London-Kräfte oder Dispersionskräfte (vergl. S. 106)

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178
20 Die Halogene (= Salzbildner, 7. HG)
ausgeprägte Nichtmetalle
Halogen
X
Element- Valenzelektronensymbol konfiguration
Fluor
Chlor
Brom
Iod
Astat
(radioaktives
Halbmetall)
F
Cl
Br
I
At
Elektronenaufnahme
(Elektronenaffinität)
ist exotherm
X (g) + e -
ns2 np5
Halogenid
Elektronenoktett
(Edelgaselektronenkonfiguration)

Reaktivität
F
Cl
Br
I
X (g) HEA = - (vergl. S. 41)
reaktivste
Element
sehr
starke
Oxidationsmittel
r(X)
[pm]
4 (elektronegativste
stark
Element)
elektronegativ 2,8
2,7
2,2
r(X-)
[pm]
64
133
99
114
133
181
196
220
Elementare Vorkommen: diatomare Moleküle
F
Cl
Br
I
2 X
X X
unpolare Atombindung
zwischen unpolaren
Molekülen sind nur
schwache London –
Kräfte (Dispersionskräfte) wirksam
Sdp.[°C]
F2 -188
Cl2 -34
Br2 59
I2
184 (Schmp.114)
Farbe
fast farblos
gelb-grün
rot-braun
violett-schwarz
London-Kräfte oder Dispersionskräfte (vergl. S. 106)
Bei der Erklärung der London-Kräfte oder Dispersionskräfte wird die Bewegung der Elektronen
betrachtet. Die Elektronenwolke eines Moleküls kann zu einem gegebenen Zeitpunkt verformt sein,
wobei ein momentanes Dipol im Molekül entsteht, bei dem ein Teil des Moleküls etwas negativer ist
als der Rest. Einen Augenblick später hat sich durch die Bewegung der Elektronen die Orientierung
des Dipols geändert. Die Richtungsänderung der momentanen Dipole erfolgt sehr schnell (Elektronen
haben eine hohe Beweglichkeit); im zeitlichen Mittel heben sie sich auf, so dass ein unpolares
Molekül kein permanentes Dipolmoment hat.
Die fluktuierenden, momentanen Dipole eines Moleküls induzieren genauso ausgerichtete Dipole in
benachbarten Molekülen. Die entsprechende Bewegung der Elektronen zwischen benachbarten
Molekülen erfolgt synchron. Die Anziehungskräfte zwischen den momentanen Dipolen machen die
London-Kräfte aus.
179


Momentane, fluktuierende Dipole benachbarter Teilchen
Die stärksten London-Kräfte treten zwischen großen, vielatomigen Molekülen auf, die ausgedehnte
und leicht polarisierbare Elektronenwolken besitzen. Da alle Moleküle über Elektronen verfügen,
treten die London-Kräfte immer auf, auch zwischen polaren Molekülen. Bei nichtpolaren Molekülen
sind die London-Kräfte die einzigen vorhandenen zwischenmolekularen Kräfte.
180
20.1 Die Elemente
a) Fluor
Vorkommen:
Flussspat (Fluorid)
Kryolith (Eisstein)
Fluorapatit
CaF2
Na3AlF6
Ca5F(PO4)3
Calciumfluorid
Natriumhexafluoroaluminat
Calciumfluoridphosphat
Fluor ist von den Halogenen das Element mit der größten Häufigkeit in der Erdkruste.
Darstellung:
- Aufschluss von schwerlöslichem Flussspat im Drehrohrofen
CaF2 + 2H2SO4 (konz.)
200-250°C
2HF + Ca(HSO4)2
Fluorwasserstoff
Sdp.: 20°C
- Elektrolyse (= Zerlegung einer Verbindung mittels des elektrischen Stromes) einer wasserfreien
KF · 2HF-Schmelze (Smp.: 72 °C)
α) reiner Fluorwasserstoff leitet praktisch nicht den elektrischen Strom
Autoprotolyse:
3HF
H2F+ + HF2K <= 10-11 mol2 / l2
Fluorenium-Ion
Hydrogendifluorid
β) Zusatz von Kaliumfluorid (erhöht die Zahl der Ladungsträger, wirkt als Base)
HF + KF
K+ + HF2-
γ) es muss wasserfrei gearbeitet werden, weil sonst an der Anode Sauerstoff gebildet wird
1
E° (2OH-/ 2 O2) = 0,82V
Regeln: An der Anode wird zuerst das Anion oxidiert, das das negativste Redoxpotential besitzt. An
der Kathode wird zuerst die Kationensorte mit dem positivsten Potential entladen.(Je edler ein
Metall ist, um so leichter sind seine Ionen reduzierbar).
