doc - ChidS

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Hinweis:
Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule).
Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht herunter geladen werden,
unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende:
http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Chemie
15133 00885 SE Übungen im Experimentalvortrag für Studierende des
Lehramts
Leitung: Herr Prof. U. Koert, Herr Prof. U. Müller, Herr Prof. B. Neumüller,
Herr Dr. Ph. Reiß
Sommersemester 2005
Ausarbeitung zum Experimentalvortrag mit dem Thema:
Was tun bei…?
Streifzüge durch den
Körper und die Apotheke
vorgelegt von:
Julia Kranz
Anschrift: Pilgrimstein 26, 35037 Marburg, Tel.: 06421/979880
E-Mail: [email protected]
1
Inhaltsverzeichnis
1 Arzneimittel in der Historie: Motivationsphase
1
D1: Apotheken-Schauglas
1
2 In der Rezeptur der Apotheke: Biogene Arzneimittel
2.1 Baldrian: Was tun bei…Schlafstörungen und Unruhe?
D2: Gewinnung ätherischer Öle aus Baldrianwurzel
5
5
5
2.2 Antibiotika: Was tun bei…bakteriellen Erkrankungen?
9
D3: Wirkungsweise von Penicillinen
12
3 In der chemisch-pharmazeutischen Industrie: Synthetische
16
Arzneimittel
3.1 Analgetika: Was tun bei…Schmerzen jeglicher Art?
16
V 1: Synthese von Paracetamol®
18
V2: Nachweis von Paracetamol®
20
V 3: Modellversuch zu Drug-Delivery-Systemen
26
3.2 Antazida: Was tun bei…Sodbrennen?
30
V4: Räumt Rennie® den Magen auf?
31
D4: Wirkungsweise von Alginatpräparaten
35
V 5: Talcid® und Fruchtsäuren
38
4 Schulrelevanz und Ergebnis
42
4.1 Was kann man also tun…bei Nichtnennung im Lehrplan?
42
5 Literaturangaben
44
2
1 Arzneimittel in der Historie: Motivationsphase
Gesund sein und bleiben – ein Wunsch, der für die Menschen von je her von
ganz besonderer Bedeutung war und ist. Für eine ganze Reihe von
Heilpflanzen finden sich Hinweise auf ihre Anwendung schon in vor- und
frühgeschichtlicher Zeit. Von der Antike über das Mittelalter bis in die
Neuzeit prägten namhafte Personen das Bild der Medizin: Zu ihnen zählen
Theophrastos von Eresos (371-287 v. Chr.), Odo von Meung (11.
Jahrhundert), Avicenna (980-1037), Hildegard von Bingen (1089-1179) oder
Paracelsus (1493-1541), um nur eine Auswahl zu nennen [30].
Während von diesen die pharmakologische Wirkung von tierischen,
pflanzlichen
und
mineralischen
Produkten
auf
den
menschlichen
Organismus erforscht wurde, kam es in der Neuzeit im Zuge der
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu ganz erheblichen Veränderungen
des Arzneischatzes: Es begann der Siegeszug der organisch-synthetischen
Arzneimittel.
Die Apotheken hatten eine Vielzahl von Arzneimitteln im Angebot, für die
durch so genannte Apotheken-Schaugläser, die in den Auslagefenstern der
Apotheken ausgestellt wurden, Werbung gemacht wurde:
Demonstration 1: Apotheken-Schauglas [24]
Geräte:
Geeignetes Glasgefäß, z.B. schlanke Essig- oder Weinflasche
Chemikalien:
Edukte
M
Smp.
[g/mol] /Sdp.
[°C]
Trichlormethan 119,38 -63
(Chloroform)
61
1,2,3Propantriol
(Glycerin)
Sudanrot 7B
Rizinusöl
92,09
18
290
379,45
130
Fp.
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
R 22-38-40-48/20/22
S 36/37
Xn
S 24/25
R 40
S 22-36/37-45
Xn
S 24/25
Verwendete
Menge [mL
oder g]
100 mL
100 mL
1 Sp.
100 mL
3
Ethanol
229
78
47,07
Lebertran
Methylenblau
319,85
Methanol
32,04
Leichtbenzin
R 11
S 7-16
F
--190
R 22
Xn
-98
R 11-23/25
65
S 7-16-24-45
F, T
20-80 R 11-38-51/53-65-67
S 9-16-23-24-33-61-62
Xn, F, N
ca. 50 mL
100 mL
ca. 1 mL
100 mL
100 mL
Versuchsprotokoll:
Einzelne Flüssigkeiten werden zunächst zur besseren Erkennung der
Phasengrenzen angefärbt: Chloroform besitzt durch die Extraktion von
Chlorophyll aus Gras eine grüne Farbe, Rizinusöl wird mit Sudanrot 7B
gefärbt, Lebertran besitzt von Natur aus eine leicht gelbe Farbe und zu
Methanol wird Methylenblau zugesetzt.
Diese Färbetechniken und Farbstoffe wurden Ende des 18. Jahrhunderts
zum Färben von Tabletten, Tinkturen und Extrakten eingesetzt.
Zudem bereitet man ein Ethanol-Wasser-Gemisch mit einer Dichte von
0,935 g/m3, was ca. 48 Vol% Ethanol entspricht.
Anschließend
lässt
man
die
Flüssigkeiten
vorsichtig
in
folgender
Reihenfolge in das Glasgefäß fließen: Chloroform – Glycerin – Rizinusöl –
Ethanol-Wasser-Gemisch – Lebertran – Methanol – Leichtbenzin.
Entsorgung:
Der Inhalt des Glasgefäßes wird neutral in den Behälter für organische
Abfälle entsorgt.
Versuchsauswertung:
Die Schichtung der verschiedenfarbigen Flüssigkeiten beruht auf ihrer
unterschiedlichen Dichte: Die Dichte der Verbindungen im Gefäß nimmt
nach oben hin ab, so dass sich immer die Verbindung mit der geringeren
Dichte über der mit der höheren Dichte anordnet:
4
Name
Dichte
g/mL
Leichtbenzin
~0.72
Methanol
0.79
Lebertran
0.90
Ethanol-Wasser-Gemisch 0.93
Rizinusöl
0.96
Glycerin
1.26
Chloroform
1.49
Zudem wird ein Vermischen der Flüssigkeiten dadurch verhindert, dass
immer abwechselnd eher hydrophile und eher lipophile Verbindungen
übereinander geschichtet werden.
Selbstverständlich verwendete man zur Herstellung der Schaugläser
pharmazeutisch relevante Substanzen, die zu jener Zeit in den Apotheken
abgegeben wurden:
Chloroform wurde 1847 durch Simpson als Narkosemittel eingeführt.
Unter Narkose versteht man die reversible Lähmung von Teilen des ZNS,
wobei
Bewusstsein,
Schmerzempfindung,
Abwehrkräfte
und
Muskelspannung weitgehend ausgeschaltet sind; die lebenswichtigen
Zentren aber möglichst unbeeinflusst bleiben. Aufgrund des Verdachts auf
Kanzerogenität wird Chloroform heute nicht mehr als Narkosemittel
eingesetzt.
Glycerin dient als Lösungsmittel, Weichmacher und Feuchthaltemittel. Es
wird zur Bereitung pharmazeutischer Präparate und in der Kosmetik
eingesetzt [1].
Rizinusöl ist ein biogener Arzneistoff, der als Abführmittel Verwendung
findet. Ethanol bildet die Grundlage vieler Tinkturen und dient als
Desinfektionsmittel.
Lebertran ist ein tierisches Arzneimittel, das aus der Leber des Kabeljaus
gewonnen wird und wegen seiner mehrfach ungesättigten Omega-3-
5
Fettsäuren und dem relativ hohen Gehalt an Vitamin A und D im 18.
Jahrhundert zur Behandlung von Rachitis eingesetzt wurde.
Methanol und Leichtbenzin sind Beispiele für die enge Verbindung von
Pharmakologie und Toxikologie: Methanol wirkt im Gegensatz zu Ethanol
als
Zell-
und
Plasmagift;
Leichtbenzin
kann
zur
Erzeugung
von
Rauschzuständen missbraucht werden [2] [5].
Es zeigt sich also anhand der Apotheken-Schaugläser die große Vielfalt und
Breite des Gebiets der Pharmazie. Im Folgenden sei daher anhand wichtiger
und bekannter Arzneimittel auf die biogenen Arzneimittel und dann vor allem
auf verschiedene Gruppen von chemisch synthetisierten Fertigarzneimitteln
eingegangen.
2 In der Rezeptur der Apotheke: Biogene Arzneimittel
2.1 Baldrian: Was tun bei…Schlafstörungen und Unruhe?
Nehmen wir uns als Beispiel mal einen Studenten. Geben wir
ihm den Namen Rolf. Rolf studiert Chemie auf Lehramt und hat
eine wichtige Prüfung vor sich. Er ist ziemlich nervös und weiß
schon vorher, dass er bestimmt am Abend zuvor vor Aufregung
nicht einschlafen kann.
Was kann er nun tun, um seinen Schlafstörungen und seiner
Unruhe zu begegnen?
