Mitumba als Beispiel für globale Zusammenhänge, die mehrer

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DIE KONTEXTUALISIERUNG
von Christof Berthold
„A long chain of charity and commerce binds the world´s richest and poorest people in
accidental intimacy. It´s a curious feature of the global age that hardly anyone on either end
knows it“ (Parker 2002: 54 in: Palmer und Clark 2006: 4)
„When the West is everywhere, then Africa is not visible“ (Hansen 2006: 116)
Der folgende Text soll es ermöglichen, den Mitumba-Handel in einen Kontext einzuordnen,
also verschiedene Perspektiven, Dimension oder Betrachtungsweisen des Themas
Secondhand-Kleidung andeuten. Eine ausführliche Darstellung des ganzen Themenkomplexes
würde allerdings den Rahmen dieses kurzen Informationstextes bei weitem sprengen.
Die Kontextualisierung gliedert sich im Wesentlichen in einen deskriptiv-historischen Teil
zum Land Tanzania, ein Abschnitt wird die ökonomischen Dimensionen des globalen
Altkleiderhandels erläutern, abschließend folgen einige theoretische Ausführungen zu
kulturellen und sozialen Dimensionen von Mitumba in den Empfängerländern.
Die nun folgende Beschreibung historischer Ereignisse Tanzanias fällt aus dem Grund etwas
ausführlicher aus, da vieles bis heute nachwirkt bzw. bis heute ökonomische, politische und
kulturelle Strukturen beeinflusst. Es soll jedoch mit der Darstellung der Einzelgeschichte
eines Landes nicht etwa angedeutet werden, dass Tanzania eine singuläre Entwicklung
durchgemacht hätte. Vielmehr bestanden vielfältige Beziehungen inner- und außerhalb
Ostafrikas längst vor der Ankunft der ersten Europäer (Wolf 1997: 41ff.). Der Beginn des
europäischen Kolonialismus hatte allerdings einen nachhaltigen Einfluss auf die den weiteren
des Landes in einer globalen Welt. Der historische Abriss soll auch die zeitliche Abfolge von
kolonialer Ökonomie, Unabhängigkeit, wirtschaftlichen Krisen und dem erstmaligen
Aufkommen von Mitumba-Handel in großem Stil näher bringen, sowie parallele
Entwicklungen verdeutlichen.
Bei Tanzania handelt es sich um ein Land im östlichen Afrika. Die Geschichte des Staates ist
eng verbunden mit dem Kolonialismus europäischer Mächte, jedoch spielen auch arabische
und indische Einflüsse eine wesentliche Rolle. Geographisch betrachtet besteht Tanzania aus
dem Festlandteil (942.626 km2) und den Inseln Pemba, Zanzibar und Mafia (2461km2),
wobei v.a. die Inseln Zanzibar und Pemba in vieler Hinsicht eine Eigenentwicklung
1
genommen haben (politisch, kulturell, wirtschaftlich). V.a. auf Zanzibar und Pemba ist der
arabische Einfluss besonders stark (gewesen), aber auch auf dem küstennahen Festland macht
sich der Einfluss Jahrhunderte alter arabisierter und islamisierter Stadtstaaten bemerkbar
(Schicho 2004: 312). Ein weiteres Indiz ist die Verkehrssprache Tanzanias (die auch in vielen
Staaten Ostafrikas wie beispielsweise Kenya, Uganda, Ruanda, Burundi, Kongo, Mosambik
gesprochen wird, wobei in letztgenannten Ländern die Sprecherzahl abnimmt), in der viele
Elemente des Arabischen gefunden werden können, ebenso wie übernommene Worte aus dem
Englischen und (seltener) Hindi, Portugiesischen oder Deutschen. Die Zahl der Sprecher in all
diesen Ländern wird auf 75-80 Millionen geschätzt.
Die Durchdringung der Sprache reflektiert auch die (z.T. erzwungenen) Verbindungen des
Landes bzw. bestimmter Regionen mit verschiedenen anderen Teilen dieser Welt, sei dies mit
Deutschland, Großbritannien, Indien oder der arabischen Welt. Historisch betrachtet spielen
diese Länder insofern eine Rolle, als dass es zuerst arabische Händler und indische Kaufleute
waren, die sich auf den Inseln niederließen, und die europäischen Mächte seit Anfang des
19.Jahrhunders durch diplomatische Vertreter am Hof des Sultans von Zanzibar verteten
waren (Schicho 2004: 312).
