Tomlow, J., Die Zittauer Ringstraße als städtebauliches Ensemble, in: Sächsiche Heimatblätter, Heft 4/2001, S. 218-229 (Ohne Abbildungen; Nr. 51) Jos Tomlow Die Zittauer Ringstraße als städtebauliches Ensemble Gegenstand dieses Beitrags ist die Zittauer Ringstraße, die, ergänzt um Grünanlagen zum promenieren und eine passende Bebauung, weitgehend im 19. Jh. zur Ausführung kam (Anm. 1). Seit seiner Fertigstellung bildet der Zittauer Ring ein intaktes städtebauliches Ensemble ersten Ranges. Die Grünanlagen der Promenade sind ununterbrochen, neben dem unvermeidbaren und wirtschaftlich wichtigem Verkehrsfluß im Einrichtungsverkehr, wodurch eine gute Orientierung für Zittauer und Gäste gegeben ist. Es handelt sich um eine, ehemals mit Stadtbefestigungsanlagen bebaute, etwa 3 km lange, ovalförmige Zone. Solche Ringstrassen sind in Teilabschnitten nach dem II. Weltkrieg auch anderswo erhalten, aber in dieser Vollständigkeit eher selten. Als Vergleichsbeispiel gilt die Millionenstadt Wien, deren Ringstraße mit über 5 km Länge, erst 1858 entstand, also rund 30 Jahre später als Zittau. Die Stadtbefestigung bestand zunächst aus einer 10 m hohen großen Stadtmauer (1255-1277). Der rund 15 m breite Zwinger reichte bis zur kleinen Stadtmauer (1513-1535). Außen herum verlief in vertiefter Lage der Stadtgraben. An einigen Stellen wurden die Mauern durch Basteien, Stadttürme und Stadttore ergänzt oder es stießen Wallanlagen vor. Daran anschließend verlief außenseitig nur ein einfacher unbefestigter Weg. Außerhalb der Stadtmauer befanden sich verschiedenste Ansiedlungen, etwa Lustgärten, das Hospital, aber auch Niederlassungen von Handwerkern und Manufakturen sowie eine Sandgrube. Dieses Gebiet wurde durch einen zweiten, schwächer ausgebildeten Stadtmauergürtel mit sogenannten Endetoren kontrolliert. Durch die industrielle Entwicklung im frühen 19. Jahrhundert sollte auch Zittau (1648: 6.000 Einwohner) auf die fünf- bis zehnfache Größe anwachsen, so dachte man sich (Anm. 2). Das Konzept der Erweiterung der Städte jenseits der Stadtmauer wurde begünstigt durch den Umstand, daß die moderne Kriegsführung mit Granaten Stadtmauern untauglich für die Verteidigung machte. Außerdem war das Stadtumfeld meist dünn besiedelt, so daß eine gewisse Planungsfreiheit bestand. Als gravierender Nachteil zeigte sich, dass man nicht einfach das Gebiet innerhalb einer Stadtmauer zu einem problemlos funktionierenden Zentrum des vergrößerten Stadtgebietes erklären konnte. Das Wegesystem innerhalb der Altstadt war dem nicht gewachsen, solange man die Innenstadt als wichtigsten Ort des Handels ansah. Und da lag die Chance für eine Ringstraße mit zweckmäßigen Neubauten. Der Zittauer Ring: Planung oder Entstehungsprozeß? Man kann sich fragen, ob das städtebauliche Ensemble Ringstraße mit Grünanlagen und bestimmten Bautypen Produkt bewußter Planung ist, also entstanden aus einer entwerferischen Handlung oder ob es sich um eine gewachsene Struktur handelt (Anm. 3). Das Problem der Beantwortung der Frage „Planung oder Entstehungsprozeß“ liegt darin, dass die traditionelle Architekturgeschichte und Städtebaugeschichte Kategorien wie Straßenraster, Achsen und radiale Gebilde verwendet und damit häufig eine gewisse Überhang zur (einfachen) Geometrie hat. Anders als geplante Idealstädte – etwa die radiale Ordnung in Karlsruhe, die nur teilweise ausgebaut wurde, oder das Straßenraster von Mannheim – wo Städtebau sich tatsächlich ausdrückt in geometrischen Formen, ist die Zittauer Situation differenzierter, da alles Neue sich dem alten Rahmen, etwa der Innenstadt oder auch den Ausfallstraßen zu fügen hat. Die Geometrie hat deshalb bei den entstandenen Formen der Zittauer Ringstraße eine untergeordnete Rolle. Ein zweites Problem der Fragestellung „Planung oder Entstehungsprozeß“ bietet die Quellenlage, die – nach heutigem Erkenntnisstand – so etwas wie eine Gesamtplanung nicht belegen läßt. Für den Zeitraum der Entstehung des Zittauer Ringes etwa 1820 bis 1914 mit vielen beteiligten Stadtbaumeistern, Stadtgärtnern, Politikern, Investoren und selbst einem Arzt, gibt es eher Dokumente der Detail- oder Aspektplanung als die eines Gesamtkonzeptes (Anm. 4). Die einzelne Entwürfe, von denen eine erfreulich große Zahl Blätter erhalten blieb, betreffen sowohl Grünplanungen mit Varianten als auch städtebauliche Anpassungen mit neuen Bauten. Eine besondere Gruppe der Entwürfe studiert den Umgang mit Stadttoren, die die Stadtbaumeister am liebsten beibehalten wollten, die aber im Zuge der Verkehrsplanung am Ende alle verschwanden. Erst ein Plan von 1873, bearbeitet vom Assistenten der Zittauer Baudirektion Wünsche, zeigt eine Bestandsaufnahme des Gesamtbildes, genau gesprochen in dem Moment als die Mehrzahl der Ringbauten fertig war und der Schwerpunkt auf die neuen Vierteln gelegt wurde. Man könnte bei dieser Beschreibung den Eindruck von kleinbürgerlichem Basteln im Baugeschehen bekommen, aber das wäre eine Verkennung der Weitsicht und Sorgfalt der Handelnden. Zum Gelingen der Stadterweiterung für eine industrielle Gesellschaft, mit dem Ring als Kernstück, trug der Ausbau der Infrastruktur wesentlich bei. Der in baugeschichtlichen Analysen häufig unterbewertete Faktor städtebaulicher Randbedingungen wurde im Zittauer Fall aktiv analysiert und nötigenfalls mit großem Aufwand geändert. Der Mandau-Fluß am Südrand der Altstadt, seit jeher problematisch durch Hochwasser, wurde um 1898 reguliert und der neue Kanal wurde vom Ring um einen Häuserblock entfernt geführt, womit der Ring beidseitig eine geschlossene Baufolge erhalten konnte. Aus ähnlichem Grund – und wegen der topographische