Einige wichtige Schriften:
Dialektik der Aufklärung.
Philosophische Fragmente. (Mit Max Horkheimer)
The authoritarian personality. (Mitarbeiter)
Negative Dialektik
Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie.(Mit Hans Albert & Ralf Dahrendorf & Jürgen Habermas & Harald Pilot &
Karl R[aimund] Popper)
2 Elias
Norbert Elias
Bild entfernt
1897 - 1990
Lassen Sie uns nun zu einem Soziologen kommen, der als britisch bezeichent wird, obwohl er in Breslau geboren ist:
Norbert Elias.
Norbert Elias hat fast das ganze letzte Jahrhundert erlebt, mit allen Schrecken und mit allen positiven Entwicklungen, die
dann allerdings mehr in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lagen.
Elias war Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten in Breslau, er wuchs also ohne finanzielle Not auf.
Seine Mutter wurde 1941 in einem Konzentrationslager ermordet.
Eine Grundschule hat Elias nie besucht, er ging gleich aufs Gymnasium und machte dann mit 18 Abitur.
Gleich nach der Schule zog es ihn an die Front und er meldete sich als Kriegsfreiwilliger. Die Kriegserlebnisse führten
allerdings zu einem psychischen Zusammenbruch und ließen ihn "felddienstunfähig" werden. Er wurde dann Sanitätssoldat
in Breslau.
Nebenbei studierte er Medizin, Philosophie und Psychologie an den Universitäten Breslau, Heidelberg und Freiburg.
Und dann kam die Inflation und vernichtete das gesamte Vermögen seiner Familie.
Elias musste sich um die Finanzierung seines Studiums kümmern und arbeitete in einer Fabrik für Kleineisenteile.
Trotz dieser Belastung promovierte er aber 1924 zum Doktor der Philosophie mit einer Arbeit über "Idee und Individuum" und
habilitierte sich wenig später mit einer Arbeit "Der höfische Mensch".
Aber dann wurde nichts aus der akademischen Karriere.
Die Nationalsozialisten übernahmen die Macht, das Institut für Soziologie wurde geschlossen und das Habilitationsverfahren
abgebrochen.
Elias ging nach Frankreich ins Exil, aber da Frankreich auch immer unsicherer wurde, flüchtete er weiter nach England. Und
hier nahm er die britische Staatsbürgerschaft an. Kurz danach begann er mit seinem bahnbrechenden Werk, über das ich
gleich noch mehr berichte, "Der Prozess der Zivilisation".
Und er hatte Glück: er bekam eine Stelle an der berühmten London School of Economics and Political Science.
Aber die Zeiten waren schwer.
Für acht Monate wurde er als feindlicher Ausländer in ein Internierungslager gesteckt.
Nach seiner Entlassung hatte er viel zu tun, aber es gelang ihm keine überzeugende akademische Karriere mehr
Erst mit 65 Jahren bekam er eine Professur und zwar in Accra an der University of Ghana. Hier lehrte und forschte er zwei
Jahre.
Zurück in Europa arbeitete er dann in den Niederlanden und in Deutschland, bis er 1990 im Alter von 93 Jahren in
Amsterdam starb.
Ein großer Soziologe mit einem bewegten Leben.
Ein großer Soziologe?
Elias hat viele faszinierende Bücher geschrieben. Aber eine ragt heraus: das früh begonnene und spät fertig gestellte Buch
"Über den Prozess der Zivilisation"
Lassen Sie uns ein wenig in dieses großartige und spannende Buch hineinschauen.
Zunächst setzt sich Elias kritisch mit dem Begriff "Zivilisation" auseinander.
Er sieht Zivilisation als Begriff für den Entwicklungsstand der modernen abendländischen Gesellschaft.
Diese Zivilisation zeichnet sich durch ein ausgeprägtes "Selbstbewusstsein" gegenüber weniger "zivilisierten" Gesellschaften
früherer Epochen und gegenüber "primitiveren" zeitgenössischen Gesellschaften aus.
Das Selbstbewusstsein gründet sich auf die Vorstellungen einer höherentwickelten Technik, Wissenschaft, gesellschaftlicher
Organisation und einer bestimmten Lebensweise.
Um dieses zu verstehen, muss man ihn als Prozess erkennen, der einen Gegensatz zwischen den Zivilisierten und den
ausgegrenzten Primitiven innerhalb der abendländischen Gesellschaft beschreibt.
In seinem Werk entwickelt Elias eine Theorie langfristiger Prozesse, mit der die Entwicklung der europäischen
Nationalstaaten von den frühmittelalterlichen Feudalgesellschaften bis zu den höfisch- absolutistischen Gesellschaften des
18. Jahrhunderts beschrieben werden kann.
Dabei orientiert er sich an zwei Begriffen: Psychogenese und Soziogenese
Die Psychogenese bezeichnet eine langfristige Entwicklung menschlicher Persönlichkeitsstrukturen, die als Zivilisierung des
Verhaltens bezeichnet werden kann.
Soziogenese hingegen ist die Bezeichnung für die Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen, d.h. Herausbildung von
Strukturen gesellschaftlicher Ungleichheit, Machtstrukturen und Ordnungsstrukturen (Staatswesen).
Neu an seinem Forschungskonzept ist die Herausarbeitung der wechselseitigen Abhängigkeit dieser beiden
Teilbereiche des Zivilisationsprozesses.
Das Wesentliche dieses gesellschaftlichen Prozesses ist dabei eine stetig zunehmende Arbeitsteilung und eine beständig
zunehmende Zahl gesellschaftlicher Funktionen, die aus Wettbewerbsdruck entsteht.
Durch diese Herausbildung von immer mehr Teilfunktionen steigt die gegenseitige Abhängigkeit, da jedes Verhalten mit
anderen synchronisiert werden muss.
Die Abhängigkeits- und Wirkungsketten werden immer länger und erfordern zunehmend reguliertes und kontrolliertes
Verhalten, zunächst durch Fremd- dann durch Selbstzwänge.
Dies nennt Elias zivilisiertes Verhalten.
Aber wie kommt es denn nun konkret zu diesem zivilisierten Verhalten des Einzelnen?
"Zivilisation" geht auf den französischen Begriff "civilité" (=feine, höfische Sitten) zurück, der sich vom lateinische Wort
"civilitas" (=Sitten) ableitet.
Das gesellschaftliche Entwicklungsmuster Muster ist nun immer gleich:
Zuerst ist das Verhalten überall spontan und unreguliert. Dies ändert sich gegen Ende des Mittelalters in den
Oberschichten.
In der Renaissance beginnt der Prozess der Selbstbeobachtung und Selbstregulierung da sich nach neuer Auffassung
die Seele des Menschen in seinem Verhalten äußert.
Der Prozess greift immer von den Oberschichten zu den Unterschichten über.