Von dort aus wurde die Kolonisierung des Festlandes vorerst von Deutschland
vorangetrieben, das zwischen 1884 und 1888 weite Teil des Festlandes in Besitz nahm, auf
die bis zu diesem Zeitpunkt der Sultan Anspruch erhoben hatte. In der Zeit um die
Jahrhundertwende kam es zu einem Vordringen der Deutschen ins Landesinnere, das mit
zahlreichen bewaffneten Konflikten verbunden war. Die lokale Bevölkerung leistete
Widerstand gegen das Eindringen der Kolonisatoren, was diese allerdings nicht dazu
veranlasste das „Deutsch-Ostafrika“ – Projekt aufzugeben, sondern weitere „Feldzüge“
durchzuführen. In der Zeit zwischen 1888 und 1905 wurden von Kjekshus (1994: 148f., in:
Schicho 2004: 313) 84 bewaffnete Konflikte gezählt.
Das eigentliche Ziel war es natürlich, die Kolonie zu einem Rohstofflieferanten des
Mutterlandes zu machen, wozu deutsche Siedler in das von Krieg und Seuchen dünn
besiedelte Gebiet geschickt wurden. Kaffee, Sisal, Kautschuk, Tee und Baumwolle sollten an, ebenso wie die Infrastruktur ausgebaut werden.
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges ging Tanganyika (damaliger Name) per
Völkerbundmandat an Großbritannien über, Belgien erhielt die Gebiete Rwanda und Burundi,
die bis dato zu Tanganyika bzw. Deutsch-Ostafrika gehörten. Die deutschen Betriebe wurden
versteigert (an englische Kolonialgesellschaften und Farmer, aber auch indische Käufer).
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Seit den 1920er Jahren erfolgte eine weltweite Rezession, die sich für die wirtschaftliche
Entwicklung Tanganyikas durch sinkende Nachfrage und sinkende Preise negativ auswirkte.
Die Produktion agrarischer Exportgüter ließ allerdings die Nahrungsmittelproduktion
zurückgehen. Zwischen 1939 und 1945 kam es in verschiedenen Teilen des Landes zu
Hungersnöten.
1948 entstand die Tanganyika African Association, wobei Julius Kambarage Nyerere zum
ersten Mal politisch in Erscheinung trat. 1954 wurde die TANU (Tanganyika African
National Union) gegründet, deren Prestige unter der Bevölkerung wuchs unter der Führung
von Nyerere und Oscar Kambona ständig. Auch nahm die TANU Kontakt mit der UNO auf,
Nyerere reiste 1955 und 1956 nach New York, um Werbung für eine Unabhängigkeit zu
machen. Die ersten Wahlen fanden 1958/59 statt, die von der TANU gewonnen wurden. Im
Jahr 1960 fanden erneut Wahlen statt, welche die TANU mit 70 (von 71) Mandaten gewann,
womit der Weg in die Unabhängigkeit geebnet war. Am 9. Dezember 1961 wurde das Land
unter Premierminister Julius Nyerere unabhängig.
Die wirtschaftliche Lage des neuen unabhängigen Tanganyika war gekennzeichnet durch ein
Übergewicht in der Landwirtschaft, 80% der Ausfuhren machten Agrarprodukte, 90% der
Bevölkerung lebte am und vom Land (Schicho 2004: 323). Nyerere konzentrierte sich daher
zuerst auf die Landwirtschaft, auch wegen Anweisungen der Weltbank, die (in Fortsetzung
britischer Kolonialpolitik) ländliche Entwicklung sowie marktorientierte Bauern unterstützt
sehen wollte (ebd.).