Häufig kommen getrocknete Pflanzenteile, so genannte Drogen, wie
Baldrianwurzel (Valerianae radix) zum Einsatz. Baldrianwurzel besteht aus
den unterirdischen Organen – Wurzelstock, Wurzeln und Ausläufern – von
Baldrian (Valeriana officinalis). Es handelt sich hierbei um eine zweijährige
Staude, die bis zu zwei Metern hoch wird und ein fleischrosa bis weiße
Blütenkrone besitzt. Die Pflanze ist in Europa und Asien verbreitet.
6
Baldrianwurzel enthält 0,5% bis 1,5% ätherische Öle,
die durch Perkolation, ein spezielles Verfahren der
Extraktion isoliert werden können [5]:
Demonstration 2: Gewinnung ätherischer Öle aus Baldrianwurzel [20]
Geräte:
Stativmaterial
1 Stativring
2 Doppelmuffen
1 Erlenmeyerkolben (250 mL)
1 Scheidetrichter (250 mL)
1 rundes Filterpapier
1 Tropftrichter (100 mL)
1 Glastrichter
1 Becherglas (600 mL)
1 großes Uhrglas
Mörser mit Pistill
Watte
Chemikalien:
Edukte
Baldrianwurzel
Ethanol
M
Smp.
[g/mol] /Sdp.
[°C]
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
47,07
R 11
S 7-16
F
78
Verwendete
Menge [mL
oder g]
30 g
ca. 200 mL
7
Versuchsaufbau:
Doppelmuffen
Tropftrichter (100 mL) mit Ethanol-Wasser-Gemisch
Filterpapier
Scheidetrichter (250 mL) mit Baldrianwurzelsud
Stativring
Wattebausch
Erlenmeyerkolben (250 mL) mit Extrakt
Versuchsprotokoll:
Die im Mörser zerkleinerte Droge wird zunächst mit dem Lösungsmittel,
einem 1:1-Gemisch aus Ethanol und ention. Wasser durchfeuchtet und
bleibt etwa zwei Stunden lang mit einem Uhrglas bedeckt stehen.
Anschließend
wird
die
Droge
in
einen
mit
einem
Wattebausch
verschlossenen Perkolator eingefüllt. Die Drogenoberfläche wird mit einem
Filterpapier abgedeckt, um ein Aufwirbeln der Pflanzenteile bei der
Extraktion zu verhindern. Man lässt den Perkolator 24 Stunden stehen.
Danach lässt man die Flüssigkeit so abfließen, dass etwa zehn Tropfen pro
Minute abtropfen. Der Nachfluss der Extraktionsflüssigkeit wird so geregelt,
dass die Drogenoberfläche stets mit Lösungsmittel bedeckt bleibt. Die
Perkolation ist beendet, wenn die dem einfachen oder doppelten
Drogengewicht entsprechende Menge Extraktionsflüssigkeit verbraucht ist
und das Abtropfen des Perkolats aufhört.
Man
erhält
einen
rotbraunen
intensiv
nach
Baldrian
riechenden
ethanolischen Extrakt.
Entsorgung:
Reste des Lösungsmittels werden in den Behälter für organische Abfälle
entsorgt. Die Menge des gewonnen Extrakts ist so gering, dass er in den
Abguss entsorgt werden kann.
8
Versuchsauswertung:
Unter Extrakten versteht man allgemein Auszüge aus frischen oder
getrockneten pflanzlichen oder tierischen Stoffen, die mit Hilfe eines
geeigneten Lösungsmittels gewonnen werden.
Die Perkolation ist eine Kaltextraktion, die auch als ‚Durchseihen’ bezeichnet
werden kann.
Welche Inhaltsstoffe enthält nun aber der gewonnene Baldrianextrakt?
Die Zusammensetzung der ätherischen Öle ist je nach Chemotyp der
Pflanze unterschiedlich. Das gewonnene ätherische Öl enthält überwiegend
verschiedene Esteriridoide mit Epoxidstruktur, die so genannten Valepotriate
(Valeriana-epoxy-triester).
Hierbei handelt es sich um labile, nicht flüchtige, lipophile Stoffe.
Vorherrschend sind Valtrat, Isovaltrat und Acevaltrat. Sie unterscheiden sich
lediglich in ihren Substituenten R1, R2 und R3:
O
O
3R
O
2
R
O
H
O
H
O
O
O
1
R
Es handelt sich um bicyclische Monoterpene, die sich vom Iridodial bzw.
dessen Enolhalbacetal ableiten lassen:
CH3
CH3
H
H
CHO
H
O
CHO
H3C
H
H3C
Iridodial
OH
Halbacetal
9
Daher erfolgt die Zuordnung zur Gruppe der Esteriridoide. Valeportriate
kommen in allen Gattungen der Familie der Baldriangewächse vor.
Neben den Valepotriaten enthält die Droge weitere Bestandteile, die je nach
Unterart sehr verschieden sein können. Wesentliche Anteile entfallen auf
(-)-Bornylacetat
oder Sesquiterpene
wie
Valerenal,
Valeranon
oder
Valerensäure:
CH3
CH 2OR
H
O
H3C
CH3
OHC
R
Baldrinale
Sesquiterpene
Der typische Geruch des ätherischen Baldrianöls wird vorwiegend durch das
(-)-Bornylisovalerianat und freie Isovaleriansäure bestimmt.
Alle Verbindungen besitzen polare Substituenten, so dass sie durch das
polare Lösungsmittel extrahiert werden können
Die
Baldrianwurzel
wird
wegen
ihrer sedativen, hypotensiven
und
antikonvulsiven Wirksamkeit bei psychovegetativen und psychosomatischen
Störungen wie z.B. Unruhezuständen, Angst und nervös bedingten
Einschlafstörungen
Baldriantinktur,
verwendet.
Baldriantee
sowie
Eingesetzt
Extrakte
werden
oder
vorwiegend
Presssäfte
der
Baldrianwurzel in Fertigarzneimitteln. Auch der Einsatz als Badezusatz ist
möglich. Zudem wird Baldrian häufig in Kombinationspräparaten mit
anderen sedativ wirkenden Drogen wie Melissenblättern oder Hopfenzapfen
vertrieben.
Baldrianpräparate gehören zu den meistverwendeten Phytopharmaka.
Tierversuche deuten darauf hin, dass die sedative Wirkung auf die
Wechselwirkung mit Adenosinrezeptoren und/oder auf eine Ausschüttung
von γ-Aminobuttersäure sowie eine Hemmung ihrer Rückspeicherung im
10
ZNS zurückzuführen ist. Welche Inhaltsstoffe des Baldrians die Wirkung
auslösen, ist noch unklar [2] [5].
2.2 Antibiotika: Was tun bei…bakteriellen Erkrankungen?
Tja, zurück zu unserem Studenten Rolf: Nach der Prüfung ist
die Freude bei ihm natürlich groß, dass er sie endlich hinter sich
gebracht
hat,
was
auch
gebührend
gefeiert
werden
muss…Doch war es für eine Frühlings-Grill-Party noch recht
kühl! So melden sich am nächsten Morgen bei unserem
Patienten üble Halsschmerzen. Sein Hausarzt stellt eine
Infektion der oberen Atemwege fest, inklusive Rachen- und
Mandelentzündung.
Was ist nun bei dieser bakteriellen Erkrankung zu tun? – Der
Arzt verschreibt unserem Studenten ein Antibiotikum.
Doch was ist das und wie wirken sie?
Antibiotika sind biogene Stoffe bzw. deren Derivate, die in der Lage sind, die
Vermehrung von Mikroorganismen zu verhindern oder diese abzutöten,
ohne den Menschen zu schädigen.
Je nach Angriffsort werden verschiedene Gruppen unter den Antibiotika
unterschieden: Es kann zur Hemmung der bakteriellen Proteinbiosynthese
kommen. Dies ist bei Aminoglykosiden und Mikroliden der Fall. Des
Weiteren besteht die Möglichkeit der Änderung der Durchlässigkeit der
Zytoplasma-Membran, was durch Antimykotika gewährleistet wird. Und
schließlich der wohl bekannteste und am besten erforschte Angriffsort: die
Bakterienwand, deren Aufbau durch Glykopeptide und beta-Lactame
gehemmt wird [1].
Zu den beta-Lactamen zählen die Penicilline, mit deren Wirkungsweise ich
mich im Folgenden näher beschäftigen möchte:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde von mehreren Bakteriologen, wie
z.B. Pasteur und Joubert, die gegenseitige Wachstumshemmung von
Bakterienstämmen beobachtet und als ‚Antibiose’ bezeichnet. 1928 machte
11
Alexander Fleming die Zufallsentdeckung, dass auf einer vom Schimmelpilz
Penicillinum
notatum
befallenen
Petrischale
die
darin
enthaltene
Bakterienkultur im direkten Umfeld des Pilzes nicht wuchs. Es wurde daher
vermutet, dass der Pilz einen Stoff ausscheidet (Penicillin genannt), der das
Bakterienwachstum hemmt.
Während des Zweiten Weltkriegs konnte der Stoff schließlich isoliert und
seine chemische Struktur mittels Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt werden.
Heute wird Penicillin von eigens gezüchteten Hochleistungspilzkulturen im
industriellen Maßstab produziert [1] [10] [16].
