Berühmte Soziologen Berühmte Soziologen ................................................................................................................................................................. 1 1 Adorno ..................................................................................................................................................................................... 2 2 Elias ......................................................................................................................................................................................... 4 3 Comte ...................................................................................................................................................................................... 7 4 Durkheim ................................................................................................................................................................................. 8 5 Habermas .............................................................................................................................................................................. 10 5.1 Begründbarkeit einer kritischen Gesellschaft ................................................................................................................ 11 5.2 Erkenntnisleitende Interessen ....................................................................................................................................... 11 5.3 Universalpragmatik ....................................................................................................................................................... 12 5.4 Die ideale Sprechsituation ............................................................................................................................................ 12 5.5 Gesellschaft als System und Lebenswelt ...................................................................................................................... 12 6 Luhmann ............................................................................................................................................................................... 13 7 Spencer ................................................................................................................................................................................. 14 8 Simmel .................................................................................................................................................................................. 16 9 Weber .................................................................................................................................................................................... 17 10 Parsons ............................................................................................................................................................................... 19 11 Weitere berühmte Soziologen ............................................................................................................................................. 20 1 Adorno Theodor Wiesental Adorno Bild entfernt Ein Schöngeist, ein Musiker unter den Soziologen. Adorno wurde am 11. September 1903 geboren. Was war das für eine Zeit? Es gab noch keine Flugzeuge, aber die Brüder Whright machten in diesem Jahr ihren ersten Lufthopser von 59 Sekunden. Ein Elektrotestzug fuhr 208 km schnell. In Berlin gründet Walter Rathenau die AEG. Leipzig wird deutscher Fußballmeister gegen Prag und auf der Leipziger Messe stellt Margarete Steiff Plüschtiere aus. Zum ersten mal startete in Paris die Tour de France. AlsAdorno15 war, endete der 1. Weltkrieg. Sein Vater hieß Wiesengrund. Er war ein zum Christentum konvertierter Jude, ein Weingroßhändler in Frankfurt. Seine Mutter - eine Opernsängerin - kam aus einem korsischen Adelsgeschlecht und trug bis zu ihrer Heirat den wunderschönen Namen Calvelli-Adorno della Piana. Adornowuchs großbürgerlich behütet auf. Aber er lernte außerhalb des Wohnzimmers schon früh die Grausamkeit dieser Welt kennen. Erst wurde er in der Schule als Klassenprimus gehetzt und geprügelt, dann als Jude. Die Verachtung durch die Mitschüler war ihm schon nahe gegangen. Mehr noch aber die Ideologie des Nationalsozialismus – doch dieses vulgäre Denkgebäude überraschte den Schöngeist nicht mehr. War Adorno ein Soziologe? Ganz sicher, aber eben auch ein Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist Und als Soziologe war er ein leidender. Theodor W. Adorno war sein Pseudonym. Eigentlich hieß er Theodor Ludwig Wiesengrund und manchmal nannte er sich auch Hektor Rottweiler, Teddie Wiesengrund und Castor Zwieback. Adorno starb 1969 in der Schweiz. Um seinen Tod ranken sich Gerüchte, auf die ich noch zu sprechen komme. Aber zuerst ein paar Anmerkungen zu seinem Leben Nach dem Abitur studierte er zwei Jahre lang Musik, dann aber Philosophie, Soziologie, Psychologie und Musikwissenschaft. Sein Schwerpunkt lag ohne Zweifel in dieser Zeit auf der Musik, aber trotzdem schrieb er 1924 eine philosophische Dissertation mit dem Titel "Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie". (Noematik = Lehre von den Denkinhalten) Seine erste Habilitation missglückte. Aber dann legte er eine neue Habilitation vor und habilitierte sich 1931 mit einer Arbeit über Kierkegaard: "Kierkegaard, Konstruktion des Ästhetischen." 1933 wurde ihm die Lehrbefugnis aus rassischen Gründen entzogen und er emigrierte erst nach Großbritannien, kam aber mehrmals nach Deutschland zurück. Mit 34 Jahren heiratet er Gretel Karplus, eine Chemikerin. Es war eine große, schwärmerische, lebenslange Liebe. Aber dann wurde auch England zunehmend unsicherer und er ging er mit seiner Frau 1938 in die USA ins Exil. Er wurde amerikanischer Staatsbürger. Erst lebte er in New York. Hier hatte er eine Reihe von Freunden - besonders zu nennen: Max Horkheimer. Dann ging er nach Kalifornien. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Deutschland entstand hier ein berühmtes wenn auch methodisch kritisierenswerte Werk: "Die autoritäre Persönlichkeit" über den Zusammenhang des autoritären Charakters mit dem Faschismus. Aber Adorno war nie ein Empiriker, die "Erbsenzählerei" blieb ihm fremd. Über die Kontoverse zwischen den Erbsenzählern und den Denkern gibt es eine berühmte Debatte: "Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie". Andere, wie z.B. Ralf Dahrendorf, waren daran beteiligt. Heute ist diese Debatte wohl weitgehend überholt. Durchgesetzt hat sich in der Soziologie weitgehend die "positivistische" Position Poppers - nach meine Meinung auch deswegen, weil sie die verantwortungsvollere ist. Adorno liebte das feingeistige Jammern über diese schlechte Welt. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, soll nur ein Satz von ihm diese Haltung andeuten: "Noch der Baum, der blüht, lügt in dem Augenblick, in welchem man sein Blühen ohne den Schatten des Entsetzens wahrnimmt [...] und es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Ganze geht, ihm standhält und im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält." Für Adorno war alles Werdende krank, "Denn wahr ist nur, was nicht in diese Welt paßt" und "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" Von Adorno kommt auch der Satz, dass man in Deutschland nach Ausschwitz keine Gedichte mehr schreiben dürfe. 1949 kehrte Adorno aus der Emigration nach Deutschland zurück und lehrte und forschte in Frankfurt. Er war Mitbegründer einer besonderen, kritischen und "linken" Form der Soziologie, der "Frankfurter Schule". Um zu erahnen, was das Besondere an der Frankfurter Schule war und ist, müssen die zwei Grundpositionen von Wissenschaft gegenübergestellt werden. Die "linken" Soziologen Adorno, Horkheimer, Habermas charakterisieren die traditionelle Form der Soziologie so: Die traditionelle Theorie operiert mit Wenn-dann-Sätzen formuliert Hypothesen, um Sachverhalte zu erforschen. Damit trennt sie Werte von Forschung, Wissen von Handeln tendiert zur Bildung mathematischer, abstrakter Zeichensysteme ignoriert den Umstand, dass der Wissenschaftsbetrieb besonders diejenigen Sachverhalte für das Wissen fruchtbar macht, die gerade verwertbar sind ist aus dem wissenschaftlichen Betrieb des bürgerlichen Zeitalters hervorgegangen. Sie gehört zum arbeitsteiligen Produktionsprozess und ist ein Teil der gesellschaftlichen Praxis entsprang nicht allein logischen Erwägungen, sondern steht in einem konkret historischen Zusammenhang hat durch isolierende Betrachtung kein Bewusstsein ihrer eigenen Beschränktheit und wird zur Ideologie. Die kritische Gegenposition benennt Max Horkheimer Es gibt nur ein menschliches Verhalten, das die Gesellschaft selbst zu seinem Gegenstand hat. Dieses Verhalten wird im folgenden als das "kritische" bezeichnet. Das Wort wird hier weniger im Sinn der idealistischen Kritik der reinen Vernunft, als in dem der dialektischen Kritik der politischen Ökonomie verstanden. Es bezeichnet eine wesentliche Eigenschaft der dialektischen Theorie der Gesellschaft. Folgende Besonderheiten sind hervorzuheben: Die Kritische Theorie gibt dem blinden Zusammenwirken der Einzeltätigkeiten vernünftige Zielsetzungen misst die als Zufall erscheinende Übereinstimmung zwischen Denken und Sein, Verstand und Sinnlichkeit, Bedürfnissen und ihrer Befriedigung am Verhältnis vernünftiger Absicht und Verwirklichung hält das Verhältnis von Subjekt, Theorie und Gegenstand nicht für unveränderlich entnimmt der historischen Analyse der menschlichen Aktivität die Idee einer vernünftigen, der Allgemeinheit entsprechenden gesellschaftlichen Organisation, die der Arbeit bereits immanent ist wahrt dem Gehalt der Idee einer vernünftigen Gesellschaft die Treue als der Gemeinschaft freier Menschen, wie sie bei den vorhandenen technischen Mitteln möglich ist treibt zur Transformation des gesellschaftlichen Ganzen; ihr Sinn besteht nicht in der Reproduktion der gegenwärtigen Gesellschaft, sondern in ihrer Veränderung zum Richtigen. Oder, um es kurz zusammenzufassen: Die traditionelle Theorie nimmt die Gesellschaft, wie sie gerade ist und analysiert lediglich ihr Funktionieren. Politik wird damit zur Sozialtechnologie. Im Gegensatz dazu knüpft die kritische Theorie mit ihrer Dialektik an die Konflikte und den Wandel in der Gesellschaft an und sucht sie zum Besseren zu transformieren. Politik wird so zur Gesellschaftsveränderung. Mit einer solchen idealistischen Grundposition hatte Adorno einen großen Einfluss auf die Vorstellungen der demonstrierenden Studenten der Sudentenbewegung. Aber der Schöngeist konnte sich mit den in seinen Augen rüden Protestformen der Studenten nicht abfinden. Als die Studenten das Institut für Soziologie in Frankfurt besetzten, kam es zum offenen Bruch. In einer Veranstaltung, in der er sprach, stürmten protestierende Studentinnen das Podium, zogen ihre Blusen aus und tanzten barbusig vor ihrem Professor. Dieses offenkundig sexistische Ereignis verletzte Adorno tief und verschlimmerten seine Herzkrankheit. In einem Erholungsurlaub in der Schweiz starb er an Herzversagen. Es gibt nicht wenige, die ihn als Opfer der Studentenbewegung sehen. Einige wichtige Schriften: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. (Mit Max Horkheimer) The authoritarian personality. (Mitarbeiter) Negative Dialektik Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie.(Mit Hans Albert & Ralf Dahrendorf & Jürgen Habermas & Harald Pilot & Karl R[aimund] Popper) 2 Elias Norbert Elias Bild entfernt 1897 - 1990 Lassen Sie uns nun zu einem Soziologen kommen, der als britisch bezeichent wird, obwohl er in Breslau geboren ist: Norbert Elias. Norbert Elias hat fast das ganze letzte Jahrhundert erlebt, mit allen Schrecken und mit allen positiven Entwicklungen, die dann allerdings mehr in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lagen. Elias war Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten in Breslau, er wuchs also ohne finanzielle Not auf. Seine Mutter wurde 1941 in einem Konzentrationslager ermordet. Eine Grundschule hat Elias nie besucht, er ging gleich aufs Gymnasium und machte dann mit 18 Abitur. Gleich nach der Schule zog es ihn an die Front und er meldete sich als Kriegsfreiwilliger. Die Kriegserlebnisse führten allerdings zu einem psychischen Zusammenbruch und ließen ihn "felddienstunfähig" werden. Er wurde dann Sanitätssoldat in Breslau. Nebenbei studierte er Medizin, Philosophie und Psychologie an den Universitäten Breslau, Heidelberg und Freiburg. Und dann kam die Inflation und vernichtete das gesamte Vermögen seiner Familie. Elias musste sich um die Finanzierung seines Studiums kümmern und arbeitete in einer Fabrik für Kleineisenteile. Trotz dieser Belastung promovierte er aber 1924 zum Doktor der Philosophie mit einer Arbeit über "Idee und Individuum" und habilitierte sich wenig später mit einer Arbeit "Der höfische Mensch". Aber dann wurde nichts aus der akademischen Karriere. Die Nationalsozialisten übernahmen die Macht, das Institut für Soziologie wurde geschlossen und das Habilitationsverfahren abgebrochen. Elias ging nach Frankreich ins Exil, aber da Frankreich auch immer unsicherer wurde, flüchtete er weiter nach England. Und hier nahm er die britische Staatsbürgerschaft an. Kurz danach begann er mit seinem bahnbrechenden Werk, über das ich gleich noch mehr berichte, "Der Prozess der Zivilisation". Und er hatte Glück: er bekam eine Stelle an der berühmten London School of Economics and Political Science. Aber die Zeiten waren schwer. Für acht Monate wurde er als feindlicher Ausländer in ein Internierungslager gesteckt. Nach seiner Entlassung hatte er viel zu tun, aber es gelang ihm keine überzeugende akademische Karriere mehr Erst mit 65 Jahren bekam er eine Professur und zwar in Accra an der University of Ghana. Hier lehrte und forschte er zwei Jahre. Zurück in Europa arbeitete er dann in den Niederlanden und in Deutschland, bis er 1990 im Alter von 93 Jahren in Amsterdam starb. Ein großer Soziologe mit einem bewegten Leben. Ein großer Soziologe? Elias hat viele faszinierende Bücher geschrieben. Aber eine ragt heraus: das früh