KRANKENBERICHT über einen Patienten der Medizinischen Veterinärklinik I Der Patient ist ein West-Highland-White-Terrier mit Namen „Apollo“. Der Besitzer. Die Untersuchung findet am 31.01.2000 in der Zeit von 8.30 – 10.30 Uhr statt. Anamnese: Der Hund wird als Familienhund mit einem anderen, gesunden West-HighlandTerrier zusammen in der Wohnung mit Gartenauslauf gehalten. Er ist unregelmäßig geimpft, regelmäßig (das letzte Mal vor 3 Wochen) entwurmt und wird mit trockenem und feuchtem Fertigfutter ernährt. Ein Auslandsaufenthalt ist nicht bekannt. Der Patient wurde am 27.01. vom Haustierarzt überwiesen und einen Tag später in der Klinik vorgestellt. Vor der Überweisung nahm er seit 2 Tagen kein Futter mehr auf und seit 4 bis 5 Tagen jammerte und stöhnte er. Apollo wollte nicht mehr spazieren gehen, bei leichter Belastung und in Ruhe atmete er schnell, hechelte, hustete leise, würgte ständig und warf dabei gelben Schleim und Blut aus. Außerdem war die Wasseraufnahme erhöht ohne daß ein vermehrter Harnabsatz zu beobachten war. Vor seiner Überweisung gab der Haustierarzt eine Spritze, deren Inhalt, wie auch die durchgeführten Untersuchungen, unbekannt sind. Bei Aufnahme zeigte der Patient Zeckenbefall, einen schwarzen Belag auf dem Bauch und Fieber. In der Nacht vor der Untersuchung hustete Apollo ständig leise. Signalement: Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um einen 11 Jahre alten, männlichen, 11kg schweren West-Highland-White-Terrier der auf den Namen Apollo hört. Allgemeine klinische Untersuchung: Während der Untersuchung steht das Tier und belastet alle Gliedmaßen gleichmäßig. Es wirkt müde und ruhig wobei sein Körperbau und der Entwicklungszustand seinem Alter entsprechen. Der Ernährungszustand des Patienten kann als gut bezeichnet werden, der Pflegezustand jedoch als schlecht. Die Körperinnentemperatur beträgt 38,9 °C, die Körperaußentemperatur ist zu den Akren hin abnehmend. Die Atmung hat eine Frequenz von 32 Atemzügen pro Minute, ist häufig durch Hecheln unterbrochen und der Atemtyp ist costo-abdominal. Der Puls hat eine Frequenz von 96 Schlägen pro Minute. Das Allgemeinbefinden ist mittelgradig gestört und der vermutliche Sitz der Erkrankung befindet sich im Respirationstrakt. Spezielle klinische Untersuchung: Haare, Haut, Unterhaut: Das Haarkleid wirkt struppig, glanzlos, brüchig und im kaudalen Unterbauch und im Zwischenschenkelbereich weniger dicht. Die Haut ist in diesen Bereichen hyperpigmentiert und hochgradig hyperkeratotisch. Die Ohren, besonders das rechte, zeigen eine Schuppenkrustenbildung und riechen stark. Die Hautdicke ist sonst nicht verändert, Hautturgor und Elastizität sind erhalten und keine weiteren Veränderungen zu sehen. Parasiten sind nicht zu finden und das Tier zeigt keine Anzeichen von Juckreiz. Schleimhäute: Die sichtbaren Schleimhäute sind blaß, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Lymphapparat: Eine Palpation der Lymphknoten (Lnn. Mandibulares, Lnn. Retropharyngeales, Lnn. Cervicales superficiales, Lnn. Axillares, Lnn. Poplitei und Lnn. Inguinales superficiales) ergibt eine generalisierte, mittelgradige Vergrößerung derselben. Sie sind nicht schmerzhaft, physiologisch frei beweglich, mit glatter Oberfläche und etwas festerer Konsistenz. Kreislauf: Der Puls, zu fühlen an der A. femoralis, hat eine Frequenz von 96 Schlägen pro Minute, er ist regelmäßig und gleichmäßig, Größe und Stärke entsprechen einem Tier dieser Rasse. Die Arterien sind gut