Strukturchemisch zählen die Penicilline zu den beta-Lactam-Antibiotika, da
sie sich von einem bizyklischen Ringsystem bestehend aus einem
Thiazolidin und eben einem beta-Lactam-Ring, dem Penam, ableiten:
H
S
7
5 4
1
N
Penam
O
Biogenetisch entsteht der Bizyklus aus L-Cystein und D-Valin, aus denen 6Aminopenicillansäure
(6-APS)
gebildet
wird.
Diese
enthält
drei
Chiralitätszentren:
CH3
S
H2N
*
H
N
O
CH3
H
*
O
*
H
HO
6-Aminopenicillansäure
6-APS
Penicilline sind Derivate der 6-APS.
Das erste großtechnisch durch Fermentation dargestellte Penicillin war das
natürlich vorkommende Benzylpenicillin (Penicillin G):
12
CH3
NH
S
H
CH3
O
O
H
N
O
HO
Benzylpenicillin
Wie man im Vergleich des Benzylpenicillins mit der 6-APS erkennen kann,
unterscheiden sich die Penicilline letztlich nur in ihrem Substituenten an der
NH2-Gruppe der 6-APS [1].
Der Nachteil der ersten Penicilline war, dass der Lactamring nicht
säurestabil ist. Durch chemische Abwandlung gelang es später Penicillin
auch oral zu applizieren [1] [14].
Dem an Halsschmerzen leidenden Studenten Rolf könnte also ein Präparat
verabreicht worden sein, das als Wirkstoff ein solches Penicillin enthält.
Doch wie wirkt dieses Penicillinum?
Demonstration 3: Wirkungsweise von Penicillinen [12] [15]
Geräte:
1 Magnetrührer
1 Becherglas (100 mL)
1 Glasstab
1 Tropfpipette
1 Glastrichter
Filterpapier
pH-Papier
2 Petrischalen mit Deckel
1 rechtwinkliges Glasrohr
1 Trockenschrank (T = 34°C)
Pinzette
Wattestäbchen
13
Chemikalien:
Edukte
Pepton (Fleischextrakt)
Natriumchlorid
Natriumcarbo-nat
M
[g/mol]
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
58,43
105,99
S 24/25
R 36
S 22-26
Xi
Agar-Agar
Penicillinum (hier
Zithromax®)
Verwendete
Menge [mL
oder g]
2g
0,5 g
1,2 g
1 Kapsel
Versuchsprotokoll:
Zur Züchtung von Bakterienkulturen wird zunächst ein Nährboden
angesetzt. Dazu werden auf dem Magnetrührer unter Erhitzen 2g Pepton,
0,5 g Natriumchlorid und 1,2 g Agar-Agar in 100 g Leitungswasser unter
Rühren gelöst. Danach filtriert man heiß durch ein Faltenfilter und stellt den
pH-Wert der klaren Lösung mit Natriumcarbonat-Lösung auf 7,2 ein.
Anschließend wird die Lösung in 2-3 mm Schichtdicke in zwei Petrischalen
gegossen und nach dem Abkühlen mit Mundspeichel und durch Anhusten
infiziert. Der Speichel wird mit einem rechtwinkligen Glasrohr gleichmäßig
auf dem Nährboden verteilt.
In die Mitte des einen Nährbodens legt man nun das mit einer wässrigen
Lösung eines Penicillinum (hier Zithromax®) getränktes Filterpapier. Die
abgedeckte Platte bleibt einige Tage im Dunkeln bei ca. 34°C im
Trockenschrank stehen.
Auf dem Nährboden mit dem Antibiotikum bildet sich ein Hemmhof, in dem
keine Bakterien gewachsen sind (siehe oben).
Das heißt deren Wachstum wurde durch das Penicillinum gehemmt.
Entsorgung:
Die Nährböden werden in die Feststoffabfälle entsorgt.
Versuchsauswertung:
Man kann also zunächst festhalten, dass Penicilline das Bakterienwachstum
hemmen bzw. diese abtöten.
Penicilline hemmen die Biosynthese der bakteriellen Zellwand.
14
Haupangriffspunkt
sind
die
am
Aufbau
des
Mureins
beteiligten
Transpeptidasen. Die Antibiotika besitzen strukturelle und räumliche
Ähnlichkeit zum Dipeptid D-Alanyl-D-Alanin, einem Strukturelement einer
Mureinvorstufe.
Daher
reagieren
sie
wie
das
Dipeptid
mit
den
Transpeptidasen und inaktivieren sie durch Acylierung.
Die Transpeptidase wird durch Ausbildung einer kovalenten Bindung
irreversibel blockiert. Für diese Reaktion ist der gespannte beta-LactamRing verantwortlich. Unter Ringöffnung wird die Transpeptidase vom
Antibiotikum substituiert:
CH3
R
Transpeptidase +
S
NH
H
CH3
O
H
N
O
HO
CH3
R
NH
H
O
S
H
O
N
H
HO
Transpeptidase
Somit
wird
eine
CH3
Schließung
der
Peptidbrücke
zwischen
den
Polysaccharidketten der Zellwand verhindert und die Zellwand hat nicht die
nötige
Stabilität,
um
dem
osmotischen
Druck
des
Zytoplasmas
standzuhalten. Nach Plasmolyse (Loslösung des Protoplasmas von der
Zellwand und Zusammenziehung um den Kern durch das Entziehen von
Wasser) erfolgt der Zelltod.
Problematisch ist die Resistenz einiger Bakterien gegenüber Penicillinen.
Sie produzieren das Enzym Penicillinase, das den beta-Lactam-Ring
hydrolysiert, bevor er sich an die Transpeptidase binden kann. In solchen
15
Fällen greift man auf die den Penicillinen verwandten Cephalosphorine
zurück [1] [2] [4] [5].
3 In der chemisch-pharmazeutischen Industrie: Synthetische
Arzneimittel
3.1 Analgetika: Was tun bei…Schmerzen jeglicher Art?
Neben dem Infekt plagt unseren Studenten Rolf am Morgen
nach der Feier natürlich auch ein übler Kater.
Was tut man nun bei Schmerzen jeglicher Art?
Man greift zu den Analgetika. Dabei handelt es sich um Pharmaka, die in
therapeutischen Dosen die Schmerzempfindung vermindern oder aufheben,
ohne in der üblichen Dosierung narkotisch zu wirken.
Schmerzen haben bei zahlreichen Krankheiten die Funktion eines
Warnsystems.
Sie
treten
ferner
bei
Gewebeschädigungen
sowie
mechanischen, thermischen, elektrischen oder chemischen Reizen auf.
Dabei kommt es zur Freisetzung von Überträgerstoffen, die eine Reizung
von peripheren Schmerzrezeptoren bewirken. Deren Impulse gelangen über
Rückenmark
und
Hypothalamus
zum
Schmerzzentrum.
Die
Schmerzrezeptoren sind freie Nervenendigungen in der oberen Hautschicht
und den Kapseln der inneren Organe. Als Mediatoren (Überträgerstoffe) für
eine Schmerzempfindung dienen zahlreiche Stoffe, insbesondere das Peptid
Bradykinin, Prostaglandine und der Neurotransmitter Serotonin [1].
Man unterscheidet nach den Angriffspunkten und ihrer Wirkung zwischen
starken und schwachen Analgetika. Zu den starken Analgetika zählen
Opiate, Morphine, Codein, Methadon sowie die körpereigenen Enkephaline
und Endorphine. Sie wirken zentral.
Im Folgenden werden die schwach, vor allem peripher wirksamen
Analgetika im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Hierzu zählen Pyrazol-,
Anilin-
und
Salicylsäurederivate.
Diese
Medikamente
sind
unter
16
Markennamen wie Novalgin®, Paracetamol® und Aspirin® im Handel
erhältlich.
Die
Substanzen
(schmerzlindernd),
dieser
Gruppe
sondern
auch
wirken
nicht
antipyretisch
nur
analgetisch
(fiebersenkend)
und
antiphlogistisch (entzündungshemmend) [14].
Die Analgetika werden synthetisch hergestellt.
Als Beispiel für die schwach wirksamen Analgetika sei nun genauer auf die
Anilinderivate eingegangen:
1887 kam es zufällig zur Entdeckung der analgetischen und antipyretischen
Wirkung von Acetanilid, indem Dr. Hepp, ein Apotheker, seinem Bruder, der
eine eventuelle fiebersenkende Wirkung von Naphthalin austesten sollte,
versehentlich das ebenfalls weiße Pulver Acetanilid zusandte. Acetanilid
gelangte als Antifebrin® auf den Markt. Schon kurze Zeit später erkannte
man, dass Acetanilid in vivo zu toxischem Anilin hydrolysiert wird und setzte
es daher ab.
Carl Duisberg kam ein Jahr später auf die Idee, das als Abfallprodukt in der
Farbenindustrie anfallende 4-Nitrophenol zur Synthese eines dem Acetanilid
verwandten Analgetikums zu nutzen. Die Synthese gelang bei Bayer und
das Analgetikum gelangte als Phenacetin® in den Handel.
Hierdurch wandte sich die Farbenindustrie auch langfristig einem ganz
neuen Gebiet zu: der Produktion von Arzneimitteln aus Steinkohleteer [31].