begonnene und spät fertig gestellte Buch "Über den Prozess der Zivilisation" Lassen Sie uns ein wenig in dieses großartige und spannende Buch hineinschauen. Zunächst setzt sich Elias kritisch mit dem Begriff "Zivilisation" auseinander. Er sieht Zivilisation als Begriff für den Entwicklungsstand der modernen abendländischen Gesellschaft. Diese Zivilisation zeichnet sich durch ein ausgeprägtes "Selbstbewusstsein" gegenüber weniger "zivilisierten" Gesellschaften früherer Epochen und gegenüber "primitiveren" zeitgenössischen Gesellschaften aus. Das Selbstbewusstsein gründet sich auf die Vorstellungen einer höherentwickelten Technik, Wissenschaft, gesellschaftlicher Organisation und einer bestimmten Lebensweise. Um dieses zu verstehen, muss man ihn als Prozess erkennen, der einen Gegensatz zwischen den Zivilisierten und den ausgegrenzten Primitiven innerhalb der abendländischen Gesellschaft beschreibt. In seinem Werk entwickelt Elias eine Theorie langfristiger Prozesse, mit der die Entwicklung der europäischen Nationalstaaten von den frühmittelalterlichen Feudalgesellschaften bis zu den höfisch- absolutistischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts beschrieben werden kann. Dabei orientiert er sich an zwei Begriffen: Psychogenese und Soziogenese Die Psychogenese bezeichnet eine langfristige Entwicklung menschlicher Persönlichkeitsstrukturen, die als Zivilisierung des Verhaltens bezeichnet werden kann. Soziogenese hingegen ist die Bezeichnung für die Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen, d.h. Herausbildung von Strukturen gesellschaftlicher Ungleichheit, Machtstrukturen und Ordnungsstrukturen (Staatswesen). Neu an seinem Forschungskonzept ist die Herausarbeitung der wechselseitigen Abhängigkeit dieser beiden Teilbereiche des Zivilisationsprozesses. Das Wesentliche dieses gesellschaftlichen Prozesses ist dabei eine stetig zunehmende Arbeitsteilung und eine beständig zunehmende Zahl gesellschaftlicher Funktionen, die aus Wettbewerbsdruck entsteht. Durch diese Herausbildung von immer mehr Teilfunktionen steigt die gegenseitige Abhängigkeit, da jedes Verhalten mit anderen synchronisiert werden muss. Die Abhängigkeits- und Wirkungsketten werden immer länger und erfordern zunehmend reguliertes und kontrolliertes Verhalten, zunächst durch Fremd- dann durch Selbstzwänge. Dies nennt Elias zivilisiertes Verhalten. Aber wie kommt es denn nun konkret zu diesem zivilisierten Verhalten des Einzelnen? "Zivilisation" geht auf den französischen Begriff "civilité" (=feine, höfische Sitten) zurück, der sich vom lateinische Wort "civilitas" (=Sitten) ableitet. Das gesellschaftliche Entwicklungsmuster Muster ist nun immer gleich: Zuerst ist das Verhalten überall spontan und unreguliert. Dies ändert sich gegen Ende des Mittelalters in den Oberschichten. In der Renaissance beginnt der Prozess der Selbstbeobachtung und Selbstregulierung da sich nach neuer Auffassung die Seele des Menschen in seinem Verhalten äußert. Der Prozess greift immer von den Oberschichten zu den Unterschichten über. Es äußert sich aber nicht nur im Verhalten, sondern in der ganzen Persönlichkeitsstruktur. Das Verhalten der einzelnen wird dadurch kalkulierbar und berechenbar. Innerhalb dieses Vorganges werden Fremdzwänge, wie Sanktionen, Verbote, zunehmend durch Selbstzwänge ersetzt. Diese Konditionierung führt zur Ausbildung eines Gewissens, der Vernunft oder nach Freud eines Über- Ichs. Die psychische Struktur des Menschen ist also soziogen. Ein schönes Beispiel ist "Aggressivität". Hier wird deutlich, dass die Voraussetzung für die Eindämmung individueller Gewaltausübung die gesellschaftliche Übernahme der Gewalt in Form eines staatliches Gewalt- Monopols ist. Individuelle Gewalt wird durch psychisch regulierte Selbstzwänge in Schach gehalten Auf der anderen Seite steht die Soziogenese: Die Herausbildung des Staatswesens. Die Psychogenese der Affektregulierung entspricht der Soziogenese des Staates. Was heißt das? Wenn wir den Menschen von unzivilisiertem brutalen Verhalten "befreien" wollen, müssen sich Instanzen entwickeln, die die Regulation übernehmen. Wir brauchen also Polizei und Soldaten, Gefängnisse und Schulen. Im europäischen Mittelalter gab es weder Staaten noch Nationen als einheitliche, geschlossene und stabile soziale Gebilde. Durch zentrifugale, vom Mittelpunkt wegstrebende, Kräfte, die aus dem geringen Grad der gesellschaftlichen Differenzierung und damit geringen Interdependenz resultieren, erklärt sich die Instabilität mittelalterliche Reiche. Die Autarkie (durch Land- und Naturalwirtschaft) der Vasallen erzeugte ihre Verselbständigungstendenzen: politische Autonomie durch wirtschaftliche Autonomie. Diese ständige Kampf von Zentralisierung und Dezentralisierung dauerte jahrhundertelang. Durch die steigende Bevölkerungsdichte lag die Chance der Landlosen in der Differenzierung der Arbeit im nichtagrarischen Sektor, also dem Handwerk. Mit ökonomischer Differenzierung und räumlicher Differenzierung in Land und Stadt entsteht insgesamt eine neue soziale Differenzierung. Die daraus entstehenden komplexeren Abhängigkeiten erfordern neue Infrastrukturen z.B. Geld als Tauschmittel oder Recht als überindividuell gültiges, kalkulierbares System von Verhaltensnormen. Dies erfordert und ermöglicht die zunehmende Affektkontrolle des Individuums. Entwickelte Gesellschaften kann es nur geben, wenn es ein hohes Maß an gesellschaftlichen Abhängigkeiten gibt. Dabei sind nicht nur die Beherrschten von ihrem Herrscher abhängig, sondern dieser auch von seinen Untertanen. Beide durchlaufen eine besondere Psychogenese: zunehmende Affektregulierung der Beherrschten führt auch zur Zivilisierung des Herrschers. Schauen Sie auf unsere Gesellschaft. Der Einzelne hat sich in der Regel im Griff. Affekte sind reguliert. Wir leben sie nur noch vor dem Fernseher oder im Fußballstadium aus. Haben wir nicht auf der anderen Seite eine hoch zivilisierte Regierung? 3 Comte Auguste Comte Bild entfernt 1798 - 1857 Ein unglücklicher katholischer Mann mit einem langen Namen Isidore-Auguste-Marie-François-Xavier Comte. Er wurde 1798 geboren Isidor-Auguste führte ein unglückliches Leben und hatte einen schwierigen Charakter. Sein Vater war Steuerbeamter, seine Mutter Hausfrau. Mit 27 Jahren heiratete er eine Prostituierte, von der er sich immer wieder schmerzhaft trennte und schließlich mit 44 Jahren scheiden ließ. Aber sein Liebesleben blieb problematisch. Die nun folgende, sehr leidenschaftliche und schwärmerische Beziehung zu einer Dame aus höheren Kreisen, zu Clotilde de Vaux, blieb platonisch. Seine Liebe wurde nicht erwidert und die Angebetete starb, als er 48 war. Das fast kultische Verhältnis hatte jedoch eine bemerkenswerte "wissenschaftliche" Konsequenz: Comte verarbeitete die große Enttäuschung seins Lebens dadurch, dass er eine neue "Religion der Menschlichkeit" entwickelte und sich selbst als Prophet dieses neuen Glaubens sah. Auf der einen Seite war er eine energische und mitreißende Persönlichkeit mit einem Hang zur Arroganz. Auf der anderen Seite hatte er große psychische Probleme. So war er eine