gefüllt und gespannt. Die Episkleralgefäße sind gut gefüllt und scharf gezeichnet, die kapilläre Rückfüllungszeit liegt im Bereich der Mundschleimhaut unter 2 Sekunden. Der Füllungszustand der V. jugularis sowie eine eventuell vorhandene Undulation oder ein Venenpuls sind adspektorisch auch wegen der dichten Behaarung nicht zu erkennen. Die Venenstauprobe verläuft negativ, das Blut im gestauten Gefäß fließt herzwärts ab. Der Herzstoß ist palpatorisch zu ermitteln. Die Frequenz bei der Auskultation ist mit der Pulsfrequenz identisch. Das Herz schlägt kräftig und laut, mit gleichmäßigem Rhythmus, deutlich abgesetzten Tönen und ohne Nebengeräuschen. Atmungsapparat: Die Atemfrequenz beträgt ohne Belastung 32 Atemzüge pro Minute und ist somit erhöht. Der Atemtyp ist costo-abdominal, sollte aber beim Fleischfresser vorwiegend costal sein. Außerdem wird die Atmung sehr oft auch in Ruhe durch Hecheln unterbrochen. Der Atemrhythmus kann noch in Inspirations-, Exspirationsphase und Atempause unterschieden werden, aber eine gemischte Dyspnoe wegen geringgradig gesteigerter Frequenz in der Inspiration und ein geringgradiges Mitwirken der Bauchmuskulatur in der Exspiration muß vermerkt werden. Weiter ist ein eitrig-fauliger Foetor ex ore zu vermerken. Bei der Auskultation der Lunge ist exspiratorisch ein deutliches bronchiales Atemgeräusch als Hiemen und Giemen zu hören, welches linksseitig etwas gedämpft und geringgradig, rechtsseitig aber hochgradig ausgeprägt ist. Husten ist auslösbar, er ist anfangs laut, wird immer leiser und geht zum Schluß in Würgen mit Auswurf über. Der Auswurf ist feucht und etwas eitrig. Ein spontaner, anfallsweiser Husten kann während der Untersuchung beobachtet werden. Der Thorax ist adspektorisch und palpatorisch unauffällig. Verdauungsapparat: Apollo hat am Tag der Untersuchung seine Ration Futter fast vollständig zu sich genommen. Aufnahme kann nach der Untersuchung beobachtet werden. Der Kotabsatz erfolgte in seiner Box. Bei der Adspektion der Maul- und Rachenhöhle sind leichte graubraune Beläge auf den Zähnen, die vergrößerten Tonsillen und der schon beschriebene Mundgeruch sind auffällig. Das Abdomen ist adspektorisch und palpatorisch unauffällig. Harn- und Geschlechtsapparat: Ein Harnabsatz erfolgt bei einem kurzen Spaziergang. Die im Vorbericht beschriebene Polydipsie ohne Polyurie ist jedoch nicht zu verzeichnen. Palpatorisch sind die Nieren weder in Größe, Konsistenz oder Schmerzhaftigkeit auffällig. Auf Skrotum und Präputium sind ebenfalls die auch schon beschriebenen Veränderungen der Haut in diesem Bereich zu sehen. Bewegungsapparat: Die Untersuchung des Bewegungsapparates erfolgt durch Adspektion und Palpation im Stand der Ruhe. Es ergeben sich keine Deformationen, Auftreibungen, Umfangsvermehrungen oder Verletzungen. Der Patient steht während der Untersuchung und belastet alle Gliedmaßen gleichmäßig. Adspektorisch ergibt sich in der Bewegung keine Lahmheit oder Bewegungsunfähigkeit, die Beobachtung wird noch bei einem kurzen Spaziergang bestätigt. ZNS und Sinnesorgane: Das Bewußtsein des Tieres ist nicht gestört, es reagiert aufmerksam auf seine Umgebung und das Verhalten ist ruhig. Motilitätsstörungen sind nicht zu beobachten. Die Oberflächen- und Tiefensensibilität sind erhalten. Der Ziliar-, Corneal-, Pupillen-, Patellar- und Zwischenzehenreflex sind ebenfalls vorhanden. Bei den Sinnesorganen wurden die Seh- und Hörfähigkeit überprüft. Eine Funktionsstörung kann nicht festgestellt