Gegebenheit der Tallage Zittaus – wurden der Bahnhof sowie Bauten der städtischen Wasserversorgung nicht etwa am Ring, sondern um 500 m nördlich plaziert, was eine Entflechtung der Verkehrs- und Versorgungswege zur Folge hatte und für Fabriken und Wohngebiete beste Bedingungen schuf. Als Beispiel für die Randbedingungen mag noch der großzügige Umgang mit städtischem Grün genannt werden, welcher über den Ring hinaus im entfernten Westpark und Weinaupark mit Villenviertel, sowie in einigen attraktiven Schrebergärtenanlagen seinen Ausdruck fand. Überaus interessant sind dabei die Überleitungen vom Ring zu den Parks als auch von den Parks zur Oberlausitzer Landschaft. So befinden sich zwischen dem Anfang der Weinauallee und der Promenade des Ringes ein üppig begrünter Friedhof mit der gotischen Frauenkirche sowie Villen mit großzügigen Gärten. Man kann somit feststellen, dass bei dem was sich langfristig am Ring änderte, koherent geplant wurde. Die Planung gleicht, oberflächlich gesehen, mehr dem Umgang mit einer bestehenden Siedlungstruktur im Mittelalter, mit vereinzelten Korrekturen, als einer großen Geste für die Errichtung einer Idealstadt des Barock. Bei näherem Hinsehen erkennt man dennoch rationelle Züge der Entwicklung der Ringstraße und ihrer Anlagen, die zum Zeitalter der Industriegesellschaft passen (Anm. 5). Mehr noch, die organischen Züge des Formengebildes Ring, die Behutsamkeit und Nachhaltigkeit der Eingriffe, die ausgeprägte Wertschätzung der Natur, sowohl als Teil eines ökologischen Gesamtsystems als auch in ihrer kulturellen Bedeutung und ihrem Erholungswert, sowie die kollegiale Zusammenarbeit über Generationen hinweg sind für unserer Zeit zukunftweisend. Mit dem Beschluß die Funktion der Stadtmauer als Befestigung aufzgeben – und noch unabhängig von der Frage, wie viel von der Stadtmauer erhalten werden sollte – mußte 1820 ein neues Planungskonzept für dieses Areal Zittaus gefunden werden. Der regierende Bürgermeister Ernst Friedrich Haupt suchte dafür professionelle Hilfe. Haupt bewunderte Johann Wolfgang von Goethe und dessen romantisch inspirierte Bemühungen für Parkanlagen. Ein Mitarbeiter eines Gärtners welcher im Auftrag Goethes und des Herzogs Karl August zu Sachsen-Weimar zur Gestaltung des Ilmparks beitrug – der Gärtnerbursche Joachim Friedrich Zischling (Berlin um 1800 - Zittau 1853), wurde daraufhin von Haupt nach Zittau geholt. Das von Zischling bearbeitete Gebiet betraf seit 1820 die erste öffentlich zugängliche Grünanlage, welche sich nördlich und südlich der Fleischerbastei erstreckte. Anfangs waren lediglich kleinere Eingriffe in die bestehenden Höhenunterschiede vorgesehen und der tiefliegende Graben wurde beibehalten. Man begann jetzt, die Böschungen für Spaziergänger zugänglich zu machen. Südlich der Kreuzkirche – wo 1843 das Sozietätsgebäude mit Terrassen entstand – wurde ein Schneckenberg errichtet, dessen Gipfel auf einem spiralförmigen Fußweg erreichbar war. Kunstvolle Blumenbeete wechselten sich mit naturbelassenen Bereichen in organischer Wegeführung ab. Es entstand die Krokuswiese mit einer riesigen Platane, die später Zischling gewidmet wurde. Man pflanzte eine größere Vielfalt von Sträuchern, Stauden sowie heimattypischen als auch fremdländischen Bäumen. Da Goethes Gartentheorie und der englische Gartenstil kulturelle Inhalte für einen Park vorsahen, erschienen in diesem Ringabschnitt weitere Elemente kultureller Art, wie etwa die Denkmäler bedeutender Zittauer Bürger. Auch ein Wasserbassin trug zur Verschönerung bei. Dort am Jungfernteich betätigt sich eifrig das Schleifermännchen, eine winzige eiserne Skulptur, die, bunt bemalt, mit spritzendem Wasser ausdauernd schleift. 1907 entstand entlang der Südseite der Fleischerbastei die gartenkünstlerische Schöpfung Blumenuhr. Die Rolle Zischlings im Vergleich zu seinem Vorgänger, dem Stadtgärtner Wallrad, war wohl von einer größeren entwerferischen Kreativität und einer wissenschaftlicheren Botanik geprägt. Gezeichnet wurden die Planungen vom damaligen Stadtbaumeister Karl Christian Eschke. Typisch für den Zittauer Ring ist, dass man am gleichen gartentheoretischen Konzept stetig weiterarbeitete und die Grünanlagen immer wieder gekonnt an die neuen Bedingungen für die Ringstraße anpaßte. Hinter einen Artikel mit dem einfachen Titel Bemerkungen über die innern Umgebungen Zittaus, der 1831 erschien, verbirgt sich ein brisanter Angriff auf die Stadtmauer und ihren Wassergraben. Mit für uns ungeheuer starken Ausdrücken beschreibt der Zittauer Arzt Dr. Brauer die unhygienischen Wirkungen, welche von der Stadtmauer und dem Wassergraben auf die allgemeinen Gesundheit ausgehen. Ein längeres Zitat dürfte vieles klären. „Noch stehen die alten, unbrauchbaren, an die Zeiten des Barbarismus erinnernden, und widrigen Eindruck in die Harmonie des Ganzen machenden Stadtmauern mit ihren meistens noch nicht abgetragenen Basteien, ohne der jetzigen Zeit irgend einen wesentlichen Nutzen zu bringen, vielmehr der Gesundheitsbeschaffenheit der Stadt den größten Nachtheil zuzufügen. – Sie sind es, die durch Hinderung des freien Luftzuges und durch Verdämmerung die so nothwendige Reinigung der Atmosphäre in den anliegenden Wohnungen und Gäßchen erschweren (...) und Gelegenheit geben können, durch mannigfache Entwicklungen schädlicher mephitischer Gasarten, die Gesundheit und das Leben der Bewohner zu bedrohen. – Nur eine geringe, aber sehr rühmliche Ausnahme hiervon macht der zwischen der Wasserpforte und dem so freundlichen Böhmischen Thore innegelegene Raum, welcher durch gänzliche Abtragung der daselbst befindlich gewesenen Stadtmauern und Basteien, Anlegung von bedeckten Kanälen, Ausfüllung und Ebnung des vormaligen Zwingers und garstig stinkenden Stadtgrabens, nicht nur in eine schöne freundliche, mit grünem Gesträuch und blühenden Pflanzen bedeckte englische Partie umgewandelt worden ist, sondern auch in medicinisch-polizeilicher Hinsicht, durch die Entfernung der sich vormals hier sehr stark entwickelnden mephitischen, der Gesundheit äußerst nachtheiligen Gasarten, für das physische Wohl der anwohnenden Personen sich als sehr wohlthätiges Unternehmen bewiesen hat.