181
Elektrolysebedingungen:
T = 75 - 130°C
U = 8 - 12 V (Zersetzungsspannung)
Anodenraum und Kathodenraum getrennt (Verhinderung der Reaktion von F2
mit H2)
Anode aus graphitfreiem Koks
Gefäße aus Monelmetall (Ni/Cu-Legierung, auf der Oberfläche bildet sich
eine festhaftende Fluoridschicht „Passivierung“)
Anode:
Kathode:
2HF22H2F+ + 2e-
F2 ↑ + 2HF + 2eH2↑ + 2HF
2HF
H2↑ + F2↑
In einem Galvanischen Element wird chemische Energie in elektrische Energie umgewandelt.
z. B. Daniell-Element (∆E° = EMK= 1,1 V):
Zn + Cu2+ (aq)
Zn2+ (aq) + Cu
Bei einer Elektrolyse wird elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt.
Will man die Reaktion im Daniell-Element umkehren, muss eine Spannung angelegt werden (positiver
Pol an Cu-Elektrode, negativer Pol an Zn-Elektrode) mit einer Spannung größer als 1,1 V.
Cu + Zn2+ (aq)
Cu2+ (aq) + Zn
Cu2+ (aq) und Zn sind energiereicher als Cu und Zn2+ (aq).
Chemische Eigenschaften:
-
reaktionsfähigste aller Elemente und abgesehen von wenigen endothermen Fluorverbindungen
(KrF2) das stärkste chemische Oxidationsmittel überhaupt
reagiert mit allen Elementen (außer He, Ne, Ar)
direkte Reaktion mit Edelgasen (Xe)
Xe + 3F2
-
XeF6
Xenonhexafluorid
Elemente werden in höchste Oxidationsstufen überführt:
+II
2F2 + 2OH-
2F- + OF2 + H2O
+II
2F + OF2 + H2O
Sauerstoffdifluorid
-
2F2 + 2OH
UO2
182
-
+ 4HF +IV + F2
UF4
- 2H2O
+VI
UF6
+VI
SF6
1
S + 3F2
8 8
Uranhexafluorid
Sdp.: 56°C (sublimiert)
(Anreicherung von 235Uran)
Schwefelhexafluorid
Gas, Schmp.: -51°C
sehr gute Isolatoreigenschaften,
fast so indifferent wie N2
(Dielektrikum in Hochspannungsanlagen, in Isolierglasscheiben, Schutzgas
über Metallschmelzen)
Die hohe Reaktivität von Fluor im Vergleich zu Chlor hat u. a. seine Ursache in der vergleichsweise
niedrigeren Dissoziationsenergie (die kleinen elektronenreichen Fluoratome stoßen sich im
Difluormolekül ab).
2X- (aq)
X2
+ 2e-
E°[V]
2I- (aq)
I2
+ 2e-
0,54
HDiss. HEA
HHydr
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
151
-295
-307
-
1,07
193
- 325
-351
1,36
244
-349
-384
2,87
158
-328
-458
-
2Br (aq)
-
2Cl (aq)
-
2F (aq)
Br2 + 2e
Cl2 + 2e-
F2 + 2e
2X- (aq)
X2 (g) + 2e-
H = + (Hinreaktion)
H = - (Rückreaktion)
X2 (g)
2X- (g)
HDiss = +
X (g) + e
X (g)
HEA =
X- (g) + aqua
X- (aq)
HHydr =
-
-
Je kleiner die Dissoziationsenthalpie (∆HDISS) und je negativer die Elektronenaffinität (∆HEA) und die
Hydrationsenthalpie (∆HHydr.) sind, um so negativer ist ∆H (Rückreaktion) und damit um so positiver
E°.
Physiologisches:
Fluor ist von sehr hoher Giftigkeit (MAK-Wert 0,2 mg/m3 bzw. 0,1 ppm) und wirkt auf die Haut
gebracht, verbrennend und ätzend. Es kann noch in sehr kleiner Konzentration von etwa 0,001 % am
Geruch erkannt werden, der dem eines Gemisches von O3 und HF ähnelt.
Essentiell für den Menschen ist Fluorid F- (Fluorid-reich sind die Zähne mit 0,1 –0,7 g/kg und die
Knochen mit 0,9 – 2,7 g/kg).
