Krankenbericht

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Krankenbericht
über einen Patienten der Medizinischen und Gerichtlichen Veterinärklinik. Die Untersuchung
findet am ...
Untersucht wurde ein männlicher Collie mit Namen xxx, der am 21.11.1999 in die Klinik
eingestellt wurde.
Besitzer/in des untersuchten Hundes ist Herr/Frau X aus Y.
1. Anamnese:
2 Wochen vor Einlieferung zeigte der Hund Probleme beim Aufstehen und hatte weichen,
hellbraunen Kot. Der Haustierarzt äußerte den Verdacht auf Rheuma und behandelte ‘Xxx’
mit Gentamycin und Prednisolon, worauf sich vermehrter Appetit zeigte und der Durchfall
verschwand. Gleichzeitig trat jedoch Ausschlag auf Nase, im Maul, am Ohr, am Auge und am
Skrotum auf, 4 Tage vor Einlieferung auch an den Pfoten. Der Ausschlag äußerte sich in
anfangs roter Flecken, die danach zu Bläschen und schließlich eitrig wurden. Der Hund zeigte
außerdem Niesen. Seit 10 Tagen hatte er über 40°C Fieber, der Haustierarzt behandelte den
Hund mit Baytril, Baypammun und Aciclovir-Tabletten. Zusätzlich zeigte der Collie Apathie
und Inappetenz.
Sowohl eine Untersuchung auf Staupe und Antinukleäre Antikörper, als auch der CoombsTest waren negativ.
Der Hund litt immer schon an Diarrhoe und Vomitus und bekam eine Spezialdiät zum
Päppeln.
2. Signalement:
Bei dem Patienten handelt es sich um einen Collie-Rüden namens xxx. Er ist im November
1994 geboren und er weist eine rassetypische Fellzeichnung auf, wobei er vom Rücken bis
zum Bauch und den Gliedmaßenenden schwarz ist, danach braune Farbe aufweist und der
Halskragen, der Nasenrücken, Gliedmaßenenden und Unterbauch weiß sind.
Er wiegt 21,0 kg.
3. Klinische Untersuchung:
3.1 Allgemeine Untersuchung:
Das Tier verhält sich sehr ruhig, ist aber aufmerksam. Er steht normal auf und wedelt mit dem
Schwanz, wenn man ihn anspricht, aber erscheint etwas müde. Alle 4 Gliedmaßen tragen
einen Verband werden aber gleichmäßig belastet.
Der Ernährungszustand ist schlecht, man kann die Lendenwirbelfortsätze und die Hüfthöcker
unter dem dicken Fell deutlich palpieren. Der Pflegezustand ist als gut bis mäßig zu
beurteilen, da das Fell stellenweise Verfilzungen aufweist und Zahnstein vorhanden ist. Im
Entwicklungsgrad scheint das Tier normal.
Die rektal gemessene Körperinnentemperatur beträgt 38,6°C, die Atemfrequenz ist aufgrund
des Hechelns nicht feststellbar, Pulsfrequenz sind 66 Schläge pro Minute.
3.2 Spezielle Untersuchung:
3.2.1 Haare, Haut und Unterhaut
Das Haarkleid ist anliegend, geschlossen, glänzend und geringgradig schuppig. Am
perianalen Bereich wurden die Haare abrasiert. Am Unterbauch befinden sich zwei verfilzte
Knoten im Haarkleid. Das einzelne Haar ist nicht vermehrt ausziehbar.
Die Haut ist an den mucocutanen Übergangen, wie an den Lefzen, dem Nasenrücken, an den
Lidrändern, um den After, wie an den Übergängen zu den Sohlenballen und am Skrotum
fleckig gerötet und weist krustige Auflagerungen auf. Der Hund zeigt starken Juckreiz,
besonders an den Pfoten, weshalb diese im Verband sind.
Im rechten Ohr befinden sich ebenfalls krustige Auflagerungen.
Es sind keine Umfangsvermehrungen festzustellen und der Hautturgor ist vorhanden
3.2.2 Sichtbare Schleimhäute
Die Maulschleimhaut ist fleckig gerötet, glänzend und weist an den Übergängen zur Haut
krustige Auflagerungen auf (siehe oben). Die Konjunktivalschleimhaut ist blaßrosa, feucht,
glatt und glänzend, die Lidränder sind verklebt.
