Allgemeine Psychologie II – Fragenkatalog

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Allgemeine Psychologie II – Fragenkatalog
SS 2010
Sophia Buchner
I Gegenstand und Grundfragen der Motivationspsychologie
1. Definieren Sie den Gegenstand der Motivationspsychologie: Was soll wodurch erklärt werden?
Motivationspsychologen suchen beispielsweise Antworten auf folgende Fragen: Was veranlasst
Menschen, bestimmte Ziele anzustreben? Was verleiht Zielen ihre Bedeutung? Wovon hängt es ab,
dass eine Person trotz wiederholter Rückschläge ausdauernd ein Ziel verfolgt? Wie lässt sich erklären,
dass Menschen manchmal an unerreichbaren oder unattraktiven Zielen festhalten?
Der Gegenstand der Motivationspsychologie ist die Erklärung von ergebnisorientiertem,
zielgerichtetem Verhalten und Handeln, d.h. es werden weder Reflexe noch Gewohnheiten, bei denen
der Beweggrund nicht erkennbar ist, untersucht. Dabei ergibt sich besonderer Erklärungsbedarf bei
auffälligem, normabweichendem Verhalten wie z.B. warum ein Fußgänger bei Rot über die Straße
geht. Dies lässt darauf schließen, dass abweichendes Verhalten durch Personenfaktoren und eine
spezifische Motivlage bedingt ist.
2. Welche drei Aspekte des Verhaltens lassen sich motivationspsychologisch erklären oder
vorhersagen?
Es werden die Richtung (Wahl), die Intensität (Anstrengung) und Beginn, Dauer und Ende
(Hartnäckigkeit, Resignation) erklärt und vorhergesagt.
3. Welche Arten von Verhalten werden typischerweise ohne Rückgriff auf Motive und Motivation
erklärt?
Reflexe oder Gewohnheiten werden typischerweise ohne Rückgriffe auf Motive und Motivation
erklärt, da die Beweggründe nicht erkennbar sind.
4. Unterscheiden Sie zwischen “verstehenden” und “erklärenden” Antworten auf die motivationspsychologische Wozu-Frage. Geben Sie jeweils ein Beispiel.
Beim Verstehen geht es um Gründe und Überzeugungen, die absichtliches, willkürliches, vernünftiges
Verhalten auslösen. Ein Beispiel dafür wäre, dass der Mann über die rote Ampel geht, um nicht zu
spät zu kommen. Die Ursache, warum der Mann so spät dran ist, könnte darin liegen, dass er
verschlafen hat  scheint rational, vernünftig.
Eine erklärende Antwort greift auf die Ursachen des Verhaltens zurück, welche nicht unbedingt
vernünftig reflektiert sein müssen, sondern auch Kräfte sein können, die auf Personen einwirken (wie
z.B. Entzugssituationen, Triebe, Anreize und (latente) Motive). Dabei wird unwillkürliches, aber auch
willkürliches Verhalten erklärt (spontane Tendenzen wie Platzwahl im Wartezimmer (Entscheidung
kann unbewusst sein – Erklärung über Gewohnheiten), Fehlhandlungen, Träume, Rationalisierung).
5. Definieren Sie die Begriffe Motiv und Motivation und grenzen Sie diese voneinander ab.
Motive sind spezifische Wertungsdispositionen wie Bedürfnisse, Präferenz, Ziele, Werte usw., die
relativ stabil sind. Treffen diese Motive auf entsprechende situative Hinweisreize, so wird daraus eine
Motivation. Eine Motivation ist die aktivierte Orientierung auf bestimmte Ergebnisse / Folgen, die
durch interne Prozesse ausgelöst werden, z. B. wenn ich Hunger habe, wie muss ich vorgehen, um das
Bedürfnis zu befriedigen. die Motivation entsteht somit aus dem Vorhandensein eines Motivs und der
dazu passenden Situation.
6. Diskutieren Sie die Aussage, man könne “die Motive einer Person an ihrem Verhalten
ablesen”. Beschreiben Sie dazu je eine Lesart bzw. Verwendung der Aussage, die
wissenschaftlich gehaltvoll und eine, die bedeutungsleer ist.
Die Motive einer Person kann man nicht (vollständig) aus ihrem Verhalten ableiten, da man nicht
weiß, welche situativen Merkmale gegeben sein müssen, um das gezeigte Verhalten auszulösen. Ein
Beispiel dafür wäre eine Frau, die sich von ihrem Freund trennt. Wenn man das Motiv ablesen würde,
würde man sagen, sie hätte etwas Besseres gefunden. Das wirkliche, nicht ablesbare Motiv war
allerdings die Bindungsangst der Frau.
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7. Warum ist es unbefriedigend, wenn ein häufiger Besuch von Parties darauf zurückgeführt
wird, dass die betreffende Person ein “Party-Motiv” hat? Nennen Sie eine motivationspsychologisch ernstzunehmende Erklärung für ein solches Verhalten und skizzieren Sie eine
Möglichkeit, Ihre Aussage empirisch zu überprüfen.
Motive sollten immer unabhängig vom zu erklärenden Verhalten gemessen werden, d. h. die Messung
von Motiven darf nichts mit der Messung zur Erklärung von Motiven zu tun haben. Wenn man z. B.
annimmt, jemand der gern auf Parties geht hätte das Bedürfnis nach Gesellschaft, so muss man ihn in
einer „neutralen“ Situation einen Fragebogen zu seinen Gewohnheiten ausfüllen lassen. Dies stellt die
direkte Manipulation der Vermittlungsprozesse dar, da die Situation nicht mit „Party“ zu tun hat.
8. Was sind die 8 Grundfragen der Motivationspsychologie? Geben Sie jeweils eine kurze
Erläuterung.
Die acht Grundfragen der Motivationspsychologie unterteilen sich in 4 motiv- und 4 motivationsbezogene Fragen. Die erste ist die Frage nach der Motivklassifikation, d. h. wie die angestrebten
Handlungen inhaltlich unterteilt und dann in Motivkataloge eingefasst werden. Bevor Motive
klassifiziert werden können, müssen sie zuerst entstehen, sich entwickeln und wenn nötig ändern. Dies
geschieht in der Motivgenese, die von der Motivmessung gefolgt wird. Unter Motivmessung versteht
man die Verfahren zur Erfassung individueller Unterschiede in der Ausprägung einzelner Motive. Das
vierte Motivgrundproblem ist die Motivanregung, d.h. eine Eingrenzung und Differenzierung der
motivspezifischen Anregungen zu treffen. Bei der Motivation liegt eines der Probleme auf der
Motivationswirkung, was bedeutet, dass es vielfältige Manifestationen von Motivation im beobachtbaren Verhalten und seiner Resultate (vom Verhalten) gibt. Des Weiteren gibt es den Wechsel & die
Wiederaufnahme, d. h. es erfolgt eine Wiederaufnahme oder ein Wechsel oder eine Nachwirkung
einer Motivation. Die Zielgerichtetheit ist ein allgemeines Merkmal motivierten Verhaltens, wobei es
allerdings zu Konflikten zwischen verschiedenen Handlungszielen kommen kann. Das letzte
Grundproblem sind die selbstregulatorischen Zwischenprozesse der Motivation, d.h. es findet eine
analytische Rekonstruktion von „Motivation“ unter Zugrundelegung hypothetischer selbstregulatorischer Zwischenprozesse in einzelnen Phasen des Verhaltensabschnitts statt.
II Kraft I – Triebtheorien
9. Definieren Sie den Begriff “Trieb”.
Als Trieb bezeichnet man eine allgemeine, unspezifische Quelle der Verhaltensaktivierung. Diese
Triebenergie ist eine notwendige Bedingung dafür, dass menschliches Handeln in Gang gesetzt und
aufrechterhalten wird. Triebe sind Druck-Variablen („push“), die das Verhalten von innen
anschieben – sie sitzen in der Person und sind in sofern nicht regulierbar („Zwangscharakter“), man
kann ihnen nicht ausweichen. Ein Trieb versetzt den Körper in einen Zustand der Anspannung,
deren Reduktion angestrebt und als befriedigend und lustvoll empfunden wird.
10. Wie motivieren Triebe Verhalten? Welche allgemeinen Grundsätze liegen einer
triebhaften Verhaltenssteuerung zugrunde?
Triebe motivieren Verhalten dadurch, dass sie den Körper in einen Zustand der Anspannung
versetzten, dem man nicht ausweichen kann und nur durch entsprechendes Handeln, das die
Triebbefriedigung zum Ziel hat, eine Reduktion dieser Anspannung erreicht werden kann. Ist ein
Triebzustand also aktiviert entsteht ein unangenehmer Spannungszustand, der abgebaut werden will.
Allgemeine Grundsätze einer triebhaften Verhaltenssteuerung sind Mechanismen des Lernens, wie
z.B. Konditionierung. Weiß man, dass ein bestimmtes Verhalten zur Triebbefriedigung führt, wird
man es in Zukunft wieder zeigen.
11. Warum ist man unter Umständen Triebeinflüssen auf das Verhalten in stärkerem Maße
“ausgeliefert” als Einflüssen, die von Anreizen ausgehen?
Triebe stammen im Gegensatz zu äußeren Anreizen aus Reizquellen im Körperinneren – man kann
sich ihnen also nicht durch Flucht entziehen und ist ihnen somit ausgeliefert. Äußeren Anreizen
hingegen kann man ausweichen.
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12. Erläutern Sie Auswirkungen von Triebzuständen auf das Denken und Handeln mithilfe
der Begriffe Primär- und Sekundärprozess.
Beim Primärprozess drängt der Trieb auf die direkte Befriedigung des Bedürfnisses. Dabei werden
Denken und Verhalten „befriedigungsorientiert“ angepasst, d.h. Denken, Verhalten und Wahrnehmung
wird auf das Triebobjekt ausgerichtet. Die Sekundärprozesse hingegen enthalten Ich-Prozesse, die als
Vermittler zwischen Trieb und Handlung auftreten. Dabei versucht das Ich die Befriedigung auf
Umwegen zu erreichen (Ersatzhandlungen) oder unter Zuhilfenahme von Kognitionen auf das Ziel
„hinzuarbeiten“ (Aufschieben, Planen). Es kommt also meist zu einer umgewandelten Form der
Triebbefriedigung, was ein Beweis dafür ist, dass Triebenergie unspezifisch ist. Aber auch
Abwehrmechanismen wie Leugnung, Verdrängung, Verschiebung, Verkehrung ins Gegenteil und
Projektion sind mögliche Sekundärprozesse.
13. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Studie von McGinnies (1949) zur Verdrängung
in der Wahrnehmung. Welches methodische Problem gibt es bei dieser Studie, das eine
Interpretation der Ergebnisse im Sinne einer automatischen Wahrnehmungsabwehr fraglich
erscheinen lässt?
McGinnies bot seinen Vpn für Sekundenbruchteile Worte auf einer Leinwand dar. Diese waren
entweder neutral besetzt (Tisch, Stuhl usw.) oder „Tabu-Worte“ (Hure, Schlampe usw.). Dabei sollten
die Probanden einen Knopf drücken sobald sie das Wort erkannt hatten. Anhand der RT-Vergleiche
stellte McGinnies fest, dass „Tabu-Worte“ länger gezeigt werden mussten bis sie erkannt wurden
(Wahrnehmungsschwelle war also höher) und deutete dies als Wahrnehmungsabwehr ( er vermutete
einen Abwehrmechanismus auf einer sehr basalen Wahrnehmungsebene):
Problematisch daran ist allerdings, dass es bei den tabu-besetzten Worten wahrsch. nicht aufgrund
einer Wahrnehmungsabwehr zu einer Wahrnehmungsverzögerung kommt, sondern eher deshalb, weil
die Worte im Alltagsgebrauch nur selten benutzt werden (z.B. Schlampe) und für spezifische Kontexte
vorbehalten sind. Der Effekt ist also vllt. kein Effekt des Tabu-Gehaltes, sondern tritt vllt. wegen der
seltenen Nutzung auf, weshalb die Worte schwieriger erkannt werden.
Ein weiteres methodisches Problem könnte sein, dass es mglw. kein Wahrnehmungseffekt ist, sondern
ein Effekt auf der Ebene der Antwortgenerierung ( Scham: es ist der Vpn. vllt. peinlich, dem VL das
kritische Wort zu sagen, man könnte sich auch verguckt haben, oder man will den Versuchsleiter nicht
beleidigen). Die Wahrnehmungsschwelle könnte in diesem Fall ähnlich sein, nur die Bereitschaft, das
Tabu-Wort zu sagen unterscheidet sich von den neutralen Wörtern.
14. Erläutern Sie die Katharsis-Hypothese. Warum spricht der Befund, dass häufiger Konsum
von Filmen mit Gewalt-Inhalten mit erhöhter Aggressivität einhergeht, nicht unbedingt gegen
die Katharsis-Hypothese?
Bei der Katharsis-Hypothese geht es darum, dass man Feindseligkeit und Aggression durch
stellvertretende Gewalt abbauen kann. Das bedeutet Triebreduktion durch z. B. Ansehen von Gewalt.  Auffassung, dass stellvertretende Triebbefriedigung möglich ist und auch zum Abbau der inneren
Spannung führt (z.B. Vorstellen von Gewalt reduziert Aggression).
Es ist möglich, dass bei den Korrelationsstudien, die zu diesem Thema betrieben wurden,
Konfundierungen aufgetreten sind. Dies widerspricht aber nicht unbedingt der Katharsis-Hypothese.
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15. Welche Beobachtungen haben dazu geführt, dass das Triebkonzept in die Lerntheorie
eingeführt wurde?
Wenn man eine Ratte in einen Käfig setzt und auf die andere Seite des Käfigs Futter legt, wird die
Ratte zum Futter rennen. Baut man zusätzlich ein Elektrogitter zwischen Ratte und Futter in den
Boden ein, kann man beobachten, dass die Ratte trotz Strom zum Futter rennt. Dies ist umso
deutlicher beobachtbar, je hungriger das Tier ist (wird die Entzugsdauer erhöht, kommt es zu einem
linearen Anstieg im Verhalten – Effekt kippt in hohen Bereichen, das Tier ist dann vermutlich zu
geschwächt). Ist es dagegen satt, dann nimmt die Häufigkeit der Überquerungen ab (Die Motivation ist
geringer und damit auch der Lerneffekt.).
Die Bereitschaft des Tieres, das aversive Gitter zu überqueren um an den Anreiz zu bekommen, wird
also durch die aktuelle Ausprägung des Triebzustandes beeinflusst. Die Reduktion des Triebzustandes
dient als Verstärker für das Verhalten.
16. Wie werden primäre Triebzustände in der Lerntheorie aufgefasst und wie werden sie
operationalisiert?
[Die Reduktion des Triebzustandes wirkt als Verstärker für ein Verhalten.] Primäre Triebzustände sind
eine unspezifische Antriebsquelle des Verhaltens und nach Hull an physiologische Bedürfniszustände
(Mangelzustände) geknüpft. Operationalisieren kann man diese, indem man das Verhalten des
Versuchstiers nach Deprivation beobachtet. Je mehr Anstrengungen ein Versuchstier unternimmt, um
sein Bedürfnis zu befriedigen, umso größer die Triebstärke.
17. Welche Implikationen ergeben sich aus der multiplikativen Verknüpfung von Trieb und Habit
in der Theorie von Hull?
Wenn sich die habit-Stärke erhöht (wächst mit jeder weiteren Verstärkung), dann steigt auch die
Verhaltensstärke V (die Wahrscheinlichkeit, dass ein spezifisches Verhalten gezeigt wird). Ist die
habit-Stärke „0“, dann ist auch die Verhaltensstärke „0“, d. h. es wird kein Verhalten gezeigt. Dasselbe
gilt für die Triebstärke D - diese steigt mit erhöhter Deprivation (ist beeinflusst durch Entzugsdauer).