Nyerere stellte in dieser Zeit auch ein neues ideologisches Konzept vor: Ujamaa. Hierbei
handelt es sich um eine afrikanische Variante des Sozialismus. „In mancher Hinsicht ging
Nyerere aber über seine Vorläufer hinaus, weil er mit seiner Darstellung die Voraussetzungen
konkreter und realistischer formulierte. „Ujmaa ni mawazo“, „Sozialismus ist eine
Einstellungssache“, stellte er einleitend fest. Die traditionelle afrikanische Gesellschaft hätte
die richtige Einstellung zu „Gleichheit“ (usawa) in Bezug auf Einkommen, Produktionsmittel
und Arbeitsleistung gehabt. Das „Recht auf Arbeit“ müsse in einer gerechten Gesellschaft
ebenso verankert sein wie die „Pflicht zu arbeiten“. Nicht Individualismus sondern
Kommunalismus sollte das gesellschaftliche Handeln bestimmen. In der neuen Gesellschaft
würde es daher kein individuelle Eigentum an Boden, kein Recht auf Ausbeutung fremder
Arbeitskraft und keine Ungleichbewertung verschiedener Arbeiten geben.“ (Schicho 2004:
324).
Im Dezember 1962 wurde das Land zu einer Republik mit eigenem Staatsoberhaupt, Nyerere
wurde zum ersten Präsidenten gewählt.
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Währenddessen war auch auf den Inseln Zanzibar und Pemba eine Revolution erfolgt (1963),
der Revolutionsrat der Inseln unter der Führung von Abeid Karume erhielt rasche
Anerkennung. Im April 1964 unterzeichneten Karume und Nyerere einen Unionsvertrag,
Tanganyika vereinigte sich mit Zanzibar erhielt den (heutigen) Namen Tanzania.
Festlandtanzania folgte in der ersten Zeit der Unabhängigkeit ein wirtschaftliches Konzept,
dass
die
Förderung „kapitalistischer“ Farmer und die Ausweitung der
agraren
Exportproduktion vorsah. Diesem Plan lag die Prämisse der Entwicklung zugrunde, wobei im
Fünfjahresplan 1964-69 Ideen der Weltbank zur Geltung kamen, wobei das Resultat keine
gesamtgesellschaftliche Entwicklung war, sondern regionale Ungleichheit, sowie die
Begünstigung kapitalistischer Agrarproduzenten, Genossenschaften und Farmer (Schicho
2004: 327). Bis 1967 verlief die Entwicklung halbwegs zufrieden stellend, dann
verschlechterten sich die terms of trade, die Preise für Baumwolle, Kaffee und Sisal fielen,
die Kosten für Importe stiegen. Es war auch das Jahr 1967, als in der Arusha Declaration
beschlossen wurde, Sozialismus und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu fördern, Nyerere
nahm den aus seinen früheren Texten richtungsweisende Ideen wieder auf – Gleichheit aller
Bürger, Kontrolle des Staates über die Produktionsmittel, Beseitigung von Armut,
Unwissenheit
und
Krankheit,
Förderung
genossenschaftlicher
Produktions-
und
Vermarktungsorganisationen, Zusammenarbeit mit anderen afrikanischen Staaten und
Befreiungsorganisationen. Es wurden sogenannte Ujamaadörfer gegründet, in denen
genossenschaftliche Produktions- und Vermarktungsformen praktiziert werden sollten. Diese
Neuerungen hatten bis 1972 die Gesellschaft einigermaßen durcheinander gebracht, es folgte
allerdings eine Dürreperiode, der Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion i.A. sowie
jener von Grundnahrungsmitteln. Zu diesem wirtschaftlichen Rückschlag kam auch noch die
zweite Ölkrise sowie eine Devisenknappheit nach dem Ugandakrieg 1978/79. Auch der
industrielle Aufschwung ließ einiges zu wünschen übrig. Billigimporte aus China und Indien,
veraltete
Produktionsanlagen,
das
Fehlen
von
Ersatzteilen,
Rohstoffen
oder
Halbfertigprodukten ließen der Industrie trotz bestehender Nachfrage kaum Chancen (Schicho
2004: 329).
Die Idee Ujamaa war gescheitert, Nyerere musste anerkennen, dass sich dieses Modell nicht
durchführen ließ, wehrte sich aber trotzdem bis zuletzt gegen die „Sanierungskonzepte“ der
Weltbank und des internationalen Währungsfonds, „die Tanzania nichts brachten außer
Schwierigkeiten“ (ebd.).