Heute
wird
statt
Phenacetin® dessen Hauptmetabolit
Paracetamol®
verwendet, da er eine geringere methämoglobinbildende Wirkung besitzt.
Paracetamol® existiert als Substanz wie als Handelsname. Der Wirkstoff ist
auch in benuron® oder Thomapyrin® N enthalten.
NH
O
Acetanilid
NH
CH3
H3C
CH3
O
O
Phenacetin
NH
CH3
O
HO
Paracetamol
Die Synthese von Paracetamol® sei nun aufgezeigt:
17
Versuch 1: Synthese von Paracetamol® [selbst entwickelt]
Geräte:
1 Becherglas (250 mL)
1 Magnetrührer
1 Rührfisch
1 Kontaktthermometer (T= 80°C)
1 Plastikschüssel mit Eis
1 Saugflasche (250 mL)
1 Büchnertrichter
geeignetes Filterpapier
1 Membranpumpe
1 Petrischale
2 Tropfpipetten
1 Spritzflasche mit ention. Wasser
Chemikalien:
Edukte
M
[g/mol]
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
4-Hydroxy-anilin (4Aminophenol)
109,13
Essigsäurean-hydrid
102,09
R 20/22-40-50/53
S 28.1-36/37-60-61
Xn, N
R 10-34
S 26-45
C
Verwendete
Menge [mL
oder g]
2,5 g
3 mL
Versuchsprotokoll:
Zur Synthese von Paracetamol werden 2,5 g 4-Hydroxyanilin in ein
Becherglas überführt und in ca. 8 mL ention. Wasser suspendiert. Die
Suspension erhitzt man nun auf 80 °C und fügt in die erhitzte Suspension 3
mL Essigsäureanhydrid hinzu. Es erfolgt noch keine Niederschlagsbildung
und die Lösung besitzt eine leicht braune Farbe. Es ist ein intensiver
Essigsäuregeruch wahrnehmbar (Abzug!). Nach kurzem Erhitzen wird die
Lösung einige Minuten ins Eisbad gestellt und mit einem Glasstab geimpft.
In der Kälte bildet sich innerhalb von 10-15 Minuten ein feinkristalliner
weißer Niederschlag von Paracetamol®.
18
Der Niederschlag wird abgesaugt, mit kaltem ention. Wasser gewaschen
und getrocknet. Man erhält ein reinweißes Pulver, das dem einer
pulverisierten Paracetamol® -Tablette gleicht.
Entsorgung:
Das gewonnene Paracetamol® kann in die Feststoffabfälle entsorgt werden.
Die abgesaugte Reaktionslösung wird neutral in den Behälter für organische
Abfälle gegeben.
Versuchsauswertung:
H
NH2
+
HO
O
H3C
O
_
O
_
N
CH3
+
CH3
O
HO
4-Hydroxyanilin
O
CH3
HO
4-Hydroxyacetanilid
Paracetamol
H
H
N+ R
+
- O
H3C
_
O
_
O
O
H3C
CH3
O
N+
+
R
+
H
- O
CH3
H
4-Hydroxyanilin wird mit Essigsäureanhydrid zu 4-Hydroxyacetanilid, dem
Paracetamol®, und der am Geruch wahrnehmbaren Essigsäure umgesetzt.
Mechanistisch erfolgt wohl zunächst ein nucleophiler Angriff des freien
Elektronenpaares am Stickstoff-Atom der NH2-Gruppe des 4-Hydroxyanilins
an einem der delta-positiven C-Atome des Essigsäureanhydrids. Es entsteht
in einer Gleichgewichtsreaktion eine tetraedrische Zwischenstufe. Hier
entsteht nun eine neue Bindung unter Ausbildung einer Carbonyl-Gruppe.
Die Verbindung wird aufgespalten.
Dabei handelt es sich um einen irreversiblen Reaktionsschritt, da sich das
Carboxylat-Ion
in
einer
thermodynamischen
Senke
befindet.
Die
19
entstehenden
Ionen
reagieren
in
einer
Säure-Base-Reaktion
zu
Paracetamol® und Essigsäure weiter.
Es handelt sich insgesamt um eine Reaktion eines primären Amins mit
einem Säureanhydrid über eine tetraedrische Zwischenstufe.
Um zu zeigen, dass tatsächlich Paracetamol® entstanden ist, wird nun der
Nachweis durchgeführt:
Versuch 2: Nachweis von Paracetamol [in Anlehnung an 12]
Geräte:
1 Spatel
1 Bunsenbrenner
1 Reagenzglasklammer
1 schwerschmelzbares Reagenzglas
1 Messzylinder (25 mL)
1 Reagenzglasständer
1 Glasstab
Chemikalien:
Edukte
M
[g/mol]
Salzsäure (c = 0,1
mol/L)
Kaliumdichro-mat
36,45
294,19
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
Verwendete
Menge [mL
oder g]
1 mL
R 21-25-26-37/3841-43-46-49-50/53
S 45-53-60-61
T+, N
1 Sp.
Versuchsprotokoll:
Man erhitzt eine Spatelspitze des gewonnenen Paracetamols® mit 1 mL
Salzsäure (c = 0,1 mol/L) bis zum Sieden, verdünnt anschließend mit 10 mL
ention. Wasser und gibt 1 Spatelspitze festes Kaliumdichromat hinzu.
Es tritt eine immer intensiver werdende rubinrote Farbe auf, die sich deutlich
von der Eigenfarbe des Kaliumdichromats unterscheidet.
20
Entsorgung:
Die Abfälle werden neutral in den Behälter für organische Chemikalien
entsorgt. Aufgrund des Einsatzes von Kaliumdichromat ist gründlichst darauf
zu achten, dass keine Chemikalien in die Abwässer gelangen.
Versuchsauswertung:
H
H
N
CH3
N
H
CH3
+
+H
(aq)
O
HO
+
+
O+
HO
O
H
H
Paracetamol
Amid
H
H
++
N
CH3
H
O
N
++
H
NH2
++
H
H
H
NH2
O
HO
O
HO
H
+
HO
H
O
O
HO
CH3
O
+
CH3
HO
HO
CH3
+ H+(aq)
4-Hydroxyanilin
Zunächst erfolgt eine Amidhydrolyse durch wässrige Salzsäure. Dabei greift
das freie Elektronenpaar des Sauerstoff-Atoms der Carbonylgruppe des
Paractamols® am katalytisch wirkenden Proton an. Es bildet sich ein
Oxonium-Ion. An dessen positiv polarisierten C-Atom kann nun im nächsten
Schritt das Sauerstoff-Atom des Wassers nucleophil angreifen. Es kommt
zur Bildung einer tetraedrischen Zwischenstufe. Das freie Elektronenpaar
des
Stickstoff-Atoms
greift
nun
am
Wasserstoff-Atom
des
noch
vorgebildeten Wassermoleküls an, wodurch es zur Bildung eines positiv
geladenen Stickstoff-Atoms und einer Hydroxygruppe kommt. Nun entsteht
eine neue Bindung unter Beteiligung des freien Elektronenpaars des
Sauerstoff-Atoms der Hydroxygruppe unter Bildung einer Doppelbindung.
21
Unter Aufbrechen der N – C-Bindung im Molekül erlangt das Stickstoff-Atom
wieder sein Elektronenoktett. Das instabile Oxonium-Ion reagiert nun in
einem letzten Schritt unter Freisetzung des Katalysators und Essigsäure
weiter. Es entsteht 4-Hydroxyanilin.
Es folgt nun eine erste Redoxreaktion, die folgendermaßen ablaufen könnte
[3]:
H
H
H
N
H
N +II
OH
0
H
N
HO
OH
+ 2 e + 2 H+(aq)
+
HO
H2N
H
+ VI
+ III
Cr2O72-(aq)
-
+
+ 6 e + 14 H
2 Cr3+(aq) + 7 H2O
(aq)
H
N
H
H
3
+ 3
HO
OH
+ Cr2O72-(aq) + 8 H+(aq)
H
N
H
H
N
OH
+ 2 Cr3+(aq) +
3
HO
7 H2O
H2N
In der Oxidation greift das freie Elektronenpaar eines 4-HydroxyanilinMoleküls nucleophil am positiv polarisierten C-Atom eines anderen 4Hydroxyanilin-Moleküls an. Diese Angriffsposition ist aufgrund der +M/-IEffekte der NH2- und OH-Gruppe des 4-Hydroxyanilin-Moleküls besonders
zur Reaktion begünstigt. Es kommt zur Abgabe von zwei Elektronen.
Im Reduktionsschritt wird Dichromat von der Oxidationsstufe +VI zu
Chrom(III)-Ionen reduziert.
Die Gesamtreaktion ist darunter nochmals zusammengefasst.
22
Das
Reaktionsprodukt
dieser
ersten
Redoxreaktion
reagiert
nun
wahrscheinlich unter weiteren Redox- und Kondensationsreaktionen unter
Bildung von rubinroten Phenazin-Derivaten weiter:
NH2
H
N
Cr2O72-(aq)
HO
HO
N
HO
OH
H2N
OH
H2N
Cr2O72-(aq) H2O
OH
N
N
HO
O
Cr2O72-(aq)
Cr2O72-(aq)
NH2
HO
HO
N
OH
N
N
OH
N
HO
OH
+
N
H
Phenazin-Derivate
rubinrot
OH
Die genauen Mechanismen der Nachweisreaktionen sind noch nicht geklärt.