Es äußert sich aber nicht nur im Verhalten, sondern in der ganzen Persönlichkeitsstruktur. Das Verhalten der einzelnen wird
dadurch kalkulierbar und berechenbar.
Innerhalb dieses Vorganges werden Fremdzwänge, wie Sanktionen, Verbote, zunehmend durch Selbstzwänge ersetzt.
Diese Konditionierung führt zur Ausbildung eines Gewissens, der Vernunft oder nach Freud eines Über- Ichs.
Die psychische Struktur des Menschen ist also soziogen.
Ein schönes Beispiel ist "Aggressivität".
Hier wird deutlich, dass die Voraussetzung für die Eindämmung individueller Gewaltausübung die gesellschaftliche
Übernahme der Gewalt in Form eines staatliches Gewalt- Monopols ist. Individuelle Gewalt wird durch psychisch regulierte
Selbstzwänge in Schach gehalten
Auf der anderen Seite steht die Soziogenese: Die Herausbildung des Staatswesens.
Die Psychogenese der Affektregulierung entspricht der Soziogenese des Staates.
Was heißt das?
Wenn wir den Menschen von unzivilisiertem brutalen Verhalten "befreien" wollen, müssen sich Instanzen entwickeln, die die
Regulation übernehmen. Wir brauchen also Polizei und Soldaten, Gefängnisse und Schulen.
Im europäischen Mittelalter gab es weder Staaten noch Nationen als einheitliche, geschlossene und stabile soziale Gebilde.
Durch zentrifugale, vom Mittelpunkt wegstrebende, Kräfte, die aus dem geringen Grad der gesellschaftlichen Differenzierung
und damit geringen Interdependenz resultieren, erklärt sich die Instabilität mittelalterliche Reiche.
Die Autarkie (durch Land- und Naturalwirtschaft) der Vasallen erzeugte ihre Verselbständigungstendenzen: politische
Autonomie durch wirtschaftliche Autonomie.
Diese ständige Kampf von Zentralisierung und Dezentralisierung dauerte jahrhundertelang.
Durch die steigende Bevölkerungsdichte lag die Chance der Landlosen in der Differenzierung der Arbeit im nichtagrarischen Sektor, also dem Handwerk.
Mit ökonomischer Differenzierung und räumlicher Differenzierung in Land und Stadt entsteht insgesamt eine neue soziale
Differenzierung.
Die daraus entstehenden komplexeren Abhängigkeiten erfordern neue Infrastrukturen z.B. Geld als Tauschmittel oder Recht
als überindividuell gültiges, kalkulierbares System von Verhaltensnormen.
Dies erfordert und ermöglicht die zunehmende Affektkontrolle des Individuums.
Entwickelte Gesellschaften kann es nur geben, wenn es ein hohes Maß an gesellschaftlichen Abhängigkeiten gibt. Dabei
sind nicht nur die Beherrschten von ihrem Herrscher abhängig, sondern dieser auch von seinen Untertanen.
Beide durchlaufen eine besondere Psychogenese: zunehmende Affektregulierung der Beherrschten führt auch zur
Zivilisierung des Herrschers.
Schauen Sie auf unsere Gesellschaft. Der Einzelne hat sich in der Regel im Griff. Affekte sind reguliert. Wir leben sie nur
noch vor dem Fernseher oder im Fußballstadium aus. Haben wir nicht auf der anderen Seite eine hoch zivilisierte
Regierung?
3 Comte
Auguste Comte
Bild entfernt
1798 - 1857
Ein unglücklicher katholischer Mann mit einem langen Namen
Isidore-Auguste-Marie-François-Xavier Comte.
Er wurde 1798 geboren
Isidor-Auguste führte ein unglückliches Leben und hatte einen schwierigen Charakter.
Sein Vater war Steuerbeamter, seine Mutter Hausfrau.
Mit 27 Jahren heiratete er eine Prostituierte, von der er sich immer wieder schmerzhaft trennte und schließlich mit 44 Jahren
scheiden ließ.
Aber sein Liebesleben blieb problematisch. Die nun folgende, sehr leidenschaftliche und schwärmerische Beziehung zu
einer Dame aus höheren Kreisen, zu Clotilde de Vaux, blieb platonisch.
Seine Liebe wurde nicht erwidert und die Angebetete starb, als er 48 war.
Das fast kultische Verhältnis hatte jedoch eine bemerkenswerte "wissenschaftliche" Konsequenz: Comte verarbeitete die
große Enttäuschung seins Lebens dadurch, dass er eine neue "Religion der Menschlichkeit" entwickelte und sich selbst als
Prophet dieses neuen Glaubens sah.
Auf der einen Seite war er eine energische und mitreißende Persönlichkeit mit einem Hang zur Arroganz.
Auf der anderen Seite hatte er große psychische Probleme. So war er eine Zeitlang in einer psychiatrischen Klinik - ohne
geheilt zu werden - und versuchte dann seinem Leben ein Ende zu machen.
Er sprang in die Seine, wurde aber gerettet.
Comte gilt als der Begründer der Soziologie und er führte auch den Begriff Soziologie ein, nachdem er zunächst den Begriff
Soziophysik bevorzugten. Wir sprachen ja bereits über seinen Konflikt mit Quetelet in dieser Frage.
Sein Ziel war schon sehr früh klar: er wollte die Welt verbessern. Nicht mit Schwert und Pistole sondern mit Worten und
Zeilen. Sein besonderer Hass galt Napeleon Bonaparte.
Von seiner Familie hatte er sich früh getrennt. Sie war ihm zu katholisch und königstreu.
Er ging nach Paris und besuchte dort eine naturwissenschaftliche Eliteschule - aber die Schule wurde wegen einer
republikanischen Studentenrevolte geschlossen.
Comte versuchte sich noch an einem Medizinstudium und schlug sich dann als Privatlehrer für Mathematik durch.
Ihm ging es darum, eine Anleitung zur Verbesserung der Gesellschaft nach vernünftigen Regeln zu entwickeln.
Dieses Regelsystem nannte er Positivismus und er veröffentliche sein Werk unter dem Titel
Plan de traveaux scientifiques nécessaires pour réorganiser la société.
Trotz vieler Veröffentlichungen gelang es ihm aber nie, eine wissenschaftliche Position zu erlangen. Er war Zeit seines
Lebens von Gönnern, Förderern und finanzieller Hilfe seiner Freunde abhängig.
Und wenn er einmal eine Anstellung hatte, war diese nicht von langer Dauer.
So war er einige Jahre Privatsekretär bei seinem Freund Claude Saint-Simon, dem Mann, dessen Gefolgsleute die
Uniformjacken mit den Knöpfen auf dem Rücken trugen.
Was waren nun seine wissenschaftlichen Theorien?.
Comte sah ein Universalgesetze bei der Arbeit in allen Wissenschaften, das 'Gesetz der drei Phasen'
Mit dem Dreiphasengesetz beschrieb er die Entwicklung des menschlichen Denkens, sowohl des Individuums als auch der
Gattung, aber auch die Entwicklung jeder einzelnen Wissenschaft.
Alles durchläuft dementsprechendgesetzmäßig drei Phasen:

Das theologische oder fiktive Stadium,

Das metaphysische oder abstrakte Stadium und

Das wissenschaftliche oder positive Stadium.
Im theologischen Stadium forscht der Mensch nach der inneren Natur der Dinge, nach den ersten Ursachen und letzten
Zielen.
Er glaubt an die Möglichkeit absoluten Wissens.
Analog zu seinem Handeln glaubt der Mensch, hinter jedem Vorgang stehe ein lebendiger Wille.
Dieses theologische Stadium besteht wiederum aus drei Stufen, der animistischen, polytheistischen und
monotheistischen.
Im metaphysisches Stadium wird nicht mehr nach übernatürlichen Kräften gesucht, sondern nach abstrakten Begriffen,
Entitäten, Wesensheiten.
Die höchste, dem Monotheismus entsprechende Stufe, ist erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine einzige Wesenheit
zurückgeführt werden, zum Beispiel auf 'Die Natur'.
Im wissenschaftliches Stadium: verzichtet der Mensch darauf, das Wesen der Dinge erklären zu wollen.
Statt dessen versucht er, durch Beobachtung und Gebrauch der Vernunft, die Erscheinungen nach den Prinzipien der
Ähnlichkeit und Aufeinanderfolge zu verbinden.
Die höchste Stufe ist erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine Erscheinung zurückgeführt werden können, zum Beispiel
auf das Gesetz der Schwerkraft. Gesucht wird nach der Weltformel.
Mit diesem Gesetze, entwickelte Comte eine systematische und hierarchische Klassifikation aller Wissenschaften,
einschließlich der anorganischen Physik ( Astronomie, Geowissenschaft und Chemie) und der organischen Physik
(Biologie, und zum ersten Mal die "soziale Physik", die später Soziologe genannt wurde).
Comte sah diese neue Wissenschaft, Soziologie, als die letzte und die größte von allen Wissenschaften, eine Wissenschaft,
die alle weiteren Wissenschaften umfassen würde, und die ihre Entdeckungen in ein zusammenhängendes und
vollständiges Ganzes integrieren und beziehen würde.
Obgleich seine Theorien während seiner Lebenszeit und auch noch kurz danach sehr einflussreich waren, hing ihnen bald
ein schlechter Ruf an.
Heute wird seine Arbeit als exzentrisch und unwissenschaftlich betrachtet und sein großartiger Anblick der Soziologie, als die
Königin aller Wissenschaften, wurde nie verwirklicht.
4 Durkheim
Emile Durkheim
Bild entfernt
Emile Durkheim kam aus einem jüdischen Haus.
Sein Vater Mose Durkheim war Rabbiner, seine Mutter Hausfrau und Tochter eines wohlhabenden Gießereibesitzers.
Mit 29 Jahren heiratete er seine Louise, geborene Dreyfus, mit der er zwei Kinder hatte.
Eigentlich sollte er – wie sein Vater - ursprünglich Rabbiner werden. Und so studierte er neben der Schule Hebräisch, das
Alte Testament und den Talmud.
Mit dreizehn Jahren hatte der junge Durkheim unter dem Einfluss einer Katholikin beeindruckende mystische Erfahrungen.
Später brach er allerdings mit der Religion und wurde Agnostiker.
(Agnostizismus = Lehre von der Unerkennbarkeit der Dinge)
Nach dem frühen Tode des Vaters hatte er eine eher bedrückende und freudlose Jugend.
Nach zwei Versuchen gelang es ihm 1879 endlich der Sprung an die berühmte Ecole Normale Supérieure.
Schon bald erhält er den Spitznamen "Metaphysiker", weil er bei Diskussionen zu artistischer Argumentationskunst greift,
um andere zu überzeugen.
Während seines Studiums gilt er als kühl, zurückhaltend und introvertiert, Freunde hat er nur wenige.
Mit 24 besteht Durkheim die Prüfung zum Doktor der Philosophie und wird zum Professor in Sens und Saint- Quentin
ernannt.
1885/1886 - also mit 27 Jahren - erhält er ein Stipendium für ein Studium in Deutschland und bildet sich in Berlin und Leipzig
weiter.
Nach seiner Rückkehr veröffentlicht er drei Aufsätze, die ihn schnell bekannt werden lassen.
Mit 29 wird er zum Professor für Pädagogik und Soziologie an der Universität Bordeaux ernannt.
Noch im gleichen Jahr heiratet Emile Durkheim Louise Dreyfus, mit der er zwei Kinder hat.
1896 wird er dann ordentlicher Professor der Sozialwissenschaften auf einem eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl, der
erste dieser Art in Frankreich.
Sein Hauptwerk ist sicherlich "Les Formes élémentaires de la vie Religieuse"
Damit werden wir uns später noch einmal beschäftigen.
Heute soll es uns um eine kleinere Veröffentlichung gehen:
Die Regeln der soziologischen Methode.
Diese ist für Soziologen von besonderer Bedeutung, da sie gewissermaßen die Basis soziologischen Arbeitens ist.
Durkheim formuliert vier Regeln der soziologischen Arbeit

Regel Nr. 1: soziologischen Tatbestände sind wie Dinge zu betrachten.
Was ist nun aber ein soziologischer Tatbestand?
Ein soziologischer Tatbestand ist das Handeln der Menschen in einer Gesellschaft.
Und zwar solches Handeln, das die Fähigkeit besitzt, auf andere Wirkung auszuüben, wobei sie ein von ihren individuellen
Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.
Dazu kommen aber auch noch andere Regeln:

Regel Nr. 2: Es kann zwischen dem Normalen und dem Pathologischen unterschieden
werden
1. Ein soziales Problem ist normal, wenn es auch in anderen Gesellschaften in der entsprechenden Phase der
gesellschaftlichen Entwicklung auftritt.
2. Die Normalität kann man bestätigen, wenn es gelingt nachzuweisen, dass das sich das Phänomens aus den Bedingungen
des gesellschaftlichen Lebens ergibt.