“ Sonst gäbe es nach wie vor „jene gesundheitswidrigen Einflüsse eines mit faulenden animalischen und vegetabilischen Stoffes angefüllten stagnierenden, äußerst übelriechenden Stadtgrabens“. Aus dieser Kritik entstanden seit 1835 Maßnahmen wie die unterirdische Kanalisierung der Wassergräben und der beschleunigte Abbruch der Befestigungswerke. Die frei kommende Fläche von Zwinger, Graben und Ringstraße zusammen war etwa 80 m breit und an den Stellen ehemaliger Bastionen noch breiter. Neben der relativ schmalen Ringstraße war also genug Raum für die Promenade und stadtseitig auch noch Bauland von gewisser Tiefe. Konsequenz dieser Planung war, dass mancher Höhenunterschied in diesem Bereich, welcher vorher wegen der Beibehaltung des Stadtgrabens noch berücksichtigt wurde, großflächig geebnet wurde. Dr. Brauers Kritik ging konform mit den Befürwortern einer modernen Ringstraße, die hohen Wert auf verkehrstechnische Verbesserungen legten, wobei für diese Planungen die Stadttore im Wege standen. Seit 1857 werden unter Bürgermeister Ludwig Haberkorn die Befürworter des Gesamtabrisses der Stadtmauer die Initiative übernehmen, wobei sich der sensible Stadtbaumeister Carl August Schramm als ein beharrlicher Gegner des Abbruches aller Stadttore zeigt. Der wichtigste aller Türme war der Bautzner Turm, für dessen denkmalpflegerische Erhaltung Schramm und andere ihre Entwürfe einreichten. Eine mit dem 20. Juni 1843 datierte Zeichnung, dessen Autor unvermerkt ist, stellt eine Entwurfsvariante mit Nebenbauten dar. Es gibt von Schramm mehrere Ansichten des Bautzner Turms mit zurückhaltenden Änderungsvorschlägen. Schließlich, im Schramms Todesjahr 1869, fiel der Bautzner Turm zugunsten einer ungehinderten Fahrt in die Innenstadt, dem Abbruch zum Opfer. Für Schramms Nachfolger, den Stadtbaumeister Emil Trummler, war die Entscheidung des Abrisses aller Stadttore gegeben. Nur die Fleischerbastei und die “kleine Bastei” behielten ihre Gestalt, wenn man absieht von der Kreuz- und Weberkirche, deren Umgebung und Eingangssituation umsichtig angepaßt wurden. Bemerkenswert ist aber, dass Trummler zwar die Großprojekte wie das Johanneum, die Turnhalle und das Stadtbad konsequent zu Ende bringt, aber dabei durchaus noch Wege sieht, etwas von der mittelaterlichen Stadtsilhouette in das 19. Jh. herüberzuretten. Einer der weniger bedeutenden und torlosen Stadttürme, der „Speyviel“, wurde von ihm im neuen Stadtbad integriert. Er stockte den Turm mit zwei Stockwerken auf und gab dem Ganzen ein klassizistisches Gewand. Es gelang, unmittelbar neben dem abgerissenen Bautzner Turm einen neuen Turm zu erbauen. Der Johanneumsturm entstand neben der Fahrspur der Bautzner Straße als Kopfbau des JohanneumGymnasiums. Einige Entwurfsvarianten der städtischen Turnhalle von Trummlers Hand zeigen einen weiteren Turm, der allerdings in der Wirkung wegen seiner Lage außerhalb der Ringstraße, kaum zur Geltung gekommen wäre. Schließlich kann man zu den neuen Türmen auch die beiden des Post- und Telegrafenamts zählen. Die modernisierenden Ereignisse nach 1850 nehmen für Zittau ein gewaltiges Tempo an. Das gesamte Wegesystem wird erneuert. Es entstehen Bahnverbindungen von Zittau nach Löbau (1848), Reichenberg (1859), Großschönau (1868) und Görlitz (1875). 1890 folgt die Schmalspurbahn nach Oybin und Jonsdorf. Ab 1904 (bis 1919) fuhr eine Straßenbahn in drei Linien durch Zittau. Die Wasserversorgung wird modernisiert. Die alten Wasserbrunnen werden nun durch Druckleitungen ersetzt. Mehrfach erlebt die künstliche Beleuchtung eine Neuerung. Nachdem Gas seit 1843 als Straßenbeleuchtung und in Zittaus Haushalten eingeführt wurde – statt vorher bestenfalls Öllampen – war um 1900 die elektrische Stromversorgung bereits allgemein. Auch das Postwesen revolutionierte sich durch die neue Kommunikationsform Telegrafie und wenig später durch das Telefon. Wirtschaftlich bedeuteten die Modernisierungen eine Maßstabsvergrößerung der industriellen Produktion, z.B. von Textilien, Kraftfahrzeugen, Maschinen oder Ziegeln. Soziologisch ergab sich ein beschleunigter Zustrom von Fremdarbeitern, deren Familien Wohnungen benötigten. Auf die Ringstraße hatten diese Änderungen große Auswirkungen. Die verwendeten Planungsunterlagen werden immer größer. Manche Zeichnungen, wie Wünsches schon erwähnter „Plan zur Erweiterung der Stadt Zittau“ von 1873, bestehen aus neun losen Feldern mit einer Gesamtfläche von fast 4 m². Der Maßstab ist 1: 1.500. Die Pläne entstanden offensichtlich in einer bewußten Angleichung an Vorgängerpläne, etwa die mit einer Dokumentation der vom Stadtbrand 1757 zerstörten Stadtteile, wodurch eine Tradition sichtbar wird. Die neueren Karten, die Stadtbaudirektor Rudolph anfertigen ließ, waren nicht mehr Unikate in lavierter Tuschetechnik, sondern wurden teils farbig zum amtlichen Gebrauch vervielfältigt. So erschien 1883 ein Stadtplan von Zittau aus der Lithografischen Anstalt von Oscar Wötzold, Zittau, im Maßstab 1 : 4.000. Nachdem einige historische und städtebauliche Aspekte gestreift wurden, wenden wir uns die Ringbauten zu. Wer den meisterhaften Wiener Ring