183
b) Chlor
Vorkommen:
Steinsalz
Sylvin
Carnallit
NaCl
KCl
KCl · MgCl2 · 6H2O
In Ozeanen je Liter:
Natriumchlorid
Kaliumchlorid
Kaliumchlorid-Magnesiumchlorid-Hexahydrat
18,1 g Cl1,4 mg F68 mg Br0,06 mg I-
Gewinnung:
Labor
Versuche:
- Auftropfen von konzentrierter Salzsäure auf Kaliumpermanganatkristalle
+VII
-I
2 KMnO4 + 16 HCl
+II
0
MnCl2 + 2 KCl + 5 Cl2↑ + 8 H2O
- Einwirken von Salzsäure auf Hypochlorit
+I
-I
NaOCl + 2 HCl
0
NaCl + Cl2↑ + H2O (Synproportionierung)
Chemische Eigenschaften:
- nach Fluor reaktivste Element (reagiert außer mit Edelgase (He, Ne, Ar), O 2, N2 und C mit allen
Elementen meist schon bei niedrigen Temperaturen)
- feuchtes Chlor ist reaktiver als trockenes Chlor
0
in H2O: Cl2 + H2O
HOCl
+I
-I
HOCl + HCl
Disproportionierung von Cl2
unterchlorige Säure
Chlorwasserstoff
1 O2)
2
Unterchlorige Säure zerfällt in Chlorwasserstoff und
nascierenden Sauersrtoff (reaktiver als Cl2)
HCl + Onasc (
Versuche:
- ein mit Tinte gefärbter feuchter Leinenlappen wird in Cl2-Gas gebleicht
- eine feuchte Blume verliert ihre Farbe
184
-
bildet mit allen Metallen Chloride (heftige Reaktion mit feinverteiltem erwärmten Eisen
[Eisenspäne])
2Fe + 3Cl2
∆H = -800 kJ/mol
2FeCl3
- Chlor besitzt eine große Affinität zu Wasserstoff (Ein mit Terpentinöl [= α-Pinen, C10H16] getränkter
Lappen wird in Cl2-Gas gebracht, Reaktion läuft unter Feuererscheinung und Bildung einer
Rußwolke ab)
C10H16 + 8Cl2
10C
∆H = stark exotherm
+ 16HCl
Nachweis von I- und Br- mit Cl2-Wasser (Br-/I--Lösung mit CHCl3 unterschichtet):
Cl2 + 2I-
2Cl-
I2
10HCl + 2HIO3
+ 5Cl2 + 6H2O
+ I2
violett
farblos
I2
+ 3Cl2
2ICl3
Cl2 + 2Br-
2Cl-
Br2 + Cl2
2BrCl
Iodtrichlorid
+ Br2
braun
Bromchlorid
gelb
Herstellung (Technik):
„Chloralkali-Elektrolyse“ (Elektrolyse wässeriger konz. Kochsalz-Lösungen)
Eine wässerige NaCl-Lösung
Standardredoxpotentiale betragen:
enthält
Na+(aq),
H3O+(aq),
Cl-(aq)
und
OH-(aq).
E°[V]
Na
2H2O
+ H2
2OH2Cl-
Na+
+
e-
2H3O+ + 2e1
O
2 2
Cl2
-2,71
-0,41 (pH = 7)
+ H2O + 2e-
0,80 (pH = 7)
+ 2e-
1,36
Die
185
Bei einer Elektrolysespannung (Zersetzungssprung) von 3-4 V laufen an Anode und Kathode folgende
Reaktionen ab:
2Cl-
Cl2
+ 2e-
Kathode: 2H3O+ + 2e-
H2
+ 2H2O
2NaCl (aq) + 2H2O
Cl2
+
Anode:
*)
*)
H2 + 2NaOH (aq)
an der Anode werden Cl--Ionen oxidiert und nicht OH-, da
α)
die Bildung von Sauerstoff eine Überspannung erfordert (die Bildung von O2 und anderen Gasen
ist an vielen Elektroden kinetisch gehemmt), dadurch wird E (2OH-/0,5O2) größer als 1,36 V, und
β) die c (NaCl)  5 mol/l ein E(2 Cl-/Cl2) von < 1,36 V verursacht (vgl. Konzentrationsabhängigkeit
des Redoxpotentials, Nernst-Gleichung).
Die Bruttogleichung der Chloralkali-Elektrolyse zeigt, dass neben Cl2 auch die wichtigen
Industriechemikalien H2 und Natronlauge gebildet werden. Bei der Elektrolyse muss verhindert
werden, dass sich Chlorknallgas (Gemisch aus H2 und Cl2) bildet und Cl2 mit Natronlauge unter
Disproportionierung reagiert:
0
Cl2 + 2NaOH (aq)
+I
-I
NaOCl(aq) + NaCl(aq) + H2O
Beim Diaphragma-Verfahren und Membran-Verfahren werden Kathoden- und Anodenraum durch
eine nur für Ionen durchlässige Scheidewand getrennt. Beim Amalgam-Verfahren erfolgt die Bildung
von Cl2 und von H2 und NaOH in getrennten Zellen.