3.2.3 Palpierbare Lymphknoten
Die Lnn. mandibularis, cervicales superficiales und axillares sind kaum tastbar, die Lnn.
poplitei sind erbsengroß, verschiebbar, prall-elstisch nicht schmerzhaft und nicht vermehrt
warm.
3.2.4 Zirkulationsapparat
Herzfrequenz liegt bei 66 Schlägen pro Minute, das Herz schlägt regelmäßig, kräftig und ohne
Nebengeräusche.Der Herzspitzenstoß ist deutlich zu fühlen.
Der Puls ist gleichmäßig, regelmäßig, mittelkräftig und entspricht der Herzfrequenz.
Die Venenstauprobe ist aufgrund des langen Fells nicht durchführbar.
Die Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt und fein gezeichnet, die kapilläre Rückfüllungszeit
liegt unter 2 Sekunden.
3.2.5 Respirationsapparat:
Die Atemfrequenz ist aufgrund von Hecheln nicht feststellbar.
Die Atemluft ist warm und ohne auffälligen Geruch.
Auf dem Nasenrücken befinden sich krustige Auflagerungen, der Nasenspiegel selbst ist
feucht, kühl und ohne Auflagerungen.
Der Rüde zeigt beidseitig geringgradigen, serösen Nasenausfluß.
Es ist kein Husten auslösbar.
Der Brustkorb ist symmetrisch und ohne Umfangsvermehrung.
3.2.6 Digestionsapparat:
Das Tier ist am Tag der Untersuchung nüchtern gestzt, so daß die Futteraufnahme nicht
beurteilt werden kann. Es ist aber sehr mager.
Mundhöhle, Papillen und Zunge ergeben adspektorisch und gerüchlich keine besonderen
Befunde. An den Molaren im Oberkiefer liegt Zahnstein und geringgradige Gingivitis vor.
Bei der Palpation des Abdomens sind keine Auffälligkeiten zu beobachten.
Der After und seine Umgebung sind gerötet.
3.2.7 Urogenitaltrakt
Harnabsatz ist normal, es wurde allerdings kein Harn gewonnen. Die Nieren sind nicht zu
palpieren.
Das Skrotum ist stark gerötet und mit rauher Oberfläche, auch hier befinden sich
Auflagerungen.
3.2.8 Bewegungsapparat
Der Hund belastet alle 4 Gliedmaßen und zeigt sich in seinen Bewegungen etwas müde aber
sonst ohne Affälligkeiten. Er steht ohne Probleme auf und geht Treppen hoch und runter.
Die Pfoten sind nach Verbandabnahme blutig und gerötet, besonders am Übergang zu den
Ballen. Das Tier zeigt Juckreiz, indem es sich ständig in die Pfoten beißen will.
Umfangsvermehrungen, Asymmetrien sind nicht vorhanden.
3.2.9 Nervensystem und Sinnesorgane
Der Hund erscheint etwas schlapp ist aber aufmerksam und nimmt an seiner Umgebung teil.
Er reagiert sowohl auf Stimme, als auch auf Berührungen. Die Oberflächensensibilität ist
vorhanden, Reflexe (Pupillar-, Droh-, Lidreflex) ebenfalls.
Die Augen sind nicht eingefallen und weisen keinerlei Trübungen auf. Allerdings zeigt der
Hund vermehrten Augenausfluß und Verklebungen der Lidränder mit Auflagerungen.
Das rechte Ohr weist am äußeren Gehörgang ebenfalls krustige Auflagerungen auf.