Zudem muss festgehalten werden, dass die Nachweisreaktion auf
Paracetamol® nicht besonders spezifisch ist, da sie auch zum Nachweis von
Phenacetin® eingesetzt werden kann [12] und in der Amidhydrolyse
zunächst
das
Ausgangsprodukt
der
Paracetamol®-Synthese
(4-
Hydroxyanilin) gewonnen wird. Fand also keine Umsetzung statt, so verläuft
die Nachweisreaktion dennoch positiv.
Für die Bildung von Paracetamol® bei der Synthese spricht jedoch der
reinweiße, feinkristalline Niederschlag, der sich in seinem Aussehen deutlich
vom 4-Hydroxyanilin unterscheidet.
Die durchgeführte Nachweisreaktion ist zudem in der einschlägigen Literatur
durchgehend angeführt [1] [3] [4].
23
Bezüglich der Wirkungsweise ist zu Paracetamol® zu sagen, dass es zu
keiner Phase-I-Reaktion kommt, da es sich bei Paracetamol® bereits um die
pharmazeutisch wirksame Substanz handelt.
Paracetamol® besitzt anders als Salicylsäurederivate keine periphere,
sondern zentrale Wirkung – ähnlich den stark wirksamen Analgetika.
In der Phase-II-Reaktion (Biotransformation) wird Paracetamol® auf dem
Weg einer Konjugation ausgeschieden. Hierbei wird D-Glucuronsäure in der
Leber, katalysiert durch UDP-Glucuronyltransferasen, mit der phenolischen
Hydroxygruppe des Paracetamols® umgesetzt. Es entstehen Glucuronide
mit Glycosidcharakter (Vollacetale) [1]:
Abbau toxischer Metabolite
Konjugation
CH3 + D-Glucuronsäure
NH
CH3
N
O
HO
OH
O
O
-
HO
O
O
O
OH
O
+
H3C
2 H2O
O
N-Acetyl-p-
NH
Glucuronid
O
benzochinonimin
H3C
S
Gly, Glu,
CoA
CH3
HS-CoA
HN
O
O
S
OH
OH
H
HN
Mercaptursäure
O
Mercaptursäure-Derivat
des Paracetamols
H3C
Bei einer Überdosierung von Paracetamol® kann es zu leberschädigenden
Wirkungen kommen, für die das entstehende N-Acetyl-p-benzochinonimin
verantwortlich sein soll.
Bei normaler Dosierung wird das Chinonimin durch Kopplung mit Glutathion
abgefangen. Dabei handelt es sich um ein Tripeptid aus Gly-Cys-Glu. Unter
Vermittlung von Glutathiontransferasen entsteht zunächst ein Glutathion24
Konjugat, das unter Abspaltung von Glycin und Glutaminsäure in ein
Cystein-Konjugat
überführt
wird.
Dieses
wird
anschließend
zu
Mercaptursäure acetyliert.
Somit ist über den Mercaptursäureweg das lebertoxische Chinonimin
abgebaut.
Die Ausführungen zu Paracetamol® zeigen eindrucksvoll die Gewinnung und
den Abbau eines pharmakologisch potenten Wirkstoffs.
Doch ein Wirkstoff ist noch lange kein Arzneimittel. Um therapeutisch
anwendbar zu sein, muss für diesen Wirkstoff erst eine Darreichungsform
entwickelt werden. Dies ist Aufgabe der Galenik.
Analgetika werden in fester Form, also als Tabletten, verabreicht.
Sie sind bei weitem am Gebräuchlichsten, da die perorale Applikation für die
meisten
Patienten
Resorptionsfähigkeit
ohne
über
fremde
den
Hilfe
möglich
Magen-Darm-Trakt
ist
für
und
die
analgetische
Wirkstoffe hervorragend ist.
In der Herstellung werden Wirk- und Hilfsstoffe gemischt und schließlich
durch Pressen in ihre charakteristische Form gebracht.
Die verwendeten Hilfsstoffe lassen sich in vier Gruppen einteilen:
Gruppe
Grund des Zusatzes
Substanzen
Füllstoffe
Erhöhung des Volumens
Milchzucker, Sorbitol, Mannitol
Bindemittel
Bildung eines formfesten
Rübenzucker, Mannitol,
Kerns
Sorbitol, Maisstärke
Lösung aus Pressen
Talkum, Stearinsäure, Mg-
Gleitmittel
Stearat
Sprengmittel
Schnelle
Cellulose, Maisstärke,
Wirkstofffreisetzung
Alginsäure
[22] [23]
Neben
Füll-,
Binde-,
Gleit-
und
Sprengmitteln,
die
in
fast
allen
tablettenförmigen Arzneimitteln vertreten sind, gibt es weitere Bestandteile,
25
die ebenfalls nicht wirksam, jedoch speziellerer Art sind und daher durchaus
nicht jedem Medikament zugesetzt werden.
Dazu gehören Substanzen, die die Geschwindigkeit der Wirkstofffreisetzung
regulieren:
In Schlafmitteln z.B. müssen die Wirkstoffe innerhalb von 15-20 Minuten
freigesetzt werden. Auf der anderen Seite gibt es Tabletten mit verzögerter
oder kontrollierter Wirkstoffabgabe.
Darauf sei nun – ebenfalls am Beispiel der Analgetika- eingegangen:
Neben Aspirin® gelangte vor einiger Zeit Aspirin® protect 100 mg in den
Handel. Anhand des Beipackzettels wird ersichtlich, dass Aspirin ® protect
100
mg
mit
einem
Lacküberzug
aus
Methylacrylsäure-Ethylacrylat-
Copolymer 1:1-Dispersion 30% überzogen ist; die normale Aspirin®-Tablette
dagegen nicht.
Was bewirkt
dieser Überzug?
–
Dies soll
der nächste
Versuch
veranschaulichen:
Versuch 3: Modellversuch zu Drug-Delivery-Systemen [in Anlehnung
an 17]
Geräte:
4 Petrischalen ohne Deckel
1 Overhead-Projektor
Chemikalien:
Edukte
M
[g/mol]
Salzsäure (c = 0,1 mol/L)
Natronlauge (pH = 7,5)
36,45
40,00
Aspirin® 100 mg
Aspirin® protect 100 mg
R/S-Sätze und
Gefahrensymbol
e
R 35
S 26-37/39-45
C
Verwendete
Menge [mL
oder g]
ca. 20 mL
ca. 20 mL
1 Tablette
1 Tablette
26
Versuchsprotokoll:
Zunächst werden in zwei Petrischalen je 10 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L)
und in zwei weitere je 10 mL Natronlauge (pH = 7,5) eingefüllt. Die
Petrischalen samt Inhalt symbolisieren das Magen- bzw. Darmmilieu im
menschlichen Organismus.
Nun fügt man in je eine Petrischale mit Salzsäure und Natronlauge eine
normale Aspirin® -Tablette und in die übrigen beiden Petrischalen eine
Aspirin® protect 100 mg -Tablette.
Wie man über den Overhead-Projektor beobachten kann, zerfällt die
normale Tablette im sauren sowie basischen Milieu sofort; die Tablette mit
Schutzüberzug dagegen nicht. Erst nach einer Zeit von 20-40 Minuten
zerfällt auch die Aspirin® protect 100 mg -Tablette im basischen Milieu; die
Tablette im magensauren Milieu bleibt beständig.
Entsorgung:
Salzsäure und Natronlauge werden zusammengegeben, neutralisiert und in
den Abguss entsorgt.
Versuchsauswertung:
Das
Methylacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer
gehört
zu
den
superabsorbierenden Polymeren (abgekürzt SAP).
CH3
H2C
H2C
O
OH
O
O
2-Methylacrylsäure
CH3
Ethylacrylat
- OOC
...
CH3
...
COOEth
H3C
- OOC
...
CH3
...
COO
COOEth
-
Ausschnitt aus einem Copolymer-Molekül
27
Es handelt sich hierbei um ‚Spezialkunststoffe’, d.h. über kovalente
Bindungen quervernetzte Makromoleküle mit extremem Quellvermögen. Sie
können bei Zugabe von ention. Wasser zum Ausgleich des osmotischen
Gradienten in kurzer Zeit Wasser oder wässrige Lösungen bis zum
Tausendfachen ihrer Eigenmasse aufnehmen, ohne sich aufzulösen. Dabei
bildet sich ein Hydrogel, das den Wirkstoff umschließt [17]. Das Copolymer
dient daher als Trägersystem für den Wirkstoff Acetylsalicylsäure.
Im Magen und Darm kommt es nun zu folgenden Vorgängen:
Magen:
R-COO-(aq) + H3O+(aq)
R-COOH(aq) + H2O
Darm:
R-COOH(aq) + OH-(aq)
R-COO-(aq) + H2O
Bei einem niedrigen pH-Wert, also im Magen, werden die CarboxylatGruppen des Copolymers protoniert, wodurch sich die elektrostatischen
Abstoßungskräfte im Netzwerk des Kunststoffs deutlich verringern. Das
Polymer kontrahiert und lässt den Wirkstoff daher nicht in den Magen
diffundieren.
