Einführung Wir besitzen zwei Typen von Rezeptoren: die Zapfen, die das Sehen bei großer Beleuchtung kontrollieren und die Stäbchen, die für das Sehen bei niedriger Beleuchtung verantwortlich sind Zapfen lösen feine Details auf und extrahieren Information zum Farbensehen Stäbchen geringe Auflösung für Details, kein Farbensehen Im Licht und Dunkeln kommen also verschiedene Rezeptoren zum Einsatz Visuelle Wahrnehmung der Umwelt beruht auf den Eigenschaften der Umwelt und auf den Eigenschaften des visuellen Systems Beim Sehen wird der beachtete Bildausschnitt auf der Retina abgebildet Die Empfindlichkeit des Auges für Licht und die Struktur des visuellen Systems Zum visuellen System gehören folgende Einheiten: a) Sinnesorgan Umweltreize aufnehmen b) Rezeptoren Umsetzung von Reizinformation in neuronale Signale c) Neurone Verarbeitung und Weiterleitung der Signale d) Zentrale Neurone im Gehirn Empfangen und Weiterverarbeiten der Signale 1. Die Empfindlichkeit des Auges für Licht Sehen benutzt als Trägerprozess das Licht Sichtbares Licht umfasst die Wellenlängen von etwa 400 bis 700nm Elektromagnetische Wellen entstehen durch die Schwingungen von Elektronen Bereich der Wellenlängen des gesamten elektromagnetischen Spektrums ist sehr groß sichtbares Licht umfasst nur einen kleinen Ausschnitt dieses Spektrums 2. Die Struktur des visuellen Systems Das visuelle System umfasst vier Hauptkomponenten: a) Auge b) Corpus geniculatum laterale (CGL) c) Primärer visueller Cortex: wird als striär bezeichnet, weil der Verlauf der Nervenfasern helle Streifen erzeugt d) Extrastriärer visueller Cortex: besteht aus Arealen im temporalen, parietalen und frontalen Cortex Sehvorgang: Licht fällt ins Auge Auge nimmt Licht auf Licht passiert Hornhaut, Pupille und Linse Hornhaut und Linse fokussieren das Licht lenken es auf Netzhaut (=Retina) Retina = komplexes Netzwerk aus fünf Arten an Neuronen: a) Stäbchen und Zapfen = Photorezeptoren b) Bipolarzellen c) Horizontalzellen d) Amakrinzellen e) Ganglienzellen Elektrische Signale verlassen durch den Sehnerv (=Nervus opticus) das hintere Auge Die meisten Impulse erreichen dann den seitlichen Kniehöcker (CGL) Von dort führt die Sehbahn (=Tractus opticus) zum primären visuellen Cortex und dann weiter zum extrastriären Cortex Licht, Photorezeptoren und neuronale Signale 1. Fokussierung des vom Auge aufgenommenen Lichts Erster Schritt im Sehvorgang = Fokussierung des Lichts auf die Netzhaut Auge bricht Licht mit den beiden Brechungselementen: Hornhaut und Linse scharfes Bild auf der Netzhaut Brechkraft der Linse kann erhöht werden: Akkommodation Akkomodation hat ihre Grenzen: Entfernung, bei der die Linse nicht mehr akkommodieren kann = Nahpunkt Der Abstand des Nahpunktes wächst mit zunehmendem Alter Altersweitsichtigkeit Mit dem Alter lässt also die Akkommodationsfähigkeit nach Die Netzhaut 1. Stäbchen und Zapfen Hauptaufgabe der Stäbchen und Zapfen = Transduktion des auftreffenden Lichtmusters in elektrische Signale Dies geschieht mittels chemischer Substanzen: der Sehpigmente Opsin Seh Retinal = kleines lichtempfindliches Molekül farbstoff Retinal reagiert auf Licht und startet damit den Transduktionsvorgang Isomeration = Formveränderung des Retinal bei der Lichtabsorption Es reicht die Isomeration eines einzigen Sehpigmentmoleküls, um einen Rezeptor zu stimulieren, und