186
Diaphragma-Verfahren
Membran-Verfahren
187
Amalgam-Verfahren
Amalgambildner:
Anode:
Kathode:
2ClxNa+ + xe-
Hg
Cl2 + 2eNaxHg
Natriumamalgam (0,2-0,4 % Na)
Amalgame (von arab. al-malgam= erweichende Salbe)
Bez. für die flüssigen oder festen Legierungen des
Quecksilbers mit Metallen
Warum werden Na+(aq) und nicht H3O+(aq) an der Hg-Kathode reduziert?
E (Na/Na+)
= -2,71 +
c(Na+)
0,059
lg
1
c(Na)
Vergrößerung c (NaCl) = 5 mol/l
Verkleinerung Na im Hg gelöst
>> -2,71 V
E (H2/2H3O+) = -0,41 (pH = 7) - Überspannung (> 0,78V, H2-Bildung an
Hg-Elektrode kinetisch stark gehemmt)
< -1,19 V
E (Na/Na+) > E (H2/2H3O+)
188
Amalgamzersetzer:
NaxHg + xH2O
1
xNaOH + x 2 H2
+ Hg
H = stark exotherm
Verfahren
Vorteile
Nachteile
Amalgam-
reines Cl2
Verwendung von Hg
Diaphragma- - dünne, feinporige und
nur für Ionen durchlässige
Scheidenwand aus Asbest
- Rückdiffusion von OHin Anodenraum wird durch
höheren hydrostatischen
Druck im Anodenraum verhindert
Natursole kann
verwendet werden
O2 in Cl2
Lauge enthält noch 1 % ClVerwendung von Asbest
Membran-
reines Cl2
Cl--arme Lauge
keine Verwendung
von Asbest und Hg
aufwendige Solereinigung
sehr dünne Kationenaustauschermembran, nur
durchlässig für Na+(aq)
Verwendung:
Die Bedeutung von Chlor für eine hochentwickelte Chemiewirtschaft lässt sich daran ermessen, dass
nach Angaben des VCI 1995 ca. 60 % des Umsatzes der deutschen Chemiebranche auf Produkte
entfielen, bei denen die Chlorchemie eine Rolle spielt.
z. B.
-
Polyvinylchlorid (PVC)
für Chlorierungsreaktionen mit reaktionsträgen Kohlenwasserstoffverbindungen
Oxidations-, Bleich- und Desinfektionsmittel
Physiologisches
Cl2 ist sehr giftig
MAK 1,5 mg/m3
Gebundenes Cl und Cl für Menschen essentiell (1,4g pro kg Gewebe)
0,3 – 0,4 % Chlorwasserstoff im Magensaft (entspricht einer c(HCl) = 0,1 mol/l)
c) Brom
(viele Analogien mit Cl2, etwas schwächere Reaktionsfähigkeit)
Vorkommen:
- Bromargyrit AgBr Silberbromid
- gemeinsam mit Cl- in analog zusammengesetzten Verbindungen, aber in kleineren Konzentrationen
189
Darstellung:
Labor (Einwirkung von Schwefelsäure und Braunstein auf Kaliumbromid)
-I
+IV
4 HBr + MnO2
+II
0
MnBr2 + 2H2O + Br2
E° [V]
-
Br2
+
2e
1,1
2Cl-
Cl2
+
2e-
1,36
2KCl
+
Br2
2Br
2KBr + Cl2
-
Das gebildete flüchtige Brom wird mit einem Luftstrom aus der Reaktionsmischung ausgetrieben.
Verwendung:
z. B. AgBr, synthetische organische Chemie
Chemische Eigenschaften:
(denen des Chlors analog, Brom reagiert nur weniger energisch)
Versuch:
3Br2 + 2Sb
2SbBr3
H = stark exotherm
Physiologisches:
Br2
Br-
MAK = 0,7 mg/m3
nicht essentiell für den Mensch
d) Iod
Vorkommen (seltenste Element unter den Halogenen):
- ist in der Natur wie das Brom in Gebirgen, Seen, Mineralwassern sowie im
Meer weit verbreitet, es tritt aber jeweils nur in kleiner Konzentration auf und
zwar zum Unterschied von Fluor, Chlor und Brom nicht nur als Halogenid,
sondern auch als Halogenat
- Chilesalpeter enthält vergleichsweise viel Iod (0,02-1 %) in Form des
Lautarits Ca(IO3)2
Darstellung (technisch):
+V
+IV
2HIO3 + 5H2SO3
+VI
0
5H2SO4 + H2O + I2
190
Verwendung:
z. B.