Regel Nr. 3:soziologische Tatbestände müssen erklärt werden
Zur Regel Nr. 3:Regeln für die Erklärung der soziologischen Tatbestände
Der Nutzen, den ein sozialer Tatbestand für eine Gesellschaft hat, erklärt weder seine Entstehung, noch sein Wesen.
Die Art wie ein sozialer Tatbestand auf die Gesellschaft wirkt beruht auf besonderen Eigenschaften, die zwar für den
sozialen Tatbestand charakteristisch sind, die aber nicht seinen Ursprung beschreiben.
Unser Bedürfnis nach sozialen Tatbeständen (sei es Ehe oder Kirche, Sprache oder Schule ) hat keinen Einfluss auf die Art
dieser Tatbestände, dass sie also so oder so beschaffen sind. Unser Bedürfnis kann sie auch nicht aus dem Nichts
erwecken und sie erschaffen. Sie verdanken ihre Existenz Ursachen anderer Art.
Die Ursachen eines soziologischen Tatbestands müssen in den sozialen Phänomenen gesehen werden, die ihm zeitlich
vorausgehen und nicht in unserem individuellen Wünschen und Wollen
Die Funktion eines sozialen Phänomens muss immer in Beziehung auf einen sozialen Zweck untersucht werden.

Regel Nr. 4: Für die Erklärung soziologischer Tatbestände sind strenge Regeln der
Beweisführung einzuhalten
3. Regel der Beweisführung
Zu derselben Wirkung gehört stets dieselbe Ursache.
Exemplarisch hat Durkheim seine klaren Regeln - die natürlich viel komplexer sind, als ich es hier dargestellt habe – an
einem berühmt gewordenen Beispiel, dem Selbstmord, dargestellt.
Auch hier kommt Durkheims Soziologie erneut zur Geltung, denn Selbstmord gilt als eine private und individuelle
Entscheidung schlechthin. Wird ein gesellschaftlicher Grund nachgewiesen, so ist es ein Beweis, dass Soziales existiert und
Soziologie als Wissenschaft notwendig ist.
Durkheim definiert Selbstmord als
"jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst
begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte."
Diese Definition verzichtet auf Selbstmordmotive. Durkheim untersucht nun nicht die einzelnen Selbstmorde. Die
Selbstmordraten werden als Indikatoren für Kollektivzustände und als Phänomen an sich gesehen.
Ich will nicht im Detail auf die Arbeit eingehen aber Ihnen einige wesentliche Aspekte der Arbeit Durkheims zum Selbstmord
vorstellen.
Durkheim unterscheidet folgende drei Selbstmordtypen:
1. den egoistischen Selbstmord:
Die Korrelation zwischen der Selbstmordrate und den integrierenden sozialen Bereichen, nämlich der Religion und der
Familie (Ehe und Verhältnis zw. Eltern und Kinder), wird analysiert. Die betroffenen Personen denken in diesem Fall nur an
sich und sind nicht in einem Gesellschaftsverband integriert (Bsp: höhere Rate bei zunehmendem Alter; mehr Protestanten
als Katholiken...).
2. den altruistischer Selbstmord:
Diese Art von Selbstmord spielt für moderne Gesellschaften keine weitere Rolle; sie kommt aber häufig in primitiven
Gesellschaften und in den Armeen moderner Gesellschaften vor.
Der einzelne geht ganz in der Gruppe unter und tötet sich in Befolgung einer inneren sozialen Imperative (Beispiele: die
Witwe, die sich verbrennen lässt; der Kapitän der sich mit Schiff versinken lässt).
Eine gewisse Aktualität hat diese Form des Selbstmords heute wieder in Palästina und im Irak gewonnen.
3. Anomischer Selbstmord
Dieser Typus von Selbstmord ist besonders charakteristisch für die moderne Gesellschaft. Durkheim analysiert hier die
Wechselbeziehung zwischen der Häufigkeit der Selbstmorde und den Konjunkturzyklen. So stellt sich heraus, dass die
Selbstmordrate nicht nur während wirtschaftlichen Krisenzeiten, sondern auch bei plötzlichem Wohlstand ansteigt.
Soweit einige Details zu Durkheims Werk.
Sein Leben war nicht ohne Tragik. Im ersten Weltkrieg verlor er seinen einzigen Sohn an der Front.
Dieses tragische Ereignis ist ein tiefer Einschnitt in seinem Leben Durkheims, von dem er sich nicht mehr richtig erholen
kann.
Emile Durkheim stirbt am 15. November 1917 in Paris an einem Schlaganfall.
5 Habermas
Jürgen Habermas
Bild entfernt
Nun lassen Sie uns zu einem moderneren deutschen Soziologen kommen, zu Jürgen Habermas
Habermas – ebenfalls nicht nur Soziologe sondern auch Philosoph – wurde 1929 in Düsseldorf geboren.
Er ist wohl der in der Welt bekannteste deutsche Soziologe.
Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Sein Sohn Tilmann war einige Zeit als Psychologe Assistent an der FU Berlin.
Habermas hat von 1949 bis 1954 Philosophie, Geschichte, Psychologie, Germanistik und Ökonomie an den
Universitäten Göttingen, Zürich und Bonn studiert und 1954 an der Universität Bonn promoviert.
Sein Dissertationsthema war ein philosophisch-historisches: Das Absolute in der Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in
Schellings Denken.
Seine wissenschaftliche Karriere war anfangs noch nicht erkennbar. Nach der Promotion war er zunächst zwei Jahre
lang als freier Journalist tätig.
Adorno erkannte aber seine wissenschaftlichen Fähigkeiten und so wurde er 1956 für drei Jahre Forschungsassistent
am Institut für Sozialforschung in Frankfurt.
1961 konnte er sich mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft habilitieren. Auch hier gab es
zunächst Schwierigkeiten. Sein Betreuer Max Horkheimer lehnte die Arbeit ab, ein anderer bekannter Soziologe,
Wolfgang Abendroth, nahm sie dann aber an.
Das Thema der Arbeit war
“Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft“,
ein äußerst schwer zu lesender Text – für mich in weiten Teilen unverständlich, wie eben alle Texte der Frankfurter
Schule um Adorno und Horkheimer.
Nach der Habilitation lehrte er an der Universität Heidelberg, dann in Frankfurt. Hier kündigte er aber 1971, denn er
hatte ebenso wie Adorno Schwierigkeiten mit der Studentenbewegung.
Dann war er 10 Jahre zusammen mit Carl Friedrich von Weizäcker Direktor eines damals neu gegründeten MaxPlanck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaflichen technischen Welt.
1983 war er noch einmal ordentlicher Professor an der Universität Frankfurt, bis er dann 1994 emeritierte.
In der Öffentlichkeit ist Habermas besonders wegen seines politischen Engagements bekannt geworden, so in der
Studentenbewegung der 1960er-Jahre und gegen den Balkan- Krieg in Jugoslawien 1989.
Dann aber auch in dem sog. Historikerstreit, der in der Öffentlichkeit sehr bekannt wurde.
Hier stritt er mit dem Berliner Historiker Ernst Nolte um die Frage, ob Hitlers Verbrechen einzigartig seien, oder – wie
Nolte es meinte – in irgendeiner Weise mit den Verbrechen Stalins in Verbindung gebracht werden können.
5.1 Begründbarkeit einer kritischen Gesellschaft
Habermas hat sich immer mit der Frage beschäftigt, woher eine kritische Theorie der Gesellschaft ihre Maßstäbe nimmt.
Dahinter steht seine grundlegende Absicht nachzuweisen, dass Gewalt als Mittel zur Lösung von Handlungskonflikten
historisch abgelöst werden könne durch den Modus vernünftiger Einigung der Bürger.
5.2 Erkenntnisleitende Interessen
Den ersten Versuch einer Antwort unternimmt H., indem er den Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse untersucht.
Jedes Erkennen ist nach seiner Meinung mit tief verankerten Interessen verbunden.
In den Ansatz der