Drive und Habit wirken interaktiv zusammen. (Der Effekt von D ist umso größer, je größer SHR, und
der Effekt von SHR ist umso größer, je größer D)
18. Durch welche experimentelle Evidenz konnte das Postulat der multiplikativen Verknüpfung
von Trieb und Habit belegt werden? Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Studie.
Perin setzte Ratten in einen Käfig mit einem Hebel. In Phase I brachte der Hebel Futter und die Ratten
lernten, ihn zu drücken (die Ratten wurden dafür unterschiedlich oft belohnt, siehe x-Achse der
Grafik). In Phase II brachte der Hebel kein Futter mehr. Dabei versuchte Perin festzustellen, wie lang
es dauert, bis das Verhalten gelöscht würde (gemessen wird also die Löschungsresistenz des
Verhaltens (y-Achse) als Maß des Triebes), wenn die Ratten 3 Stunden lang futterdepriviert waren.
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Die Hypothese war dabei: Je länger die Tiere persistieren, desto höher / größer der Trieb. Die
Kontrollgruppe entstammt einer Studie von Williams 1938, der die Ratten 22 Stunden hungern ließ.
Im Ergebnis zeigte sich ein Interaktionseffekt, d. h. je stärker der habit, desto größer die
Löschungsresistenz. Bei den langzeitdeprivierten Ratten war allerdings die Löschungsresistenz um ein
vielfaches höher als bei Perins Ratten. Dies bedeutet, dass es eine multiplikative Verknüpfung
zwischen Trieb und habit geben muss, da die Kurven sonst parallel verlaufen müssten.
19. Schildern Sie die Untersuchung von Webb (1949) zum Nachweis, dass Triebe
unspezifisch Verhalten energetisieren.
Webb setzte Ratten in einen Käfig mit Hebel und ließ sie in Phase I lernen, dass dieser Futter brachte.
In Phase II allerdings brachte das Hebeldrücken kein Futter mehr. Dabei wurden die Ratten in fünf
Gruppen unterteilt, wobei Gruppe I-IV unterschiedlich lang (aufsteigend) wasserdepriviert wurden und
Gruppe V 22 Stunden lang nahrungsdepriviert (Kontrollgruppe).
Gemessen wurde die Löschungsresistenz des in Phase I erlernten Verhaltens. Im Ergebnis zeigte sich,
dass mit zunehmender Wasserdeprivation auch die Löschungsresistenz beinahe linear anstieg, obwohl
der Hebel nie zuvor Wasser gebracht hatte. Dies legt nahe, dass Triebe unspezifisch Verhalten
energetisieren können. In der Kontrollgruppe lag die Löschungsresistenz beinahe doppelt so hoch ist
wie bei der 22-Stunden-wasserdeprivierten, was bedeutet, dass die Löschungsresistenz bei passender
Trieb-Handlungs-Folge am höchsten ist.
20. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Untersuchung von Crespi (1942) zum Nachweis
von Anreizeffekten. Warum lassen sich diese Anreizeffekte mit der ursprünglichen Theorie
von Hull nicht zu erklären?
Crespi setzte 3 Gruppen von Ratten in ein Labyrinth. Am Ende des Labyrinths warteten auf Gruppe 1
256 Futterpillen, auf Gruppe 2 16 Futterpillen und auf Gruppe 3 1 Futterpille. Dies ging 20
Lerndurchgänge so, wobei außer bei Gruppe 3 ein stetiger Zuwachs der Laufgeschwindigkeit zu
beobachten war. Ab Durchgang 21 wurde der Anreiz gewechselt, dies bedeutet, dass es für alle
Gruppen die gleiche Anzahl Futterpillen gab (16). Nach Hulls Vorhersage müsste die Laufgeschwindigkeit über alle Gruppen gleich bleiben, da weder D noch H verändert wurden. Die Ergebnisse
zeigten allerdings etwas anderes. Die Performanz von Gruppe 1 fiel rapide, während die Lauf-
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geschwindigkeit von Gruppe 3 sprunghaft anstieg. Daraus lässt sich entnehmen, dass bei unterschiedlicher Anreizstärke nicht unterschiedlich gelernt wird, sondern nur die Performanz eine andere
ist. Deshalb ist die gesamte Verstärkerhistorie für das Verhalten wichtig.
21. Wie lautet die Formel zur Berechnung der Verhaltensstärke im erweiterten
Motivationsmodell von Hull? Erläutern Sie jede Komponente der Formel.
V = D * SHR * K
[oder V= (D+K) * SHR]
V ist die Verhaltensstärke, die sich aus dem Produkt der Triebstärke D, der habit-Stärke H (in einer
Situation S für ein Verhalten R) und der Stärke der Konsummation K zusammensetzt. Die Stärke der
Konsummation ist eine zusätzlich spannungsinduzierende Reaktion und wird auch antizipatorische
Konsumreaktion genannt (K ist etwas, was antizipiert wird = Erlebnis des Tieres, wenn es die
Belohnung in Aussicht gestellt bekommt). Diese entsteht, wie im Experiment Crespis gezeigt, durch
die unterschiedliche Fülle der Verstärkung.
22. Erklären Sie die Wirkung von Anreizen auf Verhalten mithilfe des Mechanismus der
fragmentarischen antizipatorischen Zielreaktion.
Eine fragmentarische antizipatorische Zielreaktion entsteht in unterschiedlichen Schritten. Zuerst wird
eine Assoziation zwischen den einzelnen „Stationen“ des Verhaltens gebildet, z. B. wenn eine Ratte
durch ein Labyrinth läuft, lernt sie, dass sie zuerst rechts abbiegen muss, um einer Belohnung näher zu
kommen. In der nächsten Phase beginnt die Kettenbildung, was bedeutet, dass sich innere
reaktionsabhängige Reize aufbauen, die die Assoziation zwischen Start und Ziel erleichtern. In der
Endphase benötigen die Tiere keine äußeren Reize mehr, um das gewünschte Verhalten zu zeigen,
denn die Anreiz-Reaktion-Kette ist sehr gut ausgeprägt. Weiterhin wurde beobachtet, dass die Tiere,
wenn sie am Ende des Labyrinths Futter zu erwarten hatten, schon zu Beginn des Tests Reaktionen
zeigten, die mit „Fressen“ hindeuteten (z. B. Lippen lecken), da die Zielaktivität (Futter essen) eine
sensorische Qualität hat. Ist die Kette etabliert, ist mentale Simulation, also das Vorstellen des ersten
Verhaltens ausreichend, um die Assoziationskette in Gang zu setzen (kann ablaufen, ohne dass das
Tier den Weg tatsächlich abläuft).
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23. Erläutern Sie das Konzept der Triebreize. Schildern Sie die Untersuchung von Hull (1933)
zum Nachweis der steuernden Funktion dieser Triebreize auf das Verhalten.
Hull setzte Ratten in einen Käfig, in dem es zwei Wege auf die andere Seite gab. Wenn die Ratte den
linken Weg ging, bekam sie Futter – ging sie den rechten Wasser. Hulls Annahme war, dass die Ratte
lernte die Wege zu diskriminieren und bei Wasserdeprivation den rechten Weg zu gehen und bei
Futterdeprivation den linken, weil sich der Belohnungswert von Futter und Wasser je nach Art der
Deprivation ändert. Für Hull waren dies Triebreize, von denen nur wenige existieren (Grundbedürfnisse wie Durst und Hunger). Allerdings bildeten die Ratten nur schwache deprivationsabhängige
Verhaltensweisen aus (das Setting des Experiments verlangt nach der Ausbildung bedürfnisspezifischer Habits – das Diskriminationslernen kommt zwar, dauert aber sehr lange  Beleg dafür, dass
Habitbildung ein kumulativer, langsam entstehender Prozess ist)
24. Erläutern Sie das Yerkes-Dodson-Gesetz der Motivation. Inwiefern sind die hier
beschriebenen Zusammenhänge wichtig für Verhaltensvorhersagen auf der Basis trieb- oder
aktivationstheoretischer Ansätze?
Yerkes und Dodson stellten im Ratten-Experiment 1908 fest, dass zwischen Aktivationsniveau und
Leistung kein linearer Zusammenhang besteht, sondern eine Funktion in Form eines umgedrehten Us.
Leistung hängt in umgekehrter U-Funktion von der Triebstärke ab + Funktion hat je nach Aufgabenschwierigkeit einen anderen Gipfel (Leistungsoptimum): Für die Leistung bei einer mittelschweren
Aufgabe liegt das Optimum bei mittlerem Aktivationsniveau. Bei schwierigen Aufgaben liegt das
Optimum hingegen bei einer niedrigen Aktivation, da hier alle kognitiven Ressourcen auf diese
Aufgabe konzentriert werden können. Für leichte Aufgaben gilt genau das Gegenteil. Das impliziert,
dass bei hoher Aktivation planvolles Handeln stark beeinträchtigt ist und somit exakte
Verhaltensvorhersagen allein mit Hulls Triebtheorie nicht möglich sind.
25. Worin besteht die Kernannahme von Berlynes Aktivationstheorie?
Berlyne postuliert 1958, dass Aktivation nicht nur durch Defizitzustände bewirkt wird, sondern auch
durch Interaktion mit der Umwelt. Exploration und Neugierverhalten diene dabei der Regulation des
Aktivationsniveaus, wobei eine Umwelt mit mittlerer Komplexität und niedrigem Aktivationsniveau
die angenehmste sei. Dabei unterschied er zwischen diversivem und spezifischem Neugierverhalten.
26. Definieren Sie die Begriffe der spezifischen und der diversiven Neugier. Was sind jeweils
Auslösebedingungen dieser beiden Formen des Neugierverhaltens? Was ist ihre gemeinsame
Funktion?
Spezifisches Neugierverhalten tritt dann auf, wenn ein hohes
Aktivationsniveau und eine unangenehme Emotionstönung
vorhanden sind, die mit einem erhöhten Reizstrom gepaart
auftreten, d. h. wenn die Umwelt sehr komplex ist. Dann wird
versucht die Komplexität zu senken, z.B. durch Finden von
Erklärungen. Beim diversiven Neugierverhalten sind
Emotionstönung und Aktivationsniveau gleich, aber die
Intensität des Reizstroms ist geringer. Dementsprechend ist
auch die Komplexität der Umwelt geringer und es kann z. B.
zu Langeweile kommen, die durch Abenteuerlust
ausgeglichen werden soll, um so die Komplexität zu steigern.
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Wie bei Hull geht es darum, ein niedriges Aktivationsniveau herzustellen (in einen erstrebenswerte
Zustand zu kommen) – dies wird entweder durch diversives Neugierverhalten in langweiligen, unterfordernden Situationen oder durch spezifisches Neugierverhalten in komplexen, überfordernden
Situationen erreicht.
III Kraft II - Feldtheorie
27. Warum heißt Lewins Motivationstheorie “Feld”-Theorie?
Lewin geht davon aus, dass es gerichtete Kräfte gibt, die das Verhalten beeinflussen. Er wählte das
Wort „Feld“ um die Existenz von (unsichtbaren) psychologischen Kräftefeldern zu beschreiben,
analog zu physikalischen Kraftfeldern, aus deren spezifischer und momentaner Zusammenstellung
bestimmtes Verhalten und Erleben resultiert.
Er sieht somit menschliches (aber auch tierisches) Verhalten als ein Zusammenspiel von Merkmalen
der Person und Umweltfaktoren ( V = f(P,U) ) an. Die Umwelt wird dabei als psychologische
(subjektiv konstruierte / wahrgenommene) Umwelt, die auf Basis unserer Bedürfnisse gegliedert wird,
aufgefasst.
28. Wie ist das Personenmodell in Lewins Feldtheorie aufgebaut?
Nach dem Personenmodell ist der Mensch untergliedert in verschiedene Bereiche (strukturelles
Personenkonstrukt). Es gibt innerpersonale (Geborgenheit, Anerkennung, Geltungsdrang), zentrale
(Ziele) und periphere Bereiche (Vornahmen, konkrete Handlungsabsichten  werden direkt in
Verhalten umgesetzt). Die Anordnung der Bereiche innerhalb einer Person ist nicht zufällig – sie
basiert auf Funktionsäquivalenz. D.h. benachbarte Bereiche zeichnen sich durch Ähnlichkeit bzw.
Äquivalenzen aus, und manchmal kann ein blockierter Bereich durch einen anderen, ähnlichen ersetzt
werden ( Ersatzhandlungen). In diesem strukturellen Teil gibt es verschiedene Ebenen von
Bedürfnissen: Bedürfnisse und Quasibedürfnisse (Ziele, Vornahmen).
Dazu gibt es noch das dynamische Personenkonstrukt: die Spannung, die sich auf den Zustand eines
Bereiches bezieht. In der Person gibt es gespannte und entspannte Bereiche, wobei gespannte Systeme
(= aktivierte Bedürfnisse / Ziele) auf eine spezifische Art und Weise (also nicht mit Trieben
verwechseln!) auf Spannungsausgleich drängen. Eine Spannung besteht so lange, bis das Bedürfnis
befriedigt bzw. das Ziel erreicht ist.
29. Beschreiben Sie die Auswirkungen gespannter Bereiche in der Person auf Handeln und
Kognition anhand eines Beispiels.
Ist ein Bereich innerhalb der Person gespannt, so hat dies Auswirkungen auf Handeln, Wahrnehmung
und Gedächtnis: hat die Person beispielsweise Hunger auf ein Sandwich, so ist der Bereich fürs Essen
angespannt. Dies aktiviert zielbezogene Verhaltensweisen (nach einem Café/Bistro/Kiosk suchen),
wobei Dinge, die zur Triebbefriedigung taugen, Aufforderungscharakter erhalten (der nächste Kiosk
nimmt die gesamte Aufmerksamkeit ein). Zusätzlich wird im Gedächtnis der Zugang zu zielbezogenen
Inhalten erleichtert, die Person erinnert sich also besonders leicht daran, wo der nächste Kiosk zu
finden ist.
30. Wie kann ein in der Person herrschender Spannungszustand abgebaut werden? Nennen
Sie unterschiedliche Möglichkeiten auf der Basis der Feldtheorie.
Ein Spannungszustand kann durch mehrere Möglichkeiten abgebaut werden. Der direkte Weg ist die
direkte Befriedigung des Bedürfnisses, welches die Spannung ausgelöst hat. Weiterhin möglich ist
Substitution oder eine Ersatzhandlung.
31. Was ist nach Lewin eine Ersatzhandlung? Geben Sie ein Beispiel. Wie erklärt man
Ersatzhandlungen?
Löst ein Bedürfnis einen Spannungszustand im dazugehörigen Bereich aus, kann es manchmal nicht
direkt befriedigt werden, weil beispielsweise der Bereich blockiert ist oder die Verhaltensweise gerade
nicht verfügbar ist. Da die Grenzen zwischen den Bereichen aber mehr oder weniger stark durchlässig
sind, kann Spannung in Nachbarbereiche abfließen. Über Ähnlichkeits-/ Nachbarschaftsverhältnisse
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kann sie dann indirekt abgebaut werden. Eine Ersatzhandlung ist also eine Handlung, die man zur
(indirekten) Bedürfnisbefriedigung ausführt, wenn die gewünschte Handlung nicht möglich ist.
Bsp.: Einen Brief anstatt einer E-Mail schreiben weil das Internet gerade nicht geht.
32. Beschreiben Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchungen von Zeigarnik (1927). Wie
erklärt man das Ergebnis auf der Basis der Feldtheorie?