4. Weiterführende Untersuchungen:
4.1 Labordiagnostische Untersuchungen:
Die Ergebnisse der Blutauswertung vom 23.11.1999:
(Von der Norm abweichende Werte sind markiert)
Blutbild:
Erythrozyten:
6,66
(Referenzbereich 5,5-8T./l)
Hämoglobin:
9,30
(Referenzbereich 9,3-11,8 mmol/l)
Hämatokrit:
0,45
(Referenzbereich 0,4-0,55 l/l)
Leukozyten:
12,8
(Referenzbereich 6-12 G/l)
Differentialblutbild:
Lymphozyten:
Stabkernige:
Segmentkernige:
Eosinophile:
Monozyten:
undiff. Zellen:
17%
3%
73%
2%
1%
4%
(Referenzbereich 13-30%)
(Referenzbereich 0-3%)
(Referenzbereich 60-77%)
(Referenzbereich 1-5%)
(Referenzbereich 0-5%)
Leberwerte:
GPT:
GLDH:
AP:
Ges.Eiweiß:
Albumin:
Globulin:
Blutzucker:
Cholest. ges.:
Triglyceride:
16
2,3
109
62,5
17,10
45,40
5,70
8,1
1,16
(Referenzbereich bis 50 U/l)
(Referenzbereich bis 6 U/l)
(Referenzbereich <190 g/l)
(Referenzbereich 56-75 g/l)
(Referenzbereich 23-32 g/l)
Nierenwerte:
Harnstoff:
Kreatinin:
Natrium:
Kalium:
Chlorid:
5,20
94,30
146
4,30
120
(Referenzbereich 3,3-8,3 mmol/l)
(Referenzbereich bis 159 µmol/l)
(Referenzbereich 140-155 mmol/l)
(Referenzbereich 3,5-5,1 mmol/l)
(Referenzbereich 96-113 mmol/l)
(Referenzbereich 3,05-6,1 mmol/l)
(Referenzbereich 3,77 mmol/l)
(Referenzbereich 0,57-1,14 mmol/l)
ion.Calcium:
Pankreaswerte:
-Amylase:
Lipase:
1,43
1197
54
(Referenzbereich 1,2-1,8 mmol/l)
(Referenzbereich 1330-1970 U/l)
(Referenzbereich U/l)
Ein Test auf Staupe (PCR, Titer, Abstriche) war negativ. Ebenso wie ANA und Coombs-Test.
4.1.4 Haut
Ein Hautgeschabsel wurde entnommen, die parastologische Untersuchung war negativ, eine
bakterielle Untersuchung steht noch aus.
Eine Biopsie der betroffenen Areale wurde ebenfalls durchgeführt, die histologische
Untersuchung ist eingeleitet.
4.2 Physikalische Untersuchungen:
4.2.1 Röntgen
Das Röntgen des Abdomens ergibt, daß die Milz geringgradig vergrößert ist. Der Magen ist
leer. Der Dünndarm weist Meteorismus auf und die Darmwände sind verdickt.
Das Röntgenbild des Thorax zeigt eine geringgradige interstitielle Verschattung im
Hilusbereich der Lunge.
5.
a)









Diagnose:
symptomatisch:
Ulcera und Krusten an mucocutanen Übergängen der Haut und an den Sohlenballen
Vomitus und Diarrhoe
Bewegungsstörungen (Vorbericht)
Fieber
Hyperglobulinämie
Hypoalbuminämie
ggr. Leukozytose
hoher Anteil undifferenzierbarer Zellen im Blut (meist Vorstufen)
ggr. Milzvergrößerung
b) causal:
Autoimmunerkrankung:
 systemischer Lupus erythematodes
6. Differentialdiagnosen:
Differentialdiagnostisch auszuschließen sind weitere Hauterkrankungen verschiedener
Ursache, wie z.B. bakterielle, virale, mykotische und allergische Reaktionen. Gegen eine
Allergie spricht hier die Tatsache, daß der Hund nach Standort und Futterwechsel keine
Besserung zeigt. Auch eine Tumorerkrankung der Haut muß durch eine Biopsie
ausgeschlossen werden.
Es stehen auch andere Autoimmunerkrankungen, wie der Pemphigus vulgaris oder
Pemphigoid in Frage. Dies müßte histologisch gesichert werden.
Es müssen auch indirekte Ursachen ausgeschlossen werden, wie Stoffwechselstörungen,
Morbus Cushing (Hyperadrenokortizismus) oder das hepatocutane Syndrom.
7. Epikrise:
Aufgrund der klinischen Befunde der Haut und der Befunde der weiterführenden
Untersuchungen (bes. Blutuntersuchung) wird die Diagnose eines systemischen Lupus
erythematodes (SLE) gestellt.