Zeitlang in einer psychiatrischen Klinik - ohne geheilt zu werden - und versuchte dann seinem Leben ein Ende zu machen. Er sprang in die Seine, wurde aber gerettet. Comte gilt als der Begründer der Soziologie und er führte auch den Begriff Soziologie ein, nachdem er zunächst den Begriff Soziophysik bevorzugten. Wir sprachen ja bereits über seinen Konflikt mit Quetelet in dieser Frage. Sein Ziel war schon sehr früh klar: er wollte die Welt verbessern. Nicht mit Schwert und Pistole sondern mit Worten und Zeilen. Sein besonderer Hass galt Napeleon Bonaparte. Von seiner Familie hatte er sich früh getrennt. Sie war ihm zu katholisch und königstreu. Er ging nach Paris und besuchte dort eine naturwissenschaftliche Eliteschule - aber die Schule wurde wegen einer republikanischen Studentenrevolte geschlossen. Comte versuchte sich noch an einem Medizinstudium und schlug sich dann als Privatlehrer für Mathematik durch. Ihm ging es darum, eine Anleitung zur Verbesserung der Gesellschaft nach vernünftigen Regeln zu entwickeln. Dieses Regelsystem nannte er Positivismus und er veröffentliche sein Werk unter dem Titel Plan de traveaux scientifiques nécessaires pour réorganiser la société. Trotz vieler Veröffentlichungen gelang es ihm aber nie, eine wissenschaftliche Position zu erlangen. Er war Zeit seines Lebens von Gönnern, Förderern und finanzieller Hilfe seiner Freunde abhängig. Und wenn er einmal eine Anstellung hatte, war diese nicht von langer Dauer. So war er einige Jahre Privatsekretär bei seinem Freund Claude Saint-Simon, dem Mann, dessen Gefolgsleute die Uniformjacken mit den Knöpfen auf dem Rücken trugen. Was waren nun seine wissenschaftlichen Theorien?. Comte sah ein Universalgesetze bei der Arbeit in allen Wissenschaften, das 'Gesetz der drei Phasen' Mit dem Dreiphasengesetz beschrieb er die Entwicklung des menschlichen Denkens, sowohl des Individuums als auch der Gattung, aber auch die Entwicklung jeder einzelnen Wissenschaft. Alles durchläuft dementsprechendgesetzmäßig drei Phasen: Das theologische oder fiktive Stadium, Das metaphysische oder abstrakte Stadium und Das wissenschaftliche oder positive Stadium. Im theologischen Stadium forscht der Mensch nach der inneren Natur der Dinge, nach den ersten Ursachen und letzten Zielen. Er glaubt an die Möglichkeit absoluten Wissens. Analog zu seinem Handeln glaubt der Mensch, hinter jedem Vorgang stehe ein lebendiger Wille. Dieses theologische Stadium besteht wiederum aus drei Stufen, der animistischen, polytheistischen und monotheistischen. Im metaphysisches Stadium wird nicht mehr nach übernatürlichen Kräften gesucht, sondern nach abstrakten Begriffen, Entitäten, Wesensheiten. Die höchste, dem Monotheismus entsprechende Stufe, ist erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine einzige Wesenheit zurückgeführt werden, zum Beispiel auf 'Die Natur'. Im wissenschaftliches Stadium: verzichtet der Mensch darauf, das Wesen der Dinge erklären zu wollen. Statt dessen versucht er, durch Beobachtung und Gebrauch der Vernunft, die Erscheinungen nach den Prinzipien der Ähnlichkeit und Aufeinanderfolge zu verbinden. Die höchste Stufe ist erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine Erscheinung zurückgeführt werden können, zum Beispiel auf das Gesetz der Schwerkraft. Gesucht wird nach der Weltformel. Mit diesem Gesetze, entwickelte Comte eine systematische und hierarchische Klassifikation aller Wissenschaften, einschließlich der anorganischen Physik ( Astronomie, Geowissenschaft und Chemie) und der organischen Physik (Biologie, und zum ersten Mal die "soziale Physik", die später Soziologe genannt wurde). Comte sah diese neue Wissenschaft, Soziologie, als die letzte und die größte von allen Wissenschaften, eine Wissenschaft, die alle weiteren Wissenschaften umfassen würde, und die ihre Entdeckungen in ein zusammenhängendes und vollständiges Ganzes integrieren und beziehen würde. Obgleich seine Theorien während seiner Lebenszeit und auch noch kurz danach sehr einflussreich waren, hing ihnen bald ein schlechter Ruf an. Heute wird seine Arbeit als exzentrisch und unwissenschaftlich betrachtet und sein großartiger Anblick der Soziologie, als die Königin aller Wissenschaften, wurde nie verwirklicht. 4 Durkheim Emile Durkheim Bild entfernt Emile Durkheim kam aus einem jüdischen Haus. Sein Vater Mose Durkheim war Rabbiner, seine Mutter Hausfrau und Tochter eines wohlhabenden Gießereibesitzers. Mit 29 Jahren heiratete er seine Louise, geborene Dreyfus, mit der er zwei Kinder hatte. Eigentlich sollte er – wie sein Vater - ursprünglich Rabbiner werden. Und so studierte er neben der Schule Hebräisch, das Alte Testament und den Talmud. Mit dreizehn Jahren hatte der junge Durkheim unter dem Einfluss einer Katholikin beeindruckende mystische Erfahrungen. Später brach er allerdings mit der Religion und wurde Agnostiker. (Agnostizismus = Lehre von der Unerkennbarkeit der Dinge) Nach dem frühen Tode des Vaters hatte er eine eher bedrückende und freudlose Jugend. Nach zwei Versuchen gelang es ihm 1879 endlich der Sprung an die berühmte Ecole Normale Supérieure. Schon bald erhält er den Spitznamen "Metaphysiker", weil er bei Diskussionen zu artistischer Argumentationskunst greift, um andere zu überzeugen. Während seines Studiums gilt er als kühl, zurückhaltend und introvertiert, Freunde hat er nur wenige. Mit 24 besteht Durkheim die Prüfung zum Doktor der Philosophie und wird zum Professor in Sens und Saint- Quentin ernannt. 1885/1886 - also mit 27 Jahren - erhält er ein Stipendium für ein Studium in Deutschland und bildet sich in Berlin und Leipzig weiter. Nach seiner Rückkehr veröffentlicht er drei Aufsätze, die ihn schnell bekannt werden lassen. Mit 29 wird er zum Professor für Pädagogik und Soziologie an der Universität Bordeaux ernannt. Noch im gleichen Jahr heiratet Emile Durkheim Louise Dreyfus, mit der er zwei Kinder hat. 1896 wird er dann ordentlicher Professor der Sozialwissenschaften auf einem eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl, der erste dieser Art in Frankreich. Sein Hauptwerk ist sicherlich "Les Formes élémentaires de la vie Religieuse" Damit werden wir uns später noch einmal beschäftigen. Heute soll es uns um eine kleinere Veröffentlichung gehen: Die Regeln der soziologischen Methode. Diese ist für Soziologen von besonderer Bedeutung, da sie gewissermaßen die Basis soziologischen Arbeitens ist. Durkheim formuliert vier Regeln der soziologischen Arbeit Regel Nr. 1: soziologischen Tatbestände sind wie Dinge zu betrachten. Was ist nun aber ein soziologischer Tatbestand? Ein soziologischer Tatbestand ist das Handeln der Menschen in einer Gesellschaft. Und zwar solches Handeln, das die Fähigkeit besitzt, auf andere Wirkung auszuüben, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt. Dazu kommen aber auch noch andere Regeln: Regel Nr. 2: Es kann zwischen dem Normalen und dem Pathologischen unterschieden werden 1. Ein soziales Problem ist normal, wenn es auch in anderen Gesellschaften in der entsprechenden Phase der gesellschaftlichen Entwicklung auftritt. 