empirisch-analytischen Wissenschaften geht ein technisches,

in den der historisch- hermeneutischen ein praktisches und

in den Ansatz kritisch orientierter Wissenschaften ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse ein.
Die beiden ersten Wissenschaftsarten dienen den überlebensnotwendigen Reproduktions- und Sozialisationszwängen der
Gesellschaft.
Das "Interesse an Mündigkeit", durch das die Kritik an gewaltzentrierten Verhältnissen motiviert wird, verweist auf Sprache:
in deren Struktur ist das Interesse an einem "allgemeinen und ungezwungenen Konsensus" angelegt.
Damit hat Habermas jene Dimension markiert, in der er die Antwort auf seine Ausgangsfrage herausarbeitet: die
gattungsspezifische Sprachkompetenz ist danach notwendige und zugleich hinreichende Bedingung dafür, dass die
Menschen zur Vernünftigkeit fähig sind.
Das setzt, wie er später in der Theorie des kommunikativen Handelns schreibt, dem "Paradigma der
Bewusstseinsphilosophie" ein Ende, denn damit ist Intersubjektivität, die vormals bloß als Ort der Bewährung für Vernunft
gegolten hat, als konstitutiv für Vernunft erkannt.
Daraus ergibt sich für H. ein doppeltes Forschungsfeld: zum einen die Rekonstruktion kommunikativer Kompetenz in dem
rekonstruktiven Ansatz einer Formalpragmatik, zum anderen, in einem evolutionstheoretischen Ansatz, die Analyse der
historischen Formen (und deren Bedingungen), in denen sich die in jener Kompetenz angelegte Befähigung zur Vernunft
verwirklicht. Dabei will H. den prozeduralen Charakter des Kantischen Vernunftbegriffs bewahren, auf dessen
transzendentalen Begründungsmodus hingegen verzichten.
5.3 Universalpragmatik
Habermas erforscht die allgemeinen Bedingungen menschlicher Verständigung und dies kann nur über Sprache erfolgen.
Er nennt das Verfahren Rekonstruktion und meint damit, die Strukturen und Elemente des Wissens über Sprech- und
Sprachregeln zu analysieren, die bei der Verständigung der Menschen nützlich sind. Er versucht also eine "universale
Geltungsbasis der Rede" zu entwickeln.
Dabei bezieht er sich auf die bei Linguisten bekannte Sprechakttheorie, wie sie etwa von J. R. Searle und J. L. Austin
ausgearbeitet worden ist.
Sprechakte sind Handlungen, die jemand vollzieht, indem er einen Satz äußert.
Habermas unterstellt nun, dass es in der Sprache vier Klassen von Sprechakten gibt, die Menschen benutzen, wenn es
ihnen um Verständigung geht. Dieses Klassen weist er nun sehr abstrakte Namen zu:

Kommunikativa,

Konstativa,

Repräsentativa bzw. Expressiva und

Regulativa.
Mit diesen Sprechklassen versucht der Redner zu erreichen, dass er verständlich und wahrhaftig erscheint.
Zustimmung eines Hörers bedeutet, dass er die Ansprüche des Redners anerkennt.
Indem ein Sprecher solche Geltungsansprüche erhebt, übernimmt er es auch, diese im Zweifelsfalle zu begründen - man
muss sich verständigen, um zu verstehen.
5.4 Die ideale Sprechsituation
Nach Habermas sind die vier genannten Sprechklassen die Bausteine für eine "ideale Sprechsituation", in der es möglich ist
über Inhalte vernünftig zu befinden.
Durch ihre Merkmale schließt die "ideale Sprechsituation" jede systematische Verzerrung von Rede und Gegenrede aus,
setzt alle Handlungszwänge außer Kraft und sichert Erfahrungsfreiheit, so dass sich einzig das "bessere Argument"
durchzusetzen vermag.
Danach zeichnet sich die "ideale Sprechsituation" durch folgende formale Eigenschaften aus:

Alle Teilnehmer eines ihr gemäßen Diskurses haben die gleiche Chance, kommunikative sowie konstative Sprechakte
zu verwenden,

es sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde gleiche Chancen haben, repräsentative und regulative Sprechakte
zu verwenden.
"Ideale Sprechsituation" ist mithin der analytische Begriff jener Idealisierung, die für Verständigung unabdingbar ist.
Mit diesen Gedanken entwickelt Habermas zugleich eine Theorie der Wahrheit und der Diskussionsethik:
"Wahrheit" und "Richtigkeit" sind Ansprüche, die sich auf Aussagen über Sachverhalte beziehen, sie können nur im
Gespräch bestätigt oder widerlegt werden.
Indem Habermas insgesamt das Fundament sprachlicher Verständigung deutlich macht, unternimmt er es die Bedeutung
der "Vernunft" zu begründen. Hier nähern sich seine Gedanken an die Überlegungen Kants an.
5.5 Gesellschaft als System und Lebenswelt
Habermas. nennt vier Motive, die ihn bei seiner theoretischen Arbeit geleitet haben:
Eine Theorie der Rationalität und eine Theorie des kommunikativen Handelns zu entwerfen, die Dialektik der
gesellschaftlichen Rationalisierung zu untersuchen und einen Gesellschaftsbegriff zu formulieren, der System- und
Handlungstheorie zusammenführt.
Mit seiner Theorie kommunikativer Rationalität gibt er die Bedingungen für eine kritische Theorie der Gesellschaft an.
Charakteristisch für diese Theorie ist ein zweistufiges Gesellschaftskonzept, das H. schon in Technik und Wissenschaft als
"Ideologie" in Anschlag bringt und auf die Differenzierung des sozialen Handelns in kommunikatives und instrumentelles
bezieht.
In Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus scheidet er analytisch "Gesellschaft" in eine symbolisch strukturierte
Lebenswelt und ein grenzerhaltendes System. Dabei thematisiert er unter dem Aspekt der "Lebenswelt" die intersubjektiv
erzeugten normativen Strukturen einer Gesellschaft, analysiert Ereignisse und Zustände in Bezug auf die durch die
Orientierung von handelnden und sprechenden Subjekten erfolgende Sozialintegration.
Unter dem Aspekt des "Systems" thematisiert er die Mechanismen der Steuerung einer Gesellschaft, analysiert Ereignisse
und Zustände in Bezug auf die durch die funktionale Vernetzung von Handlungskonsequenzen erfolgende
Systemintegration.
Der Prozess der Auseinanderdifferenzierung von System und Lebenswelt gilt ihm als das wesentliche Kennzeichen sozialer
Entwicklung, denn er führt zu einer Komplexitätssteigerung der Systemstrukturen und damit zu einer Erweiterung ihrer
Spielräume und zu einem Rationalitätszuwachs der Lebenswelt. Aber zugleich macht H. diesen Prozess auch durchsichtig
als ein Gegeneinander von immer effektiveren Systemen, welche die Lebenswelt zu "kolonialisieren" trachten, und einem
immer größeren Potential an postkonventioneller Interaktionskompetenz, das bloß faktische Strukturen durch
Rechtfertigungsdruck zu rationalisieren versucht.
Den doppelten Vorzug seiner Konzeption sieht er darin, dass sie es verbietet, diesen Konflikt zugunsten einer Seite
aufzulösen, und dass sie zugleich einen Maßstab für die Beurteilung gesellschaftlicher Entwicklung begründungsfähig angibt
- die Vorstellung einer solidarischen (nicht aber konfliktfreien) Gesellschaft nämlich, in der keine Institution sich den
rationalen Forderungen nach diskursiver Legitimierung auf Dauer entziehen kann.
Die Pointe liegt darin, dass diese immer wieder neu ansetzende und nie zu Ende kommende Prozedur der Rationalisierung
explizit und damit kritisierbar macht, was sprechende Subjekte implizit immer schon tun.
Für Habermas, der den gesellschaftlichen Lebensprozess als einen durch Sprechhandlungen vermittelten
Erzeugungsprozess begreift, ist also kommunikative Rationalität in die Form der Reproduktion der menschlichen Gattung
unabtrennbar eingelassen.
6 Luhmann
Niklas Luhmann
*Lüneburg, Niedersachsen 8. Dezember 1927
†Oerlinghausen, Nordrhein-Westfalen 6. November 1998
deutscher Soziologe, Pädagoge, Rechts- und Verwaltungswissenschaftler
Vater: Wilhelm Luhmann, Brauereibesitzer
Mutter: Dora Luhmann, geborene Gurtner (?- 1977), schweizerischer Herkunft, Hausfrau
Geschwister:
Ehe: 1960 Ursula von Walter
Kinder: Veronika Luhmann (1961-); Jörg Luhmann (1963-); Clemens Luhmann (1963-)
Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis)
Biografie
¯ 8.12.1927
Geboren in Lüneburg.
Besuch des Johanneums in Lüneburg; 1944 Abitur.
¯ 1944-1945
Dienst in der Deutschen Wehrmacht als Luftwaffenhelfer; 1945 kurz in amerikanischer Kriegsgefangenschaft.
¯ 1946-1949
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg im Breisgau.
¯ 1949
Dr. jur.
¯ 1949-1953
Referendarsausbildung in Lüneburg.
¯ 1954-1962
Verwaltungsbeamter in Lüneburg: 1954-1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Assistent des Präsidenten;
arbeitete am Aufbau einer Bibliothek nichtöffentlicher Entscheidungen. 1955-1962 Landtagsreferent im
niedersächsischen Kultusministerium, zuletzt im Rang eines Oberregierungsrats.
¯ 1960-1961
Beurlaubung zum Studium der Verwaltungswissenschaft an der Harvard University in Boston, Massachusetts.
Bekanntschaft mit Talcott Parsons(1902- 1979).
¯ 1962-1965
Referent am Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer.
¯ 1965-1968
Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund auf Einladung von Helmut
Schelsky(1912-1984).
¯ 1965/66
Daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Universität Münster.
¯ 1966
Dr. sc. pol. und zugleich Habilitation für Soziologie an der Universität Münster bei Dieter Claessens(1921-1997) und
Helmut Schelsky(1912-1984); Habilitationsschrift: Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine
verwaltungswissenschaftliche Untersuchung.
¯ 1968/69
Vertretung des Lehrstuhls von Theodor W. Adorno(1903-1969) in Frankfurt am Main.
¯ 1968-1977
Lebte in Bielefeld.
¯ 1968-1993
Ordentlicher Professor der Soziologie an der neu gegründeten Reformuniversität Bielefeld. Vorlesungsbeginn 1970;
1993 emeritiert.
¯ 1971
Debatte mit Jürgen Habermas(1929-).
¯ 1977
Nach dem Tod seiner Ehefrau Übersiedlung nach Oerlinghausen bei Bielefeld.