von eigener Anschauung kennt, ahnt die Bedeutung der einzelnen Bauten für das gesamte Gefüge. Das Ziel, die Harmonie der Teile im Ganzen, belegt der bedeutende Städtebautheoretiker Camillo Sitte mit dem Begriff „Kunstwerk Stadt“. Eine Vielzahl von Funktionen, oft direkt ablesbar von der Fassadengestaltung bis hin zur Kubatur und Konstruktionsweise, sind in den Ringbauten in Wien und vergleichbar gut proportioniert im viel kleineren Zittau, enthalten (Anm. 6). Die Funktionen lassen sich in Gruppen ordnen. Es gibt öffentliche Bauten (z.B. Schulen Verwaltung, Gesundheit), Wirtschaft (Fabrik, Handwerksbetrieb, nur wenige Läden), Unterhaltung (Hotel, Restaurant, Theater, Zirkus, Sozietät) und Wohnbebauung für Alte und Bessergestellte. Die öffentlichen Bauten treten an erste Stelle, da sie ein Teil des neuen „Zentrums“ darstellen. Die größte Zahl der öffentlichen Bauten wird von Schulen für unterschiedliche Altersklassen und Bildungniveaus eingenommen. In Zusammenhang mit der Gründerzeit wurden staatliche Dinge neu organisiert und mit viel bürokratischem Aufwand möglichst zügig beherbergt in einem neuen Bau. Die Bauten für das Post- und Gerichtswesen, wurden nicht etwa, wie bei den älteren Schulen am Ring von den Stadtbaumeistern sondern von einem Postbaurat Zopff in Dresden bzw. von einem Architekten Grasselt des Landbauamtes Bautzen bearbeitet. Die Folge ist eine höhere Professionalität, insbesondere in der gediegenen Konstruktion dieser Bauten, aber im Fall des Postamtes doch auch ein Verlust an Abstimmung zwischen Außengestalt und Funktionalität der schematisch gegliederten Raumfolgen. Die Bebauung wurde bewußt verteilt, so dass am Ring eine gewisse Ordnung ablesbar ist. Eine Konzentration öffentlicher Bauten findet sich nahe dem Haberkornplatz, wo sich Ring und Bahnhofstraße kreuzen. Die wichtige Bautzner Straße, die Verlängerung der Bahnhofstraße, führt von dort direkt zum Markt. Bahnhofsnähe war ja entscheidend für Einrichtungen wie Amtsgericht, Post oder Theater und erwünscht für einen Teil der Schulen. Das Amtsgericht wurde nach langwierigen Protesten der Bevölkerung erst 1911-1914 von Grasselt erbaut. Grund für den Unmut lieferte der Gefängnisbau im Blockinnern. Im Nachhinein kann man nur Bewunderung haben für die intelligente und formschöne Architektur und das freundliche Willkommen, dass die Jugendstilfassade mit ihrer vertieft liegenden Eingangssituation ausstrahlt. Phantasievoll ist schon die Anordnung der beiden, in der Mitte verschobenen, Bauttrakte. Sie sind mit der schmalen Südseite und asymmetrisch zum Ring hin verlegt, wodurch jedes wilhelminische Pathos und übertriebene Monumentalität vermieden wird. Durch die innere Verschiebung des Gebäudes im Treppenbereich wirken die verbleibenden Gängen eher kurz und ist die Beleuchtung optimal. Die Ablesbarkeit der Architektur ist hier in vielen Details gegeben, etwa die Kasse durch Vergitterung und der Strafgerichtssaal mit extra Fenstern in hoher Lage, so dass sich die Aufregung der Beteiligten Luft machen kann. Im Obergeschoß bekam der leitende Richter eine Amtswohnung mit einem Balkon und weitgehend getrenntem Aufgang. Das Schulwesen war ein Bereich, bei dem über die Jahre Änderungen sichtbar wurden. Die Schüleranzahl wuchs derart an, dass die neuen Schulgebäuden wie das Johanneum (Länge 115 m) und die Pestalozzi-Schule riesig wurden. Ihre städtebauliche Lage, die Nordflanke des Ringes, bot günstige Lichtverhältnisse für die meiste Klassenzimmer. Einen Entwicklungsschritt im Zittauer Schulwesen stellt die Parkschule am Ring dar, deren Architekt Ludwig Hirsch aus Jena 1889 durch einen Wettberwerb ermittelt wurde. Die Architektur zeigt das damals ortsfremde Material Sichtziegel in Kombination mit Naturstein und bildet ein gutes Beispiel für holländische Neurenaissance. Maßnahmen wie hohe Klassenzimmer und mit Überdachungen verbundenen Toilettentrakte, entsprechen dem seuchenhygienische Erkenntnisstand der Zeit. Didaktisch subtil war ein – in späterer Zeit entfernter – zentraler Lichthof, der, beidseitig verglast, Mädchen und Knaben sowohl trennte als auch verband. Von den höheren Schulanstalten soll neben der Webschule (1898) und dem Verwaltungsbau der Hochschule Zittau/Görlitz FH (1971-1974) die Baugewerkenschule genannt werden. Diese wurde 1846-1848 von Carl August Schramm erbaut. Schramm, ein Schüler Karl Friedrich Schinkels, war nicht nur Stadtbaumeister sondern auch Direktor der Baugewerkenschule, die mit der Gründung im Jahre1840 eine der ältesten kommunalen Bauschulen Deutschlands ist. Häufig wird die Berliner Bauakademie Schinkels, ein typischer Rasterbau, als Vorbild für die Baugewerkenschule genannt. Die innere Organisation ist rational proportioniert durch einen Flur, der über das längs an der Fassade liegende Treppenhaus genügend Licht empfängt. Die abgeschrägten Fensteröffnungen mit Tudorbögen zwischen Pilastern wirken auffallend feingliedrig. Eine gewisse Überbefensterung in Kombination mit niedrigen Zimmerhöhen ergab ein problematisches Innenklima, was schon mal zu einer Studentenstreik führte. Turnen war im 19. Jahrhundert allmählich von einer aufmüpfigen, teils verbotenen, Vereinstätigkeit zur nationalen Pflicht gewachsen. Nicht zufällig wurde die Haupturnhalle kurz nach dem Kriege von 1870/1871 erbaut (Trummler 1872-1874). Die Obrigkeit und Senator Just, ein großzügiger Spender, wünschten sich halt eine Jugend, die fähig zur Landesverteidigung war. Aus einer Vielzahl, teils prächtiger Entwürfe – wie etwa von einem Schloß – wurde eine stattliche Turnhalle in der Nähe der Pestalozzi-Schule und des Johanneums ausgeführt. Der Ort des Stadtbades – mit