NaI/NaIO3 (Zusatz Speisesalz)
AgI (Photographie)
Iodtinktur (desinfizierende Pinselungen):
7 % I2 (+ 3% KI) in 90%igem Ethanol
in Halogenlampen (als z.B. Methyliodid)
Physiologisches:
essentiell für den Mensch, 60-80 mg gebunden, insbesondere als Bestandteil der Schilddrüsenhormone
z. B. Triiodthyronin (T3)
I
I
OH
O
H
CH2
COOC H
NH3+
I
Löslichkeit:
I2-Dampf enthält unpolare violette I2-Moleküle
Lösungsmittel
Farbe*
CCl4 (unpolar)
violett
Benzen
Ethanol
H2O
-Elektronendonator
Elektronenpaardonatoren
weinrot
gelb-braun
I2 + ID
schwach
Lewis- Lewis**
bräunlich-gelb Säure Base

h.v I2
ID
I2
s chwacher LewisSäure-Base-Komplex:
LadungsübertragungsKomplex
(Charge-Transfer
Komplex = CT-Komplex)
absorbieren Licht
D+
Die Bildung der CT-Komplexe ist im allgemeinen nur mit einer relativ geringen Ladungsübertragung
vom Donor auf den Akzeptor verbunden. Durch Licht lassen sich aber die Komplexe in einem
angeregten Molekülzustand mit mehr oder minder vollständigem Übergang einer Elektronenladung
auf das Akzeptormolekül überführen. Charge-Transfer-Komplexe zeichnen sich deshalb ganz
allgemein durch intensive Farben, d. h. starke Lichtabsorption im Sichtbaren aus.
Solvatochromie: Bezeichnung aus der Spektroskopie für die Abhängigkeit der Bandenlage und
Bandenintensität eines Chromophors (farbtragende Atomgruppierung) vom
gewählten Lösemitteln
191
 In Wasser löst sich Iod in nur sehr geringen Mengen (0,0013 mol/l). Leicht löslich ist es dagegen
mit dunkelbrauner Farbe in wässerigen Lösungen von KI.
I2 + I-
I3-
Triiodid (lineares Molekül)
Chemische Eigenschaften:
I2 ist das schwächste Oxidationsmittel in der Reihe der Halogene. Die korrespondierende reduzierte
Form, das Iodidion I-, besitzt bereits reduzierende Eigenschaften:
2I-
I2 + 2e-
E° = 0,54 V
Die oxidierende Wirkung des Iods und die reduzierende Wirkung der Iodidionen können bei
Redoxtitrationen genutzt werden (Iodometrie). Es ergeben sich zwei Möglichkeiten für den Einsatz der
Iodometrie:
)
Bestimmung von Reduktionsmittel mit I2
+IV
0
SO32- + I2 (Überschuß) + H2O
)
+VI
-I
SO42- + 2H+ + 2I-
von Oxidationsmittel mit angesäuerter KI-Lösung
+III
-I
3+
2Fe
+ 2I-
0
+II
I2 + 2Fe2+
+V
-I
Versuch: IO3 + 5I- + 6H+
0
3I2 + 3H2O
(Lösung färbt
sich braun: I3-)
Synproportionierung:
Zwei Substanzen, die das gleiche Element in verschiedenen Oxidationsstufen enthalten, bilden ein
Produkt, in dem das Element eine dazwischenliegende Oxidationszahl aufweist.
Überschüssiges I2 () bzw. gebildetes I2 () werden in neutraler bis schwach saurer Lösung mit
Thiosulfat (S2O32-) reduziert:
+II
0
22S2O3 + I2
blau
(Iod-Stärke)
+2,5
-I
2S4O6 + 2ITetrathionat
farblos
192
20.2 Verbindungen
a) Halogenide
Löslichkeiten:
s. l. (schwer löslich)
l. l. (leicht löslich)
Fluoride
MF2 (M: Mg, Ca, Sr, Ba, Pb)
z. B. AgF, Alkalimetallfluoride
AgX, PbX2, Hg2X2, CuX, TIX
größte Zahl ist l.l.
Chloride
Bromide
Iodide
X-
Ionische Halogenide und Halogenide mit hohem kovalenten Bindungsanteil:
Mn+, n = 1,2
z. B.
Mn+ n > 2
NaCl, CuCl2
hohe Smp.
z. B.
FeCl3
sublimiert
ab 120 °C
TiCl4 (l)
Sdp.: 136,5 °C
b) Halogenwasserstoffe HX
Darstellung:
HF
CaF2 + 2H2SO4 (konz.)
200-250°C
schwerflüchtige
Säure
2HF
+ Ca(HSO4)2
leichter flüchtige Säure
Die schwerflüchtige Säure treibt die leichter flüchtige aus ihrem Salz.