werden. Die Sinne für Geruch und Geschmack werden nicht geprüft. Weiterführende Untersuchungen: Blutuntersuchung: Durchgeführt am 28.01.00 Es werden nur Werte aufgeführt, die von der Norm (in Klammern) abweichen. Rotes Blutbild: Hämatokrit: Hämoglobin: 0,35 l/l 7,6 mmol/l (0,40-0,55) (9,3-11,8) Differentialblutbild: Leukozyten: Monozyten: Lymphozyten: Stabkernige: Segmentkernige: 35,5 * 109/l 7% 7% 6% 80% (6-12) (0-5) (13-30) (0-4) (55-75) Klinische Chemie: Glucose: 7,0 mmol/l (3,05-6,1) Physikalische Untersuchungen: Röntgen: Die Röntgenaufnahmen wurden am 28.1.00 angefertigt. Bei der Röntgenbildinterpretation der ersten Aufnahme handelt es sich um eine laterolaterale Aufnahme des Thorax. Der Kontrast ist gut, die Rippenknie sind annähernd deckungsgleich, somit ist auch die Lagerung korrekt. Die knöcherne Begrenzung wird von der Wirbelsäule, Rippen und Sternum gebildet. Die intakte Zwerchfellkuppel und die Bauchmuskulatur bilden die weiche Begrenzung. Die Trachea ist hier angehoben, der normalerweise nicht sichtbare Ösophagus ist vergrößert und bildet ein Luftdepot. Das sich als Linie ventral der Trachea darstellende Mediastinum soll klar abgrenzbar sein und das 1,5-fache der Trachea betragen, ist hier wegeneiner Weichteílverschattung nicht abgrenzbar. Aus gleichem Grund ist das Herz ebenfalls nicht klar abzugrenzen. Im Gegensatz zum physiologieschen Zustand ist es kugelig, liegt auf dem Sternum, ist aber nur wenig größer als 3,5 Interkostalräume. Eine Vergrößerung des rechten Herzens ist deutlich zu sehen. Die Aorta ist nicht abgrenzbar und die Vena cava caudalis ebenso, weil die Aufnahme in Exspiration geschossen wurde. Die Lungengefäße, welche im Spitzenlappenereich den Bronchusbegleiten, sind ebenfalls nicht sichtbar. Im Spitzen- und Mittellappen sind alveoläre und interstitielle Verschattungen zu sehen. Der Zwerchfellslappen ist ohne besondereen Befund. Um die Frage zu klären ob ein Fremdkörper vorliegt oder welcher Lungenflügel betroffen ist, ist eine weiter Aufnahme in der zweiten Ebene nötig, die dorsoventral geschossen wurde. Die Qualität bei der vorliegenden Aufnahme ist wegen der schlechten Lagerung nicht gut. Die Herzvergrößerung ist nicht beurteilbar. In der linken Lunge ist eine Weichteilversichtung im Mittel- und Spitzenlappen auffällig und rechtsseitig ist eine alveoläre Verschattung des Mittellappens sichtbar. Endoskopie: Die Untersuchung wurde am 2.02.00 durchgeführt. Die Endoskopie ergibt eine ödematisierte Stimmtasche, Eiter un der Traches, welche dazu noch abgeflacht ist. Bei der rechten Lunge erscheint die Schleimhaut unverändert und ein Hinweis auf einen Bronchialkollaps ist nicht zu finden. In der linken Lunge tritt Eiter aus der Öffnung des Spitzenlappens. Eine Sekretgewinnung für eine bakterielle Untersuchung und Zytologie wird hier vorgenommen. Der Eiter wird abgesaugt um eine eventuell vorhandenen Fremdkörper finden und entfernen zu können. Ein solcher war jedoch nicht zu finden. Diagnosen: 1.Mittel- und Spitzenlappenbronchopneumonie 2.Otitis externa 3.Konjunktivitis 4.Alopezia areata 5.Hyperkeratose Differentialdiagnose: Zu 1.: Tumor Epikrise: Aufgrund des eitrigen Sekretes bzw. Auswurfes beim Husten und der Röntgenbildinterpretation ergibt sich die Diagnose der Bronchopneumonie. Ob diese durch einen Fremdkörper hervorgerufen wurde kann trotz Endoskopie weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Als weitere Ursache für die Pneumonie kommt auch noch Aspiration von