seiner Kollonade und Freitreppe, eines der wichtigsten Bauten Zittaus – ist anders als die meisten Ringbauten bedingt. Hier gab es – aus dem Mittelalter überliefert – den Gesundbrunnen und Badehäuser waren an dieser oder benachbarter Stelle Tradition. Das Stadtbad ist auch auf andere Art mit der Tradition verbunden, da in seinem Turm der mittelaterliche „Speyviel“Turm steckt, wie oben erwähnt. Die für einen klassizistischen Bau (Trummler, 1870-1874) merkwürdigen Knicke im symmetrischen und langen Grundriß wurden durch die Ausrichtung des Speyvielturmes und die Krümmung der bebaubaren Zone der Ringbauten veranlaßt. Das architektonische Ergebnis all dieser Entwurfsvorgaben ist wirklich gelungen und es fügt sich wechselreich in die Parkanlage ein. Das Stadtbadprojekt wurde ausführlich vorbereitet mit Exkursionen zu Vergleichsbauten und es erwies sich als schwer finanzierbar. Die beide Trakten bekamen Bad- und Saunabereiche für Frauen und Herren mit relativ kleinen Schwimmbecken. Auch eine große Zahl Wannenbäder, ursprünglich gefliest und im Boden eingelassen, stand in verschiedenen Klassen zur Verfügung. Die Warte- und Umkleideräume waren modisch dekoriert mit Vertafelungen. Ergänzende Beleuchtung wurde mit Oberlichtern für das Hauptgeschoß geregelt, weshalb die ursprüngliche Fassade nur eine geringe Zahl Fenster aufwies. Da der Speyvielturm das Zentrum einnahm, ergaben sich Probleme bei der internen Erschließung, welche in einer aufwendigen Baumaßnahme 1890-1896 weitgehend gelöst wurden in fachlichem Tauziehen zwischen Badedirektor Trübenbach und Baudirektor Rudolph. Von dieser Zeit sind interessante Fliesenflächen auf Wänden und Wasserbecken der Sauna erhalten in technisch perfekter Ausführung. Zu zahllosen ästhetischen, technischen und sozialen Begebenheiten der Stadtbadgeschichte muß hier verwiesen werden auf das Buch Der Zittauer Ring. Kulturelles Angebot gab es in einem Sozietätshaus (Schramm 1843), das eine Frauensozietät beinhaltete. Der Bau mit seiner Terrasse und dem Restaurant lag besonders günstig in einer Krümmung der Ringstraße im Bereich der Kreuzkirchenanlage. Es gab über Treppen einen direkten Zugang von der Promenade aus und die erhöhten Terrassenplätze boten Aussicht in Richtung Fleischerbastei. Später wird die Funktion des Restaurants beibehalten mit wechselnden Besitzern. Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem städtischen Mehllager, das 1828 von Stadtbaumeister Eschke in einfacher frühklassizistischen Art erbaut worden war. Städtebaulich gehörte es mit dem Armen- und Krankenhaus (später Altes Finanzamt) zu einer Planungsphase des Ringes, als der Graben noch beibehalten werden sollte. Das Mehllager wurde durch die Entwicklung der privaten Güterbelieferung bald überflüssig und Stadtbaumeister Trummler verwandelte mit Entwurfsgeschick die dreischiffige Anlage zu einem Zirkus, komplett mit Manege, Restaurant und Pferdeställen (um 1863). Für den Ring bedeutete das eine Verjüngung. Mit einem Umbau zum Kino im Jahre 1928, wurde diesem Bau zum dritten Mal eine neue Funktion gegeben. Die Schauburg wurde 1977-1979 nach modernsten Gesichtspunkten umgestaltet mit einer Visionsbar, in der man während der Filmvorführung hinter Glas bedient wurde. Der mittelgroßen Theaterbau am Ring, jetzt benannt nach Gerhart Hauptmann, wurde erst 1936 eröffnet und ersetzte das alte, kommunale Theater, welches 1932 in der Innenstadt abgebrannt war. Dieser Bau, das Grenzlandtheater, wurde schon bei der Planung vom Zeitgeschehen beeinflußt und später intensiv für die Vorführung von Propagandafilmen des Naziregimes genutzt (Anm. 7). Die Architektur des Theaters vom Dresdner Architekten Adolf Hopp – unterstützt von Prof. Alker von TU Karlsruhe – mündete in einem klassischen Bau mit modern sachlichen Zügen. Der Einfluß der Moderne machte sich bemerkbar in der sorgfältigen Behandlung der Bauphysik, z.B. Akustik und Heizung und in einer funktionalen Raumverteilung. Wohnraum zu schaffen für Alte und Kranke war im 19. Jh. Pflicht für eine Stadt wie Zittau und es entstanden 1824 das Armen- und Krankenhaus (Eschke) und 1864 das Alten- und Pflegeheim St. Jacob (Trummler). Die zwei Bauten vermitteln nicht nur die Stile ihrer Zeit. Das Alten- und Krankenhaus, nach einer späteren Nutzung Altes Finanzamt genannt, wurde zweistöckig im Revolutionsstil erbaut. Im Jahre 1875 wurde es aufgestockt und verwandelt zu einem Lazarett, stilistisch mit bemerkenswert akkurater Darstellung militärischer Monotie in den verbleibenden architektonischen Schmuckformen. St. Jacob zeigt Neurenaissance in guten Proportionen, wie man sie von Trummler kennt. Auch nach sozialer Einstufung sind es Bauten ihrer Zeit, die eine Entwicklung von Strenge und Ordnung nach der Sentimentalität christlicher Vormundschaft zeigen. Die U-förmige Anlage von St. Jacob wurde bewußt nicht zum Ring verlegt sondern zu einem Platz vor der Weberkirche. Dadurch wird die gleichmäßige Besonnung des Frauen- und Männertrakts mit einer ruhigen Eingangssituation kombiniert. Für Privatbauten wie Apartmenthäuser und Villen fand sich anfangs an der Renomieradresse Zittauer Ring genügend Platz. Der Reichshof am Haberkornplatz, ein Hotel/Restaurant mit zusätzlichen Luxusapartements, mußte allerdings vorlieb nehmen mit einem Standort mit ungünstig geneigtem Straßenverlauf und mit einer Ausbuchtung im Blockinnern, umgeben von Brandmauern. Günstig war dafür seine Ecklage am Haberkornplatz. Der Reichshof wurde 1893 innerhalb von nur neun Monaten erbaut nach Plänen des findigen Architekten Oswald Fritsche. Er schaffte es, den Grundriß so zu gestalten, dass im Hinterbereich ein stattlicher Festsaal