HCl
- 2NaCl + H2SO4 (konz.)
- H2
+ Cl2
800°C
2HCl
+
Na2SO4
2HCl
im Quarzbrenner
(Prinzip Daniellscher
Hahn)
- Nebenprodukt bei der Chlorierung organischer Verbindungen
HBr
- KBr
+ H2SO4 (konz.)
HBr
+
KHSO4 und
-I
- 2HBr
+VI
0
+IV
+ H2SO4 (konz.)
Br2
+ SO2 + 2H2O
Oxidationsmittel
Schwefeldioxid
konz. Schwefelsäure oxidiert teilweise HBr zu Br2
Verwendung einer schwerflüchtigen und nichtoxidierenden Säure
(H3PO4-Phosphorsäure)
- H2
+ Cl2
2HCl
im Quarzbrenner
(Prinzip Daniellscher
Hahn)
- Nebenprodukt bei der Chlorierung organischer Verbindungen
HBr
- KBr
+ H2SO4 (konz.)
HBr
+
KHSO4 und
-I
- 2HBr
+VI
+ H2SO4 (konz.)
Oxidationsmittel
0
Br2
+
+IV
SO2 + 2H2O
Schwefeldioxid
konz. Schwefelsäure oxidiert teilweise HBr zu Br2
Verwendung einer schwerflüchtigen und nichtoxidierenden Säure
(H3PO4-Phosphorsäure)
- KBr
+ H3PO4
HBr
+
KH2PO4
(für HI KI + H3PO4)
HI
KI + H2SO4 (konz.)
HI + KHSO4 und
-I
+VI
6HI + H2SO4
0
3I2 +
1
8
0
S8 + 4H2O
Iodwasserstoff ist ein stärkeres Reduktionsmittel als Bromwasserstoff,
konz. H2SO4 wird bis zum Schwefel reduziert.
Hydrolyse von PI3
PI3 + 3H2O
(für HBr
3HI + H3PO3
Phosponsäure
PBr3 + H2O)
Eigenschaften:
HF(l)
Sdp.[°C]
20
HCl(g)
-85
 Wasserstoffbrückenbindungen (z. B. Zickzackketten)
F
HBr(g)
-67
HI(g)
-35
H
F
H
H
F
H
F
193
194
Alle Halogenwasserstoffe lösen sich leicht in Wasser:
H3O+ + X-
HX + H2O
pKS
HF
HCl
HBr
HI
3,19
-6,1
-8,9
-9,3
schwache Säure
Die Ursache für die vergleichsweise geringe Acidität der Flusssäure steht in Verbindung mit dem
hohen Energieaufwand der Protonenabspaltung aus HF, der durch die Hydratation von H+ und von Fin Wasser nicht kompensiert werden kann.
Flusssäure
Die charakteristischste Eigenschaft der Flusssäure ist ihre Fähigkeit, Glas anzugreifen
(Ätzen von Glas):
SiO2 + 4HF
SiF4 + 2H2O
Siliciumtetrafluorid
Zwei Drittel des Fluorwasserstoffs werden für die Herstellung organischer Fluorverbindungen
verwende:
z. B. Teflon = (Handelsname)-Herstellung:
CHCl3 + 2HF
Trichlormethan
(Chloroform)
CHClF2 + 2HCl
Chlordifluormethan
700 °C
1
2
HCl-Abspaltung
F
F
C
C
F
F
(g) Tetrafluorethylen
Polymerisation
F
F
C
C
F
F
x
(Kette von rund 100 000 Atomen)
Polytetrafluorethylen (Teflon)
- wärmebeständiger und chemisch sehr widerstandsfähiger Kunststoff (Antihaft-Beschichtung für
Bratpfannen, Gerätschaften für F2-Chemie werden mit Teflon beschichtet)
195
Salzsäure
Die konzentrierte (rauchende) Salzsäure des Handels enthält 38% Chlorwasserstoff.