¯ 1977-1980
Mitherausgeber der "Zeitschrift für Soziologie" (Stuttgart).
¯ 6.11.1998
Gestorben an Krebs in Oerlinghausen bei Bielefeld.
7 Spencer
Herbert Spencer
*Derby, England 27. April 1820
†Brighton, England 8. Dezember 1903
englischer Philosoph und Soziologe
Vater: William George Spencer, Lehrer
Mutter: Harriet Spencer, geborene Holmes, Hausfrau
Geschwister: Louise (starb dreijährig); 4 Brüder und 3 Schwestern (starben alle vor dem ersten Lebensjahr)
Ehe: keine
Kinder: keine
Religion: Society of Friends (Quäker), dann ohne religiöses Bekenntnis
Biografie
¯ 27.4.1820
Geboren als erstes und einziges überlebendes Kind von neun Kindern in Derby.
Als schwächliches und wiederholt krankes Kind kein regelmäßiger Schulbesuch (3 Jahre Elementarschule). Ausbildung
durch seinen Vater.
¯ 1833-1836
Übersiedlung zu seinem Onkel Thomas Spencer, einem Geistlichen und Lehrer, nach Hinton Charterhouse nahe Bath,
England. Hier einige Monate Weiterbildung, unter anderem in Chartismus und nonkonformistischem Protestantismus
durch seinen Onkel.
¯ 1836-1837
Lebte wieder in Derby.
¯ 1837
Nach Beendigung seiner Ausbildung einige Monate Assistant Schoolmaster in Detby.
¯ 1837-1841
Zunächst Eisenbahningenieur (technischer Zeichner) bei der London and Birmingham Railway, seit 1838 Handwerker
bei der Birmingham and Gloucester Railway. Daneben wenig erfolgreiche Erfindungen auf dem Gebiet des Bergbaus
und 1839-1842 Mitarbeiter der Zeitschrift "Civil Engineer and Architect's Journal" (London). Nach der Fertigstellung der
Eisenbahnlinie 1841 Entlassung.
¯ 1841-1844
Lebte wieder in Derby.
¯ 1842-1844
Beginn der Karriere als Wissenschaftler, Schriftsteller und als Journalist bei der radikalen Zeitung "The Nonconformist"
(London) 1842-1843 und bei der wissenschaftlichen Zeitschrift "Zoist". A journal of cerebral physiology and mesmerism,
and their application to human welfare" (London) 1844. 1844 Subeditor des Organs der "Komplete Suffrage Movement"
"Pilot" (Birmingham).
¯ 1844-1848
1844-1846 als Konstrukteur tätig, 1847-1848 mit Erfindungen und technischen Entwicklungen beschäftigt.
¯ 1848-1889
Lebte in London.
¯ 1848-1853
Subeditor bei der Zeitschrift "The Economist" (London). Nach einer größeren Erbschaft durch seinen 1853 verstorbenen
Onkel Thomas Spencer Aufgabe des Redakteurspostens. Kontakte zu radikalen Journalisten wie dem anarchistischen
Economist-Herausgeber Thomas Hodgskin (1787-1869) und zur Schriftstellerin Mary Ann Evans(Pseudonym: George
Eliot; 1819- 1880). Außerdem seit 1852 regelmäßiger Mitarbeiter an "The Westminster Review" (London).
¯ 1853-1903
Privatgelehrter, Journalist, Philosoph und Wissenschaftler. Viele seiner Werke erschienen als Artikelserien, etwa in "The
Fortnightly Review" (London). Regelmäßige Beiträge in "The Contemporary Review" (London-New York, N.Y.), "The
Times" (London), "The Nineteenth Century. A monthly review" (London) und "Nature" (London). Er lebte vielfach von der
finanziellen Unterstützung durch Freunde und Bewunderer.
¯ 1867
In Zusammenarbeit mit David Duncan (1839- 1923), Richard Scheppig (1845-1903) und James Collier (1846-1925)
Beginn der Arbeit an der Serie "Descriptive Sociology", die nach dem Tod von Herbert Spencer von dessen
Nachlassverwaltern fortgeführt wurde.
¯ 1882
Reise in die USA.
¯ 1884
Lehnte die ihm angebotene Kandidatur bei der Wahl zum britischen Parlament für Leicester ab.
¯ 1889-1898
Lebte in St. John's Wood, Westminster nahe London.
Seit 1886 psychisch krank.
¯ 1898-1903
Lebte in Brighton.
¯ 8.12.1903
Gestorben in Brighton.
8 Simmel
Biografie Georg Simmel
*Berlin 1. März 1858
†Straßburg, Elsass [Strasbourg, Alsace] 26. September 1918
deutscher Soziologe und Philosoph
Vater: Ewald Simmel (1810-1874), Gründer und Mitinhaber der Schokoladenfabrik "Felix und Sarotti"
Mutter: Flora Simmel, geborene Bodenstein, Hausfrau
Geschwister: 6
Ehe: 1890 Gertrud Kinel, Eisenbahningenieurs- und Ministerialbeamtentochter, Kunstmalerin, Publizistin und Schriftstellerin
(Pseudonym: Marie Luise Enckendorff)
Kinder: Hans Eugen Simmel (1891-1943), Dr. med., außerordentlicher Professor der Medizin; 1938 Konzentrationslager
Dachau, danach Emigration 1939 in die Schweiz, 1940 in die USA
Außereheliche Kinder: Angela Kantorowicz (1904-?), Tochter von Gertrud Kantorowicz (1876-1945), Dichterin und
Kunsthistorikerin, ehemalige Studentin und Mitarbeiterin Georg Simmels
Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis) (Eltern ursprünglich jüdisch); seit dem Ersten Weltkrieg ohne religiöses
Bekenntnis
Biografie
¯ 1.3.1858
Geboren in Berlin als jüngstes von sieben Kindern.
¯ 1874
Das vom Vater hinterlassene Vermögen machte die Kinder finanziell unabhängig. Vormund Georg Simmels wurde der
Musikverleger Julius Friedländer.
¯ 1870-1876
Besuch des Friedrich-Werder-Gymnasiums in Berlin; 1876 Abitur.
¯ 1876-1881
Studium der Geschichte und Philosophie, später der Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Berlin.
¯ 1881
Ablehnung der ersten Dissertationsschrift wegen formaler Fehler und angeblicher Ungenauigkeit: Psychologischethnologische Studien über die Anfänge der Musik.
¯ 1881
Dr. phil. (Philosophie) an der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin; Dissertation: Darstellung und
Beurteilungen von Kants verschiedenen Ansichten über das Wesen der Materie.
¯ 1884
Scheitern des ersten Habilitationsantrags an der Universität Berlin.
¯ 1885
Nach einem Durchfall bei der Probevorlesung habilitiert für Philosophie an der Universität Berlin; Habilitationsschrift:
Kantische Studien.
¯ 1885-1900
Privatdozent. 1898 erfolgloser Antrag der Philosophischen Fakultät auf Erteilung eines Extraordinariats, unter anderem
aus antisemitischen Gründen.
¯ 1900-1914
Unbesoldeter außerordentlicher Universitätsprofessor der Philosophie an der Universität Berlin. 1908 Scheitern einer
Berufung an die Universität in Heidelberg aus antisemitischen Gründen.
¯ 1909
Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie".