Experiment (Zeigarnik): kleine Kinder müssen verschiedene kleine Aufgaben bearbeiten (etwas
zeichnen, schreiben, falten, kneten etc.). Die Hälfte dieser Aufgaben können die Kinder komplett
bearbeiten, bei der anderen Hälfte wurden sie vor der Fertigstellung vom VL unterbrochen. Nach den
Aufgaben wurden die Kinder gefragt, an welche Aufgaben sie sich noch erinnern.
Ergebnis: Die Kinder erinnerten sich viel häufiger an die unerledigten Aufgaben (Zeigarnik-Effekt):
Erklärung: Durch das Bearbeiten einer Aufgabe
entsteht Spannung im relevanten Bereich, die
abgebaut wird, wenn die Aufgabe erfolgreich beendet
wird. Bei den unterbrochenen Aufgaben bleibt eine
Restspannung in dem Bereich, da die Aufgabe noch
nicht erledigt war. Aufgrund der Restspannung bleibt
die Zugänglichkeit im Gedächtnis erhöht. Der Effekt
verdeutlicht den Spannungseinfluss auf den
Gedächtnisabruf.
33. Wie kann man mit der Feldtheorie erklären, dass in der Untersuchung von Marrow (1938)
mehr abgeschlossene als unterbrochene Aufgaben erinnert wurden?
Experiment (Marrow): ähnlicher Aufbau wie die Untersuchung von Zeigarnik, nur dass dem
Unterbrechen einer Aufgabe eine neue Bedeutung zukommt: vorher wird gesagt, dass die Kinder
immer dann in ihrer Aufgabe unterbrochen werden, wenn sie sowieso schon auf dem richtigen Weg
sind (die Kinder denken dann also: Ich bin gut, ich mache das richtig). In dieser Situation kippt der
Zeigarnik-Effekt: die Kinder erinnern sich eher an die erledigten Aufgaben, weil sie hier denken, dass
sie es vielleicht nicht richtig gemacht haben. Die Unterbrechung einer Aufgabe hingegen führte zu
einem Spannungsabbau (die Aufgabe wird abgehakt).
34. Was versteht man unter Wiederaufnahmetendenzen? Schildern Sie hierzu Ablauf und
Ergebnis der Untersuchung von Ovsiankina und erklären Sie das Ergebnis auf der Basis der
Feldtheorie.
Ovsiankina untersuchte den Einfluss von unerledigten Aufgaben auf das Verhalten. Sein Experiment
war dem Zeigarnik Experiment sehr ähnlich, nur das er beobachtete, ob es eine spontane
Wiederaufnahmetendenz der unterbrochenen Handlungen gibt. Diese Vermutung bestätigte sich:
über 80% der Kinder zeigte eine Wiederaufnahme des unterbrochenen Verhaltens bei der nächsten
möglichen Gelegenheit. Sah der VL gerade nicht hin, arbeiteten sie heimlich an der Aufgabe weiter.
Erklärung: Das Kind hat das Bedürfnis, die Aufgabe zu lösen und ist bestrebt, die Spannung durch das
Beenden der Aufgabe abzubauen.
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35. In den Untersuchungen von Lissner und Mahler konnte gezeigt werden, dass die Wiederaufnahmetendenz durch zwischenzeitlich ausgeführte Aktivitäten reduziert werden kann. Wie
erklärt man dieses Ergebnis? Welche Aktivitäten besitzen einen hohen Substitutwert, welche
nicht?
Experiment (Lissner & Mahler): auch hier müssen Kinder kleine Aufgaben bearbeiten, bei einigen
werden sie unterbrochen. Die Kinder werden in 2 Gruppen eingeteilt. Ist die unterbrochene Handlung
z.B. einen Papierflieger zu falten, löst Gruppe 1 wenig später eine ähnliche Aufgabe (einen Hut
falten), Gruppe 2 dagegen nicht. Dann wird wieder die Möglichkeit zur Wiederaufnahme der
unterbrochenen Handlung gegeben (der VL verlässt den Raum).
Ergebnis: Gruppe 1 zeigt eine deutlich geringere Wiederaufnahmetendenz als Gruppe 2.
Erklärung: Die Aufgabe ’Hut falten’ hat einen hohen Ersatzwert für die unterbrochene Handlung.
Dadurch konnten die Kinder aus Gruppe 1 bereits die Restspannung von der unerledigten Aufgabe
zum Teil abbauen.
Substitutwert: wird durch den Grad der Ähnlichkeit zu der unterbrochenen Handlung bestimmt.
36. Erläutern Sie, was mit Bereichen und Grenzen im Umweltmodell von Lewins Feldtheorie
gemeint ist.
Das Umweltmodell in Lewins Feldtheorie stellt dar, welche Kräfte aus der Umwelt auf eine Person
wirken – dies sind meist anziehende oder abstoßende Anreize, die von Zielobjekten ausgehen.
Grundannahme des Umweltmodells ist, dass die eigene Umwelt individuell je nach dem aktuellen Ziel
wahrgenommen/interpretiert wird, somit kommt es zu ganz unterschiedlichen Bewertungen von
Situationen / Objekten. Unsere psychologische Umwelt wird in Bereiche (oder Schritte) gegliedert,
die Handlungsmöglichkeiten zur Zielerreichung darstellen. Zwischen den verschiedenen Bereichen
gibt es Hindernisse auf dem Weg zum nächsten Schritt, die in Lewins Umweltmodell Grenzen
darstellen – diese müssen nicht unbedingt räumlicher Natur sein, und können mehr oder weniger stark
sein.
37. Warum wird die Umwelt in Lewins Modell als “hodologischer” Raum bezeichnet?
Das Wort hodologisch ist vom griechischen Wort „hodos“ abzuleiten, was so viel bedeutet wie Pfad.
Die Bezeichnung „hodologischer Raum“ ist also gleichzusetzen mit „der Weg zum Ziel“ und ist die
Gesamtheit der einer Person zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten oder Umweltbereiche.
38. Definieren Sie den Begriff der Valenz in Lewins Feldtheorie.
Die Valenz bezeichnet die Wertigkeit eines Objektes oder einer Situation, und somit ob ein Objekt
oder Ereignis positiv oder negativ bewertet wird. Ob ein Objekt oder ein Zielbereich der Umwelt also
funktional ist für die Befriedigung meiner Bedürfnisse oder nicht, legt dessen Valenz fest. Dabei ist
die Valenz eines Ereignisses nicht nur qualitativ (positiv oder negativ), sondern kann sich auch in ihrer
Stärke von anderen unterscheiden ( Qualitätsunterschiede).
Die Stärke der Valenz ergibt sich durch das Zusammenspiel von 2 Faktoren – sie ist eine Funktion der
Bedürfnisspannung s und der dazu korrespondierenden Eigenschaften des Zielobjektes Z: Va = f(s,Z).
39. Wie lautet die Formel zur Berechnung der Kraft, die von einem Umweltobjekt auf eine
Person wirkt, nach Lewin’s Feldtheorie?
Kraft bezeichnet die Stärke der anziehenden / abstoßenden Wirkung von positiven / negativen
Zielobjekten. Die Stärke der Kraft entspricht dem Quotienten von Valenz und Distanz: K = Va / d
= f(s,Z) / d. Die Distanz ist hierbei als eine psychologische Größe zu interpretieren (also nicht unbed.
räumlich, kann auch zeitl. sein oder Sicherheit/Unsicherheit) und entspricht somit der Erreichbarkeit
des Zielobjekts (Hindernisse auf dem Weg dorthin bestimmen die Distanz).
40. Wovon wird das Verhalten einer Person beeinflusst: Von der positiven oder negativen
Valenz, die ein Objekt oder eine Situation für eine Person besitzt, oder von der Kraft, die von
diesem Objekt bzw. dieser Situation ausgeht?
Das Verhalten einer Person wird nicht von der Stärke der Valenz eines Objektes oder einer Situation
bestimmt, sondern von der motivationalen Kraft, die das Objekt auf die Person hat. Wichtig ist hierbei
die Distanz zum Zielobjekt.
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41. Was bedeutet Distanz in Lewins Theorie (geben Sie mindestens zwei verschiedene
Beispiele) und welche Rolle spielt die psychologische Distanz für das Umweltmodell in Lewins
Feldtheorie?
In Lewins Theorie entspricht Distanz der Erreichbarkeit eines Zielobjektes. Die psychologische Größe
wird durch die Hindernisse oder die benötigten Handlungsschritte auf dem Weg zur Zielerreichung
bestimmt. Für das Umweltmodell heißt das, dass Objekte mit einer zu großen Distanz eine geringere
anziehende oder abstoßende Wirkung haben. Je geringer die Distanz, desto größer die Kraft.
Beispiele: räumliche Distanz – ich will ins Kino, also muss ich erst einmal dort hinkommen; oder
wenn ich mir tolle neue Schuhe kaufen will, der Preis aber sehr hoch ist, so bildet der Preis die Distanz
zur Zielerreichung – so lange, bis ich genug Geld gespart habe.
42. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Untersuchung von Hull (1934) zum
Zusammenhang von Zieldistanz und Verhaltensintensität.
Experiment (Hull): Ratten werden in ein einfaches Einweg-Labyrinth gesetzt. In der Zielkammer liegt
Futter bereit. Die Laufbahn wird in mehrere Abschnitte geteilt, gemessen wird die Laufgeschwindigkeit der Ratten in den verschiedenen Abschnitten auf ihrem Weg in die Zielkammer.
Ergebnis: Mit zunehmender Nähe zum Futter steigt
die Laufgeschwindigkeit
Erklärung: auf dem Weg zur Zielkammer verringert
sich stetig die Distanz zum Zielobjekt und die Kraft,
die vom Zielobjekt auf die Ratte wirkt, steigt. Da das
Futter für die Ratte eine positive Valenz hat, ist diese
Kraft eine anziehende Kraft, die die Ratte immer
schneller laufen lässt.
43. Was ist ein Konflikt und wie zeigt er sich im Verhalten? Wie erklärt man Konflikte in
termini der Feldtheorie Lewins?
Konflikte treten immer dann auf, wenn zwei entgegengesetzte Kräfte gleichzeitig auf den Organismus
einwirken, wenn also ein Gleichgewicht anziehender und abstoßender Kräfte herrscht. Wenn dies der
Fall ist, führt dies entweder zur Immobilität des Organismus oder zu schnell wechselndem,
widersprüchlichen Verhalten.
44. Definieren Sie die unterschiedlichen von Lewin postulierten Konflikttypen. Welche
Konflikte lassen sich vergleichsweise leicht auflösen, welche sind dagegen schwieriger
aufzulösen? Warum?
 Annäherungs-Annäherungs-Konflikt: es existieren zwei attraktive (positiv bewertete)
Handlungsoptionen, eine gleichzeitige Wahrnehmung beider ist aber nicht möglich. (Bsp.: Peter und
Paul haben mich zu einer Party eingeladen – zu welcher gehe ich hin?) Dieser Konflikt ist leicht
aufzulösen, denn schon eine leichte Bewegung in eine Richtung verschiebt die Distanzen und verstärkt
so die Asymmetrie im Kräftefeld zugunsten der näheren Alternative. D.h. die zufällige Auslenkung in
die eine Richtung verschiebt das Gleichgewicht, jetzt wird die Person stärker zum näheren Zielobjekt
hingezogen.
 Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt: es existieren zwei aversive (negativ bewertete)
Handlungsoptionen, die Vermeidung von beiden geht nicht (z.B. schlimme Zahnschmerzen und zum
Zahnarzt gehen). Dieser Konflikt ist schwierig aufzulösen, denn die Bewegung in die eine Richtung
lässt die abstoßende Kraft der näheren Alternative zunehmen, was uns wieder in die andere Richtung
treibt. Eine Auflösung kann erst erfolgen, wenn eine abstoßende Kraft größer ist als die andere.
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 Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt: es existiert eine ambivalente Option (also gleichzeitig
positive und negative Valenzen in einem Objekt). Bsp: Katze, die um den heißen Brei herumschleicht
oder Kind, welches am Strand mit einer Plastikente spielen will, vom Wasser aber immer wieder
abgeschreckt wird (Film). Dieser Konflikt ist ebenfalls schwierig aufzulösen, das Verhalten verharrt
im kritischen Bereich der Entfernung zum Zielobjekt: Die Katze schleicht um den heißen Brei herum.
 Doppelter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt = Konflikt, der entsteht, wenn man sich
zwischen 2 Optionen entscheiden muss, die jeweils sowohl positive als auch negative Valenzen haben,
also ein Gemisch von Vor- und Nachteilen (kommt im Alltag am häufigsten vor). Auch diese
Konfliktart ist schwer aufzulösen, aufgrund der Komplexität der Kriterien aufgrund denen nach vielem
Abwägen eine Entscheidung getroffen werden muss.
45. Beschreiben Sie das Verhalten bei einem Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt (Beispiel)
und erklären Sie das beobachtete Verhalten mit Millers Gradientenmodell. Wie erklärt sich
die unterschiedliche Steigung der Gradienten?
Bsp.: Die Katze schleicht in einem bestimmten Abstand um den heißen Brei herum, wenn sie zu nahe
kommt, überwiegen die aversiven Aspekte des Breis (sie könnte sich verbrennen), wenn sie zu weit
weg ist, überwiegen dagegen die attraktiven Aspekte und lassen sie näher kommen. Ihr Verhalten
verharrt also in einem kritischen Bereich der Entfernung zum Zielobjekt. Miller erklärt dies damit,
dass die distanzabhängige Veränderung der Kraft unterschiedlich bei Annäherung und Vermeidung ist.
Nach seinem Gradientenmodell haben Annäherungs- und Vermeidungs-Gradient unterschiedliche
Steigungen (siehe Abb.):
Im Nahbereich dominieren die abstoßenden Kräfte (obere
Hälfte), etwas weiter weg dominieren dann die anziehenden
Kräfte. So ist das Verhalten durch das Pendeln zwischen 2
Tendenzen gekennzeichnet. Nun stellte Miller fest, dass
(1) die Tendenz zur Annäherung an ein positives Ziel umso
größer ist, je näher sich das Individuum an diesem befindet
(= Annäherungsgradient); dass (2) die Tendenz zur
Vermeidung eines negativen Ziels umso größer ist, je näher
das Individuum sich an diesem befindet (= Vermeidungsgradient) und dass (3) die Vermeidungstendenz mit größerer
Nähe zum Ziel stärker ansteigt als die Annäherungstendenz
(d.h. der Meiden-Gradient verläuft steiler als der AufsuchenGradient. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Nahbereich
bei der Katze eine sekundäre Furcht (vor Verbrennung)
auslöst, die eine zusätzliche abstoßende Kraft auf die Katze
hat)
D.h. je näher die Katze dem heißen Brei kommt, desto eher tendiert sie dazu a) sich dem Brei weiter
zu nähern und b) den Brei zu meiden. Ab einem gewissen Punkt jedoch wird mit geringer werdender
Distanz zum Ziel die Vermeidungstendenz größer als die Annäherungstendenz. Die Vermeidungsmotivation wird zusätzlich durch sekundäre Furcht stärker. Die Katze verbleibt im kritischen Bereich
bis das Kräfteverhältnis sich ändert (der Brei abkühlt).
46. Erläutern Sie den Begriff des “Time Discounting”.
Wie sich herausstellte, ist die zeitliche Distanz zur Zielerreichung eine wichtige psychologische
Variable für Motivation. „Time Discounting“ bedeutet, dass die zeitliche Entfernung zur
Zielerreichung zu einer Abwertung von Anreizen führt. Ist ein Zielobjekt nicht unmittelbar verfügbar,
ist die von diesem Objekt ausgehende Kraft verringert.
47. Worin besteht eine Versuchungssituation? Wie kann man erklären, dass man einer
Versuchung nachgibt? Welcher Zeitraum ist besonders kritisch?