International hatte sich Tanzania unter Nyerere einen sehr guten Ruf erarbeitet. Es hatte eine
führende Position unter den blockfreien Staaten inne, hatte ein hohes Prestige unter anderen
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afrikanischen Ländern, Nyerere gehörte zu den Gründungsvätern der Organisation der
Afrikanischen Einheit und war 1985/86 deren Präsident. So wurde Tanzania auch ein
beliebtes Land für internationale Geldgeber aus Ost und West. 1967 wurde ein Vertrag mit
China geschlossen, der den Markt für chinesische Produkte öffnete. Mit dem Beginne der
globalen Krise verschlechterten sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und
Entwicklungshilfe wurde knapper, die Jahre zwischen 1979 und 1985 waren gekennzeichnet
durch den Kampf gegen Schwarzmarkt und überhöhte Profite im Handel. 1985 trat Nyerere
zurück und Ali Hassan Mwinyi wurde sein Nachfolger, ersterer blieb bis 1990 noch
Parteichef.
Die Regierung Mwinyi machte nun eine neue Politik: Privatisierung der Wirtschaft in
Zusammenarbeit mit internationalen Gesellschaften und der nationalen Bourgeoise,
Beseitigung
der
Konsumentenpreise
Monopole
u.a.m.
staatlicher
Tanzania
Firmen,
musste
den
Erhöhung
der
Forderungen
Produzentender
und
internationalen
Finanzinstitutionen, gegen die sich Nyerere so lange gewehrt hatte, nachgeben. Es kam zur
Liberalisierungen des Aussenhandels sowie zu einer Abwertung des Tanzania-Shillings. Das
hatte zur Folge, dass sich die KonsumentInnen wieder einem Überangebot an Waren
gegenüber sahen die allerdings wegen ihrer exorbitanten Preise nur für eine Minderheit
zugänglich waren.
1992 kam es dann letztendlich durch eine Verfassungsänderung zu einer Einführung des
Mehrparteienwahlrechts, 1995 kam es zu Wahlen, welche die CCM (Chama Cha Mapinduzi,
Nachfolgepartei von TANU) wie erwartet gewann. Die wirtschaftliche Situation des Landes
verbesserte sich nicht, Mitte 1996 beliefen sich die Schulden das Landes auf 7.8 Mrd US-$,
etwa so hoch wie die Exporteinnahmen von 16 Jahren (Schicho 2004: 333). Dazu kam auch,
dass internationale Geber ihre Unterstützung zunehmend an die Achtung demokratischer
Grundrechte sowie effiziente Führung der Geschäfte banden. 1997 betrug die Verschuldung
8Mrd US-$, aus Sicht der internationalen Finanzinstitute gehörte Tanzania trotzdem zu einem
Erfolgsland der Strukturanpassung, mit sinkender Inflation, stabiler Währung und steigender
Werte bzl. good governance. Für die breite Bevölkerung war das Resultat der Maßnahmen
eine Verschlechterung des Lebensstandards. Unter dem Titel Privatisierung betreibt Tanzania
seit Anfang der 1990er Jahre einen Ausverkauf der Staatsbetriebe, der wenig Geld einträgt. In
den letzten Jahren haben Einkünfte aus dem Bergbau zunehmend an Bedeutung gewonnen,
ein Unterfangen, dass allerdings großen (internationalen) Firmen hilft, der Bevölkerung
selten.
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Mitumba als Beispiel für globale Zusammenhänge, die mehrere Stationen involvieren und die
Handel, Kultur, Sozialstruktur und politische Organisation miteinander verbinden. Diese
Verbindung passiert nicht immer deliberativ, sondern kontingent, da verschiedene globale
Ebenen, scapes (i.S. von Appadurai 1996, „Landschaften“) an verschiedenen Knotenpunkten
zusammenlaufen.
Allgemein kann gesagt werden, dass der Altkleiderhandel zwar nur einen kleinen Teil des
Gesamtaufkommens am Bekleidungshandel ausmacht (weniger als 0.5% des gesamten
Wertes), für viele subsaharische Länder jedoch eine wichtige Rolle im Bekleidungssektor
spielt (mehr als 30% des gesamten Wertes an Bekleidungsimporten). In vielen dieser Länder
geht das Gesamtvolumen an Mitumba zwar zurück, nicht zuletzt aufgrund von Billigimporten
aus Asien, bleibt jedoch ein wichtiger Faktor (Barden und Barber 2005: 1).