Erst im schwach basischen Darmmilieu werden die Carboxylat-Gruppen des
Polymers wieder deprotoniert, die elektrostatischen Abstoßungskräfte
steigen an, das Polymer quillt auf und wird für die Abgabe des Wirkstoffs
permeabel.
Warum setzt man in der Medizin solche Lacküberzüge überhaupt ein?
Der Grund für den Einsatz von Lacküberzügen bei Aspirin ® -Tabletten liegt
darin, dass Aspirin® eine geringe Magenverträglichkeit besitzt und es daher
bei empfindlichen Patienten zu Magenschmerzen kommen kann.
Warum Aspirin® eine geringe Magenverträglichkeit besitzt, wird anhand der
Wirkungsweise deutlich:
28
Hemmung
durch ASS
COOH
O
COOH
COOH
O
COX
CH3
Arachidonsäure
OOH
cyclisches Endoperoxid (PGG2)
O
COOH
COOH
O
CH3
O
CH3
OH
HO
Thromboxan A2
OH
Prostaglandin E2 (PGE2)
COOH
CH3
HO
OH
Prostacyclin
Abb. [18]
Die molekulare Grundlage der Wirkungsweise von Aspirin ® wurde von Vane
und Mitarbeitern aufgeklärt und 1982 mit dem Nobelpreis für Medizin
ausgezeichnet.
Die
Acetylsalicylsäure
hemmt
das
membrangebundene
Enzym
Cyclooxygenase COX, das Arachidonsäure zu PGG2 umsetzt. Die COX ist
eine Untereinheit der Prostaglandin-Synthase.
Aus PGG2 entstehen eine Reihe von Prostaglandinen wie PGE2,
Thromboxan oder Prostacyclin (siehe oben).In entzündlichen Geweben
werden diese Verbindungen in erheblichem Maße gebildet, wodurch
Aspirin® ursächlich in den Vorgang der Entzündungsentstehung eingreift,
indem die Bildung von schmerzauslösendem Prostaglandin inhibiert wird.
29
Durch die Verhinderung der Bildung von Thromboxan besitzt Aspirin ®
thrombozytenaggregationshemmende Wirkung, wodurch das Verklumpen
von Blutplättchen, die die Blutgerinnung einleiten, verhindert wird [18].
Die Reizung der Magenschleimhaut ist auf die Hemmung der Bildung von
Prostacyclin zurückzuführen, welches für den Schutz der Magenschleimhaut
verantwortlich ist.
3.2 Antazida: Was tun bei… Sodbrennen?
Ja, wir erinnern uns wieder an den armen Studenten Rolf, der
neben seinen Kopfschmerzen, die er nach seiner Ich-hab-diePrüfung-hinter-mir-Party bekommen hat, auch ziemlich viel der
gegrillten Steaks am Abend zuvor gegessen hat.
Er verspürt ein leichtes Völlegefühl und hat Sodbrennen.
Was kann er tun, um seine Beschwerden zu bekämpfen?
Rolf greift zu den Antazida. Hierzu zählen vor allem Calcium-, Magnesiumund Aluminium-Verbindungen, wie z.B. folgende:

Natron®
NaHCO3

Rennie®
CaCO3, MgCO3

Talcid®
Hydrotalcit

Gaviscon® advance
Alginsäure, Al(OH)3

Phosphalugel®
AlPO4
Gerade Rennie® ist sehr bekannt und häufig eingesetzt. Die herstellende
Firma Roche wirbt mit dem Slogan: ‚Rennie® räumt den Magen auf!’. Ob
Rennie® wirklich so gut ist, wie die Werbung verspricht, sei nun im nächsten
Versuch überprüft:
Versuch 4: Räumt Rennie® den Magen auf? [in Anlehnung an 25]
Geräte:
6 Enghals-Erlenmeyerkolben (100 mL)
6 Luftballons (gefüllt mit Antazida)
30
eventuell 1 Heizplatte
1 Mörser mit Pistill
Chemikalien:
Edukte
M
[g/mol]
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
Salzsäure (w = 0,1)
36,45
R 36/37/38
S 26
Xi
Verwendete
Menge [mL
oder g]
150 mL
Rennie®
Talcid®
Gaviscon® advance
Natron®
Phosphalugel®
2 Tabletten
2 Tabletten
2 Tabletten
2 Tabletten
1 Beutel
Versuchsprotokoll:
Die Enghals-Erlenmeyerkolben werden mit je 25 mL 10%iger Salzsäure
befüllt. Sie simulieren das Magenmilieu. Anschließend pulverisiert man die
Tabletten und überführt das Pulver jeweils in einen Luftballon, der zuvor zur
Entspannung des Gummis mehrmals aufgeblasen wurde. Nun stülpt man
den Luftballon über den Kolbenrand, richtet die Ballons auf und lässt so das
Antazida-Pulver praktisch durch die Speiseröhre in den Magen gelangen.
Bei Natron® kommt es zu einer starken, bei Rennie® zu einer mittelstarken,
bei
Talcid®
und
Gaviscon®
advance
zu
einer
geringen
und
bei
Phosphalugel® zu keiner Gasentwicklung.
Das Aufblähen des Luftballons zeigt den Grad der Gasentwicklung an.
Falls die Gasentwicklung zu schwach ausgeprägt ist, kann man auf einer
Heizplatte die Suspensionen kurz erwärmen, um so das Gas besser
auszutreiben.
Entsorgung:
Der Inhalt der Kolben wird neutral in den Abguss entsorgt.
Versuchsauswertung:
Um die Reaktionen zwischen den Wirkstoffen der Antazida und der
Magensäure zu verstehen, ist zunächst auf die Vorgänge im Magen
einzugehen:
31
Nüchtern:
pH = 1-2
Durch Speisebrei: pH = 2-4
Optimal:
pH = 3-5
Magensaft:
Mucin,
Salzsäure,
Pepsin A
Salzsäure
Pepsinogen
pH = 1,8-3,5
Pepsin A
Eiweißabbau
Im Magen werden pro Tag zwei bis drei Liter Magensaft produziert, der im
Wesentlichen aus Mucin (Magenschleim), Salzsäure und Pepsin A, einer
meist nur als Pepsin bezeichneten Proteinase, besteht. Die Salzsäure leitet
nun die Überführung des als inaktive Vorstufe sezernierten Pepsinogens in
Pepsin A ein, die dann autokatalytisch fortschreitet.
Pepsin A dient als Verdauungsenzym für Eiweiße [3] [4].
Die Antazida wirken nun so, wie im Versuch simuliert: Sie reagieren in
Säure-Base-Reaktionen mit der Salzsäure des Magensaftes; besitzen also
Säurebindungsvermögen. Es entsteht CO2(g):
Natron®:
NaHCO3(aq) + H3O+(aq)
Na+(aq) + CO2(g) + 2 H2O
Rennie®:
CaCO3(aq) + 2 H3O+(aq)
Ca2+(aq) + 1 CO2(g) + 3 H2O
Der Wirkstoff von Talcid® ist, wie schon erwähnt, Hydrotalcit. Dieser kommt
auch als Mineral in der Natur vor und besitzt definierte Kristallstruktur. Um
Carbonat-Ionen und Wassermoleküle in der Mitte sind schichtförmig
Magnesium- und Aluminium-Ionen gelagert, die durch Hydroxid-Ionen
koordiniert werden:
32
Mg6Al2(OH)16CO3 . 4 H2O(aq) + 18 H3O+(aq)
Talcid®:
6 Mg2+(aq) + 2 Al3+(aq) + 1 CO2(g) + 39 H2O
O
O
· 4 H2O
H2O
O
Abb. [4]
Die Magnesium-Ionen sind hier weiß, die Aluminium-Ionen grau und die
Hydroxid-Ionen rot dargestellt.
Die geringere Gasentwicklung bei Talcid® ist darauf zurückzuführen, dass im
Vergleich zu Rennie®, wo 2 mol Hydronium-Ionen zu 1 mol Kohlenstoffdioxid
umgesetzt werden, 18 (!) mol Hydronium-Ionen zu 1 mol Kohlenstoffdioxid
umgesetzt werden. Talcid® ist also, wenn man so will, neun Mal so effektiv
wie Rennie®.
Bei Einsatz von Phosphalugel® kommt es im Magen zu folgender Reaktion:
Al3+(aq) + H2PO4-(aq) + 2 H2O
AlPO4(aq) + 2 H3O+(aq)
Phosphalugel®:
Wie man sieht, bleibt hier die Gasentwicklung im Magen völlig aus.
Die Antazida stellen den durch Magensaftsekretion erniedrigten pH-Wert
des Magens auf den therapeutisch optimalen Bereich von pH 3-5 ein.
Bei einer zu starken pH-Anhebung (> 3,5) – was bei Rennie® und Natron®
der Fall ist – wird zum einen die Pepsin-Aktivität gehemmt und bei einer
Anhebung über pH 8 das Enzym irreversibel zerstört.
Außerdem kann dann durch die starke pH-Anhebung eine reaktive
Säureproduktion in den Belegzellen angeregt werden und die Antazida sind
damit unwirksam.