2. Die Normalität kann man bestätigen, wenn es gelingt nachzuweisen, dass das sich das Phänomens aus den Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens ergibt. Regel Nr. 3:soziologische Tatbestände müssen erklärt werden Zur Regel Nr. 3:Regeln für die Erklärung der soziologischen Tatbestände Der Nutzen, den ein sozialer Tatbestand für eine Gesellschaft hat, erklärt weder seine Entstehung, noch sein Wesen. Die Art wie ein sozialer Tatbestand auf die Gesellschaft wirkt beruht auf besonderen Eigenschaften, die zwar für den sozialen Tatbestand charakteristisch sind, die aber nicht seinen Ursprung beschreiben. Unser Bedürfnis nach sozialen Tatbeständen (sei es Ehe oder Kirche, Sprache oder Schule ) hat keinen Einfluss auf die Art dieser Tatbestände, dass sie also so oder so beschaffen sind. Unser Bedürfnis kann sie auch nicht aus dem Nichts erwecken und sie erschaffen. Sie verdanken ihre Existenz Ursachen anderer Art. Die Ursachen eines soziologischen Tatbestands müssen in den sozialen Phänomenen gesehen werden, die ihm zeitlich vorausgehen und nicht in unserem individuellen Wünschen und Wollen Die Funktion eines sozialen Phänomens muss immer in Beziehung auf einen sozialen Zweck untersucht werden. Regel Nr. 4: Für die Erklärung soziologischer Tatbestände sind strenge Regeln der Beweisführung einzuhalten 3. Regel der Beweisführung Zu derselben Wirkung gehört stets dieselbe Ursache. Exemplarisch hat Durkheim seine klaren Regeln - die natürlich viel komplexer sind, als ich es hier dargestellt habe – an einem berühmt gewordenen Beispiel, dem Selbstmord, dargestellt. Auch hier kommt Durkheims Soziologie erneut zur Geltung, denn Selbstmord gilt als eine private und individuelle Entscheidung schlechthin. Wird ein gesellschaftlicher Grund nachgewiesen, so ist es ein Beweis, dass Soziales existiert und Soziologie als Wissenschaft notwendig ist. Durkheim definiert Selbstmord als "jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte." Diese Definition verzichtet auf Selbstmordmotive. Durkheim untersucht nun nicht die einzelnen Selbstmorde. Die Selbstmordraten werden als Indikatoren für Kollektivzustände und als Phänomen an sich gesehen. Ich will nicht im Detail auf die Arbeit eingehen aber Ihnen einige wesentliche Aspekte der Arbeit Durkheims zum Selbstmord vorstellen. Durkheim unterscheidet folgende drei Selbstmordtypen: 1. den egoistischen Selbstmord: Die Korrelation zwischen der Selbstmordrate und den integrierenden sozialen Bereichen, nämlich der Religion und der Familie (Ehe und Verhältnis zw. Eltern und Kinder), wird analysiert. Die betroffenen Personen denken in diesem Fall nur an sich und sind nicht in einem Gesellschaftsverband integriert (Bsp: höhere Rate bei zunehmendem Alter; mehr Protestanten als Katholiken...). 2. den altruistischer Selbstmord: Diese Art von Selbstmord spielt für moderne Gesellschaften keine weitere Rolle; sie kommt aber häufig in primitiven Gesellschaften und in den Armeen moderner Gesellschaften vor. Der einzelne geht ganz in der Gruppe unter und tötet sich in Befolgung einer inneren sozialen Imperative (Beispiele: die Witwe, die sich verbrennen lässt; der Kapitän der sich mit Schiff versinken lässt). Eine gewisse Aktualität hat diese Form des Selbstmords heute wieder in Palästina und im Irak gewonnen. 3. Anomischer Selbstmord Dieser Typus von Selbstmord ist besonders charakteristisch für die moderne Gesellschaft. Durkheim analysiert hier die Wechselbeziehung zwischen der Häufigkeit der Selbstmorde und den Konjunkturzyklen. So stellt sich heraus, dass die Selbstmordrate nicht nur während wirtschaftlichen Krisenzeiten, sondern auch bei plötzlichem Wohlstand ansteigt. Soweit einige Details zu Durkheims Werk. Sein Leben war nicht ohne Tragik. Im ersten Weltkrieg verlor er seinen einzigen Sohn an der Front. Dieses tragische Ereignis ist ein tiefer Einschnitt in seinem Leben Durkheims, von dem er sich nicht mehr richtig erholen kann. Emile Durkheim stirbt am 15. November 1917 in Paris an einem Schlaganfall. 5 Habermas Jürgen Habermas Bild entfernt Nun lassen Sie uns zu einem moderneren deutschen Soziologen kommen, zu Jürgen Habermas Habermas – ebenfalls nicht nur Soziologe sondern auch Philosoph – wurde 1929 in Düsseldorf geboren. Er ist wohl der in der Welt bekannteste deutsche Soziologe. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Sein Sohn Tilmann war einige Zeit als Psychologe Assistent an der FU Berlin. Habermas hat von 1949 bis 1954 Philosophie, Geschichte, Psychologie, Germanistik und Ökonomie an den Universitäten Göttingen, Zürich und Bonn studiert und 1954 an der Universität Bonn promoviert. Sein Dissertationsthema war ein philosophisch-historisches: Das Absolute in der Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken. Seine wissenschaftliche Karriere war anfangs noch nicht erkennbar. Nach der Promotion war er zunächst zwei Jahre lang als freier Journalist tätig. Adorno erkannte aber seine wissenschaftlichen Fähigkeiten und so wurde er 1956 für drei Jahre Forschungsassistent am Institut für Sozialforschung in Frankfurt. 1961 konnte er sich mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft habilitieren. Auch hier gab es zunächst Schwierigkeiten. Sein Betreuer Max Horkheimer lehnte die Arbeit ab, ein anderer bekannter Soziologe, Wolfgang Abendroth, nahm sie dann aber an. Das Thema der Arbeit war “Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft“, ein äußerst schwer zu lesender Text – für mich in weiten Teilen unverständlich, wie eben alle Texte der Frankfurter Schule um Adorno und Horkheimer. Nach der Habilitation lehrte er an der Universität Heidelberg, dann in Frankfurt. Hier kündigte er aber 1971, denn er hatte ebenso wie Adorno Schwierigkeiten mit der Studentenbewegung. Dann war er 10 Jahre zusammen mit Carl Friedrich von Weizäcker Direktor eines damals neu gegründeten MaxPlanck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaflichen technischen Welt. 1983 war er noch einmal ordentlicher Professor an der Universität Frankfurt, bis er dann 1994 emeritierte. In der Öffentlichkeit ist Habermas besonders wegen seines politischen Engagements bekannt geworden, so in der Studentenbewegung der 1960er-Jahre und gegen den Balkan- Krieg in Jugoslawien 1989. Dann aber auch in dem sog. Historikerstreit, der in der Öffentlichkeit sehr bekannt wurde. Hier stritt er mit dem Berliner Historiker Ernst Nolte um die Frage, ob Hitlers Verbrechen einzigartig seien, oder – wie Nolte es meinte – in irgendeiner Weise mit den Verbrechen Stalins in Verbindung gebracht werden können. 5.1 Begründbarkeit einer kritischen Gesellschaft Habermas hat sich immer mit der Frage beschäftigt, woher eine kritische Theorie der Gesellschaft ihre Maßstäbe nimmt. Dahinter steht seine grundlegende Absicht nachzuweisen, dass Gewalt als Mittel zur Lösung von Handlungskonflikten historisch abgelöst werden könne durch den Modus vernünftiger Einigung der Bürger. 