Die Diskussionen um den Stellenwert und die Konsequenzen dieses Handels werden zum Teil
heftig geführt, ein Faktum welches die Positionen verschiedener Interessensgruppen
widerspiegelt. Wird die Tatsache bedacht, dass der Gesamtwert dieses Handels seit 1990 auf
ca. eine Billion US$ (lt. UN Commodity Trade Statistics Database 2005) stieg, ist das auch
nicht weiter verwunderlich.
Der Handel mit gebrauchter Kleidung bietet ein großes Arbeitsplatzreservoir, sei dies nun
vom Beginn,
also der Kollekte in den Geberländern des
Nordens, über die
Weiterverarbeitung, Sortierung und Verpackung, den Transport in die Zielländer bis zu Großund Einzelhändlern in Ländern wie beispielsweise Tanzania.
Gegner dieses Handels führen als Argumente die Zerstörung der einheimischen
Textilindustrie bzw. eine Behinderung für deren Aufbau an. Des Weiteren beklagen sich
große Konzerne, die neue Produkte herstellten, dass ihnen die importierten Altkleider
Absatzmärkte wegnehmen.
Fakt bleibt jedoch, dass vor allem subsaharische Länder abhängig von Altkleiderimporten
bleiben, über ein Viertel (26.6%) aller Kleidungsimporte entfallen auf Mitumba (im Verleich
dazu werden nach Osteuropa und die Länder der ehemaligen Udssr 4.7% importiert, nach
Südasien 15% (am Gesamtwert von Kleidungsimorten). Für Tanzania im speziellen wird von
der UN Comtrade eine Zahl von knapp 70% am Gesamtwert importierter Kleidung angeführt.
Diese Zahl ist auch aufgrund eigener Beobachtungen im Oktober 2008 nicht weiter
überraschend. In Singida / Tanzania konnte festgestellt werden, dass in jenem Teil der Stadt,
in dem die wichtigen Gebrauchs- und Konsumgegenstände gekauft werden können,
hauptsächlich Mitumba erhältlich war. Oft reiht sich hier ein Mitumba-Geschäft an das
nächste. Es sollte jedoch auch angeführt werden, dass sich die in diesen Handel involvierten
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Menschen darüber beklagten, dass das Geschäft seit ein paar Jahren immer schlechter geht
sowie die Qualität der Mitumba-Ware oft mangelhaft ist.
Hansen (1995: 134) schätzt, dass in den Ländern südlich der Sahara rund ein Drittel der
Menschen KonsumentInnen von Mitumba sind, wobei allerdings zu bedenken gilt, dass
natürlich auch neue Kleidung (wenn auch in geringer(er) Quantität) gekauft wird.
Im Allgemeinen begann sich der Altkleiderhandel in den 1980ern bzw. frühen 1990ern
(Hansen 2006: 105) als lukrative Branche zu etablieren, eine Phase die im Falle Tanzanias mit
ökonomischen Schwierigkeiten einhergeht. Diese Probleme des Landes ergaben sich aus einer
allgemein schlechteren Lage der Weltwirtschaft, einem Niedergang der Preise für die
(hauptsächlich agrarischen) Exportgüter und den Folgen des gescheiterten Ujamaa-Projektes,
die im historischen Teil dieses Textes angeführt wurden. Dazu kam Liberalisierung bzw.
Öffnung des Landes (und damit einhergehend die Entstehung eines kapitalistischen
Unternehmergeistes).
Eine ebenfalls parallele Entwicklung dieser Zeit war die Stagnation des tanzanischen
Textilsektors, da einheimische Produkte dem (niedrig) – Preisdruck der importierten,
gespendeten Altkleider kaum standhalten konnten. Hinzu kommt, dass auch billige Textilien
aus dem asiatischen Raum den Preisdruck auf dem Markt erhöhen, und die, so ein gängiges
Argument, sollte der Altkleiderhandel zurückgehen, jenen Platz der Billigware einnehmen
würden.
Sally Barden und Catherine Barber (2005) weisen in ihrer Studie zur Auswirkung des
Altkleiderhandels auf Entwicklungsländer jedoch darauf hin, dass zwischen dem Niedergang
von Textilindustrie und des Aufkommens an Mitumba-Importen nicht unbedingt ein kausaler
Zusammenhang besteht, sondern oft Strukturanpassungsprogramme seitens verschiedener
Geberinstitutionen und –länder für die Probleme dieses Industriezweiges verantwortlich
waren. Des Weiteren weisen sie darauf hin, dass um die verschiedenen Faktoren
auseinanderzudividieren detaillierte historische Daten betreffend einheimischer Produktion
(inklusive der Produktion im informellen Sektor) und Handelsstrategien des jeweiligen
Landes notwendig wären, und solche Daten für viele der ärmsten Länder der Welt nicht zu
bekommen wären.