Eine Versuchungssituation ist dadurch charakterisiert, dass 2 Anreize gleichzeitig um mein Verhalten
kämpfen: meist ein geringerer, aber dafür sofort realisierbarer Anreiz (smaller-sooner, SS) mit einem
hohen, aber erst später realisierbarem Anreiz (larger-later, LL). Dabei ist die Versuchung, den sofort
verfügbaren Anreiz zu konsumieren, sehr hoch. Obwohl ein Nachgeben immer in Spannung mit den
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übergeordneten Zielen steht, passiert es sehr oft und ist wie folgt zu erklären: Der Wert des LLAnreizes ist mit großer zeitlicher Distanz noch höher, als der des SS-Anreizes, d.h. am Vortag
erscheint die Vorlesung am nächsten Morgen noch sehr wichtig und es wert, hinzugehen. Mit
zunehmender Annährung an den Zeitpunkt SS (ausschlafen) steigt jedoch der Wert des SS – Reizes
extremer an, bis irgendwann die Stärke des SS-Anreizes höher ist als die des LL-Anreizes.
Ab diesem Zeitpunkt (Schnittpunkt) besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, der
Versuchung nachzugeben und einfach im Bett liegen zu bleiben anstatt zur Vorlesung zu gehen.
48. Erklären Sie, was mit preference reversal gemeint ist, und geben Sie ein Alltagsbeispiel.
Preference reversal bezeichnet das (scheinbare) Umdrehen von Präferenzen in einer
Versuchungssituation: man bevorzugt LL, solange beide Anreize noch relativ weit weg sind, aber
sobald der SS in kritische Nähe gerückt ist, wird dieser favorisiert (Rachlin, 1995). Alltagsbeispiel:
siehe Nr. 47
49. Warum kann man das Phänomen des preference reversal nicht mit einem einfachen
linearen Diskontierungsmodell erklären? Wie muss der Diskontierungsprozess gefasst werden,
damit man damit auch preference reversals erklären kann?
Das Phänomen des preference reversal lässt sich nicht durch ein lineares Diskontierungsmodell
erklären, weil sich im linearen Modell die Abwertungsfunktionen gar nicht schneiden würden, es also
nicht zu einem Versuchungsmoment kommen würde – da der Wert des LL immer höher wäre als der
Wert für den SS Verstärker.
Besser wird das Phänomen durch eine Hyperbel beschrieben. Sie berücksichtigt, dass es zu einem
bestimmten Zeitpunkt – kurz vor der Verfügbarkeit von SS – eine Überschneidung der Anreizwerte
gibt. Die Formel für das Hyperbolic discounting lautet: v = V / (1+kd)
v = aktueller diskontierter Wert
V = absoluter undiskontierter Wert (absolute Höhe des Anreizes)
d = Distanz
k = Diskontierungsparameter (da die Funktion für jeden Anreiz unterschiedlich ist)
50. Beschreiben Sie den Aufbau und die Ergebnisse der Studie von Rachlin & Green (1972)
zum preference reversal.
Experiment (Rachlin & Green): Ratten konnten 2 Tasten drücken (Choice X): blaue Taste  Futter
wird für 2 sec. dargeboten; oder gelbe Taste  Futter erst nach 4 sec. bereitgestellt, dafür dann 4 sec.
lang. In dieser ersten Wahl drücken die Ratten immer die blaue Taste, bevorzugen also den SS. Dann
kommt eine 2. Wahlentscheidung vor der Choice X dazu (Choice Y): drücken die Ratten die rote
Taste, kommen sie auf den oberen Ast mit der anschließenden Choice X nach 10 sec., drücken sie
dagegen die grüne Taste gelangen sie auf den unteren Ast, bei dem nach 10 sec. keine Entscheidung
gefordert ist, sondern bei dem dann nach 4 weiteren Sekunden für 4 sec. Futter bereitgestellt wird.
In dieser Situation Y wird beobachtet,
dass die Ratten systematisch den
unteren Ast wählen, die
Versuchungssituation also vermeiden.
Dieses Ergebnis verdeutlicht das
Preference reversal Paradigma: die
Ratten sind bei Choice Y noch in der
Lage, den LL Verstärker zu wählen
(größere zeitliche Distanz), bei Choice
X jedoch nicht mehr.
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51. Wofür stehen die Begriffe SS und LL in Versuchungssituationen? Skizzieren Sie
entsprechend dem Modell der hyperbolischen Diskontierung graphisch den Verlauf von
Präferenzen in Abhängigkeit von der zeitlichen Entfernung in einer Situation, in der ein SS
und ein LL Anreiz miteinander konkurrieren.
SS: smaller-sooner (ein Anreiz mit geringem Wert, dafür aber sofortiger Verfügbarkeit)
LL: larger-later (ein Anreiz mit hohem Wert, der dafür aber nicht sofort realisierbar ist)
52. Inwiefern haben wiederholte Wahlsituationen die Struktur eines Gefangenendilemmas?
Wie lässt sich das Dilemma auflösen? Ergänzen Sie Ihre Ausführungen mit einen Beispiel.
Gefangenendilema: 2 Gangster begehen einen bewaffneten Raubüberfall, der ihnen aber nicht 100%ig
nachgewiesen werden kann – sie werden ertappt, aber die Beweise reichen nicht aus, um sie zu
überführen; man kann ihnen nur den unerlaubten Waffenbesitz nachweisen.
Der Staatsanwalt nimmt sich die beiden einzeln vor und macht ihnen folgendes Angebot:
1) wenn einer gesteht muss er nicht ins Gefängnis, der andere geht für 10 Jahre hinter Gitter
2) diese Kronzeugenregel gilt aber nur wenn nur einer gesteht! Wenn beide gestehen, gehen
beide für 9 Jahre ins Gefängnis
3) wenn beide schweigen, wandern sie nur für 1 Jahr (für den unerlaubten Waffenbesitz) ins
Gefängnis
 In beiden Fällen (der Partner redet oder schweigt) ist es besser, zu reden:
Gangster
Nr. 2
14
redet
schweigt
Gangster Nr. 1
redet
schweigt
9;9
0;10
10;0
1;1
Eine wiederholte Wahlsituation hat ebenso die Struktur eines Gefangenendilemmas. Jeder Mensch
hat ein Interesse im Jetzt und an der Zukunft. Jetzt und Zukunft „ersetzen“ die Gefangenen.
Im Jetzt
Arbeiten
Faulenzen
In Zukunft
Arbeiten Faulenzen
+
-++
-
Fallen weg, weil nur
gleiche Entscheidungen
sinnvoll sind.
Wenn man die Tabelle betrachtet, erkennt man die Parallelen zum Gefangenendilemma: Egal wie man
sich in Zukunft entscheidet, es ist immer besser zu faulenzen.
Lösung: Man sollte sich bewusst machen, dass die jetzige Entscheidung diagnostisch ist für die
Zukunft und dass nur gleiche Entscheidungen sinnvoll sind. Somit sollten alle Entscheidungen im Jetzt
mit den Entscheidungen für die Zukunft verknüpft werden
IV Rationale Kalkulation I - Nutzenmaximierung
53. Welcher Aspekt des Verhaltens soll durch Nutzenmaximierungs- und Erwartung x WertAnsätze vor allem erklärt werden?
Es soll der Unterschied in der subjektiven Bewertung ein- und derselben Situation erklärt werden.
Denn für jeden Menschen hat etwas anderes den höchsten Wert und somit auch den größten Nutzen.
54. Was ist eine Nutzenfunktion?
Eine Nutzenfunktion ist die Zuordnung von Nutzenwerten zu Ergebnissen. Sie beruht auf dem Prinzip
„x wird vor y präferiert“, d. h. die Nutzenfunktion u (utility) von x ist größer als die von y. Dabei
werden die Präferenzen in eine, numerische Dimension abgebildet und als gegeben vorausgesetzt, d.h.
nicht erklärt. Jedes Handlungsergebnis erhält einen Wert, der den subjektiven Nutzen wiedergibt.
55. Was versteht die Nutzenmaximierungstherorie unter einem Handlungs-Ergebnis (outcome)?
Ein outcome ist ein Vektor verschiedener Aspekte einer Situation, d.h. alle auswählbaren Alternativen.
Zum Beispiel die Entscheidung in der Mensa. Mögliche Faktoren könnten da sein: Preis, Auswahl,
Länge der Warteschlange usw.
56. Wie lässt sich nach von Neumann & Morgenstern der erwartete Nutzen einer Handlung
ermitteln, wenn das Ergebnis dieser Handlung unsicher ist?
Der erwartete Nutzen unter Unsicherheit lässt sich mit der Formel u(x,p;y,q;...) = p*u(x) + q*u(y) +....
errechnen, wobei x,y,.... die verschiedenen möglichen Ereignisse einer Option sind und p,q,... die
dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten (p + q +... =1). Im Beispiel wäre dies das Abwägen der
Fahrgeschwindigkeit bei trockner Straße auf der einen und einer glatten Straße auf der anderen Seite.
langsam fahren (l)
schnell fahren (s)
Straße trocken (p)
spät ankommen +1
früh ankommen +3
Straße glatt (1-p)
ankommen +1
Krankenhaus -5
Die Entscheidung wird in Unkenntnis der wirklichen Straßenverhältnisse gefällt, aber es bestehen
aufgrund früherer Erfahrungen / Bewertungen Wahrscheinlichkeiten, die zum „Berechnen“ der besten
Entscheidung genutzt werden können.
u(l) = 1
u(s) = p*3 + (1-p) * (-5) = 3p + 5p – 5 = 8p – 5
Gleichsetzung: u(l) = u(s)
1 = 8p -5
p = 3/4
=> Unentschlossenheitspunkt, wenn p > ¾, dann fährt Person schnell
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57. Was ist die Grundidee der Nutzenmaximierung?
Die Grundidee der Nutzenmaximierung ist die Wahl der Entscheidungsoption mit dem höchsten
subjektiven Nutzen. Dabei ist es wichtig, dass die Konsistenzpostulate (Rationalitätsaxiome)
eingehalten werden, d. h. wenn einmal eine Entscheidung in die eine Richtung gefallen ist, dann
müssen alle folgenden Entscheidungen auch diesem Ziel entsprechend gefällt werden. Wenn einmal
X, dann bei der nächsten Entscheidung auch X und nicht Y. (man muss an Präferenzen die Mindestanforderungen der Rationalität stellen)
58. Erklären Sie, was mit Risikoaversion gemeint ist.
Risikoaversion meint die Meidung eines Risikos. Dies geschieht z.B. bei einer Gewinnsituation. Wenn
man 80 Euro sicher hat und die andere Option wäre 100 Euro mit einer Wahrscheinlichkeit von 85%
zu gewinnen, dann würde man fast immer das Risiko meiden und die 80 Euro nehmen, obwohl 100
Euro attraktiver wären.
59. Bei welchen Entscheidungssituationen beobachtet man typischerweise Risikoaversion,
und bei welchen Situationen findet man Risikosuche? Schildern Sie hierzu ein Entscheidungsszenario. Wie erklärt man dieses Ergebnis?
Risikoaversion beobachtet man zumeist bei sicheren Gewinnsituationen und Risikosuche bei
sicheren Verlustsituationen. Bei einer sicheren Gewinnsituation besteht z. B. die Entscheidung
zwischen einem sicheren Gewinn von 80 Euro und einem Gewinn von 100 Euro mit einer
Wahrscheinlichkeit von 85%. Dabei werden sich die meisten für den sicheren Gewinn entscheiden, da
überhaupt etwas zu gewinnen besser ist als vielleicht gar nichts zu gewinnen. Erklärbar ist dies
dadurch, dass die 80 Euro einen höheren Nutzen haben als mit 15%-iger Wahrscheinlichkeit 0 Euro zu
bekommen. Beim sicheren Verlust von 80 Euro oder dem Verlust von 100 Euro mit 85%-iger
Wahrscheinlichkeit, wählen die meisten die unsichere Variante, da dort die Möglichkeit (15%) besteht
gar nichts zu bezahlen. Denn Verlust trägt nicht zur Nutzenmaximierung bei und soll deshalb um
jeden Preis vermieden werden, d.h. auch wenn es sein könnte, dass dann der Verlust höher ist.
60. Was ist mit der Aussage “losses loom larger than gains” in der prospect-Theorie von
Kahneman & Tversky gemeint? Nennen Sie einen Beleg für diese These.
Looses loom larger than gains bedeutet, dass es „schlimmer“ ist 100 Euro zu verlieren als es „gut“ ist
100 Euro zu gewinnen, d. h. lieber auf dem gleichen Stand in der Geldbörse bleiben als Verlust zu
machen. Dies lässt sich auch deutlich an der hypothetischen Wertfunktion sehen, bei der der Anstieg
im negativen Bereich (Verlust) steiler ist als im positiven Bereich (Gewinn). Je extremer also der
objektive Gewinnbereich, desto flacher die Kurve. Dabei ist für einen Menschen immer der Vorher/Nachher-Vergleich wichtig: Was hat sich durch die Handlung verändert? ( dies muss übersetzt
werden in einen subjektiven Wert  y-Achse).
Ein Beispiel dafür ist ein Taschenspieler auf der Straße. Wenn er einem ein Münzwurfspiel anbietet
und sagt, wenn Kopf falle bekomme man 10 Euro und wenn Zahl falle, verliere man 10 Euro. Die
Chance zu gewinnen liegt bei 50% und ist somit viel zu unsicher und es würde kaum jemand auf das
Angebot eingehen.  10€ zu verlieren ist schlimmer als 10€ zu gewinnen gut ist.
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61. Was versteht man unter framing-Effekten? Nennen Sie ein Beispiel für einen solchen
framing-Effekt. Inwieweit widersprechen framing-Effekte klassischen Axiomen einer
rationalen Nutzentheorie?
Framing-Effekte treten dann auf, wenn eine gleiche Situation nur aufgrund von Hervorstellung von
Gewinn oder Verlust unterschiedlich bewertet wird. Somit können für die gleiche Situation
Risikosuche oder Risikoaversion resultieren.
Beispiel: es wird erwartet, dass eine Epidemie 600 Menschen töten wird. Nun stehen zwei versch.
Programme zur Verfügung mit denen die Epidemie bekämpft werden könnte. In Version 1 können mit
Programm A 200 Menschen gerettet werden und mit Programm B besteht zu einem Drittel die Chance
alle zu retten und zu zwei Drittel, dass keiner gerettet wird. Hier würden sich die meisten für A
entscheiden, was 200 Menschen rettet und somit Risikoaversion meint. In Version 2 hingegen wird in
dem Szenario nicht über die Geretteten gesprochen, sondern über die Nicht-Geretteten. Dort könne mit
Programm A 400 Menschen nicht geholfen werden und mit Programm B würde die Möglichkeit
bestehen, dass zu einem Drittel niemand sterben wird und mit einer Wkt. von zwei Dritteln 600
Personen sterben werden. In dieser Version würden sch die meisten für Programm B entscheiden und
das Risiko suchen, obwohl es keine rationellen Gründe dafür gibt, sich dieses Mal anders zu
entscheiden als bei Version 1, da das outcome dasselbe ist. Ist die Formulierung auf Rettung
ausgelegt, wählen die Probanden die „sichere Variante“ und bei Verlust gehen sie auf „Risiko“.
62. Welche Anomalien postulieren Kahneman & Tversky bei der Übersetzung objektiver
Wahrscheinlichkeiten in subjektive Entscheidungsgewichte? Nennen Sie ein Beispiel, das die
Auswirkungen dieser Sprünge und Ungleichmäßigkeiten dieses Zusammenhangs auf das
Entscheidungsverhalten belegt.