5.2 Erkenntnisleitende Interessen Den ersten Versuch einer Antwort unternimmt H., indem er den Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse untersucht. Jedes Erkennen ist nach seiner Meinung mit tief verankerten Interessen verbunden. In den Ansatz der empirisch-analytischen Wissenschaften geht ein technisches, in den der historisch- hermeneutischen ein praktisches und in den Ansatz kritisch orientierter Wissenschaften ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse ein. Die beiden ersten Wissenschaftsarten dienen den überlebensnotwendigen Reproduktions- und Sozialisationszwängen der Gesellschaft. Das "Interesse an Mündigkeit", durch das die Kritik an gewaltzentrierten Verhältnissen motiviert wird, verweist auf Sprache: in deren Struktur ist das Interesse an einem "allgemeinen und ungezwungenen Konsensus" angelegt. Damit hat Habermas jene Dimension markiert, in der er die Antwort auf seine Ausgangsfrage herausarbeitet: die gattungsspezifische Sprachkompetenz ist danach notwendige und zugleich hinreichende Bedingung dafür, dass die Menschen zur Vernünftigkeit fähig sind. Das setzt, wie er später in der Theorie des kommunikativen Handelns schreibt, dem "Paradigma der Bewusstseinsphilosophie" ein Ende, denn damit ist Intersubjektivität, die vormals bloß als Ort der Bewährung für Vernunft gegolten hat, als konstitutiv für Vernunft erkannt. Daraus ergibt sich für H. ein doppeltes Forschungsfeld: zum einen die Rekonstruktion kommunikativer Kompetenz in dem rekonstruktiven Ansatz einer Formalpragmatik, zum anderen, in einem evolutionstheoretischen Ansatz, die Analyse der historischen Formen (und deren Bedingungen), in denen sich die in jener Kompetenz angelegte Befähigung zur Vernunft verwirklicht. Dabei will H. den prozeduralen Charakter des Kantischen Vernunftbegriffs bewahren, auf dessen transzendentalen Begründungsmodus hingegen verzichten. 5.3 Universalpragmatik Habermas erforscht die allgemeinen Bedingungen menschlicher Verständigung und dies kann nur über Sprache erfolgen. Er nennt das Verfahren Rekonstruktion und meint damit, die Strukturen und Elemente des Wissens über Sprech- und Sprachregeln zu analysieren, die bei der Verständigung der Menschen nützlich sind. Er versucht also eine "universale Geltungsbasis der Rede" zu entwickeln. Dabei bezieht er sich auf die bei Linguisten bekannte Sprechakttheorie, wie sie etwa von J. R. Searle und J. L. Austin ausgearbeitet worden ist. Sprechakte sind Handlungen, die jemand vollzieht, indem er einen Satz äußert. Habermas unterstellt nun, dass es in der Sprache vier Klassen von Sprechakten gibt, die Menschen benutzen, wenn es ihnen um Verständigung geht. Dieses Klassen weist er nun sehr abstrakte Namen zu: Kommunikativa, Konstativa, Repräsentativa bzw. Expressiva und Regulativa. Mit diesen Sprechklassen versucht der Redner zu erreichen, dass er verständlich und wahrhaftig erscheint. Zustimmung eines Hörers bedeutet, dass er die Ansprüche des Redners anerkennt. Indem ein Sprecher solche Geltungsansprüche erhebt, übernimmt er es auch, diese im Zweifelsfalle zu begründen - man muss sich verständigen, um zu verstehen. 5.4 Die ideale Sprechsituation Nach Habermas sind die vier genannten Sprechklassen die Bausteine für eine "ideale Sprechsituation", in der es möglich ist über Inhalte vernünftig zu befinden. Durch ihre Merkmale schließt die "ideale Sprechsituation" jede systematische Verzerrung von Rede und Gegenrede aus, setzt alle Handlungszwänge außer Kraft und sichert Erfahrungsfreiheit, so dass sich einzig das "bessere Argument" durchzusetzen vermag. Danach zeichnet sich die "ideale Sprechsituation" durch folgende formale Eigenschaften aus: Alle Teilnehmer eines ihr gemäßen Diskurses haben die gleiche Chance, kommunikative sowie konstative Sprechakte zu verwenden, es sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde gleiche Chancen haben, repräsentative und regulative Sprechakte zu verwenden. "Ideale Sprechsituation" ist mithin der analytische Begriff jener Idealisierung, die für Verständigung unabdingbar ist. Mit diesen Gedanken entwickelt Habermas zugleich eine Theorie der Wahrheit und der Diskussionsethik: "Wahrheit" und "Richtigkeit" sind Ansprüche, die sich auf Aussagen über Sachverhalte beziehen, sie können nur im Gespräch bestätigt oder widerlegt werden. Indem Habermas insgesamt das Fundament sprachlicher Verständigung deutlich macht, unternimmt er es die Bedeutung der "Vernunft" zu begründen. Hier nähern sich seine Gedanken an die Überlegungen Kants an. 5.5 Gesellschaft als System und Lebenswelt Habermas. nennt vier Motive, die ihn bei seiner theoretischen Arbeit geleitet haben: Eine Theorie der Rationalität und eine Theorie des kommunikativen Handelns zu entwerfen, die Dialektik der gesellschaftlichen Rationalisierung zu untersuchen und einen Gesellschaftsbegriff zu formulieren, der System- und Handlungstheorie zusammenführt. Mit seiner Theorie kommunikativer Rationalität gibt er die Bedingungen für eine kritische Theorie der Gesellschaft an. Charakteristisch für diese Theorie ist ein zweistufiges Gesellschaftskonzept, das H. schon in Technik und Wissenschaft als "Ideologie" in Anschlag bringt und auf die Differenzierung des sozialen Handelns in kommunikatives und instrumentelles bezieht. In Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus scheidet er analytisch "Gesellschaft" in eine symbolisch strukturierte Lebenswelt und ein grenzerhaltendes System. Dabei thematisiert er unter dem Aspekt der "Lebenswelt" die intersubjektiv erzeugten normativen Strukturen einer Gesellschaft, analysiert Ereignisse und Zustände in Bezug auf die durch die Orientierung von handelnden und sprechenden Subjekten erfolgende Sozialintegration. Unter dem Aspekt des "Systems" thematisiert er die Mechanismen der Steuerung einer Gesellschaft, analysiert Ereignisse und Zustände in Bezug auf die durch die funktionale Vernetzung von Handlungskonsequenzen erfolgende Systemintegration. Der Prozess der Auseinanderdifferenzierung von System und Lebenswelt gilt ihm als das wesentliche Kennzeichen sozialer Entwicklung, denn er führt zu einer Komplexitätssteigerung der Systemstrukturen und damit zu einer Erweiterung ihrer Spielräume und zu einem Rationalitätszuwachs der Lebenswelt. Aber zugleich macht H. diesen Prozess auch durchsichtig als ein Gegeneinander von immer effektiveren Systemen, welche die Lebenswelt zu "kolonialisieren" trachten, und einem immer größeren Potential an postkonventioneller Interaktionskompetenz, das bloß faktische Strukturen durch Rechtfertigungsdruck zu rationalisieren versucht. Den doppelten Vorzug seiner Konzeption sieht er darin, dass sie es verbietet, diesen Konflikt zugunsten einer Seite aufzulösen, und dass sie zugleich einen Maßstab für die Beurteilung gesellschaftlicher Entwicklung begründungsfähig angibt - die Vorstellung einer solidarischen (nicht aber konfliktfreien) Gesellschaft nämlich, in der keine Institution sich den rationalen Forderungen nach diskursiver Legitimierung auf Dauer entziehen kann. Die Pointe liegt darin, dass diese immer wieder neu ansetzende und nie zu Ende kommende Prozedur der Rationalisierung explizit und damit kritisierbar macht, was sprechende Subjekte implizit immer schon tun. Für Habermas, der den gesellschaftlichen Lebensprozess als einen durch Sprechhandlungen vermittelten Erzeugungsprozess begreift, ist also kommunikative Rationalität in die Form der Reproduktion der menschlichen Gattung unabtrennbar eingelassen. 