Um wieder nach Europa zurück zu kommen: Nach dem ersten Akt in der von uns
untersuchten Kette, also der Spende in einen der Altkleidersammelkontainer, wird die
Bekleidung entweder von karitativen Organisationen selbst oder schon von jenen Firmen
abgeholt, die auch für die Sortierung und den Weitertransport verantwortlich sind. Die
karitativen Organisationen, wie beispielsweise Caritas, behalten sich eine kleinen Teil des
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Spendeneinkommens zurück, um diesen an „ausgewählte“ Bedürftige weiterzugeben bzw. in
eigenen Shops verkauft. Der Großteil der Spenden gelangt jedoch wieder in den Handel.
Die Sortierung erfolgt nach Kriterien wie Art des Kleidungsstückes (Hose, Jacke, T-Shirt
etc.), Qualität oder Zielland, wobei unter den Zielländern bezüglich der Qualität der MitumbaWare Hierarchien bestehen, wobei die schlechteste Qualität nach Afrika geht, mittlere nach
Lateinamerika und nach Japan die qualitativ hochwertigste Ware. (Hansen 2006: 105)
Der Handel mit Secondhand – Kleidung ist jedoch keineswegs historisch jungen Datums,
sondern die Relevanz für Handelsstatistiken in Volumen und Umsatz wie erwähnt erst in den
letzten 20-30 Jahren signifikant wurde. Palmer und Clark (2006: 6f.) weisen darauf hin, dass
die Geschichte des Altkleiderhandels wahrscheinlich so alt ist die Manufaktur von Stoffen
und Bekleidung. Sie führen an, dass die wesentlichen Prinzipien für den Secondhand-Markt
ökonomische und kulturelle sind. Es besteht die Möglichkeit schon getragene Kleidung
wieder zu gebrauchen nur dann, wenn es eine Überflussproduktion in Gesellschaften die mehr
produzieren, als sie brauchen gibt. So kann Gewand, weggegeben werden, bevor es
abgetragen ist. Mit Kopytoff (1986) weisen sie darauf hin, dass der Wert und die Bewertung
von Waren von einer kulturellen Perspektive betrachtet werden kann. Es ginge um die
´kulturelle Biographie eines Objektes`, die in gebrauchter Kleidung historische, interkulturelle
ebenso wie soziale und ökonomische Dimensionen erkennbar mache.
Secondhand-Kleidung hat aber auch ihren Platz in westlichen Ländern und würde innerhalb
des globalen Modesystems als Ausdruck einer zeitgemäßen, postmodernen Identität gelten.
Bei Kleidung sei es offensichtlich, dass sie als Dokumente materieller Kultur mit
individuellen und kollektiven Bedeutungen geladen sind.
Historisch betrachtet gibt es auch genügend Beispiele, welche die anhaltende Relevanz sowie
den betrieben Aufwand um Bedeutung und/oder ökonomischen Wert von schon getragener
Kleidung wieder herzustellen bzw. beizubehalten demonstrieren, sei dies durch Spende,
Verkauf oder Tausch. (Palmer und Clark 2006: 10)
Karen Hansen (2006: 103ff.) stellt auch fest, dass Secondhand-Bekleidungsmärkte nicht
einfach nur ´dumpinggrounds` für die weggegebenen Kleider des Westens sind.