Nach der Theorie sollte, wenn eine objektive Wkt. 50%
übersteigt, sie auch für das Individuum die bessere Wahl sein
(wenn es sich um eine Gewinnsituation handelt, bei Verlust
genau andersherum). In der Realität allerdings lässt sich kein
linearer Einfluss von Wahrscheinlichkeiten auf
Entscheidungen finden, denn es finden qualitative Sprünge
zwischen Unmöglichkeit / Möglichkeit und zwischen hoher
Wahrscheinlichkeit / Sicherheit statt.
 in der Skala gibt es qualitative Sprünge (v.a. oben und
unten): im Bereich sehr kleiner Wkt.en  maßloses Überschätzen; im Bereich sehr hoher Wkt.en, also kurz unter 1
 ist nicht mehr sicher, nur noch wahrscheinlich – Kurve fällt
drastisch  Unterschätzung
Beispiel: Angebot eines Versicherungsmaklers für eine Erdbebenschadensversicherung. Dem Kunden
ist aber die Prämie allerdings zu hoch. Da er noch zögert, macht ihm der Makler das Angebot sein
Haus für die Hälfte des Geldes zu versichern und jeder Schaden, der durch ein Erdbeben, das an einem
ungeraden Tag auftreten würde, ersetzt werden würde. Somit wäre das Haus über die Hälfte des Jahres
versichert, aber trotzdem würde wahrscheinlich niemand eine solche Versicherung abschließen, da der
subjektive Nutzen nicht groß genug ist. Der Unterschied in der Risikowahrscheinlichkeit zwischen p
und p/2 wird subjektiv als wesentlich kleiner erlebt als der Unterschied zwischen p/2 und 0 (perfekte
Sicherheit).
63. Was ist das Ziel der Spieltheorie?
Die Spieltheorie hat dasselbe Ziel wie die Nutzentheorie – die Maximierung des eigenen Nutzens.
64. Was ist ein soziales Interaktionsspiel? Nennen Sie ein typisches spieltheoretisches Beispiel.
Ein soziales Interaktionsspiel ist ein Spiel mit mehreren Teilnehmern, bei dem die Kombination der
Entscheidungen aller Spieler das Ergebnis bestimmt und bei dem nur der eigene Nutzen optimiert wird
(jeder Spieler ist nur daran interessiert, seinen eigenen Nutzen zu maximieren).
Beispiel: zwei Händler, die unabhängig voneinander über ihre Werbestrategie und die des jeweils
anderen nachdenken. Auch das Gefangenendilemma ist ein soziales Interaktionsspiel.
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65. Von welchen Faktoren hängt das Ergebnis für einen Spieler in einem Interaktionsspiel ab?
Das Ergebnis hängt maßgeblich von der eigenen Entscheidung und der Entscheidung der anderen ab.
Denn wie man am Gefangenendilemma sehen kann, ist die Entscheidung, ob ich schweigen sollte oder
reden wichtig, aber genauso wichtig ist die Entscheidung des anderen, der vor genau derselben Frage
steht.
66. Für die Maximierungsentscheidung eines Spielers sind einzig und allein die persönlichen
Nutzenwerte entscheidend; die Nutzenwerte der Mitspieler sind völlig irrelevant - sie spielen
nur für die Erwartung bzgl. der zu erwartenden Handlungen der Mitspieler eine Rolle. Auf
welchem Weg können im Rahmen der Spieltheorie dennoch Ziele, die sich direkt auf den
Nutzen anderer Spieler beziehen (z.B. der Wunsch mehr zu haben als der andere, der Wert
der Fairness etc.), Einfluss auf die Entscheidung nehmen?
Der Spieler hat immer ein Interesse am Ergebnis des anderen (egal ob Missgunst oder Mitleid). In
welche Richtung dies geht, hängt vom Charakter des Spielers ab und wird automatisch in seine
Nutzenwerte eingespeist.
67. Nennen Sie zwei spieltheoretische Methoden, um optimale Verhaltensentscheidungen zu
identifizieren und suboptimale Optionen zu eliminieren. Illustrieren Sie jede Technik jeweils
mit einem spieltheoretischen Beispiel.
Eine mögliche Methode der Identifikation ist die Elimination dominierter Strategien. Wenn wir
zwei Händler haben, die jeweils überlegen wie sie ihre Werbekampagne gestalten sollen, hängt ihr
Erfolg sehr von der Entscheidung des anderen ab. Wenn beide den Aufwand „gering“ wählen, hätten
sie beide den gleichen relativ hohen Nutzen. Aber wenn der eine weiß, dass der andere nur „gering“
nimmt, dann wäre er viel besser beraten, wenn eine höhere Stufe wählen würde („mittel“, „stark“).
Somit ist gering-gering eine dominierte Strategie und kann aus dem Entscheidungsprocedere entfernt
werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Identifikation von Gleichgewichtspunkten, d.h. der Punkt
an dem sich kein Spieler dadurch verbessert, dass er allein die Strategie wechselt. In unserem Beispiel
wäre mittel-mittel der Gleichgewichtspunkt, denn wenn beide mittel spielen, ist der Wert für beide am
höchsten. Ändert nur einer der beiden sein Verhalten, d. h. betreibt er mehr Aufwand als der andere,
entsteht zwar eine Differenz zwischen beiden, aber der objektive Gewinn ist kleiner, da höhere Kosten
entstehen und dies nicht durch mehr Kunden ausgeglichen werden kann.
Engagement auf dem Markt:
Wir:
1 (gering)
2 (mittel)
3 (stark)
a (gering)
(18,18)
(19,15)
(21,9)
Der Andere:
b (mittel) c (stark)
(15,19)
(9,21)
(16,16)
(11,15)
(15,11)
(9,9)
68. Was ist ein einfaches Spiel und was ist ein Superspiel? Geben Sie jeweils ein Beispiel.
Ein einfaches Spiel wird auch Einmal-Spiel genannt, d.h. das Spiel wird nur ein einziges Mal in einer
bestimmten Konstellation durchgeführt. Wohingegen das Superspiel auch wiederholtes Spiel genannt
wird, da dabei immer dieselben Spieler ein- und dasselbe Szenario wiederholt durchspielen. Ein
Beispiel für ein einfaches Spiel wäre der Taschendieb. Es ist sehr selten, dass ein Dieb ein- und
dieselbe Person mehrfach ausraubt, da dadurch sein Risiko steigen würde. Das Superspiel hingegen
indes täglich in einer WG statt, wenn es z.B. darum geht, wer mit Abwaschen dran ist. Dabei kann
man sich nicht ausschließlich dem Spiel entziehen, da sonst Sanktionen drohen (Tit-for-Tat-Strategie).
69. Welche der folgenden Alltagsspiele sind Nullsummenspiele: Küssen, Boxkampf,
versuchter Diebstahl, Spenden? Bitte kurze Begründung.
Küssen und Spenden sind Nicht-Nullsummenspiele, da jeder soviel „einsetzen“ kann wie er gern mag
und sich danach die Höhe seines subjektiven Nutzens richtet. Der Boxkampf und der versuchte
Diebstahl sind beides Nullsummenspiele, da der „Einsatz“ egal und nur die Verteilung des Pots
wichtig ist (bei jeder Summe von Entscheidungen ist das Gesamtergebnis das gleiche, aber Achtung:
nicht jeder Spieler bekommt das Gleiche!). Beim Boxkampf kann es nur Einen geben, der gewinnt und
beim versuchten Diebstahl ist das Diebsgut der Pot, auf den der Dieb keinen Einfluss hat.
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70. Was ist ein Gleichgewichtspunkt? Nennen Sie ein Beispiel.
Der Gleichgewichtspunkt in einem Spiel ist der Punkt an dem für alle Parteien die geringsten Verluste
entstehen und der Punkt an dem es unklug wäre, seine Strategie zu verändern (wenn es der andere
nicht auch tut). Ein Beispiel dafür wäre das „Chicken“-Spiel. Dabei geht es darum, dass zwei
Menschen in zwei Autos frontal aufeinander zufahren und derjenige verloren hat, der ausweicht.
Dieses Spiel hat zwei Gleichgewichtspunkte: A weicht aus, B gewinnt und B weicht aus, A gewinnt.
Wenn A weiß, dass B nicht ausweicht, dann wäre es besser den „Verlust“ gering zu halten (Schutz des
eigenen Lebens) und auszuweichen.
C2
D2
C1
(1,1)
(-10,10)
D1
(10,-10) (-100,-100)
Notiz: C  careful / chicken; D  daring, dangerous
Gleichgewichtspunkt: (C2, C1)  für mich gut; (D2, C1)  für den anderen gut
71. Was ist eine dominierte Strategie? Nennen Sie ein Beispiel.
Eine dominierte Strategie ist eine Strategie bei der für alle Parteien zwar das Maximum an Gewinn
herauszuholen wäre, die aber nur mit Kooperation funktionieren würde, d.h. es wäre für eine Partei
gewinnbringender abzuweichen. Im Beispiel mit den zwei Händlern wäre eine dieser Strategien, wo
beide wenig investieren (1, a). Es wäre dann für einen der beiden lohnend die Strategie zu ändern und
mehr zu investieren, weil dadurch sein Gewinn steigt.
72. Definieren Sie den Begriff des nicht-kooperativen Spiels. Wie kann in solchen Spielen
dennoch Kooperation entstehen?
Bei einem nicht-kooperativen Spiel gibt es keine Absprachen und keine kontrollierenden Instanzen,
die viele Probleme mit sich bringen würden. Eine Art kooperatives Spiel kann dann entstehen, wenn
beide auf dem Gleichgewichtspunkt stehen und es in der Natur der Sache liegt, dass ein Abweichen
keinen Gewinn bringt.
73. Skizzieren Sie die payoff-Matrix des “chicken”-Spiels. Wie kann man den Mitspieler bei
diesem Spiel dazu bringen, die vorsichtige Handlungsoption zu wählen, so dass man selbst
gute Chancen hat, durch Wahl der gefährlichen Option den maximalen Nutzen zu erzielen?
C2
D2
C1
(1,1)
(-10,10)
D1
(10,-10) (-100,-100)
Wie schon in Frage Nr. 70 erwähnt, gibt es beim Chicken-Spiel zwei Gleichgewichtspunkte: (C2, C1)
und (D2, C1). Mein Ziel muss nun sein, den Mitspieler dazu zu zwingen, „meinen“ Gleichgewichtspunkt zu spielen, d.h. ich muss meinen Mitspieler erpressen / einschüchtern. Dies kann dadurch
geschehen, dass ich das Lenkrad meines Autos abnehme und aus dem Fenster halte, sodass der andere
es sieht und dadurch weiß, dass, selbst wenn ich ausweichen will, ich es nicht kann. Somit ist er
gezwungen, (sofern er nicht mit mir kollidieren will) auszuweichen und die vorsichtige Handlungsoption zu wählen.
74. Inwiefern benutzen die Nutzen- und Spieltheorie einen verkürzten Begriff von Rationalität?
In Nutzen- und Spieltheorie gibt es keine Rationalitätsprüfung von Zielen oder Präferenzen, d.h. als
rational wird bezeichnet, was dem eigenen Ziel dient. Ziele und Präferenzen können schließlich auch
unklug sein, sind aber nicht Gegenstand eine Rationalitätsprüfung, sondern werden als beliebig
gegeben angesehen. Ob das Ziel also wirklich vernünftig ist, bleibt offen.
75. Nennen Sie Befunde zum Entscheidungs- und Wahlverhalten, die gegen eine rein
egoistische Form der Nutzenmaximierung sprechen.
Egoismus kann nicht die Norm sein, da es eine gewisse Präferenz für „faire“ Optionen gibt, d.h. sogar
ohne drohende Sanktionen sind Spieler, die die volle Kontrolle haben, bereit ihren Mitspielern einen
Anteil „abzugeben“. Im Diktatorspiel z. B. sind die autoritären Herrscher manchmal sogar bereit 50/50
zu spielen, obwohl sie nach den Spielregeln keine Veranlassung hätten. Aber man findet in der
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Nutzentheorie eine Überschätzung des Einflusses von Eigeninteresse (Egoismus in dieser
übersteigerten Form entspricht nicht dem, wie Menschen ihre Entscheidungen treffen). Da die Theorie
sagt, es ginge nur um die Maximierung des eigenen Nutzens, lässt sich nicht erklären, wieso sich
Menschen mit 30/70 zufrieden geben, obwohl der andere dann mehr bekommt und mit dem Veto
keiner etwas bekommen würde ( Ultimatum Spiel).
76. Kontrastieren Sie die Begriffe des Maximizing und des Satisficing.
Beim Maximizing gibt es einen Optimierungswahn bis zum Unendlichen und die große Angst zu kurz
zu kommen. Beim Satisficing hingegen steht die Zufriedenheit im Vordergrund, d.h. wenn ich den
Punkt erreicht habe an dem ich zufrieden bin, entscheide ich mich, egal, ob ich vielleicht noch mehr
bekommen könnte.
77. Worin unterscheidet sich die von Herrnstein postulierte “meliorization” von der in der
Nutzenmaximierung geforderten “optimization”?
Bei der „optimization“ geht es darum immer das Beste zu erreichen, also das höchst mögliche
Ergebnis mit einer Wahl zu erzielen. Dabei werden aber die indirekten, reflexiven Konsequenzen
wiederholter Entscheidungen auf die payoff-Strukturen außer Acht gelassen.
[Meliorization: bei wiederholten Entscheidungen ist Rationalität lokal, nicht global.]
78. Inwiefern kann sich die Proportion, mit der die verschiedenen Handlungsalternativen in
einer wiederholten Wahlsituation ausgeführt werden, auf die erreichbaren Nutzenwerte
auswirken? Illustrieren Sie Ihre Ausführungen mit einem Alltagsbeispiel.
Wenn ich mich jeden Morgen zwischen einem Brötchen mit Schinken von Aldi und einem Brötchen
mit Kaviar aus dem Feinkostladen entscheiden kann, ist der Nutzen des Kaviar-Brötchens höher als
der des Schinken-Brötchens. Entscheide ich mich aber jeden Tag für das Kaviar-Brötchen, wird es für
mich einen Teil seines subjektiven Wertes einbüßen und somit den subjektiven Nutzen des SchickenBrötchens steigen lassen.
79. Erklären Sie, warum die optimale Strategie der Verteilung von Handlungsmöglichkeiten
nach dem meliorization-Ansatz nicht stabil ist.
Der meliorization-Ansatz geht davon aus, dass der optimale Punkt zwar gefunden, aber nicht gehalten
werden kann, da mit wiederholtem Ausführen der gewählten Alternative, die Nutzenkurve wieder
sinkt. Wenn dann wieder andere Verhaltensweisen ausgeführt werden, dann steigt die Nutzenkurve
wieder bis zum Optimum und dann beginnt der Prozess der Abwertung von neuem.
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80. Erklären Sie das Phänomen der psychischen Abhängigkeit auf der Basis der
meliorization-Theorie von Herrnstein.
Wenn man selten Schnaps trinkt, hat der Schnaps einen sehr hohen Wert – trinkt man häufiger, verliert
er seinen Wert. Allerdings geht der meliorization-Ansatz davon aus, dass es keine globale Rationalität
bei Entscheidungen gibt, sondern nur lokale. Das bedeutet, dass der Schnaps für den Moment „gut“
ist. Auf lange Sicht allerdings ist er nicht gut und führt zur Abhängigkeit.
Hat man die Möglichkeit, an einem Abend Alkohol oder Wasser zu trinken, kann es durch die
Tendenz zu lokalen Konsequenzen zur Verhaltensabhängigkeit kommen. An sich ist der Schnaps
umso attraktiver, je seltner man ihn trinkt und dann mehr wert als Wasser. Trinkt man jedoch zu oft
Schnaps, so wird er unattraktiv (man wird abhängig) und das Wasser attraktiver. Kurzzeitig fühlt man
sich jedoch auf jeden Fall besser, nachdem man Schnaps getrunken hat. Schaut man also nur auf die
unmittelbaren Konsequenzen (Wohlbefinden), so scheint der Schnaps immer attraktiver, beachtet man
hingegen auch langfristige Konsequenzen (Abhängigkeit), so ist es attraktiver, selten Schnaps zu
trinken.