6 Luhmann Niklas Luhmann *Lüneburg, Niedersachsen 8. Dezember 1927 †Oerlinghausen, Nordrhein-Westfalen 6. November 1998 deutscher Soziologe, Pädagoge, Rechts- und Verwaltungswissenschaftler Vater: Wilhelm Luhmann, Brauereibesitzer Mutter: Dora Luhmann, geborene Gurtner (?- 1977), schweizerischer Herkunft, Hausfrau Geschwister: Ehe: 1960 Ursula von Walter Kinder: Veronika Luhmann (1961-); Jörg Luhmann (1963-); Clemens Luhmann (1963-) Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis) Biografie ¯ 8.12.1927 Geboren in Lüneburg. Besuch des Johanneums in Lüneburg; 1944 Abitur. ¯ 1944-1945 Dienst in der Deutschen Wehrmacht als Luftwaffenhelfer; 1945 kurz in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. ¯ 1946-1949 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg im Breisgau. ¯ 1949 Dr. jur. ¯ 1949-1953 Referendarsausbildung in Lüneburg. ¯ 1954-1962 Verwaltungsbeamter in Lüneburg: 1954-1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Assistent des Präsidenten; arbeitete am Aufbau einer Bibliothek nichtöffentlicher Entscheidungen. 1955-1962 Landtagsreferent im niedersächsischen Kultusministerium, zuletzt im Rang eines Oberregierungsrats. ¯ 1960-1961 Beurlaubung zum Studium der Verwaltungswissenschaft an der Harvard University in Boston, Massachusetts. Bekanntschaft mit Talcott Parsons(1902- 1979). ¯ 1962-1965 Referent am Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. ¯ 1965-1968 Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund auf Einladung von Helmut Schelsky(1912-1984). ¯ 1965/66 Daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Universität Münster. ¯ 1966 Dr. sc. pol. und zugleich Habilitation für Soziologie an der Universität Münster bei Dieter Claessens(1921-1997) und Helmut Schelsky(1912-1984); Habilitationsschrift: Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. ¯ 1968/69 Vertretung des Lehrstuhls von Theodor W. Adorno(1903-1969) in Frankfurt am Main. ¯ 1968-1977 Lebte in Bielefeld. ¯ 1968-1993 Ordentlicher Professor der Soziologie an der neu gegründeten Reformuniversität Bielefeld. Vorlesungsbeginn 1970; 1993 emeritiert. ¯ 1971 Debatte mit Jürgen Habermas(1929-). ¯ 1977 Nach dem Tod seiner Ehefrau Übersiedlung nach Oerlinghausen bei Bielefeld. ¯ 1977-1980 Mitherausgeber der "Zeitschrift für Soziologie" (Stuttgart). ¯ 6.11.1998 Gestorben an Krebs in Oerlinghausen bei Bielefeld. 7 Spencer Herbert Spencer *Derby, England 27. April 1820 †Brighton, England 8. Dezember 1903 englischer Philosoph und Soziologe Vater: William George Spencer, Lehrer Mutter: Harriet Spencer, geborene Holmes, Hausfrau Geschwister: Louise (starb dreijährig); 4 Brüder und 3 Schwestern (starben alle vor dem ersten Lebensjahr) Ehe: keine Kinder: keine Religion: Society of Friends (Quäker), dann ohne religiöses Bekenntnis Biografie ¯ 27.4.1820 Geboren als erstes und einziges überlebendes Kind von neun Kindern in Derby. Als schwächliches und wiederholt krankes Kind kein regelmäßiger Schulbesuch (3 Jahre Elementarschule). Ausbildung durch seinen Vater. ¯ 1833-1836 Übersiedlung zu seinem Onkel Thomas Spencer, einem Geistlichen und Lehrer, nach Hinton Charterhouse nahe Bath, England. Hier einige Monate Weiterbildung, unter anderem in Chartismus und nonkonformistischem Protestantismus durch seinen Onkel. ¯ 1836-1837 Lebte wieder in Derby. ¯ 1837 Nach Beendigung seiner Ausbildung einige Monate Assistant Schoolmaster in Detby. ¯ 1837-1841 Zunächst Eisenbahningenieur (technischer Zeichner) bei der London and Birmingham Railway, seit 1838 Handwerker bei der Birmingham and Gloucester Railway. Daneben wenig erfolgreiche Erfindungen auf dem Gebiet des Bergbaus und 1839-1842 Mitarbeiter der Zeitschrift "Civil Engineer and Architect's Journal" (London). Nach der Fertigstellung der Eisenbahnlinie 1841 Entlassung. ¯ 1841-1844 Lebte wieder in Derby. ¯ 1842-1844 Beginn der Karriere als Wissenschaftler, Schriftsteller und als Journalist bei der radikalen Zeitung "The Nonconformist" (London) 1842-1843 und bei der wissenschaftlichen Zeitschrift "Zoist". A journal of cerebral physiology and mesmerism, and their application to human welfare" (London) 1844. 1844 Subeditor des Organs der "Komplete Suffrage Movement" "Pilot" (Birmingham). ¯ 1844-1848 1844-1846 als Konstrukteur tätig, 1847-1848 mit Erfindungen und technischen Entwicklungen beschäftigt. ¯ 1848-1889 Lebte in London. ¯ 1848-1853 Subeditor bei der Zeitschrift "The Economist" (London). Nach einer größeren Erbschaft durch seinen 1853 verstorbenen Onkel Thomas Spencer Aufgabe des Redakteurspostens. Kontakte zu radikalen Journalisten wie dem anarchistischen Economist-Herausgeber Thomas Hodgskin (1787-1869) und zur Schriftstellerin Mary Ann Evans(Pseudonym: George Eliot; 1819- 1880). Außerdem seit 1852 regelmäßiger Mitarbeiter an "The Westminster Review" (London). ¯ 1853-1903 Privatgelehrter, Journalist, Philosoph und Wissenschaftler. Viele seiner Werke erschienen als Artikelserien, etwa in "The Fortnightly Review" (London). Regelmäßige Beiträge in "The Contemporary Review" (London-New York, N.Y.), "The Times" (London), "The Nineteenth Century. A monthly review" (London) und "Nature" (London). Er lebte vielfach von der finanziellen Unterstützung durch Freunde und Bewunderer. ¯ 1867 In Zusammenarbeit mit David Duncan (1839- 1923), Richard Scheppig (1845-1903) und James Collier (1846-1925) Beginn der Arbeit an der Serie "Descriptive Sociology", die nach dem Tod von Herbert Spencer von dessen Nachlassverwaltern fortgeführt wurde. ¯ 1882 Reise in die USA. ¯ 1884 Lehnte die ihm angebotene Kandidatur bei der Wahl zum britischen Parlament für Leicester ab. ¯ 1889-1898 Lebte in St. John's Wood, Westminster nahe London. Seit 1886 psychisch krank. ¯ 1898-1903 Lebte in Brighton. ¯ 8.12.1903 Gestorben in Brighton. 8 Simmel Biografie Georg Simmel *Berlin 1. März 1858 †Straßburg, Elsass [Strasbourg, Alsace] 26. September 1918 deutscher Soziologe und Philosoph Vater: Ewald Simmel (1810-1874), Gründer und Mitinhaber der Schokoladenfabrik "Felix und Sarotti" Mutter: Flora Simmel, geborene Bodenstein, Hausfrau Geschwister: 6 Ehe: 1890 Gertrud Kinel, Eisenbahningenieurs- und Ministerialbeamtentochter, Kunstmalerin, Publizistin und Schriftstellerin (Pseudonym: Marie Luise Enckendorff) Kinder: Hans Eugen Simmel (1891-1943), Dr. med., außerordentlicher Professor der Medizin; 1938 Konzentrationslager Dachau, danach Emigration 1939 in die Schweiz, 1940 in die USA Außereheliche Kinder: Angela Kantorowicz (1904-?), Tochter von Gertrud Kantorowicz (1876-1945), Dichterin und Kunsthistorikerin, ehemalige Studentin und Mitarbeiterin Georg Simmels Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis) (Eltern ursprünglich jüdisch); seit dem Ersten Weltkrieg ohne religiöses Bekenntnis Biografie ¯ 1.3.1858 Geboren in Berlin als jüngstes von sieben Kindern. ¯ 1874 Das vom Vater hinterlassene Vermögen machte die Kinder finanziell unabhängig. Vormund Georg Simmels wurde der Musikverleger Julius Friedländer. ¯ 1870-1876 Besuch des Friedrich-Werder-Gymnasiums in Berlin; 1876 Abitur. ¯ 1876-1881 Studium der Geschichte und Philosophie, später der Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Berlin. ¯ 1881 Ablehnung der ersten Dissertationsschrift wegen formaler Fehler und angeblicher Ungenauigkeit: Psychologischethnologische Studien über die Anfänge der Musik. ¯ 1881 Dr. phil. (Philosophie) an der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin; Dissertation: Darstellung und Beurteilungen von Kants verschiedenen Ansichten über das Wesen der Materie. ¯ 1884 Scheitern des ersten Habilitationsantrags an der Universität Berlin. ¯ 1885 Nach einem Durchfall bei der Probevorlesung habilitiert für Philosophie an der Universität Berlin; Habilitationsschrift: Kantische Studien. ¯ 1885-1900 Privatdozent. 