für die Wahrnehmung eines Lichtreizes reicht die Stimulation von sieben Rezeptoren Formveränderung Sehpigment wird zu Katalysator chemische Kettenreaktion (=Enzym-Kaskade) elektrisches Signal in den Photorezeptoren Fovea (=Sehgrube): - enthält nur Zapfen - sitzt genau auf der Blicklinie Peripherie: - enthält Stäbchen und Zapfen Stäbchen und Zapfen stehen vom Licht abgewandt Kontakt zum Pigmentepithel, die Rezeptoren mit Nährstoffen und Enzymen versorgt für das Sehen kein Problem Problem: Blockade des direkten Wegs der Ganglienzellen aus dem Auge heraus Aber: Blinder Fleck = kleiner, rezeptorenloser Bereich, durch den der Sehnerv das Auge verlässt – Abbildungen, die an diese Stelle fallen, werden nicht gesehen, bzw. durch bisher noch kaum verstandene Mechanismen „ausgefüllt“ 2. die weiteren Netzhautneuronen Zwischen die Rezeptoren- und Ganglienzellen sind drei andere Neuronentypen geschaltet: a) Bipolarzellen Übertragung der Signale von Rezeptoren zu Ganglienzellen b) Horizontal- und Amakrinzellen übertragen Signale von einem Rezeptor zum nächsten und einer Bipolarzelle zur nächsten Sehpigmente und Wahrnehmung Duplizitätstheorie des Sehens: Netzhaut besitzt zwei Arten von Rezeptortypen, die verschieden aussehen, nach verschiedenen Bedingungen arbeiten und unterschiedliche Eigenschaften haben 1. Dunkeladaptation Dunkeladaptation verläuft in zwei getrennten Stufen: a) schnelles Anfangsstadium Adaptation der Zapfen b) späteres, langsameres Stadium Adaptation der Stäbchen Experiment 1: Erstellen einer zweistufigen Dunkeladaptationskurve Experiment 2: Messung der Zapfenadaptation Experiment 3: Messung der Stäbchenadaptation 2. Regeneration des Sehpigments Wenn Retinal Licht absorbiert, verändert es seine Form und löst den Umwandlungsprozess aus Dies bewirkt eine Farbänderung des Retinals von ursprünglich rot zu orange, dann gelb und schließlich transparent Diesen Vorgang nennt man Bleichung Bevor neues Licht in elektrische Aktivität umgewandelt werden kann, müssen sich Retinal und Opsin wieder vereinigen = Pigmentregeneration Die Pigmentregeneration erfolgt mithilfe von Enzymen William Rushton hat mit dem Verfahren der Retina-Densiometrie die Konzentration der Stäbchen- und Zapfenpigmente während der Dunkeladaptation gemessen Ergebnisse: a) Zapfenpigmente brauchen sechs Minuten, um sich vollständig zu regenerieren b) Stäbchenpigmente benötigen über dreißig Minuten Fazit: a) Regeneration des Sehpigments ist verantwortlich für die erhöhte Empfindlichkeit von Stäbchen und Zapfen bei der Dunkeladaptation b) Stäbchen adaptieren langsam, weil sich das Stäbchenpigment langsam regeneriert 3. Spektrale Hellempfindlichkeit Stäbchen und Zapfen unterscheiden sich auch in ihrer spektralen Hellempfindlichkeit = Empfindlichkeit für verschiedene Abschnitte des sichtbaren Spektrums Kurzwelliges Licht erscheint blau Mittelwelliges Licht erscheint grün oder gelb Langwelliges Licht erscheint orange oder rot Messung der relativen Schwelle für das Sehen von Licht unterschiedlicher Wellenlängen Kurve spektraler Hellempfindlichkeit Schwelle liegt in der Mitte des Spektrums am niedrigsten bei mittleren Wellenlängen braucht man weniger Licht, um es zu sehen Stäbchen sind für kurzwelliges Licht empfindlicher als Zapfen, Stäbchen am empfindlichsten für Licht mit der Wellenlänge 500nm Zapfen am empfindlichsten für Licht