Im Diagramm sind die Nutzenkurven von Schnaps (2) und Wasser (1) dargestellt, in der Abhängigkeit
wie viel Wasser man trinkt. Bei 90 % Wasser haben Wasser und Schnaps den höchsten Gesamtnutzen.
Es ist zu sehen, dass die Nutzenkurve von Schnaps immer über der von Wasser liegt. Das ist deshalb
so, da der Schnaps auf kurzfristige Sicht immer die bessere Alternative ist. Erst bei 20% Wasser ist der
Gleichgewichtspunkt erreicht und Wasser wird attraktiver als Schnaps. Geht man nach dem
„meliorization“-Prinzip vor (immer Wahl der kurzfristig besseren Variante), dann sinkt der Nutzen
beider Alternativen unaufhaltsam auf den Gleichgewichtspunkt.
V Rationale Kalkulation II - Erwartung x Wert
81. Welche Arten von Erwartungen unterscheidet das kognitive Erwartung x Wert-Modell
von Heckhausen? Erklären Sie anhand von Beispielen, was mit den unterschiedlichen
Erwartungen gemeint ist.
Heckhausen teilt den Erwartungsbegriff in Situations-Ergebnis-Erwartung, Handlungs-ErgebnisErwartung und Ergebnis-Folge-Erwartung. Ein Beispiel für eine Situations-Ergebnis-Erwartung ist
bei einer Prüfung (Situation) das zu erwartende Notenspektrum (Ergebnis). Dieses kann eng gesteckt
sein, wenn man sich vor der Prüfung sagt, dass man das eh nicht schaffen kann. Bei der HandlungsErgebnis-Erwartung überlegt man, ob man lieber lernen oder abschreiben soll (Handlung) und wie
dann bei jeder Handlung das mögliche Notenspektrum (Ergebnis) aussieht. Hingegen bei der
Ergebnis-Folge-Erwartung spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Z.B. ist das Bestehen eines
Moduls (Ergebnis) wichtig für den Abschluss des Studiums (Folge).
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Situations-Ergebnis-Erwartung: P(E|S):
- Welchen Bereich möglicher Ergebnisse legt die Situation fest? (Situationen verweisen auf
Ergebnisse – legt die Situation vllt. schon die Ergebnisse fest?)
- Wie breit ist dieser Bereich? (je enger, desto geringer ist die Motivation, zu handeln)
Handlungs-Ergebnis-Erwartung: P(E|H,S):
- Inwieweit hängt das Ergebnis in der Situation in der ich gerade bin, von der Ausführung
bestimmter Ergebnisse ab? (individuell – welche Erwartungen man mit der S verknüpft)
Ergebnis-Folge-Erwartungen („Instrumentalität“): P(F|E):
- Wie beeinflusst das Ergebnis die Erreichung übergeordneter Zwecke und Anreize (Gefühle,
Ziele, Selbst- und Fremdbewertungen, persönliche Situation,…)  große individuelle
Unterschiede!
82. Definieren Sie den Begriff der Instrumentalität.
Instrumentalität meint die Ergebnis-Folge-Erwartung, wobei bestimmte Verknüpfungen als wichtig
oder unwichtig bewertet werden. Wenn z.B. der Arbeitsmarkt gesättigt ist und ich somit keine Stelle
bekomme, dann ist es gleich, ob ich gute oder schlechte Noten im Studium hatte. Somit sind die Noten
nicht instrumentell, da sie nicht zur Herbeiführung eines Ziels nutzen.
83. Welche Arten von Erwartungen stärken die Motivation, welche untergraben sie? Nennen
Sie jeweils Beispiele.
Eine hohe Situations-Ergebnis-Erwartung untergräbt die Motivation, da man annimmt, dass die
Situation das Ergebnis bestimmt. Im Beispiel wäre das eine Prüfungssituation in der der Student
annimmt, dass er wegen seiner Prüfungsangst durch die Klausur fällt und es somit egal ist, was er tut.
Eine hohe Handlungs-Ergebnis-Erwartung hingegen verstärkt die Motivation, denn wenn ein Student
weiß, dass er mit eifrigem Lernen eine gute Note schreiben kann, wird er motiviert sein, da der Erfolg
von ihm und seinen Handlungen abhängt. Eine hohe Ergebnis-Folge-Erwartung stärkt die Motivation
ebenfalls, denn wenn der Student weiß, dass er mit guten Noten eine gute Chance auf dem
Arbeitsmarkt (was einen hohen Anreiz auf ihn ausübt) hat, dann hängt sein zukünftiger Erfolg an
seinen vorangegangen Ergebnissen.
84. Nutzen Sie das kognitive Erwartungs-Wert-Modell der Handlungserklärung von Heckhausen,
um nach Erklärungen dafür zu suchen, warum eine Person ein sinnvolles oder wünschenswertes
Verhalten nicht zeigt (z.B. nicht regelmäßig zum Zahnarzt geht, soziale Kontakte vermeidet).
Es gibt viele Gründe dafür, dass eine Person ein sinnvolles Verhalten nicht zeigt. Einer davon ist, dass
die Person denkt, dass sie keinen Einfluss auf die Situation hätte. Z.B. wenn eine Person glaubt, dass
sie ihr Krebsrisiko nicht mehr senken könne, wenn sie aufhört mit Rauchen, da sie schon zu lang
geraucht hat. Oder wenn die Person denkt, dass sie das Ergebnis nicht hinreichend durch ihre
Handlungen beeinflussen könnte, d.h. im Beispiel, dass die Person glaubt, Rauchen sein nur ein
kleiner Teil im Puzzle „Krebsrisiko“ und somit würde es sich nicht lohnen aufzuhören. Ein weiterer
Grund ist die Entscheidung, ob die möglichen Folgen des Ergebnisses wichtig genug sind. Im
Raucher-Beispiel könnte die Person glauben, dass der Krebs vielleicht erst kommt, wenn sie 80 ist und
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das wäre noch sehr weit weg, somit besteht kein Anreiz mehr. Schlussendlich besteht noch das
Problem, ob denn das Ergebnis auch die gewünschten Folgen nach sich zieht. Wenn der Raucher
glaubt, dass Aufhören das Leben nicht oder nur unwesentlich verlängert, dann wird er keine
Motivation haben aufzuhören.
85. Worin unterscheidet sich das von Bandura eingeführte Konzept der Selbstwirksamkeit
(“self-efficacy”) von den Handlungs-Ergebnis-Erwartungen der klassischen kognitiven Erwartung
x Wert-Ansätze?
Die Selbstwirksamkeit ist personenbezogen, d. h. es ist die Erwartung, zielführende Handlungen
erfolgreich ausführen zu können. Im klassischen Modell hingegen wird nur die reine (objektive)
Handlungs-Ergebnis-Erwartung beschrieben bzw. ganz allgemeines Wissen über bestimmte
Ergebnisse von Handlungsoptionen. Bei der Selbstwirksamkeit stellt man sich die Frage „Kann ich
diese Handlung auch ausführen?“ und in der klassischen Theorie „Was bringt mir diese Handlung?“.
86. Beschreiben Sie einen Fall, in dem Handlungs-Ergebnis-Erwartung und Selbstwirksamkeitserwartung dissoziieren, so dass die Motivation trotz starker positiver Handlungs-ErgebnisErwartungen niedrig ist.
Die Selbstwirksamkeit kann manchmal niedrig sein, obwohl die Handlungs-Ergebnis-Erwartung hoch
ist. Man weiß zwar, dass die Handlung zielführend und wichtig ist, aber trotzdem traut man sich die
Handlung nicht zu, wenn die Selbstwirksamkeit also gering ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn man für
eine Klausur gelernt hat, aber plötzlich Zweifel über die eigene Handlungsfähigkeit auftreten („Kann
ich diese Klausur überhaupt bestehen?“). Oder wenn nötiges Wissen, Fertigkeiten und Expertise
fehlen, oder die Handlungsfähigkeit durch Angst, Selbstzweifel (geringe Kompetenzeinschätzung) und
Aversion eingeschränkt wird. In dieser Kombination dissoziieren die beiden Konzepte.
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87. Was sind spezifische und was sind generalisierte Erwartungen? Unter welchen Bedingungen
wird das Verhalten von welchem Typus von Erwartungen stärker beeinflusst? Beispiel.
Spezifische Erwartungen basieren auf Erfahrungen mit derselben oder einer sehr ähnlichen Situation
und beeinflussen die Erwartungsbildung in vertrauten Situationen. Z.B. wenn ich in den Supermarkt
gehe und etwas einkaufe, wird die Kassiererin von mir Geld verlangen. Bei der generalisierten
Erwartung wird vor allem die Erfahrungsbildung in neuen, unbekannten Situationen beeinflusst und
Erfahrungen mit anderen Situationen verallgemeinert. Bisher gesammelte Erfahrungen werden auf die
neue Situation übertragen, auch wenn es gar nicht unbedingt passt. Wenn ich z.B. immer nach
Lateinamerika in den Urlaub fahre und dieses Jahr aber nach Thailand, erwarte ich, dass dieser
genauso schön wird, wie die letzten in Lateinamerika.
88. Was ist mit internalem und externalem locus of control nach Rotter gemeint?
Nach Rotter (1954) gibt es zwei Arten des „Locus of Control“. Die erste ist die internale
Kontrollüberzeugung, d. h. ich glaube, dass ICH die Situation ändern kann und dass das Ergebnis von
mir abhängt. Bei der zweiten, der externalen, glaube ich, dass jemand anderes oder andere Einflüsse
die Situation kontrollieren und ich „ausgeliefert“ bin.
VI Motive
89. Definieren Sie, was mit dem Begriff Motiv gemeint ist.
Motive sind zeitlich stabile und bereichsübergreifende Wahrnehmungs- und Bewertungsdispositionen,
d.h. wie eine Situation interpretiert wird oder welche Aspekte der Situation als wichtig und interessant
erlebt werden. Dabei steuern die Motive das Verhalten und treten nur in passenden Situationen auf,
d.h. sie sind latent und immer vorhanden.
90. Was ist der Unterschied und worin besteht der Zusammenhang zwischen Motiv und
Motivation?
Aus einem Motiv und einer bestimmten, zum Motiv passenden, Situation entsteht aktuelle
Zielorientierung (Motivation), die Denken und Verhalten bestimmt. Motivation entsteht also nur dann,
wenn ein Motiv mit einer passenden Situation auftritt („angeregtes Motiv“). Das bedeutet, dass ein
Motiv Grundvoraussetzung für Motivation ist. Ein Motiv ist relativ stabil, wohingegen die Stärke der
Motivation von der dazugehörigen Situation abhängt.
Motive sind Wahrnehmungs- und Bewertungsdispositionen, und von der Situation abhängig.
Motivation dagegen ist etwas, was uns hilft, Dinge zu tun / Bewegung in eine Sache zu bringen; ein
Zustand, in dem ein Motiv angeregt ist. Motivation beinhaltet Prozesse, die zielgerichtetes Verhalten
auslösen und aufrechterhalten.
91. Nach welchen Inhaltsklassen werden Motive in der modernen Motivationspsychologie
organisiert? Geben Sie zu jedem Basismotiv eine kurze inhaltliche Definition und grenzen
Sie die verschiedenen Motive voneinander ab.
Die drei Basismotive der modernen Motivationspsychologie sind Macht, Anschluss und Leistung. Auf
diese drei Motive lassen sich beinahe alle anderen zurückführen. Das Machtmotiv bestimmt, wie
dominant oder unterordnend sich ein Mensch verhält, wohingegen das Anschlussmotiv Aussagen
darüber macht, wie sozial angepasst sich eine Person verhält. Beim Leistungsmotiv steht das
Erreichen von gesetzten Zielen im Vordergrund. Ein Beispiel, das sich zur Abgrenzung der einzelnen
Motive eignet wäre, wenn jemand in seine neue Firma kommt. Ein Mensch mit einem starken
Leistungsmotiv würde denken: „Ich bin gut. Sind die anderen besser als ich?“ Anschlussbedürftige
würden sich eher die Frage stellen: „Finden die anderen mich nett?“ Und ein Mensch mit einem
starken Machtmotiv wird zuerst der Frage nachgehen: „Werden sich mir alle unterordnen?“ Allerdings
sollte nicht unerwähnt bleiben, dass jeder Mensch jedes Motiv besitzt – nur die Ausprägung ist
verschieden.
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92. Welche Funktion haben Motive für Individuen und die Spezies?
Die Motive haben die Funktion, die „evolutionäre Fitness“ von Individuen und Gemeinschaften zu
erhöhen, d.h. dem „großen Ganzen“ zu dienen und die Weitergabe des Erbguts zu sichern. Motive
dienen also der Selbsterhaltung und der Fortpflanzung.
93. Unterscheiden Sie zwischen ultimaten und proximalen Zielen von Motiven.
Das ultimate Ziel von Motiven ist die Weitergabe des Erbgutes – also die Erhöhung der
„evolutionären Fitness“ von Individuen und Gemeinschaften. Der zeitliche Rahmen ist dementsprechend größer als beim proximalen Ziel, wo es um die Herstellung eines bestimmten Zustandes in der
näheren Zukunft oder der Gegenwart handelt. Dies wird durch Affektveränderungen erreicht, die als
Anreiz motivierten Verhaltens dienen:
- Leistung: Stolz, Hoffnung (auf Erfolg), Scham, Angst (vor Misserfolg)
- Anschluss/Intimität: Geborgenheit, Sicherheit/Vertrauen, Unsicherheit, Einsamkeit
- Macht: Überlegenheit, Demütigung
94. Welche Rolle spielen Emotionen/Affekte für das Motivationsgeschehen?
Emotionen und Affekte spielen eine große Rolle im Motivationsgeschehen, da sie motiviertes
Verhalten manipulieren. Sie sind Anreize und Verstärker für motiviertes Verhalten. Z.B. wird das
Leistungsmotiv besonders dann aktiviert, wenn man die Hoffnung auf Erfolg hat, wenn man eine gute
Leistung in einer Klausur zeigt.
95. Was versteht Murray unter “need” und “press”? Was versteht man unter “alpha press”
und “beta press”? Wie entsteht aus need und press Motivation?
Needs sind für Murray die psychogenen Bedürfnisse und somit unsere Motive. Press hingegen sind
die Chancen/Gelegenheiten oder auch Gefahren/Risiken einer Situation. Dabei unterscheidet er
„press“ in alpha- und beta-press, wobei alpha-press die Stimulation von Motiven durch objektive
Gegebenheiten einer Situation ist, z.B. bei einer Erfolgsrückmeldung die Aktivierung des
Leistungsmotivs. Beta-press hingegen ist die Motivation durch die subjektiv interpretierte Situation.
Wenn ein „need“ groß ist und es mit einem passenden „press“ zusammentrifft, dann entsteht
Motivation.
 Unter „needs“ versteht Murray grundlegende Bedürfnisse und Ziele. „Press“ hingegen ist die
situative Komponente. Unter alpha press versteht man die objektiven Eigenschaften einer Situation
(die objektiven Charakteristika der Situation stimulieren Motive), unter beta press die subjektiv
interpretierten Eigenschaften einer Situation, abhängig von den persönlichen Motiven.
96. Wie ist die Bedürfnispyramide nach Maslow (1943) aufgebaut? Unterschieden Sie auf der
Basis dieses Modells zwischen Defizitmotiven und unstillbaren Bedürfnissen.