Platz fand und ausgerechnet direkt oberhalb des Stallbereiches. Ventilationskanäle führten vom Stall entlang des Festsaals. Die spärliche Beleuchtung des Festsaals wurde einerseits durch ein Oberlicht, anderseits durch von Gardinen prunkvoll verhangene Farbfenstern gewährleistet. Die Villen, teils mit großen Gärten, wie Villa Dannenberg und besonders berühmt Villa Sthamer, wurden erstaunlich pragmatisch eingefügt im Ganzen. Der Ringstandort der Textilfabrik Dannenberg (später nach Schwiegersohn Könitzer umbenannt) war von der Anbindung an das Mandauwasser mit dem Mühlgraben bestimmt und für die Villa fand man – in einer relativ frühen Phase um 1861 – unweit ein freies Grundstück. Andere Fabrikanten wie etwa Schneider (Textil) oder Hiller (Phänomenwerke; später Kraftfahrzeuge Robur) zogen es vor, ihre Villen gerade nicht in die Nähe der Fabrikbauten zu bauen, sondern nutzten die bare Repräsention der Lage am Ring. Villa Schneider entstand im Jugendstil nach einen Entwurf des renomierten Dresdner Architekturbüros Lossow & Kühne (1908). Die Villa Hiller (1889-1891), ursprünglich gebaut für die eigene Nutzung durch den Zittauer Architekten Rudolph Poppe, wurde in einer eleganten Neurenaissance nach Proportionsregeln gestaltet. Beide Villen stellen bewußt Pracht und Prahl zur Schau, wobei die Villa Hiller Materialimitationen in Fülle aufweist, wie Fliesen mit Mosaikmustern sowie schlecht-und-recht gemalte Marmorierungen im Treppenhaus und Gold im Messingausführung. Für das Begehren, der letzten Stilmode zu folgen, ist die Villa Schneider ein gutes Beispiel. Es fanden sich bei den Recherchen nicht nur die routiniert gezeichneten Planunterlagen von Lossow & Kühne, sondern auch die des Vorgängerhauses, erbaut von Rudolph Poppe 1866-1867, in einem perfekten Klassizismus griechischer Prägung. Die Villa Schneider wird, sicher aus Geldersparnis, als Um- und Erweiterungsbau des Vorgängerhaus ausgeführt. Die Raumfolge wurde dabei integriert und selbst die Treppe wurde als Zweittreppe in der Villa Schneider beibehalten. Eine betont andere, mehr auf Naturerlebnis gerichtete Lebensart läßt sich ahnen bei der Villa Sthamer am Ring (vorher Villa Groß, um 1821). Die Villa Sthamer zeigt einen zurückhaltenden Frühklassizismus seltener ägyptischer Prägung (Palmenblattkapitelle). Ihre Rückfassade, dem Norden zugewandt, erhielt mittig den Eingang und auch wichtige Zimmer wie das Esszimmer wurden nach dem tiefen Garten hin verlegt. Erhaltene Fotos zeigen eine Vielfalt an gartenkünstlerischen Ideen. Es gab nicht nur den üblichen Rasen und Vorgarten mit Blütengewächsen, Stall und Remise, sondern auch zwei Riesenkoniferen mit einem Blumenbeet dazwischen, welche den Durchblick vom Hauseingang zu einem Bassin mit Fontäne rahmen. Das Wasser für dieses und die benachbarte Bassins kam aus Kilometerterentfernung und die Zuleitung war privat angelegt von Groß. Auch wurden Ananaspflanzen im Gewächshaus gehalten. Der Garten von Sthamer war bekannt geworden, da er manchmal für das breite Publikum geöffnet wurde. Die Frage nach den Lebensbedingungen für das Hauspersonal ist durchaus wichtig. In den meisten Villen wurden dieses im Keller und im Dach untergebracht, manchmal mit dem Vorzug einer Diensttreppe. In der Villa Dannenberg, das Äussere in Chaletstil und mit einem symmetrischen Paladiogrundriß versehen, zeigt sich ein anderes Konzept für das Personal. Die Räume sind um eine zentrale Treppe angeordnet und die vier Fassaden übernehmen verschiedene Funktionen wie Eingangs- oder Gartenbereich. Die gesamte Nordfassade ist dem Personal bzw. sekundären Funktionen gewidmet. Dadurch und weil sich hier ein Gewächshaus und das Stallgebäude befand, ergab sich eine Art Wirtschaftshof. Die alltägliche Häuslichkeit dieses Bereichs wird durch berankte Balkone noch gesteigert. Die beiden letzten Bauten dieses Beitrags gehören zur Kategorie der ungeahnt phantasievollen Architektur, mit demokratischem Selbstbewußtsein in zurückhaltender Art am Ring erbaut. Es handelt sich um Betriebe die angesiedelt sind zwischen Handwerk und Kunst, nämlich eine Glaswerkstatt und ein fotografisches Atelier. Städtebaulich nutzen beide in ihrer eigene Art die Nähe des Ringes aus. Die Glaswerkstatt Türcke & Schlein, mit wenig, aber dafür internationalem Publikumsverkehr, konnte am Eingang neben einem alten Barockhaus am Ring dezent werben. Die von Oswald Fritsche 1898 erbaute kleine Fabrikanlage ist ein Juwel an Funktionalität. Logische interne und externe Verbindungen sichern den komplexen Ablauf von Planung, Design, Produktion und Montage der Farbverglasungen. In der Fassade tritt der Schauraum durch riesige Rundfenstern hervor. Der Schauraum diente der Demonstration von Mustern für die Kunden, aber auch zur Sichtprüfung der montierten Werkstücke. Beim Fotoatelier Halm, später Fotoatelier Walbrecker, wurde die Lage des Hausgartens am Ring genutzt. Das einfache Handwerkerhaus, das der Fotograf Halm an der Pappelgasse (Breite Straße) erwarb, hatte den Nachteil, dass potentielle Kunden, flanierend auf den Promenaden, keinen direkten Zugang fanden. Da der tiefen Garten südseitig an den Ring grenzte, wurde das Fotoatelier nach dort verlagert. Insgesamt haben unsere Recherchen acht Umbauten dieses, in Zittau renomierten Fotoateliers, zwischen 1872 und 1900 erfasst. Bei allen Bauten kommt die besondere funktionale Bedingung für Fotoateliers, schattenarmes Nordlicht, in einer geschlossenen Ringfassade zum Ausdruck. Anfangs, in Ergänzung des ersten Fotoateliers, einem einfachen Fachwerkbau, gab es Variationen eines Außenateliers für Gruppenfotos. Später wurde gleiches von einem festen Atelier