Zudem
wird
–
das
zeigt
der
Versuch
sehr
deutlich
–
durch
Natriumhydrogencarbonat und Calciumcarbonat in starkem Maße CO 2(g)
freigesetzt, was zu Blähungen und Aufstoßen führt [4] [14].
33
Das zeigt also: Anstatt auf Rennie® und Natron® zurückzugreifen, sollte man
besser
Al-Phosphat-,
Alginsäure-
oder
Hydrotalcit-haltige
Antazida
einnehmen.
Bisher bin ich noch nicht auf die alginsäurehaltigen Antazida eingegangen.
Dies liegt daran, dass es sich hierbei im Gegensatz zu den übrigen um ein
organisches Antazidum handelt, auf dessen Wirkungsweise ich in der
folgenden Demonstration nochmals näher eingehen möchte:
Demonstration 4: Wirkungsweise von Alginatpräparaten [19]
Geräte:
1 Magnetrührer
1 Rührfisch
1 Becherglas (50 mL)
1 Becherglas (25 mL)
2 Glasstäbe
1 Haushaltssieb
1 Spritzflasche mit ention. Wasser
1 Weithals-Erlenmeyerkolben (100 mL)
1 Spatel
1 Thermofühler (T = 70°C)
1 Rührfischangel
1 Einwegspritze (10 mL)
Chemikalien:
Edukte
Natriumalginat
Kaliumhydrogencarbonat (KHCO3)
Calciumcarbo-nat
(CaCO3)
Salzsäure (c = 0,1
mol/L)
M
[g/mol]
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
100,12
S 24/25
100,09
R 36
S 26-39
Xi
36,45
Verwendete
Menge [mL
oder g]
2,5 g
200 mg
200 mg
100 mL
34
Versuchsprotokoll:
Zur Herstellung des Natriumalginat-Sols werden in einem Becherglas (50
mL) 20 mL ention. Wasser auf 70°C unter Rühren erwärmt. Ist die
Temperatur
erreicht,
wird
die
Heizung
abgestellt
und
die
Rührgeschwindigkeit erhöht, bis sich eine Votex ausbildet. Portionsweise
siebt man nun 2,5 g Natriumalginat ein und löst dieses unter Rühren
vollständig auf. Zur Erleichterung empfiehlt es sich hier, einen Glasstab
zusätzlich zum Rührfisch zu Hilfe zu nehmen. Nun lässt man das Sol
abkühlen, entfernt den Rührfisch und rührt nochmals um.
Das Sol ist bei Aufbewahrung im Kühlschrank einige Tage verwendbar.
Nun werden 10 mL des Sols in eine Einwegspritze aufgezogen und in einem
Becherglas
(25
mL)
mit
je
200
mg
KHCO3(s)
und
CaCO3(s)
zusammengegeben und zu einer Suspension verrührt.
100 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L) werden zur Simulation des Magenmilieus
in einen Weithals-Erlenmeyerkolben (100 mL) überführt und man gießt
vorsichtig das vorbereitete Modellmedikament in die Salzsäure-Lösung ein.
Es bildet sich spontan ein fadenförmiges Alginsäure-Gel, das mit
zunehmender Gasentwicklung zur Flüssigkeitsoberfläche aufsteigt. Nach
kurzer Zeit ist ein zusammenhängender Gel-Schaum gebildet, der den
Kolbenhals verschließt.
Entsorgung:
Der Inhalt des Kolbens wird neutral in den Abguss entsorgt.
Versuchsauswertung:
Im Magen passiert faktisch dasselbe:
35
Bildung eines Alginsäure-Gels:
-
OOC
O
OH
O
O
HO
O
O
- OOC
OH
n(aq)
Poly-ß-D-Mannuronat
HOOC
O
+ 2n H3O+(aq)
OH
O
O
HO
O
O
+
2n H2O
HOOC
OH
n(s)
Poly-ß-D-Mannuronsäure
Abb. [19]
Im salzsauren Milieu des Magens werden die hydratisierten AlginatPolyanionen protoniert. Es entstehen neutrale Alginsäure-Moleküle, die über
Wasserstoffbrückenbindungen zu einem dreidimensionalen Gelnetzwerk
assoziieren.
Gleichzeitig
reagieren
die
ebenfalls
im
Medikament
enthaltenen
Hydrogencarbonate und Carbonate unter Entwicklung von Kohlenstoffdioxid
mit der Magensäure:
Aufschwimmen des Alginsäure-Gels durch Einschluss von CO2Gasblasen:
HCO3-(aq) + H3O+(aq)
CO2(g) + 2 H2O
CO32-(aq) + 2 H3O+(aq)
CO2(g) + 3 H2O
Die Gasblasen werden in das Gel eingeschlossen und verleihen ihm
Auftrieb. Das Gel schwimmt auf dem Mageninhalt auf und fungiert als
Barriere, so dass die säureempfindliche Schleimhaut geschützt wird:
36
Eine entscheidende Voraussetzung für die optimale Wirksamkeit der
Alginat-haltigen Medikamente besteht darin, dass deren Einnahme nach den
Mahlzeiten erfolgt. Ansonsten vermischt sich das Arzneimittel mit dem
Nahrungsbrei und die Ausbildung einer Gelschicht unterbleibt [19].
Dies zeigt also wie wichtig das Zusammenspiel von Arzneimitteln und
eingenommener Nahrung ist. Es kann sogar soweit kommen, dass es zu
Wechselwirkungen zwischen dem Wirkstoff und Nahrungsbestandteilen
kommt:
Wie man auf dem Beipackzettel von Talcid® unter Vorsichtsmaßnahmen und
Warnhinweisen lesen kann, ist bei langfristigem Gebrauch von Talcid ® eine
regelmäßige Kontrolle des Aluminiumspiegels erforderlich. Es wird ein nicht
zu überschreitender Grenzwert angegeben. Insbesondere bei Nieren
geschädigten Patienten besteht die Gefahr der Erhöhung des SerumAluminiumspiegels:
„…Bei langfristigem Gebrauch …sind …Kontrollen der Aluminiumspiegel
erforderlich. Bei …eingeschränkter Nierenfunktion …besteht die Möglichkeit
…eines Anstieges der Serum-Aluminiumspiegel…“
Weiter unten ist schließlich aufgeführt, dass Talcid® nicht mit säurehaltigen
Getränken (Obstsäfte und Wein) eingenommen werden darf, da dies
ebenfalls die Aluminiumaufnahme aus dem Darm erhöht:
„Die gleichzeitige Einnahme von Talcid Kautabletten und säurehaltigen
Getränken (z.B. Obstsäfte, Wein) führt zu einer unerwünschten Steigerung
der Aluminiumaufnahme aus dem Darm…“
Wie kommt dies?
37
Versuch 5: Warum Talcid® nicht mit Fruchtsäften eingenommen
werden sollte… [in Anlehnung an 21]
Geräte:
4 Erlenmeyerkolben (50 mL)
2 Magnetrührer
2 Rührfische
2 Glastrichter
2 Faltenfilter geeigneter Größe
2 Demonstrationsreagenzgläser
1 Demonstrationsreagenzglasständer
4 Pasteur-Pipetten
2 Glasstäbe (lang)
2 Gummistopfen (passend für Demonstrationsreagenzgläser)
1 Mörser mit Pistill
Chemikalien:
Edukte
M
[g/mol]
Salzsäure (c = 0,1
mol/L)
Weinsäure
36,45
Essigsäure (c = 0,1
mol/L)
Morin in Methanol
60,04
302,23
S 24/25
Methanol
32,04
R 11-23/25
S 2-7-16-24-45
F, T
Talcid®
150,09
R/S-Sätze und
Gefahrensymbole
Verwendete
Menge [mL
oder g]
40 mL
R 36/37/38
S 26-37/39
Xi
3g
2 Pipettenspitzen
4 Pipettenspitzen
s.o.
4 Tabletten
Versuchsprotokoll:
Zunächst werden je 20 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L) in zwei
Erlenmeyerkolben (50 mL) überführt. Einem der Ansätze werden 3 g
Weinsäure hinzugefügt. Die Talcid® -Kautabletten werden pulverisiert und
das Pulver von jeweils zwei Tabletten in beide Ansätze überführt. Nun rührt
38
man die Suspensionen 15 Minuten auf dem Magnetrührer und filtriert
anschließend ab. Man erhält zwei klare Filtrate.
Diese werden anschließend in zwei Demonstrationsreagenzgläser gegeben
und je eine Pipettenspitze Essigsäure und je zwei Pipettenspitzen Morin in
Methanol hinzugegeben. Die Lösungen werden mit dem Glasstab gut
durchmischt.
Es lässt sich beobachten, dass in der Lösung, der keine Weinsäure
zugesetzt wurde, ein Niederschlag entsteht und die Lösung kaum
fluoresziert. Wurde der Suspension jedoch zuvor Weinsäure zugesetzt, so
verläuft der Nachweis auf Aluminium-Ionen positiv, was an der klar
bleibenden Lösung und der Fluoreszenz an der Grenze Luft – Lösung
erkennbar ist.
Fällt von oben Licht in die Gläser, ist der Unterschied in der Stärke der
Fluoreszenz noch besser wahrnehmbar.