Die Bedürfnispyramide nach Maslow besteht aus fünf Stufen und geht von den physiologischen
Grundbedürfnissen als Fundament ( Hunger, Durst, Schmerzlosigkeit, Wärme, etc.) über
Sicherheit (bestehend aus körperlicher Unversehrtheit, Versorgtsein, von Übergriffen anderer
geschützt sein, sicherer Arbeitsplatz etc.), soziale Beziehungen (Familie, Freundschaft, Geborgenheit,
Sympathie, Zugehörigkeit,…) und Wertschätzung/Anerkennung (sozialer Status, Wohlstand, Erfolg
 Leistungsmotiv) zur Spitze – der Selbstaktualisierung (das eigene Potential zur Entfaltung
bringen). Die Stufen 1 und 2 sind in der heutigen Gesellschaft bei den meisten Personen gegeben und
führen deshalb nicht zu Verhaltensunterschieden. Aber im Allgemeinen legt die Bedürfnispyramide
fest, welches Bedürfnis das Verhalten dominiert.
Die unteren drei Stufen sind dabei die Defizitmotive und die oberen beiden die unstillbaren
Bedürfnisse (Wertschätzung / Anerkennung und Selbstaktualisierung). Defizitmotive sind die
Bedürfnisse, die zuerst erfüllt sein müssen, um die unstillbaren zu erreichen. Denn wenn ein Mensch
Hunger leidet, wird er nur indirekt nach Selbstaktualisierung streben.
97. Was versteht man unter direkter und indirekter Messung von Motiven? Nennen Sie
jeweils ein Beispiel für ein direktes und ein indirektes Messverfahren.
Direkte Messungen sind explizite Auskünfte über persönliche Vorlieben, Einstellungen und
Handlungstendenzen, die zumeist über einen Fragebogen erfasst werden. Ein Beispiel für einen
Fragebogen ist der Personality Research Form.
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Indirekte Messung: Leute bearbeiten Aufgabe, mit deren Hilfe Motiv gemessen werden soll,
was aber aus der Instruktion nicht erkennbar ist. Bei einer indirekten Messung werden also die
automatisierten affektiven Vorlieben und Reaktionsformen erfasst, die der reflektierten Selbstbeobachtung nicht unmittelbar zugänglich sind. Diese zeigen sich in Situationen, die Freiraum für
spontane, selbstinitiierte Handlungen und Interpretationen lassen. Dazu verwendet man projektive
Testverfahren, die entweder aus offenen Fragen oder mehrdeutigen, interpretationsoffenen Reizvorlagen bestehen. Ein Beispiel für einen projektiven Test ist der thematische Apperzeptionstest.
98. Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile direkter und indirekter Verfahren der Motivmessung.
Direkte Verfahren sind im Gegensatz zu indirekten Verfahren leicht auswertbar, sehr objektiv und
wenig zeitaufwendig. Allerdings hat die indirekte Messung den großen Vorteil der wesentlich
besseren Validität und ermöglicht somit eine langfristige Verhaltensvorhersage. Dadurch hat sie sich
in der Motivmessung durchgesetzt und dominiert im Moment die Motivpsychologie, obwohl sie eine
geringere Objektivität haben und aufwendiger in der Durchführung sind.
99. Was ist ein projektiver Test?
Bei einem projektiven Test werden dem Probanden mehrdeutige, interpretationsoffene Reizvorlagen
(meistens Bilder) vorgelegt, die er mit einer Geschichte beschreiben soll ( offenes Antwortformat).
Danach wird die „Geschichte“ nach einem Auswertungsschlüssel kodiert und von einer geschulten
Person ausgewertet. Beispiele für einen projektiven Test sind der TAT, der IAT und das Priming.
100. Welche Funktionen erfüllen Leistungs-, Macht- und Anschlussmotivation für das
menschliche Leben und Überleben (für den einzelnen, für die Gemeinschaft)? Ordnen Sie
jeder Motivklasse spezifische Funktionen zu.
Leistungsmotivation:
- große Bedeutung für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft (wichtig in Schule,
Arbeitswelt, Freizeit)
- sich selbst als tüchtig erleben zu können und stolz darauf zu sein
- Gesellschaft / Wirtschaft voranbringen
- durch Neugier neue Kompetenzen erwerben, Problemlösungen finden
Machtmotivation:
- Zugang zu Status und Ressourcen, Sicherung der Selbsterhaltung
- Verbesserung des Fortpflanzungserfolgs
- Schonung von Ressourcen („klare Verhältnisse“)
- in Tiergesellschaften halten Rangordnungen das soziale Gefüge stabil  Reduzierung von
Machtkämpfen! (Rangordnung muss nicht jedes Mal neu ausgehandelt werden)
Bindungsmotivation:
- Eltern-Kind-Bindung dient Selbst- und Arterhaltung (Kinder  bessere Überlebenschance und
selbst später bessere Fortpflanzungschance)
- Bindung zwischen Eltern dient Aufrechterhaltung des Familienverbandes (indirekter Schutz des
Nachwuchses)
- Bindung an soziale Gruppe bietet Schutz vor Gefahr und Kooperationsmöglichkeiten
 Leistungsmotivation ist wichtig für das Vorankommen und die Weiterentwicklung des Einzelnen
und der Gesellschaft, denn wenn niemand leistungsmotiviert wäre, dann würde die Welt „stillstehen“
bzw. sich auch zurückentwickeln. Machtmotivation sofort für eine gewisse „Ordnung“ und
gewährleistet somit das Funktionieren einer Gesellschaft und verhindert gleichzeitig, dass der Einzelne
sich zu stark von anderen dominieren lässt. Ohne das Anschlussmotiv würde es keine Gesellschaft
geben, da keiner Interesse daran hätte in der Herde zu bleiben. Da Menschen aber soziale Wesen sind
und ohne soziale Kontakte nicht überleben könnten (Schutz, Kommunikation, Zuneigung usw.), ist die
Anschlussmotivation besonders wichtig.
101. Welche Sozialisationsfaktoren sind günstig für die Entstehung von Leistungsmotivation?
Ein fundamentaler Faktor für die Entwicklung von Leistungsmotivation ist die Erziehung zur
Selbständigkeit / Autonomie. Man fand, dass frühe Erziehung zur Selbständigkeit ein guter Prädiktor
für die EW eines starken LM ist.
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102. Welche Evidenz lässt sich für den Zusammenhang zwischen Leistungsmotivation und
dem ökonomischen Erfolg einer Gesellschaft anführen?
Zum einen charakterisieren nationale Motivindizes (d.h. Quellen einer historischen Zeit (Reden von
Politikern, Kinderbücher, etc.) werden bzgl. dessen beurteilt, wie viele Aussagen spezifisch das LM
ansprechen) den ökonomischen Erfolg einer Gesellschaft:
In der Grafik wurde die Anzahl an neuen
Patenten in einem Jahr als Indikator für den
ökonomischen Erfolg gewählt, die andere
Kurve beschreibt die durchschnittliche Anzahl
der geäußerten Motivindizes pro Jahr
 beide Indizes verlaufen relativ parallel,
man sieht, dass Veränderungen im
Achievment-Index darauf folgende
Veränderungen im Patent-Index voraus
nehmen (um ca. 20 Jahre versetzt). Das zeigt,
dass die Vermittlung von Leistungsinhalten
ein reliabler Prädiktor für nachfolgende
Innovation / eine Steigerung der
ökonomischen Leistung ist.
Ein weiterer Beleg für den Zusammenhang zwischen Leistungsmotivation und dem ökonomischen
Erfolg einer Gesellschaft ist die Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges bei Ablösung des
Katholizismus durch den Protestantismus als vorherrschende Religion in einer Gesellschaft.
Im Gegensatz zum
Katholizismus ist der
Protestantismus
nämlich mit Werten
wie Autonomie,
Selbstverwirklichung,
Selbstständigkeitserzi
ehung etc. assoziiert
und ist somit ein
positiver Prädiktor für
ökonomische und
technische EW.
103. Nennen Sie die beiden Komponenten, aus denen sich nach dem Risikowahlmodell die
resultierende Motivationstendenz in einer Leistungssituation ergibt.
Die Leistungsmotivation in einer Situation ergibt sich aus der Summe von aufsuchenden Tendenzen
(Hoffnung auf Erfolg) und meidenden Tendenzen (Furcht vor Misserfolg): RT (resultierende Tendenz)
= Te (Tendenz, Erfolg aufzusuchen) + Tm (Tendenz, Misserfolg zu meiden)
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104. Welche drei Variablenwerte muss man kennen oder messen, um die resultierende
Motivationstendenz in einer Leistungssituation nach dem Risikowahlmodell berechnen zu
können? Welche drei anderen Variablen lassen sich aus der Erfolgswahrscheinlichkeit
ableiten?
Variablenwerte, die man messen kann:
- Stärke der Motive: Erfolgsmotiv (Me) und Misserfolgsmotiv (Mm) kann man projektiv durch
einen FB erfassen (TAT, Ängstlichkeitsskala)  darin unterscheiden sich die Personen stabil
- subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit (We, lässt sich experimentell über die Aufgabenschwierigkeit manipulieren)
Aus der Erfolgswahrscheinlichkeit kann man Folgendes ableiten:
- subjektive Misserfolgswahrscheinlichkeit (wenn man We kennt, kennt man auch Wm, denn
Wm = 1 – We)
- Erfolgsanreiz (Ae): ist direkt ableitbar aus We / ist eine lineare Funktion der We: geringe
Erfolgschance (bei einer schwierigen Aufgabe) bedeutet einen hohen Erfolgsanreiz: Ae = 1 – We
bei einer leichten Aufgabe dagegen ist der Erfolgsanreiz niedrig
- Misserfolgsanreiz (Am): ist ebenfalls direkt ableitbar aus der We: hohe Erfolgswahrscheinlichkeit (bei einer leichten Aufgabe) bedeutet einen starken (negativen!) Misserfolgsanreiz (es ist
schlimm, an einer leichten Aufgabe zu scheitern): Am = –We
105. Wie lassen sich nach dem Risikowahlmodell der Erfolgs- und der Misserfolgsanreiz aus
der Erfolgswahrscheinlichkeit berechnen?
Erfolgsanreiz:
Ae = 1 – We
Misserfolgsanreiz:
Am = –We
106. Warum ist die resultierende Motivationstendenz eine parabelförmige Funktion der
Erfolgswahrscheinlichkeit? Begründen Sie Ihre Argumentation mit einer kurzen
Ableitungsskizze der entsprechenden Formeldarstellung des Risikowahlmodells.
RT = Te + Tm
Te = Me · Ae · We
 Ae = 1 – We
Tm = Mm · Am · Wm
 Am = –We
RT = (Me · (1 – We) · We) + (Mm · (–We) · (1 – We))
= (Me · (We – We2)) + (Mm · (–We + We2))
= (Me · (We – We2)) –
(Mm · (We – We2))
=
(Me – Mm)
·
(We – We2)
107. Welche Vorhersagen ergeben sich für das Verhalten in Leistungssituationen aus der
Tatsache, dass nach dem Risikowahlmodell der Zusammenhang von resultierender
Motivationstendenz und Erfolgswahrscheinlichkeit für Erfolgsmotivierte umgekehrt u-förmig,
für Misserfolgsmotivierte u-förmig verläuft?
Für Erfolgsmotivierte lässt sich die Vorhersage treffen, dass sie bei Aufgaben mittlerer Schwierigkeit
am motiviertesten sind. Bei den Misserfolgsmotivierten sieht es genau gegensätzlich aus. Mittlere
Schwierigkeit der Aufgaben lässt die Motivationskurve stark abfallen und nur an den Extremen steigt
sie an (d.h. bei sehr leichten und bei sehr schweren Aufgaben). Misserfolgsmotivierte wollen
Leistungssituationen vermeiden.
Erfolgsmotivierte: RT (resultierende Tendenz) ist am stärksten bei Aufgaben mit mittlerer
Schwierigkeit – dort maximale Ausdauer, maximale Anstrengung.
Misserfolgsmotivierte: mittelschwere Aufgaben sind besonders „schlimm“ – dort maximale
Hemmung, minimale Ausdauer und Anstrengung; RT ist am „schwächsten“ (also weniger
unangenehm) in den extremen Schwierigkeitsbereichen.
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108. Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung zur Anspruchniveausetzung von
Atkinson & Litwin (1960). Welcher Aspekt der Ergebnisse entsprach nicht exakt den
Vorhersagen des Risikowahlmodells?
Atkinson und Litwin führten 1960 ein Experiment zur Anspruchsniveausetzung mit Kindern durch.
Dazu durften sich die Kinder frei entscheiden, aus welcher Entfernung sie einen Ring auf eine Stange
werfen wollten (je weiter weg, desto schwieriger). Zuvor wurde erhoben, welche Kinder hoffnungsmotiviert waren und welche misserfolgsmotiviert.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die hoffnungsmotivierten Kinder am häufigsten eine
mittlere Entfernung zum Ziel wählten. Im
Gegensatz dazu wählten die Misserfolgsmotivierten häufiger die Extreme als die
Erfolgsmotivierten.
Allerdings wählten auch Misserfolgsmotivierte die Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrads und dies widerspricht den Vorhersagen
des Risikowahlmodells.
109. Was versteht man unter der “kognitiven Wende” in der Leistungsmotivationsforschung?
Was sind die zentralen Charakteristika der neuen Forschungsrichtung? Grenzen Sie die neue
Richtung von der bis dahin vorherrschenden Forschungsauffassung ab. Was sind die
zentralen Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen?
Nach den Ergebnissen des Experiments von Atkinson & Litwin fragte man sich: „Warum findet man
bei Misserfolgsdominierten keine absolute Präferenz für Extrembereiche?“ oder „Warum sind die
Motive so stabil“, sowie „Sind es tatsächlich die Affekte, die vermitteln, wie es das Modell
vorhersagt?“.
Die „kognitive Wende“ ist der Übergang von der Annahme, dass Leistungsmotivation von
antizipierten Affekten bei Erfolg / Misserfolg abhängt, hin zur Vorstellung, dass die Information
über die eigene Fähigkeit wichtiger ist (das Interesse, zu wissen, wie es um meine Leistung steht, ist
entscheidend). In der neuen Forschungsrichtung wurden Diagnostizität und Aufgabenschwierigkeit
dissoziiert durch ein Experiment von Trope (1975), der Atkinsons Annahmen zur Richtigkeit des
Risikowahlmodells teilweise widerlegte: es zeigte sich, dass nicht die Aufgabenschwierigkeit (wie
Atkinson postulierte), sondern die Präferenz für diagnostische Aufgaben, d.h. für Aufgaben an denen
man ablesen kann, ob jemand gut oder schlecht ist, wichtig war. Dabei ist die Diagnostizitätsorientierung bei Erfolgsmotivierten stärker ausgeprägt (Extrembereiche sind typischerweise nicht
diagnostisch).
110. Schildern Sie die Untersuchung und die zentralen Ergebnisse der Studie von Trope
(1975) zur Dissoziation der Effekte von Aufgabenschwierigkeit und Diagnostizität auf die
Aufgabenwahl. Welche theoretische Schlussfolgerung wird durch dieses Ergebnis nahe gelegt?
Trope führte 1975 eine Studie zur Aufgabenpräferenz durch. Dabei lege er seinen Probanden eine
fiktive Tabelle vor, die Angaben über die Aufgabenschwierigkeit (leicht, mittel, schwer) und die
erwartete Diagnostizität in Abhängigkeit von den Fähigkeiten der Studenten (beides gering oder hoch)
enthielt. Dabei ließ sich an der Tabelle erkennen, dass der Unterschied zwischen hoher und niedriger
Fähigkeit der Studenten bei niedriger Diagnostizität nur sehr gering war. Bei hoher Diagnostizität war
der Unterschied wesentlich größer.