geleistet. Alle Lösungen für die Umbauten wurden, abseits der großen Architektur, aus dem Tagesablauf des Fotografierens heraus entwickelt. Ausblick Der Zittauer Ring als städtebauliches Ensemble wurde Ihnen hier als kleines Panorama präsentiert, fast wie in einer detaillreichen Erzählung. Sinn dieser Betrachtungsweise war es, die komplexen Beziehungen zwischen Einzelgebäuden und Ring zu erläutern und dabei die Geschichte zu Rate zu ziehen. Für jeden betroffenen Investor und Architekten galt es – innerhalb des gesellschaftlichen Kräftespiels – eine Lösung für den Einzelbau zu finden und dabei auf die Einbindung im Ringgeschehen zu achten. Das ist rational und es entspricht einer demokratischen Haltung. Ein Grund, dass der Zittauer Ring seit jeher funktioniert, liegt im ruhigen Tempo der meisten Entwicklungen in Zittau. Dennoch gab es bei so vielen beteiligten Häusern doch regelmäßig Verschiebungen. Ich möchte diesen Beitrag nicht schließen, ohne aufzuzählen, was im Zeitraum unserer Recherchen, 1996 bis 2001, an Veränderung stattgefunden hat: - Die Ringstraße, mit wachsendem Verkehrsaufgebot, erhielt eine konsequente Ampelanlage und eine Vereinfachung der Straßenanbindungen. - Es gab auch Abrisse, die glücklicherweise nur Gebäudeabschnitte betrafen. Der Saaltrakt der Sozietät wurde wegen Schwammbefall abgerissen und nach Protesten konnte zumindest der Eingangstrakt erhalten bleiben, so dass möglicherweise eine neue Nutzung mit ähnlicher Kubatur erfolgen kann. Das Haus mit dem ehemaligen Fotoatelier verlor ein schuppenähnliches Nebenatelier. - Das Wäntighaus, ein ehemaliges Fabrikgebäude mit Wohnung, wird für die Polizeibehörde saniert. Weitere Sanierungen fanden statt, wie etwa die des Armen-und Krankenhauses, umgestaltet für betreutes Wohnen. - Der Reichshof wurde bei einer aufwendigen Sanierung mit einer Teilaufstockung versehen, in gewisser Angleichung an die ursprüngliche Planung, die ein weiteres Geschoß vorsah. - Die Könitzerfabrikanlagen wurden abgerissen. Der Verwaltungsbau der Hochschule, ein typischer Bau der DDR-Zeit mit zeitgemäß optimistischem Brunnen und einer Fahnenmastenreihe, wird in Zusammenhang mit einer Neustrukturierung dieses Gebiets in Zukunft möglicherweise abgerissen, mit der Begründung, dass eine ökologisch sinnvolle Sanierung zu teuer wäre. Die Gefahr besteht somit, dass man den Zittauer Ring als beschauliches Museum des 19. Jahrhunderts betrachtet, ohne die jeweiligen Verjüngungen durch Nachfolgebauten zu würdigen. - Es wurde ein schlichtes modernes Parkhaus in Ringnähe erstellt. - Die Kreuzkirche und ihre Friedhofsanlage wurde saniert und fachgerecht eingerichtet als Museumsbereich für das große Fastentuch von 1472, Zittaus bedeutendstes Kunstwerk. - Die Aktivitäten zur Rettung des Stadtbades sind erheblich vertieft und ausgeweitet. Es entstanden u.a. eine Diplomarbeit Bauingenieurwesen und Sanierungsvorschläge in Entwürfen von Architekturstudenten. Durch Zusammenwirken von Vereinen, Hochschule und Stadt, wird ein Betreiber gesucht für eine langfristige, denkmalpflegerisch geeignete Lösung für das Stadtbad. Das Stadtbad gilt als ältestes noch funktionierendes seiner Art in Deutschland. Diese unvollständige Darstellung beweist, dass es Bewegung gibt im städtebaulichen Ensemble Ring. Ich erhoffe mir, dass unser Buch Der Zittauer Ring, als Hilfestellung für eine behutsame Pflege und Erneuerung dieses Kunstwerks verstanden wird und nicht etwa lediglich als Erinnerungsalbum in Umlauf bleibt. Anmerkungen 1 Der Beitrag basiert auf dem Buch: Volker Dudeck, Jos Tomlow, Der Zittauer Ring - Phantasievoller Städtebau des 19. Jahrhunderts – Kunstwerk Stadt, Wissenschaftliche Berichte der Hochschule Zittau/Görlitz (FH) Heft 61. 2000 (Sonderheft) Nr. 1752, Hg. v. Dietmar Reichel. Verlag Gunter Oettel, Görlitz, Zittau 2000. Zur Entstehungsgeschichte des Buch– und Ausstellungsprojektes als Veranstaltung der Städtischen Museen Zittau und der Hochschule Zittau/Görlitz (FH) siehe S. 123-125 des genannten Buches. Dort auch die Nennung zahlreicher Beteiligten - darunter 50 Studenten der Studienrichtung Architektur - und Quellenangaben. 2 Zittau erreichte um 1980 die Einwohnerzahl 40.000, aber damit war das im 19. Jh. angedachte Wachstumspotential nicht ausgenutzt. Im Jahre 2001 ist die Einwohnerzahl durch Aufgabe von Betrieben und Wegzug, bzw. durch Bezug neuartiger Wohnungen in der Umgebung gesunken auf rund 27.000. 3 Die Infragestellung eines Planungskonzeptes beim Zittauer Ring wurde von Baugeschichtler Andreas Bednarek in Zusammenhang mit einer Rezension des Buches „Der Zittauer Ring“ aufgeworfen. Vergleiche: Neues Lausitzisches Magazin, Neue Folge Band 3 / 2000, S. 148-150. Interessant seinen Hinweis in Zusammenhang mit den Entfestigungsarbeiten seit 1820 in Zittau: “Anders als in Preußen schienen für dieses Vorhaben der sächsischen Kommune keine nennenswerten Hindernisse durch den Staat in den Weg gelegt worden zu sein.“ Für weitere Rezensionen, siehe z.B. Dietmar Rößler, Sächsische Zeitung – Zittau vom 11.09.2000 und Vladimir Stissi, Cuypersbulletin – Nieuwsbrief van het Cuypersgenootschap 2001-1. 4 Aus der Zeit um 1800 sind eine Reihe Perspektiven von Stadtmauertürmen erhalten, die nach unserer Deutung von Stadtbaumeister Eschke zur Vorbereitung der bevorstehenden Änderungen in diesem Bereich angefertigt wurden. Vergleiche dazu die vollständige Publikation dieser Reihe durch Volker Dudeck in: Der Zittauer Ring, S. 18ff. 5 Der Hinweis auf negative Auswirkungen der Industrie auf das Klima in Zittau in jenen Jahren ist in ihrer Allgemeinheit durchaus berechtigt. Allerdings sollte man ein Auge für einige Zittauer Besonderheiten haben, die auch in dieser Hinsicht Sorgfalt im sozialen Umgang vermuten lassen. So gab es in der Textilfabrik Könitzer am Ring gartenähnliche Anlagen und nebenan einen Badehaus. Weitere Untersuchungen wären hier angebracht, etwa zur Frage der Lage der vielen Fabriken aber auch zum Vereins- und Religionsleben der Arbeiter(familien). Siehe dazu auch Dudeck, V., Zittau so wie es war. Düsseldorf 1993. 