mit der Wellenlänge 560nm Wenn während der Dunkeladaptation das Sehen von den Zapfen zu den Stäbchen übergeht, steigt unsere Empfindlichkeit für kurze Wellenlängen stärker als die für längere Wellenlängen 4. Pigmentabsorptionsspektren Absorptionsspektrum = Darstellung der Lichtmenge, die ein Sehpigment absorbiert, aufgetragen gegen die Wellenlänge des Lichts Spektrale Empfindlichkeit des Stäbchensehens beruht auf der Lichtabsorption des Sehpigments der Stäbchen Drei verschiedene Zapfenpigmente: a) kurzwelliges Zapfenpigment absorbiert Licht von 419nm am besten b) mittelwelliges Zapfenpigment absorbiert Licht von 531nm am besten c) langwelliges Zapfenpigment absorbiert Licht von 558nm am besten spektrale Hellempfindlichkeitskurven der Zapfen geht auf die gemeinsame Aktivität aller drei Zapfenpigmente zurück Die Verarbeitung neuronaler Signale Wenn Information verarbeitet wird, wird sie analysiert und transformiert Neuronale Signale werden so analysiert und transformiert, dass das resultierende Nervensignal im Wahrnehmungssystem leichter „verstanden“ wird und daher leichter in Wahrnehmungen umgesetzt werden kann 1. Neuronale Verarbeitung durch Konvergenz Synapsen dienen dem Nervensystem zur „Verarbeitung“ der elektrischen Signale auf ihrem Weg von den Rezeptoren zum Gehirn Elektrische Signale werden durch neuronale Schaltkreise verarbeitet Linearer Schaltkreis: jedes vom Rezeptor erzeugte Signal läuft direkt zum nächsten Neuron; keine anderen Neuronen sind beteiligt Konvergenz: Synapsen von zwei oder mehreren Neuronen münden auf ein einziges Neuron Zelle erhält zusätzliche Information von mehreren Zellen Hemmung: Synapsen wirken hemmend auf ein Neuron Durch Konvergenz und Hemmung erhalten wir ein Neuron, das sehr spezifisch auf einen bestimmten Reiz anspricht 2. Neuronale Verarbeitung in der Netzhaut: Einführung in rezeptive Felder Exzitatorische- oder On-Reaktion Neuron feuert, wenn Licht angeschaltet wird Inhibitorische- oder Off-Reaktion Entladungshäufigkeit nimmt beim Anschalten des Lichts ab Rezeptives Feld = Jener Teil der Retina, dessen Reizung dasselbe Neuron erregt On-Zentrum-Neuron = Neuron, das auf Reizung des Zentrums exzitatorisch reagiert Off-Zentrum-Neuron = Neuron, das auf Reizung des Umfelds exzitatorisch reagiert Zentrum-Umfeld-Antagonismus: Zentrum und Umfeld rezeptiver Felder reagieren entgegengesetzt Reizung des inhibitorischen Umfeldes wirkt der exzitatorischen Reaktion des Zentrums entgegen Herabsetzung der Entladungsrate des Neurons Das Neuron reagiert also maximal auf einen Lichtpunkt, der der Größe des Zentrums des rezeptiven Feldes entspricht Neuronale Verarbeitung hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung 3. Neuronale Verschaltung und räumliche Summation Signale aus den zahlreichen Zapfen und Stäbchen werden in den weit weniger Gagleinzellen zusammengefasst Stäbchen konvergieren viel stärker als Zapfen Annahmen für einen Versuch: a) eine Einheit an Lichtintensität verursacht eine Reaktionseinheit in einem Rezeptor b) Eine nachgeschaltete Ganglienzelle braucht zum Feuern zehn Reaktionseinheiten c) Wenn eine Ganglienzelle feuert, dann sehen wir Ergebnis: Wegen der größeren räumlichen Summation haben Stäbchen gegenüber den Zapfen eine höhere Empfindlichkeit, d.h. die Antworten vieler Stäbchen summieren oder addieren sich in derselben Ganglienzelle