„… ´the specific meaning of this consumption depends on the context of interaction and the
economic and cultural politics of ist time`. Each chapter [ihres Artikels, Anm.] reveals ways
in which the used garment has become a global commodity capable of facilitating
metanarratives of modernity and of constructing complex meanings between subject and
object. For the post-colonial subject western clothing became an appealing and increasingly
available means of ´becoming modern`.“ (Palmer und Clark 2006: 99)
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Wenn das Thema Kleidung ist, geht es (im Fall von Mitumba) auch um Mode, Trends,
Vorbilder, Rollenklischees, Erwartungshaltungen und soziale Konventionen. Reflektiert
mensch die Situationen, die erfahrenen Bilder, getroffenen Menschen oder geführten
Gespräche mit den Menschen in Singida, so wird klar, dass es sich bei Mitumba nicht einfach
nur Handelsgüter, die global gehandelt und transportiert werden handelt, sondern um Dinge,
die mit vielfältigen Konnotationen seitens der KonsumentInnen verbunden sind erstens und
zweitens dass diese Dinge in verschiedenen Ländern bzw. Teilen dieser Erde einen je eigenen
Status haben. Sei dies nun als Gebrauchsgegenstand (Nutzwert), um sich den Körper zu
bedecken, als modisches Acessoire das ´modern sein` ausdrückt, als Versatzstück einer
anderen Kultur, als Indiz für die Wegwerfgesellschaft oder einfach als nett aussehendes, ganz
normales Kleidungsstück dass gekauft wird, weil es entweder nichts anderes gibt oder dieses
Andere zu teuer ist. Es sollte auch bedacht werden, dass viel von dem Gewand, das in Europa
gespendet wird und so in Tanzania zu Mitumba werden kann, im Herkunftsort schon der
(subjektiven) Wertlosigkeit zum Opfer gefallen ist. Es wird dadurch wieder aufgewertet, dass
es gespendet, für einen (vermeintlich) guten Zweck weggegeben wird, also dieser Entwertung
der Sinn des Altruismus vorgeschoben wird (nach dem Motto „bevor ichs wegschmeiße kann
ichs ja spenden, da helf ich auch noch irgendwelchen Armen…“).
Gespendete Altkleider tragen einen Zeitaspekt mit sich, den sie nicht mehr loswerden, sie sind
schon getragen, haben schon „ein anderes Leben“ gehabt, „Geschichten erlebt“. Was bedeutet
das für Menschen, beim tragen von (nachgefragter) Bekleidung (immer) zweiteR zu sein, weil
der erste Platz nicht leistbar ist? Besteht die Notwendigkeit, auf getragenes Gewand
zurückgreifen zu müssen, um den eigenen Körper zu bedecken oder besteht diese
Notwendigkeit nicht, sondern die wurde geschaffen, beeinflusst, gewünscht von jenen
wirtschaftlichen Akteuren, die in diesem Business tätig sind und Gewinne erwirtschaften
möchten? Bestimmt das Angebot in diesem Fall die Nachfrage?
Welche Produkte in welchem (geographischen/virtuellen) Raum auf welche Art und Weise
individuell und kollektiv evaluiert, gewürdigt werden oder gedeutet werden, ist ein eine Frage
der kulturellen Dimension der jeweils transferierten Produkte. Bekleidung kann analysiert
werden als Set öffentlicher bedeutungsvoller Formen (Hannerz 1995 in: Kreff 2003: 103), die
in öffentlichen (nicht)Orten Menschen zugänglich sind, interpretiert und in das Alltagsleben
integriert werden. Diese offenen Formen (overt forms) werden deshalb bedeutsam, weil der
menschliche Verstand über das entsprechende Interpretationsinstrumentarium verfügt (ebd.).
„The cultural flow thus consists of the externalisations of meaning which indiviuals produce
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through arrangements of overt forms, and the interpretations which individuals make of such
displays – those of others as well as their own“ (Hannerz 1992a: 4, in Kreff 2003: 102).
Welche Macht dahinter steht, den öffentlichen Raum, die Produkte und die Menschen zu
beherrschen, steuern, beeinflussen zu können, ist eine offene Frage ebenso wie die Dimension
der Handlungsfähigkeit bzw. -macht der individuellen und kollektiven Akteure, die an diesem
Prozess beteiligt und/oder involviert sind. Politische Ideen, historische Ereignisse, selektive
Darstellung(en), kapitalistischer Wettbewerb, mediale Aufarbeitungen und virtuelle
Plattformen spielen dabei eine Rolle.
Zusammen mit Waren und/oder Menschen im globalen Handel fließen Vorstellungen über
den freien Markt, Business, kapitalistische Lehren, Design, Ästhetik, Kosten-Nutzen,
Produkte und Labels über den Globus- Menschen folgen den Produkten, die wiederum
anderen Menschen oder Kollektiven folgen.
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