z.B. Futter in Betracht, hier ist aber zumeist der rechte Mittellappen betroffen. Der in der Differentialdiagnose genannte Tumor kann sich sekundär entzünden und dein dadurch verursachten Symptome nehmen mit der Zeit zu. Der Patient zeigt jedoch eine akute massive Symptomatik ohne vorher auffällig gewesen zu sein. Der Tumor ist somit auszuschliessen. Durch die Bronchopneumonie bedingte Dyspnoe kommt es zu einem verstärkten Abatmen von Flüssigkeit. Das Tier versucht das mittels vermehrter Wasseraufnahme auszugleichen, somit ist auch die Polydipsie ohne Polyurie zu erklären. Die im Differentialblutbild erhöhte Zahl von stab- bzw. segmentkernigen Granulozyten (Linksverschiebung), die Lymphopenie sowie die Leukozytose sind Hinweise auf eine akute bakterielle Infekriron. Die Monozytose ist ein Anzeichen dafür, daß die Infektion schon zeitlich etwas fortgeschritten ist und sich in der Abwehrphase befindet. Für die Infektion spricht ebenfalls der zytologische Befund der Lunge mit vor allem neutrophilen Granulozyten und phagozytierten Bakterien. Die Otitis externa ind Konjunktivitis verstärken noch den Eindruck des schlachten Pflegezustandes von Apollo. Die Otitis sollte zumindestens sobald sich der Allgemeinzustand des Patienten etwas gebessert hat mit einer milden Desinfektionsund Reinigungslösung behandelt werden. Die Konjunktivitis ist so geringgradig, daß sich eine Behandlung zu diesem Zeitpunkt erübrigt. Die haarlosen Stellen und die Hautveränderungen können hormonell bedingt sein, auch eien Entzündung aufgrund einer Allergie (oft bei West-Highland-Terrier) oder einer chronischen Infektion ist möglich. Ebenso kann eine parasitäre Ursache erwogen werden. Ein Hautgeschabsel und eine Biopsie können hier zur Klärung beitragen. Primär ist auf die Lungentherapie Wert zu legen um den Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern. Therapie: Tägliche Behandlung: 600ml NaCl 0,8% + 50ml Glucose 1 * 1ml Baytril 5% 2 * 1ml Mucosolvan 2 * 1,5ml Euphyllin 2 * 15 ml Emser Sole + 1ml Vetrigent i.v. s.c. i.v. i.v. per inhalationem Mit der Dauertropfinfusion soll die Bildung von flüssigerem Schleim und somit das Abhusten verbessert werden. Durch die Infusion ist auch die geringere Hämokonzentration und der erhöhte Blutzucker zu erklären. Für die Endoskopie soll die Narkosefähigkeit wiederhergestellt werden. Dazu werden Antibiotika verwendet, welche sich in den Schleimhäuten anreichern, z.B. Enrofloxazin (Baytril), Doxicillin, Penicillin plus Clavulansäure (Synulox). Tetracycline reichern sich besonders in der Lunge an. Weiter ist ein Schleimlöser zu empfehlen. Dabei ist zu bedenken, daß Acetylcystein vor allem bei längerem Einsatz, p.o. verabreicht, reizend auf die Magenschleimhäute wirkt. Ambroxol (Mucosolvan) ist hier besser geeignet. Kontraindiziert ist ein Kodeinpräparat, da es das Abhusten verhindert. Um denm Patienten die Atmung zu erleichtern ist ein theophyllinhaltiges Mittel (Euphyllin) zur Bronchodilatation angebracht. Eine Inhalation mit Emser Sole plus Vetrigent sorgt ebenfalls für ein Lösen und Abhusten des Sekretes. Die Therapie soll über 14 Tage durchgeführt werden. Prognose: Die Prognose ist vorsichtig zu stellen. Nach 14 tägiger Therapie soll eine erneute Röntgenaufnahme zur Kontrolle durchgeführt werden. Wenn die Therapie nicht angeschlagen hat usts ein lokale Einschmelzung möglich, sogar ein Tumor muß dann wieder in Betracht gezogen werden, sodaß eine Resektion der betroffenen Lungenlappen nötig wird.