Chlorwasserstoff löst sich sehr gut in Wasser. 507 Volumenteile lösen sich bei 0 °C in einen
Volumenteil Wasser (Springbrunnenversuch).
c) Chlor-Sauerstoff -Verbindungen
Oxidationszahl
Chlor
Oxide
Säure
Anion (Salze)
+I
Cl2O
Dichloroxid
HClO
Unterchlorige Säure
(Hypochlorige)
ClO-
HClO2
Chlorige Säure
ClO2Chlorit
+V
HClO3
Chlorsäure
ClO3Chlorat
+VII
HClO4
Perchlorsäure
ClO4Perchlorat
+III
+IV
Hypochlorit
ClO2
Chlordioxid
Chlorsauerstoffverbindungen sind alle Oxidationsmittel (Träger von Sauerstoff)
196
OZ
Chlor
Struktur der Anionen
(Lewis-Formel)
Zahl der
mesomeren
Grenzformeln
+I
0
O
Cl
Cl
+III
O
Cl
O
O
2
O
gewinkelt
Cl
+V
O
Cl
O
O
O
Cl
O
O
O
3
O
O
trigonal pyramidal
O
+VII
O
Cl
O
Cl
O
O
O
O
O
Cl
Cl
O
O
O
O
O
O
O
4
O
tetraedrisch
Mit zunehmender Zahl von Sauerstoffatomen im Anion wird die negative Ladung auf mehr
Sauerstoffatome verteilt (delokalisiert). Dadurch werden die Anionen stabiler und die entsprechenden
Säuren acider (bei der Reaktion mit Wasser kann zunehmend leichter das Anion gebildet werden). Zur
zunehmenden Acidität trägt außerdem die zunehmende Polarität der H─O-Bindung bei (vergl. S. 142).
Säurestärke
HOCl
HOClO
HOClOn + H2O
HOClO2
HOClO3
ClOn+1 + H3O+
n=0-3
pKs ~ -10
Perchlorsäure ist eine
der stärksten Säuren
197
Hypochlorige Säure und Hypochlorite
Cl2-Wasser (0,1 mol/l Cl2):
Cl2 + HOH
HOCl + H+ + Cl-
Cl2 disproportioniert in Wasser, wobei das Gleichgewicht weitgehend auf der Seite der Edukte liegt.
Das Gleichgewicht kann nach rechts mit Hydroxiden verschoben werden, wobei nicht nur die starke
Salzsäure, sondern auch die schwache Hypochlorige Säure neutralisiert werden.
Einleiten von Cl2 in eine kalte basische Lösung:
)
Cl2 + 2NaOH(aq)
NaCl(aq) + NaOCl(aq) + H2O
Natriumhypochlorit
)
Cl2 + Ca(OH)2
Ca(OCl)Cl(aq) + H2O
Chlorkalk
wässerige
Lösungen
"Chlorbleichen"
(enthalten kein
Chlor)
Hypochlorite wirken oxidierend und basisch:
OCl-
HOCl + OH-
+ H2O
Die Oxidationswirkung in wässeriger Lösung beruht auf der großen Neigung der gebildeten Hypochlorigen
Säure zur Sauerstoffabgabe (HClO
HCl + O).
Hypochlorite befinden sich in Haushaltsreinigern. Solche Reiniger dürfen nicht mit Kalkentfernern
(NH4Cl oder verd. HCl) in Kontakt gebracht werden, weil sich dann Chlor bildet:
Ca(OCl)Cl + 2HCl
CaCl2 + Cl2 + H2O
Chlorate
Beim Einleiten von Chlor in heiße Natronlauge bildet sich Natriumchlorat (Labor-Darstellung):
3Cl2 + 6NaOH(aq)

NaClO3(aq) + 5NaCl(aq) + H2O
Hypochlorit disproportioniert unter diesen Bedingungen zu Chlorid und Chlorat:
+I
3ClO-
+V
-I
ClO3 + 2Cl-
198
In der Technik wird eine heiße Kochsalzlösung ohne Trennung von Anoden- und Kathodenraum
elektrolysiert (vgl. Chlor-Alkali-Elektrolyse):
NaCl(aq) + 3H2O
NaClO3(aq) + 3H2
Aus Natriumchlorat (hygroskopisch) erhält man durch doppelte Umsetzung Kaliumchlorat (nicht
hygroskopisch):
NaClO3 + KCl
KClO3 + NaCl
mäßig in
Wasser löslich
Chlorate sind kräftige Oxidationsmittel. Im Gemisch mit oxidierbaren Substanzen (P, S, organische
Substanzen) sind sie explosiv.
Verwendung:
KClO3
- O2-Quelle im Labor
KClO3
(MnO2)
150°C
KCl + 0,5O2
- Sicherheitshölzer (im Zündkopf als O-Quelle)
-in der Feuerwerkerei, Sprengstoffindustrie
Versuche:
KClO3 + konz. H2SO4
Explosion
KClO3 + H2SO4(konz.)
HClO3 + KHSO4
Chlorsäure
+V
3HClO3
+IV
+VII
2ClO2 + HClO4 + H2O
ClO2
0,5Cl2 + O2
H = -103kJ/mol
KClO3
- O2-Quelle im Labor
KClO3
(MnO2)
150°C
KCl + 0,5O2
199
- Sicherheitshölzer (im Zündkopf als O-Quelle)
-in der Feuerwerkerei, Sprengstoffindustrie
Versuche:
KClO3 + konz. H2SO4
Explosion
KClO3 + H2SO4(konz.)