6 In Wien sind zu nennen: Parlament, Rathaus, Justizpalast, Universität, Börse, Burg- und Volkstheater sowie Oper, Kursalon, Hotels, Postamt, Künstlerhaus, Votivkirche. Benachbart finden sich u.a. Hofburg, Akademie der Künste und Karlskirche sowie Kasernen, letztere ähnlich wie in der Garnisonstadt Zittau. 7 Eine Erweiterungsplanung vom Dezember 1942, zu einer Frontlänge von 200 m mit Überbrückung der Schillerstraße und Abriß einiger benachbarten Bauten, unterstreicht die ideologische Bedeutung, die das Naziregime dem Theater und seiner gestrengen Architektur beimaß. Zeitgemäß gelang es nicht, das ehrgeizige Projekt zur Ausführung zu bringen. Siehe Der Zittauer Ring, S. 110. Abbildungen 1. Zittau im Jahre 2000 (Quelle Hochschule Zittau Görlitz (FH), Foto Jos Tomlow) 2. Entwurf von Grünanlagen mit Beibehaltung des Stadtgrabens im Bereich Karl-Liebknecht-Ring. Eschke, um 1822. (Quelle: Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Altbestand) 3. Neugestaltung mit Frauenhospital und Grünanlagen im Bereich Dr.-Brinitzer-Straße. Trummler, um 1861. (Quelle: Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Altbestand) 4. Neugestaltung Bautzner Tor und Umgebung. Autor unbekannt, 1843. (Quelle: Christian-WeiseBibliothek Zittau, Altbestand) 5. Plan zur Erweiterung der Stadt Zittau (Mittelfeld). Maßstab 1:1.500. Zittauer Baudirektion, Wünsche, 1873. (Quelle: Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Altbestand) 6. Blick von der Terrasse des Sozietätsgebäudes zur Fleischerbastei. Gabriel, 1846. (Quelle: Moráwek/Gabriel, Zittavia 1848/1849) 7. Das Kreis- und Amtsgericht. Grasselt, 1911-1914. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 8. Das Johanneum-Gymnasium. Trummler, 1869/1871. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 9. Die Parkschule. Hirsch, 1889-1893. (. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 10. Altes Foto der Höheren Webschule vom Ring aus gesehen nach dem Umbau von 1916. (Quelle: Archiv Hochschule Zittau/Görlitz FH) 11. Das Verwaltungsgebäude der Hochschule Zittau/Görlitz FH, Mehrzweckgeschoßbau "Typ Leipzig". Schaufel, Bauer, 1971-1974. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 12. Baugewerkenschule. Schramm, 1846-1848. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 13. Modell des Stadtbades Zittau. Trummler, 1870-1874. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Jos Tomlow) 14. Das Männerschwimmbad um 1910. (Quelle: Stadtarchiv Zittau) 15. Das Stadtbad. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 16. Modell der Schauburg als Reitbahn. Trummler, um 1863 (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Jos Tomlow) 17. Das Gerhart-Hauptmann-Theater. Hopp, Alker, 1937. (Quelle: Sammlung Böhmer, Ostritz) 18. Die Villa Schneider gegenüber der von Zischling um 1820 gepflanzten Platane. Lossow & Kühne, 1908. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 19. Villa Sthamer. Rekonstruktion der Gartenanlage um 1900. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH) 20. Villa Dannenberg. Entwurf um 1861. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Friedegard Eichler) 21. Entwurf der Werkstätten für Glasmalerei Schlein. Fritsche, 1898. (Quelle: Bauaktenarchiv Stadt Zittau) 22. Modell des Fotoateliers und Anlage für Gruppenaufnahmen im Hof im Jahre 1891. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Jos Tomlow) 23. Modell des Fotoateliers im Jahre 1900; Südseite. (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Jos Tomlow) 24. Modell des Fotoateliers im Jahre 1900; Nordseite (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH, Foto Jos Tomlow) 25. Orientierungsplan (Quelle: Hochschule Zittau/Görlitz FH) Literatur Akten Stadtbad Zittau 1889-1961 - Zusammenfassung aus Bauakten der Stadtverwaltung Zittau, Koordination J. Tomlow, Umschrift und Bearbeitung G. Pemsel, (Maschinenschrift) Hochschule Zittau/Görlitz FH, Zittau 1997 Brauer, Dr., Bemerkungen über die innern Umgebungen Zittaus, in: Just’s Communalblatt, Zittau 1831, S. 202 – 205 Dudeck, Volker, Zittau so wie es war. Düsseldorf 1993 Dudeck, Volker, Jos Tomlow: Der Zittauer Ring - Phantasievoller Städtebau des 19. Jahrhunderts – Kunstwerk Stadt, Wissenschaftliche Berichte der Hochschule Zittau/Görlitz (FH) als Heft 61. 2000 (Sonderheft) Nr. 1752, Hg. v. Dietmar Reichel. Verlag Gunter Oettel, Görlitz, Zittau 2000 Kahl, U., T. Böhmer, Zittau - Die Reihe Archivbilder. Erfurt 1999 Moráwek, Carl Gottlob(Text), Moritz Gabriel (Bild), Zittavia oder Zittau in seiner Vergangenheit und Gegenwart. Zittau I. Theil 1848 / II. Theil 1849 (Nachdruck mit einem Nachwort von Uwe Kahl. Zittau 1999) Moráwek, Carl, Zittaus Promenaden – ein Vortrag gehalten im Arbeiterbildungs-Vereine zu Zittau am 3. Oktober 1885. Zittau 1886 Panse, Ernst (Hg.), Hans Mirtschin, Parkführer durch die Oberlausitz. Bautzen 1999 Rosner, Ulrich, Die Zittauer Altstadt – ein gefährdetes Denkmal der Stadtbaukunst, in: Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V. 1/1996, S. 28-36 Sitte, Camillo, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen – ein Beitrag zur Lösung moderner Fragen der Architektur und monumentalen Plastik unter besonderer Beziehung auf Wien, 4. Auflage, Wien 1909