1898 erfolgloser Antrag der Philosophischen Fakultät auf Erteilung eines Extraordinariats, unter anderem aus antisemitischen Gründen. ¯ 1900-1914 Unbesoldeter außerordentlicher Universitätsprofessor der Philosophie an der Universität Berlin. 1908 Scheitern einer Berufung an die Universität in Heidelberg aus antisemitischen Gründen. ¯ 1909 Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie". ¯ 1914-1918 Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Straßburg [Strasbourg]. ¯ 26.9.1918 Gestorben an Leberkrebs in Straßburg [Strasbourg]. 9 Weber Biografie Max Weber i.e. Karl Emil Maximilian Weber *Erfurt, Sachsen (Preußen) [Thüringen (BRD)] 21. April 1864 †München, Bayern 14. Juni 1920 deutscher Soziologe und Nationalökonom Max Weber wird wohl zu Recht als der größte deutsche Soziologe angesehen. Sein Werk "Wirtschaft und Gesellschaft" gehört zu den Klassikern der Soziologe. Dabei war Max Weber von Hause her Jurist und Natiolalökonom und hat sogar einige Zeit als Rechtsanwalt gearbeitet, Vater: Max Weber (1836-1897), Dr. jur., Städtischer Beamter und Redakteur Mutter: Helene Weber, geborene Fallenstein (1844-1919), Hausfrau Geschwister: Alfred Weber (1868-1958), Nationalökonom und Soziologe, Universitätsprofessor Ehe: 1893 Marianne Weber, geborene Schnitger (1870-1954), Frauenrechtlerin, Soziologin und Politikerin Kinder: keine Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis) Biografie ¯ 21.4.1864 Geboren in Erfurt. ¯ 1869-1882 Lebte in Berlin. ¯ 1869/1872 1869 Übersiedlung der Familie nach Berlin, 1872 nach Charlottenburg (zu Berlin). Besuch des Gymnasiums in Charlottenburg; 1882 Abitur. ¯ 1882-1884 Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg; daneben Studium der Philosophie und Ökonomie. ¯ 1883-1884 Dazwischen Militärdienst als Einjähriger in Straßburg [Strasbourg]. ¯ 1884-1885 Fortsetzung des Studiums an der Universität Berlin. ¯ 1885-1886 Beendigung des Studiums an der Universität Göttingen; 1886 Referendarexamen. ¯ 1886-1893 Lebte in Charlottenburg [Berlin]. ¯ 1889 Dr. jur. magna cum laude an der Universität Berlin; Dissertation: Entwickelung des Solidarhaftprinzips und des Sondervermögens der offenen Handelsgesellschaft aus den Haushalts- und Gewerbegemeinschaften in den italienischen Städten. ¯ 1892 Habilitation für Römisches, Deutsches und Handelsrecht an der Universität Berlin bei August Meitzen (1822-1910); Habilitationsschrift: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. ¯ 1893 Kurzfristige Tätigkeit als Rechtsanwalt. ¯ 1893-1894 Außerordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität Berlin. ¯ 1894-1897 Lebte in Freiburg im Breisgau, Baden- Württemberg. ¯ 1894-1897 Ordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität Freiburg im Breisgau. ¯ 1897-1900 Lebte in Heidelberg, Baden-Württemberg. ¯ 1897-1903 Ordentlicher Professor der Nationalökonomie und der Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg; seit 1898 krank, kam er seiner Lehrtätigkeit nur mehr zeitweise nach und wurde 1903 wegen Krankheit unter Verleihung des Charakters eines ordentlichen Honorarprofessors in den Ruhestand versetzt. ¯ 1900-1902 Aufenthalt im Sanatorium in Urach, Baden- Württemberg (1900), danach in Italien (1900- 1902). ¯ 1902-1919 Lebte - mit vielen Unterbrechungen - in Heidelberg, Baden-Württemberg. Wissenschaftliche Tätigkeit und zahlreiche Reisen. ¯ 1909 Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie". ¯ 1914-1915 Disziplinaroffizier der Lazarettkommission in Heidelberg; 1915 ausgeschieden. ¯ 1918 Mitbegründer und Wahlkampfredner der "Deutschen Demokratischen Partei"; seine Kandidatur auf der Liste des hessisch- nassauischen Wahlkreises scheiterte. 1920 Parteiaustritt. ¯ 1918 Im Sommersemester Vorlesungen an der Universität Wien. ¯ 1919-1920 Lebte in München, Bayern. ¯ 1919-1920 Ordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität München. ¯ 14.6.1920 Gestorben an einer Lungenentzündung in München. 10 Parsons Biografie Talcott Parsons *Colorado Springs, Colorado 13. Dezember 1902 †München, Bayern 8. Mai 1979 US-amerikanischer Soziologe Vater: Edward Smith Parsons Sr. (1863-1943), protestantischer Geistlicher und College- Professor, President des Marietta College Mutter: Mary Augusta Parsons, geborene Ingersoll (1863-1944), Frauenrechtlerin Geschwister: Edward Smith Parsons Jr. (1898-1960) Ehe: 1927 Helen B. Walker Kinder: Anne Parsons; Charles Parsons; Susan Parsons Religion: protestantisch Biografie ¯ 13.12.1902 Geboren in Colorado Springs, Colorado. Besuch der Horace Mann High School in New York City, New York; Graduate 1920. ¯ 1920-1924 Studium zunächst der Biologie am Amherst College in Amherst, Massachusetts, um Arzt zu werden, dann der Wirtschaftswissenschaften; 1924 B.A. ¯ 1924-1925 Studium der Nationalökonomie an der London School of Economics and Political Science in London. ¯ 1925-1927 Studium der Nationalökonomie an der Universität Heidelberg, Baden-Württemberg. ¯ 1927 Dr. phil. (Nationalökonomie); Dissertation: 'Capitalism' in recent German literature: Sombart and [Max] Weber. ¯ 1926-1927 Daneben Instructor in Economics am Amherst College in Amherst, Massachusetts. ¯ 1927-1973 Mitglied der Harvard University in Cambridge, Massachusetts: 1927-1931 Instuctor in Economics, 1931-1936 Instructor in Sociology, 1936-1939 Assistant Professor, 1939-1944 Associate Professor of Sociology, 1944-1973 Full Professor of Sociology; 1973 emeritiert. 1940-1946 Chairman des Committee on Concentration in Area Social Science, 1944-1946 Chairman des Department of Sociology, das er 1946 zum Department of Social Relations erweiterte und dessen Chairman er 1946-1956 war. Zu seinen Förderern gehörte Pitirim A. Sorokin (1889-1968), zu seinen Schülern gehörten unter anderem Kingsley Davis (1908-1997), Robert K. Merton (1910-2003) und Wilbert E. Moore (1914-1987). Daneben 1943-1946 Staff Member der Harvard School for Overseas Administration. ¯ 8.5.1979 Gestorben in München, Bayern während einer Deutschlandreise anlässlich des 50. Jahrestags seiner Promotion in Heidelberg. 11 Weitere berühmte Soziologen Wer noch weitere Soziologen kennen lernen möchte, besuche bitte die folgenden Seiten http://www.net- lexikon.de/Soziologie.html#Bekannte_Soziologinnen_und_Soziologen und http://www.philolex.de/philolex.htm