HClO3 + KHSO4
Chlorsäure
+V
3HClO3
+IV
+VII
2ClO2 + HClO4 + H2O
ClO2
0,5Cl2 + O2
H = -103kJ/mol
Bei der Umsetzung von Kaliumchlorat mit der schwerflüchtigen konz. Schwefelsäure wird Chlorsäure
freigesetzt. Die Chlorsäure disproportioniert anschließend zu Chlordioxid und Perchlorsäure, weil die
konz. Schwefelsäure durch die Bindung des Wassers das Gleichgewicht dieser
Disproportionierungsreaktion nach rechts verschiebt (konz. H2SO4 ist stark hygroskopisch). Das
gebildete Chlordioxid explodiert unter den gewählten Darstellungsbedingungen (indirekter qualitativer
Nachweis von Chlorat).

Zündhölzer (Zündholzkopf: KClO3 + Sb2S3-Gemisch) werden durch eintauchen in konz. H2SO4
entzündet
Buntfeuer
Gemische aus KClO3, Glucose und Sr(NO3)2 bzw. Ba(NO3)2 werden durch einen Tropfen
konz. H2SO4 entzündet
NaClO3
-Ausgangsprodukt zur Herstellung von Chlordioxid und Perchloraten
-Herbizid (Unkrautvernichtungsmittel, Entlaubungsmittel)
Chlordioxid
ClO2
-Bleichmittel in der Zelluloseindustrie, Desinfektionsmittel
Darstellung (Technik):
+V
+IV
2NaClO3(aq) + SO2(g) + H2SO4(aq, verd.)
+VI
+IV
2NaHSO4(aq) + 2ClO2(g)
gelbrot
Versuch:
In ein Reagenzglas mit wenig KClO3 lässt man vorsichtig etwas konz. H2SO4 fließen. Bildung von
ClO2 (Gleichungen siehe oben). Das ClO2 sammelt sich im Reagenzglas. Beim gelinden Erwärmen
zerfällt es sofort. ClO2 ist eine endotherme Verbindung.
200
Perchlorate, Perchlorsäure
NaClO4 wird durch anodische Oxidation von NaClO3 in der Technik erhalten:
+V
ClO3-
+VII
ClO4- + 2H+ + 2e-
+ H2O
Durch Umsetzung mit HCl (konz.) erhält man Perchlorsäure:
NaClO4 + HCl(konz.)
NaCl + HClO4
Perchlorsäure wird für die Darstellung von Ammoniumperchlorat (Bestandteil von festem
Raketentreibstoff) verwendet:
NH3
+ HClO4
NH4ClO4
Der Startschub beim Space Shuttle erfolgt durch folgende Reaktion:
3NH4ClO4(s) + 3Al(s)
Kat. (Fe2O3)
Al2O3(s) + AlCl3(s) + 6H2O + 3NO(g) H = sehr stark exotherm
Die Perchlorsäure gehört zu den stärksten Säuren, die es gibt (Ks = 1010). Ihre Salze, die Perchlorate,
sind die beständigsten Sauerstoffsalze des Chlors (trotzdem ist sehr vorsichtiger Umgang angeraten)
und von fast allen Metallen bekannt. Die meisten von ihnen sind in Wasser leicht löslich. Ziemlich
schwerlöslich in kaltem Wasser sind Kalium- und Ammoniumperchlorat. KClO4 wird für
Feuerwerkskörper verwendet.
Die konz. Perchlorsäure ist ein sehr starkes Oxidationsmittel. Mit vielen Stoffen kommt es schon bei
Raumtemperatur zu explosionsartigen Reaktionen. In verdünntem Zustande ist die Perchlorsäure
beständiger. In den Handel gelangt eine 72 %ige wässerige Lösung.
201
20.3 Pseudohalogene
NC-CN
HCN
CNBrCN
Dicyan
Cyanwasserstoff
Cyanid
Bromcyan
Pseudohalogen
Pseudohalogenwasserstoff
Pseudohalogenid
(Interhalogenverbindung)
Disproportionierung in alkalischer Lösung:
(CN)2 + 2OH-
CN- + OCN- + H2O
Cyanat
Schwerlösliche Ag(I)-, Hg(I)- und Pb(II)-Salze:
AgCN, Hg2(CN)2, Pb(CN)2
Argentat(I)-Komplexe:
[Ag(CN)2]-
Weitere Pseudohalogene:
SCN-,
OCN-,
N3-
Thiocyanat
Cyanat
Azid
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