Versuchsauswertung:
Wie ich bereits erwähnt hatte, besitzt der Wirkstoff Hydrotalcit in Talcid®
Schichtstruktur, in dessen Gitter Aluminium-Ionen eingelagert sind. Diese
werden durch die Einwirkung von Mineralsäuren (wie z.B. der Magensäure)
kaum freigesetzt. Erst durch Säuren, die auch als Komplexbildner wirken,
wie z.B. Wein- oder Äpfelsäure werden die Aluminium-Ionen aus dem Gitter
freigesetzt [21].
Dabei könnte es zur Bildung von Komplexen kommen, bei denen ein
Aluminium-Ion oktaedrisch durch zwei Weinsäure-Moleküle (bezogen auf
den von mir durchgeführten Versuch) koordiniert wird:
_
COOH
OH
HOOC
O
O
OH
O
O
Al
COOH
O
Weinsäure
O
3+
O
O
COOH
39
Die so aus dem Schichtgitter herausgelösten Aluminium-Ionen können nun
mit Morin unter Bildung eines Farblacks nachgewiesen werden.
Dabei dürften sich die Bis-Tartrato-Aluminat(III)-Komplexe mit Morin unter
Bildung eines Chelatkomplexes umsetzen, dessen Bildung aufgrund der
Chelateffekte begünstigt ist:
OH
HO
O
Al3+
OH
OH
OH
O
Morin
Morin fungiert hierbei als zweizähniger Ligand, der über die freien
Elektronenpaare der Carbonyl- und der benachbarten Hydroxid-Gruppe
koordinieren dürfte, da dies die zur Koordination sterisch begünstigten
Substituenten sind.
Aufgrund der Bildung eines großen delokalisierten π-Elektronen-Systems
kommt es zur Fluoreszenz.
Da nur unter Anwesenheit von Fruchtsäuren die Aluminium-Ionen aus dem
Schichtgitter herausgelöst werden können, verläuft auch nur unter deren
Zusatz der Nachweis positiv.
Wie bereits auf dem Beipackzettel von Talcid® zu lesen war, führt nur eine
langfristige
Einnahme
von
Talcid®
zu
einer
erhöhten
Aluminium-
Konzentration im Körper. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Aluminium
kaum akute Toxizität, wohl aber chronisch toxische Wirkung besitzt, die zu
degenerativen Nervenerkrankungen führen kann [1].
Dennoch macht der Versuch deutlich, dass Arzneimittel nicht sorglos
eingenommen werden dürfen, sondern auch die toxische Wirkung
pharmakologisch wirksamer Substanzen beachtet werden muss.
40
4 Schulrelevanz und Ergebnis
Tja, zurück zu Rolf:
Als er seine Prüfung, die Ich-hab-sie-hinter-mir-Feier und alle
Wehwehchen, die sich so im Laufe der Ereignisse ergaben,
überstanden hat, wird ihm klar, wie viel er nun doch über
Arzneimittel gelernt hat. Und da er ein fleißiger Lehramtsstudent
ist, schaut er mal nach, ob er seinen Schülern später auch mal
was darüber beibringen darf.
Doch er muss Folgendes feststellen:
Die Behandlung der Arzneimittel als eigenständige Unterrichtseinheit ist im
aktuellen Lehrplan des Landes Hessen für die gymnasiale Oberstufe nicht
vorgesehen.
Das Thema Arzneimittel tritt vereinzelt und zersplittert innerhalb der Kinetik
und der Aromatenchemie [13], häufig in Form von Exkursen [9] in den
Schulbüchern auf. Meist wird nur kurz auf Geschichtliches und Aspirin ®
eingegangen [8].
Experimente mit Arzneimitteln sind in den Schulbüchern ebenfalls zum
erheblichen Anteil nur am Beispiel des Aspirins® vorhanden.
4.1 Was kann man also tun…bei Nichtnennung im Lehrplan?
Eine Behandlung des Themas empfiehlt sich aufgrund seiner Komplexität
und starken Verknüpfung mit biologischen und biochemischen Gebieten in
der Oberstufe; vielleicht sogar aufgrund von Zeitmangel, der durch das
Fehlen des Themas als Unterrichtseinheit im Lehrplan zustande kommt,
auch nur in Leistungskursen.
Ein Anknüpfungspunkt an lehrplanrelevante Themen sind ‚Biochemie und
Farbstoffe’
(12.2)
aufgrund
der
historischen
Entwicklung
der
Arzneimittelforschung und -industrie aus der Farbenindustrie sowie das
Wahlthema ‚Angewandte Chemie’ (12/13).
41
Nicht zuletzt muss bedacht werden, dass für die Schülerinnen und Schüler
ein hoher Bezug zu ihrem eigenen Alltag besteht, denn…
…wer hat sich nicht schon mal in der Lage des Studenten Rolf befunden!
42
5 Literaturangaben
Pharmazeutische Lehrbücher
[1]
Auterhoff, H. [u.a.]: Lehrbuch der Pharmazeutischen Chemie, Stuttgart
(WVG) 121991
[2]
Rimpler, H. (Hg.): Biogene Arzneistoffe, Stuttgart (DAV) 21999
[3]
Schultz, O.-E. [u.a.]: Einführung in die Pharmazeutische Chemie,
Weinheim (Verlag Chemie) 21984
[4]
Schunack, W. [u.a.]: Arzneistoffe. Lehrbuch der Pharmazeutischen
Chemie, Braunschweig/Wiesbaden (Vieweg & Sohn) 21983
[5]
Teuscher, E.: Biogene Arzneimittel, Stuttgart (WVG) 51997
Chemische Lehrbücher
[6]
Mortimer, Ch. E.: Chemie, Stuttgart (Thieme-Verlag) 61996
[7]
Vollhardt, K. P. C. [u.a.]: Organische Chemie, Weinheim (WILEYVCH) 32000
Schulbücher und –materialien
[8]
Asselborn, W. (Hg.) [u.a.]: Chemie heute – Sekundarbereich II,
Hannover (Schroedel-Verlag) 1998
[9]
Eisner, W. [u.a.]: elemente. chemie II. Unterrichtswerk für die
Sekundarstufe II, Stuttgart – Düsseldorf – Leipzig (Klett-Verlag) 2000
[10] Flörke, U. [u.a.]: Chemie für die Sekundarstufe II, Bonn (DümmlerVerlag) 31992
43
[11] Kranz,
Aspirin®
J.:
-
Der
Siegeszug
eines
Markennamens
(Referatsausarbeitung), Heringen 2000
[12] Sich, K. (Hg.): Kollegstufe Chemie. Makromoleküle – Farbstoffe –
Heilmittel, Hannover (Schroedel-Verlag) 1973
[13] Tausch, M. (Hg.) [u.a.]: Chemie S II. Stoff – Formel – Umwelt,
Würzburg (Buchner-Verlag) 1993
[14] Unterrichtsmitschrift zum Chemie LK, Heringen 2000/2001
[15] Vollmer,
G.:
Pillen,
Pflanzen,
Patienten.
Sechs
Kapitel
über
Arzneimittel. Lehrerbegleitheft, Stuttgart (Klett-Verlag) 1980
[16] Weber, U. (Hg.): Biologie Oberstufe. Gesamtband, Berlin (CornelsenVerlag) 12001
Zeitschriftenartikel
[17] Koehler-Kruetzfeldt, A.: Medizin und Kunststoff – Fortschritt durch
Polymere, PdN (Chemie) 2002, 5, 2-5
[18] Kuhnert, N.: Hundert Jahre Aspirin®. Die Geschichte des wohl
erfolgreichsten Medikaments aller Zeiten, ChiuZ 1999, 4, 213-220
[19] Marburger, A.: Alginate in der Medizin – Anwendung in Wundauflagen,
Dentalabdruckmassen und Medikamenten gegen Sodbrennen, PdN
(Chemie) 2002, 5, 27-35
[20] Rösler, H.: Zur experimentellen Behandlung der Heilmittel im
Unterricht der Sekundarstufe I, PdN (Chemie) 1976, 9, 230-236
[21] Salzner,
J.
[u.a.]:
Wechselwirkungen:
Arzneimittel
und
Nahrungsbestandteile, PdN (Chemie) 2002, 5, 14-17
44
[22] Zimmermann, I.: Galenik oder wie aus einem Wirkstoff ein Arzneimittel
wird. Teil I: Einführung und chemische sowie physikalisch-chemische
Prinzipien, ChiuZ 1989, 4, 114-120
[23] Zimmermann, I.: Galenik oder wie aus einem Wirkstoff ein Arzneimittel
wird. Teil II: Entwicklung eines Arzneimittels in der Praxis, ChiuZ 1989,
5, 161-169
Internetliteratur
[24] http://www.axel-schunk.de/experiment/edm0311.html (ApothekerSchauglas)
[25] http://www.axel-schunk.de/experiment/edm0398.html (Antazida)
[26] http://www.uni-frankfurt.de/didachem/datenbank.html
[27] http://talcid.de/produkte/wirkstoff.html
[28] http://www.wikipedia.de (Artikel Arzneimittel)
Sonstige Literatur
[29] Acros Organics: Katalog Feinchemikalien, Geel, 1999/2000
[30] Microsoft: Encarta 2000 Plus
[31] Verg, E. [u.a.]: Meilensteine. 125 Jahre Bayer. 1863-1988, Leverkusen
1988
45
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