¯ 1914-1918
Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Straßburg [Strasbourg].
¯ 26.9.1918
Gestorben an Leberkrebs in Straßburg [Strasbourg].
9 Weber
Biografie Max Weber
i.e. Karl Emil Maximilian Weber
*Erfurt, Sachsen (Preußen) [Thüringen (BRD)] 21. April 1864
†München, Bayern 14. Juni 1920
deutscher Soziologe und Nationalökonom
Max Weber wird wohl zu Recht als der größte deutsche Soziologe angesehen. Sein Werk "Wirtschaft und Gesellschaft"
gehört zu den Klassikern der Soziologe. Dabei war Max Weber von Hause her Jurist und Natiolalökonom und hat sogar
einige Zeit als Rechtsanwalt gearbeitet,
Vater: Max Weber (1836-1897), Dr. jur., Städtischer Beamter und Redakteur
Mutter: Helene Weber, geborene Fallenstein (1844-1919), Hausfrau
Geschwister: Alfred Weber (1868-1958), Nationalökonom und Soziologe, Universitätsprofessor
Ehe: 1893 Marianne Weber, geborene Schnitger (1870-1954), Frauenrechtlerin, Soziologin und Politikerin
Kinder: keine
Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis)
Biografie
¯ 21.4.1864
Geboren in Erfurt.
¯ 1869-1882
Lebte in Berlin.
¯ 1869/1872
1869 Übersiedlung der Familie nach Berlin, 1872 nach Charlottenburg (zu Berlin).
Besuch des Gymnasiums in Charlottenburg; 1882 Abitur.
¯ 1882-1884
Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg; daneben Studium der Philosophie und Ökonomie.
¯ 1883-1884
Dazwischen Militärdienst als Einjähriger in Straßburg [Strasbourg].
¯ 1884-1885
Fortsetzung des Studiums an der Universität Berlin.
¯ 1885-1886
Beendigung des Studiums an der Universität Göttingen; 1886 Referendarexamen.
¯ 1886-1893
Lebte in Charlottenburg [Berlin].
¯ 1889
Dr. jur. magna cum laude an der Universität Berlin; Dissertation: Entwickelung des Solidarhaftprinzips und des
Sondervermögens der offenen Handelsgesellschaft aus den Haushalts- und Gewerbegemeinschaften in den
italienischen Städten.
¯ 1892
Habilitation für Römisches, Deutsches und Handelsrecht an der Universität Berlin bei August Meitzen (1822-1910);
Habilitationsschrift: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht.
¯ 1893
Kurzfristige Tätigkeit als Rechtsanwalt.
¯ 1893-1894
Außerordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität Berlin.
¯ 1894-1897
Lebte in Freiburg im Breisgau, Baden- Württemberg.
¯ 1894-1897
Ordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität Freiburg im Breisgau.
¯ 1897-1900
Lebte in Heidelberg, Baden-Württemberg.
¯ 1897-1903
Ordentlicher Professor der Nationalökonomie und der Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg; seit 1898
krank, kam er seiner Lehrtätigkeit nur mehr zeitweise nach und wurde 1903 wegen Krankheit unter Verleihung des
Charakters eines ordentlichen Honorarprofessors in den Ruhestand versetzt.
¯ 1900-1902
Aufenthalt im Sanatorium in Urach, Baden- Württemberg (1900), danach in Italien (1900- 1902).
¯ 1902-1919
Lebte - mit vielen Unterbrechungen - in Heidelberg, Baden-Württemberg. Wissenschaftliche Tätigkeit und zahlreiche
Reisen.
¯ 1909
Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie".
¯ 1914-1915
Disziplinaroffizier der Lazarettkommission in Heidelberg; 1915 ausgeschieden.
¯ 1918
Mitbegründer und Wahlkampfredner der "Deutschen Demokratischen Partei"; seine Kandidatur auf der Liste des
hessisch- nassauischen Wahlkreises scheiterte. 1920 Parteiaustritt.
¯ 1918
Im Sommersemester Vorlesungen an der Universität Wien.
¯ 1919-1920
Lebte in München, Bayern.
¯ 1919-1920
Ordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität München.
¯ 14.6.1920
Gestorben an einer Lungenentzündung in München.
10 Parsons
Biografie Talcott Parsons
*Colorado Springs, Colorado 13. Dezember 1902
†München, Bayern 8. Mai 1979
US-amerikanischer Soziologe
Vater: Edward Smith Parsons Sr. (1863-1943), protestantischer Geistlicher und College- Professor, President des Marietta
College
Mutter: Mary Augusta Parsons, geborene Ingersoll (1863-1944), Frauenrechtlerin
Geschwister: Edward Smith Parsons Jr. (1898-1960)
Ehe: 1927 Helen B. Walker
Kinder: Anne Parsons; Charles Parsons; Susan Parsons
Religion: protestantisch
Biografie
¯ 13.12.1902
Geboren in Colorado Springs, Colorado.
Besuch der Horace Mann High School in New York City, New York; Graduate 1920.
¯ 1920-1924
Studium zunächst der Biologie am Amherst College in Amherst, Massachusetts, um Arzt zu werden, dann der
Wirtschaftswissenschaften; 1924 B.A.
¯ 1924-1925
Studium der Nationalökonomie an der London School of Economics and Political Science in London.
¯ 1925-1927
Studium der Nationalökonomie an der Universität Heidelberg, Baden-Württemberg.
¯ 1927
Dr. phil. (Nationalökonomie); Dissertation: 'Capitalism' in recent German literature: Sombart and [Max] Weber.
¯ 1926-1927
Daneben Instructor in Economics am Amherst College in Amherst, Massachusetts.
¯ 1927-1973
Mitglied der Harvard University in Cambridge, Massachusetts: 1927-1931 Instuctor in Economics, 1931-1936 Instructor
in Sociology, 1936-1939 Assistant Professor, 1939-1944 Associate Professor of Sociology, 1944-1973 Full Professor of
Sociology; 1973 emeritiert. 1940-1946 Chairman des Committee on Concentration in Area Social Science, 1944-1946
Chairman des Department of Sociology, das er 1946 zum Department of Social Relations erweiterte und dessen
Chairman er 1946-1956 war. Zu seinen Förderern gehörte Pitirim A. Sorokin (1889-1968), zu seinen Schülern gehörten
unter anderem Kingsley Davis (1908-1997), Robert K. Merton (1910-2003) und Wilbert E. Moore (1914-1987).
Daneben 1943-1946 Staff Member der Harvard School for Overseas Administration.
¯ 8.5.1979
Gestorben in München, Bayern während einer Deutschlandreise anlässlich des 50. Jahrestags seiner Promotion in
Heidelberg.
11 Weitere berühmte Soziologen
Wer noch weitere Soziologen kennen lernen möchte, besuche bitte die folgenden Seiten
http://www.net- lexikon.de/Soziologie.html#Bekannte_Soziologinnen_und_Soziologen
und
http://www.philolex.de/philolex.htm
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