Die größere räumliche Summation der Stäbchen führt zu größeren rezeptiven Feldern in der Netzhautperipherie, die vorwiegend Stäbchen enthält Die überlegene Empfindlichkeit der Stäbchen ergibt sich auch aus der Tatsache, dass ein Stäbchenrezeptor mehr Licht absorbiert als ein Zapfenrezeptor und dass ein Stäbchen generell stärkere elektrische Reizantworten als ein Zapfen 4. Neuronale Verschaltung und Erkennen von Details Sehschärfenmessung durch - Snellen-Schriftproben - Landolt-Ringe Stäbchen sind zwar lichtempfindlicher als Zapfen, mit ihnen könne wir aber wesentlich schlechter Details erkennen als mit den Zapfen Konvergenz der Stäbchen vermindert also ihre Fähigkeit zur räumlichen Auflösung 5. Laterale Inhibition Lichtreizung der benachbarten Rezeptoren hemmt die Entladung des Neuron – diese Hemmung nennt man lateral, weil sie vom lateralen Plexus seitwärts an das Umfeld in der Netzhaut übertragen wird Versuche am Limulus-Auge (=Pfeilschwanzkrebs) Neuronale Verarbeitung und Wahrnehmung Welche Wahrnehmungskonsequenzen hat die Verarbeitung der lateralen Inhibition? 1. Laterale Inhibition und das Hermann-Gitter Phänomen des Herrmann-Gitters lässt sich durch Eigenschaften der visuellen Verarbeitung erklären Hermann-Gitter lässt sich auf die Wirkung des Zentrum-UmfeldAntagonismus konzentrischer rezeptiver Felder zurückführen 2. Laterale Inhibition und die Mach’schen Bänder den hellen und dunklen Bändern muss nach Mach „eine organische Wechselwirkung der Netzhautelemente“ zugrunde liegen Die Beleuchtung eines Netzhautbereichs beeinflusst die Reaktion der Rezeptoren in einer anderen, benachbarten Retinaregion Die Mach’schen Bänder lassen sich durch laterale Inhibition erklären Laterale Inhibition modifiziert die ursprünglichen Reaktionen der Reeptoren so, dass sie einen physiologischen Effekt erzeugen, der die Wahrnehmung der Mach’schen Bänder nachahmt 3. Laterale Inhibition und Simultankontrast Simultankontrast entsteht, wenn die Wahrnehmung der Helligkeit oder der Farbe einer angrenzenden oder umschließenden Fläche verändert wird Erklärung für das Auftreten des simultanen Helligkeitskontrastes ist die laterale Inhibition Laterale Inhibition ist jedoch nicht in der Lage, die beiden Phänomene des BenaryKreuzes und der White’schen Illusion zu erklären Sie können erklärt werden, wenn man annimmt, dass das visuelle System bei der Auswertung nach dem Prinzip der Berücksichtigung der Zugehörigkeit verfährt Die Ursache für die genannten Phänomene liegen nicht in der Verarbeitung der Retina allein, sondern eher in den Eigenschaften des visuellen Cortex Die laterale Inhibition, die in den ersten Verarbeitungsstufen erfolgt, ist nur eine Vorverarbeitung für jene Stufen, die folgen 4. Die neuronalen Anfangsstufen des Wahrnehmungsprozesses Die Vorgänge in den Rezeptoren und in der Retina beeinflussen die visuelle Wahrnehmung wie folgt: a) Rezeptoren reagieren nur auf Lichtsignale, für die sie sensibel sind. Stäbchen und Zapfen sind innerhalb dieses Bereiches unterschiedlich empfindlich b) Rezeptoren und ihre neuronale verschaltung bestimmen, welche Helligkeiten wir wahrnehmen und welche Details wir auflösen können Stäbchen Sehen im Dämmerlicht, aber mit geringer Auflösung Zapfen Sehen im Hellen und mit hoher Auflösung c) laterale Inhibition in den konzentrischen rezeptiven Feldern Kontrastverstärkung