Der SLE ist eine sehr komplexe Autoimmunerkrankung noch ungeklärter Ätiologie. Es
besteht die Vermutung, daß ihm eine genetische Dispoition zugrunde liegt, die sich in einen
T-Zell-Defekt äußert. Auslösender Faktor sind häufig Viren.
Bei dieser Erkrankung kann der Körper nicht mehr zwischen körpereigenen und
körperfremden Substanzen unterscheiden und bildet Antikörper gegen die eigene DNA
(antinukleäre Antikörper) und gegen die Basalmembran der Epidermis, sowie auch gegen
andere Organe.
Prädisponiert sind hierbei weibliche Tiere.
Die Hautveränderungen können unterschiedlich sein, meist äußern sie sich in Krusten und
Ulcera an mucocutanen Übergängen (Lippen, Augenlider, Anus, Vulva restrictive Präputium),
in der Maulhöhle (Gaumen), manchmal auch an den Krallenbetten, wobei es zum Ausschuhen
der Krallen kommen kann. Es kann aber auch zu Erythemen, Haarausfall, Krusten und
Seborrhoe (besonders am Kopf) kommen.
Auch Organmanifestationen treten auf, wie Glomerulonephritis, symmetrische Polyarthritis
(was die Probleme beim Aufstehen im Vorbericht des Tieres erklähren kann) und
Gliedmaßenödeme. Weitere Symptome können sein: hämolytische Arrhythmie,
Thrombopenie, Leber- und Milzvergrößerung und Fieber.
Oft tritt eine Verschlimmerung des Allgemeinzustandes durch bakterielle Infektionen auf.
Eine Diagnose ist schwierig zu stellen, da zum Beispiel der Coombs-Test und der Test auf
ANA (Antinukleäre Antikörper) und ATA (Antithromozytierende AK) zu falsch negativen
Ergebnissen führen kann. Die Hyperglobulinämie des Hundes ist ein weiteres Zeichen einer
Autoimmunkrankheit, hier müßte zur Abklärung eine Serumelektrophorese durchgeführt
werden, ob tatsächlich eine Hypergammaglobulinämie vorliegt, wie es beim SLE der Fall sein
müßte.
Weitere Diagnosemöglichkeiten sind der Nachweis von LE-Zellen und Rheumafaktoren.
Histologisch sind keine pathognomischen Symptome vorhanden, hier kann man lediglich
Pemphigus vulgaris ausschließen.
Man kann weiterhin eine Immunfluoreszens durchführen, wobei igG und C3 in der
Basalmembran der Epidermis und der Glomerula nachzuweisen sind. Ein indirekter
Immunfluoreszenstest kann Pemphigus und Pemphigoid ausschließen.
Die Leukozyten des Hundes sind noch im Referenzbereich, was allerdings eine Entzündung
nicht ausschließt, da es auch auf Bildungsstörungen oder massiven Verbrauch hinweisen
kann. Allerdings müssen die Leukozyten bei einer Immunkrankheit nicht zwingend ansteigen.
8. Therapie:
Hier ist lediglich eine symptomatische Therapie möglich.
Um die Reaktion des Immunsystems herabzusetzten, müssen hohe Dosen von
Glukocorticoiden (z.B. Cortison) verabreicht werden. Diese wirken als Immunsuppressiva
indem sie die gewünschte Immunreaktion durch Beeinflussung des lympho-retikulären
Gewebes herabsetzen. Falls diese nicht helfen kann auf Zytostatika zurückgegriffen werden
oder gar auf Goldderivate, da diese an bestimmte Proteine assoziiert sind und zu einer
Komplementbindung führen.
Weiter sollte ein Antibiotika zum Schutz vor Sekundärinfektionen verabreicht werden. Hier
bietet sich zum Beispiel Cephalosporin an, da dieses gut in der Haut wirksam ist.
Die Behandlung bei Autoimmunerkrankungen ist oft lebenslang notwendig.
8. Prognose:
Die Prognose bei Autoimmunerkrankungen ist vorsichtig bis ungünstig. Der Verlauf von SLE
ist progressiv. Das Tier muß lebenslang Immunsuppressiva einnehmen was eine erhöhte
Anfälligkeit für andere Erkrankungen nach sich zieht.
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