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Dann fragte er seine Probanden, wie viele von den einzelnen
Aufgaben sie lösen wollten. Dabei zeigte sich, dass die hochdiagnostischen Aufgaben wesentlich häufiger gewählt wurden
als niedrig-diagnostische, und dass hoch Erfolgsmotivierte
mehr hoch diagnostische Aufgaben wählten als gering
Erfolgsmotivierte, bei denen es kaum einen Unterschied in der
Wahl gab.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass es keine Haupteffekte der
Aufgabenschwierigkeit gibt und diese somit keine Rolle bei
der Wahl der Aufgabe spielen.
Die Schwierigkeitseffekte, die Atkinson nachgewiesen hatte,
waren in Wirklichkeit also Diagnostizitätseffekte.
111. Nennen Sie die beiden zentralen Dimensionen der Ursachenerklärung von
Leistungsergebnissen und erläutern Sie, was mit den beiden gegensätzlichen Ausprägungen
dieser Dimensionen jeweils gemeint ist.
Die beiden zentralen Dimensionen der Ursachenerklärung sind Lokation und Stabilität. Lokation
bedeutet, dass die Ursachenzuschreibung entweder internal (auf sich selbst) oder external (auf äußere
Umstände) erfolgt. Bei der Stabilität gibt es die Möglichkeit entweder stabil (gleich bleibend) oder
variabel (verschieden) zu attribuieren. Die verschiedenen Ursachentypen hängen auf komplexe Weise
miteinander zusammen. Um die eigene Leistung in einer Situation zu erklären, werden komplexe
Interaktionsmuster der 2 zentralen Dimensionen genutzt. Ein Beispiel wäre, wenn die Attribution
internal und stabil ist, dann handelt es sich um eine Fähigkeit („ich habe die Klausur geschafft, weil
ich gut in dem Fach bin“). Ist sie dagegen external und stabil, dann wird z.B. ein Misserfolg bei einer
Klausur auf die Aufgabenschwierigkeit geschoben.
Lokationsdimension
Stabilitätsdimension
Stabil
Variabel
Internal
Fähigkeit
Anstrengung
External
Aufgabenschwierigkeit
Zufall
112. Beschreiben und skizzieren Sie die Selbststabilisierungszyklen in der
Leistungsmotivation für erfolgs- und misserfolgsmotivierte Personen nach dem
Selbstbewertungsmodell von Heckhausen.
Erfolgsmotivierte: haben großes Interesse daran,
etwas über ihren aktuellen Leistungsstand zu erfahren.
Sie wählen also Aufgaben, die hochdiagnostisch für
sie sind (realistische Zielsetzung). Erfolg wird dabei
internal, auf die eigene Anstrengung, attribuiert,
Misserfolg wird dagegen variabel attribuiert ( lässt
sich ändern). So erlangen Erfolsmotivierte zu einer
positiven Selbstbewertung, was das Erfolgsmotiv
weiter verstärkt.
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Misserfolgsmotivierte: gehen Leistungssituationen
eher aus dem Weg, wählen Aufgaben, die nicht sehr
diagnostisch für sie sind (unrealistische Zielsetzung).
Erfolg wird dabei external, variabel als Zufall
attribuiert, während Misserfolg internal, stabil
attribuiert wird (abträgliche Ursachenzuschreibung:
Erfolg wird nicht auf die eigene Person bezogen). Sie
bewerten sich selbst also negativ, was die Furcht vor
Misserfolg noch bestärkt.
Affektbilanz = negativ
Die Motive eines Menschen bedingen die Anspruchsniveausetzung und der damit verbundenen
Aufgabenwahl. Erfolgsmotivierte wählen eher Aufgaben mit mittlerer Schwierigkeit, da die
Erfolgsaffekte dabei maximal sind. Misserfolgsmotivierte dagegen wählen extreme Schwierigkeiten,
da bei ihnen die Misserfolgsaffekte dort am geringsten sind. Die Aufgabenschwierigkeit ihrerseits
bedingt Erfahrung, die wiederum aus der Anstrengungs- / Fähigkeitsabhängigkeit von Erfolg /
Misserfolg entstehen können.
113. Was sind günstige und ungünstige Attributionsasymmetrien von Leistungsergebnissen
nach dem Selbstbewertungsmodell von Heckhausen? Geben Sie eine detaillierte
Beschreibung.
Attributionsasymmetrien bedingen unterschiedliche Selbstbewertung selbst bei identischer Leistung.
Dabei lassen sie sich in günstige und ungünstige Asymmetrien aufteilen. Günstig ist, wenn ein
positives Ergebnis internal und stabil attribuiert würde, d.h. der Glaube besteht, es durch eigene
Leistung oder Fähigkeit erreicht zu haben; und Misserfolge external und variabel zu attribuieren.
Ungünstig hingegen wäre es, wenn die positive Leistung external und variabel attribuiert wird, d.h.
es erfolgt eine Zufallszuschreibung oder es wird auf die „zu leichten“ Aufgaben abgewälzt. Daraus
resultiert allerdings kein Motivationsanreiz für das nächste Mal, da die Aufgaben andere sein werden
und der Zufall vielleicht gegen einen entscheidet, schließlich liegt es nicht in der eigenen Macht.
Ebenfalls ist es ungünstig, Misserfolge internal und stabil zu attribuieren.
114. Wie wirkt sich die Wahl von Aufgaben mittlerer im Gegensatz zu extrem niedriger oder
hoher Schwierigkeit auf Selbstwirksamkeitserfahrungen aus?
Wenn man Aufgaben mittlerer Schwierigkeit wählt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, diese zu lösen
relativ hoch, wenn man sich anstrengt. Löst man sie richtig, dann kann steigt die positive Selbstbewertung (= positive Selbstwirksamkeitserfahrung). Löst man sie nicht, dann weiß man, dass man
sich das nächste Mal ein wenig mehr anstrengen muss – man erfährt also etwas über seine eigenen,
tatsächlichen Fähigkeiten. Wählt man allerdings Aufgaben extremer Schwierigkeit ist es entweder so,
dass man gelöste leichte Aufgaben für zu einfach hält („Das hätte jeder gekonnt!“) und ungelöste
schwere Aufgaben einfach auf fehlendes Glück zurückführt.
 keine positive Selbstwirksamkeitserfahrung möglich, weil solche Aufgaben nicht diagnostisch sind
 ruft keine positive Selbstbewertung hervor und verstärkt somit die Misserfolgsmotivation.
115. Was sind die physiologischen Korrelate eines angeregten Machtmotivs?
Die physiologischen Korrelate eines angeregten Machtmotivs sind die erhöhten Ausschüttungen von
Adrenalin und Noradrenalin in machtthematischen Stresssituationen (führt zu einer erhöhten
Handlungsbereitschaft und Aufmerksamkeit) und eine allgemein erhöhte Sympathikus-Aktivität.
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116. Mit welchen gesundheitlichen Konsequenzen ist ein hohes Machtmotiv verbunden?
Warum?
Die gesundheitlichen Konsequenzen hängen vom Verlauf der Machtsituation ab. Bei einem Sieg ist
der Adrenalinspiegel hoch und der Kortisolspiegel niedrig. Dies führt allerdings zu keinerlei negativen
Folgen für die Gesundheit. Bei einer Niederlage sind aber größere gesundheitliche Probleme zu
befürchten, da der Adrenalinspiegel sinkt und der Kortisolspiegel steigt. Das führt zu Bluthochdruck
und dazu, dass das Immunsystem heruntergefahren wird. Langfristig ergeben sich daraus negative
Folgen für das Immunsystem, wie bspw. erhöhte Krankheitsanfälligkeit und Herzprobleme.
117. Schildern Sie die Studie von Schultheiss & Brunstein (2002) zum Zusammenhang von
Machtmotiv und Persuasionsverhalten.
Schultheiss und Brunstein führten 2002 eine Studie zum Zusammenhang von Machtmotiv und
Persuasionsverhalten durch, wobei sie ihre Probanden in zwei Gruppen einteilten. Gruppe 1 bekam die
Aufgabe, sich zu entspannen wohingegen sich die Probanden der Gruppe 2 eine Situation vorstellen
sollten, in der sie sich im Disput mit einer anderen Person befanden und sie diese von ihrem
Standpunkt überzeugten, da sie die eindeutig besseren Argumente hatten. Dazu sollten sie sich das
Gefühl vorstellen, wenn ihnen die Persuasion gelungen wäre und dieses Gefühl im Gedächtnis
behalten.
Nach dieser Vorphase, in der bei Gruppe 2 das Machtmotiv (MM) getriggert worden war, bekamen
beide Gruppen die Aufgabe, sich auf eine öffentliche Diskussion (über die ethische Rechtfertigung
von Tierexperimenten) vorzubereiten, die dann auch gefilmt wurde. Das Filmmaterial wurde danach
bzgl. Gestik, Mimik, Wortwahl usw. ausgewertet.
Im Anschluss teilte man die Personen in hoch machtmotivierte und niedrig machtmotivierte ein und
erfasste zusätzlich ihre Hemmung (niedrige Hemmung = personalisiertes Machtmotiv, hohe
Hemmung = sozialisiertes Machtmotiv).
Es zeigte sich, dass Personen aus Gruppe 2
mit einem hohen Machtmotiv und einer hohen
Hemmung am überzeugendsten waren,
wohingegen niedrige Hemmung und hohes
Machtmotiv kontraproduktiv waren. Dies
könnte an der Art der Auseinandersetzung
liegen, denn im verbalen Disput kann die
physische Stärke nicht eingesetzt werden und
somit ist der Personalisiert-Machtmotivierte
„waffenlos“.
118. Wie wirkt sich die Übernahme einer mächtigen/abhängigen sozialen Rolle auf das
Verhalten von Personen aus?
Wenn man eine mächtige Rolle übernimmt, dann zeigt man dominantes Verhalten, d.h. eine offene
Körperhaltung, eine geringe interpersonale Distanz, große Lautstärke und die Tendenz andere zu
unterbrechen. Übernimmt man allerdings eine abhängige soziale Rolle, dann wird man eher z. B. über
die Witze seines Chefs lachen (auch wenn diese gar nicht witzig sind) und somit submissives
Verhalten zeigen.
119. Differenzieren Sie zwischen dem Anschluss- und dem Intimitätsmotiv.
Beim Anschlussmotiv geht es darum, neue Kontakte zu noch fremden Personen herzustellen,
wohingegen beim Intimitätsmotiv eine Vertiefung und/oder Sicherung bereits bestehender
Beziehungen angestrebt wird.
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120. Durch welche Situationen werden Bindungsmotive typischerweise angeregt?
Bindungsmotive werden typischerweise durch Trennung und Isolation auf der einen und
Zurückweisung auf der anderen Seite aktiviert. Aber auch wenn man in eine neue Gruppe kommt oder
auf noch fremde Personen trifft, wird das Bindungsmotiv aktiv.
121. Welche physiologischen Folgen hat die Anregung von Bindungsmotiven?
Eine erhöhte Konzentration des Transmitters Dopamin (Parasympathikus) in Verbindung mit einer
erhöhten Ausschüttung des Hormons Progesteron (Schwangerschaftshormon) bewirkt die Aktivierung
das Bindungsmotiv. Währenddessen ist auch die Immunfunktion verbessert.
122. Wie beeinflussen Bindungsmotive die Wahrnehmung?
In einer Untersuchung von Atkinson und Walker (1956) zeigte sich, dass Menschen mit einem
angeregten Bindungsmotiv sensitiver bei der Wahrnehmung von Gesichtern sind.
Schultheiss und Hale (2007): Es findet eine automatische Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu
freundlicheren und weg von ärgerlicheren Gesichtern statt. Dies ist messbar mit der so genannten „dot
probe task“ am PC: eine Anordnung, die ein Fixationskreuz enthielt, von dem aus auf beiden Seiten
ein Gesicht erscheint. Eines der Gesichter ist entweder freundlich oder ärgerlich (valent) und das
andere neutral. Bei einer nachfolgenden Rating-Aufgabe sollen die Probanden entscheiden, ob zwei
Punkte, die unter einem der beiden Bilder aufleuchteten, horizontal oder vertikal waren. Dabei stellte
sich heraus, dass die Reaktionszeit deutlich länger war, wenn die Punkte unter einem negativen
Gesicht erschienen, da die Aufmerksamkeit auf dem neutralen Gesicht lag. Genauso geschah es, wenn
ein positives und ein neutrales Bild erschienen. Waren die Punkte unter dem neutralen Bild, war die
Reaktionszeit länger. Dann lag nämlich der Aufmerksamkeitsfokus auf dem positiven Bild und es
musste die Aufmerksamkeit verlagert werden.
123. Wie wirkt sich ein hohes Bindungsmotiv auf die Bereitschaft zur Teilnahme an sozialen
Interaktionen und auf die Bewertung von potentiellen Interaktionspartnern aus?
Wer ein stark ausgeprägtes Bindungsmotiv hat, nimmt gern an sozialen Interaktionen teil. Dabei st er
mehr an Personen mit ähnlichen Auffassungen interessiert als an unähnlichen Meinungen (bspw. mehr
Augenkontakt, positivere Einschätzung des Anderen). Daraus folgen eine erhöhte Zustimmungstendenz und eine erhöhte Effizienz bei kooperativen Aufgaben.
VII Ziele, Identität und Selbstkonzept
124. Definieren Sie den Begriff “Ziel”. Auf welche Weise regulieren Ziele menschliches Handeln?
Ein Ziel ist ein „gutes Ergebnis“ und dient als Basiseinheit der Handlungssteuerung. Ziele sind die
proximalen Determinanten des Handelns, d.h. sie bestimmen das erwünschte Handlungsergebnis, sind
die Basis von Handlungsplänen und –strategien und steuern die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit,
das Denken und die vorzunehmenden Bewertungen.
125. Vergleichen Sie den Einfluss von Zielen und basalen Motiven auf menschliches Handeln
und Verhalten.
Ziele und Motive nehmen beide Einfluss auf basale kognitive und affektive Prozesse (Fühlen, Denken,
Wahrnehmung) und sind beides inhaltlich definierte Steuergrößen des Verhaltens. Ziele sind dabei
allerdings bewusst repräsentiert, spezifisch und handlungsleitend – Motive hingegen sind abstrakt,
nicht bewusst und nicht handlungsleitend. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ziele einen
konkreten Inhalt und Motive ein Thema haben (Motive sind physiologische Regulationsmechanismen,
eher auf Affekte bezogen, die in einer Situation entstehen).
126. Skizzieren Sie ein einfaches kybernetisches Regelkreismodell der Handlungssteuerung
durch Ziele. Erläutern Sie die verschiedenen Komponenten dieses Modells.
Das kybernetische Modell kann mit einem Thermostat an der Heizung verglichen werden. Es
beinhaltet zunächst die Regelstrecke; d.h. eine aktuelle Situation. Diese Situation kann von einem
Messfühler wahrgenommen werden (im Falle der Heizung des Thermostat). Nun gibt es aber einen
bestimmten Sollwert, ein bestimmtes Ziel, das man erreichen möchte (bei der Heizung z.B. eine
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Raumtemperatur von 20 Grad). Deshalb wird im Anschluss der momentane Zustand, der Ist-Zustand,
mit dem Soll-Zustand, d.h. dem eigentlichen Ziel, verglichen. Fällt dieser Vergleich negativ aus, d.h.
entspricht der Soll-Zustand nicht dem Ist-Zustand laut der Bewertung des Handelnden (oder bei der
Heizung laut Anzeige des Thermostats), so ist Handeln in Form einer korrektiven Einwirkung notwendig. Daraus ergibt sich nun wieder eine neue Situation, der Regelkreis beginnt von vorn. War die
korrektive Einwirkung ausreichend, entspricht nun der Ist-Zustand dem Soll-Zustand. Das Regelkreismodell läuft nach einer Regelschleife (TOTE-System = Test, Operate, Test, Exit) ab.
127. Erläutern Sie, was die Begriffe “Selbstaufmerksamkeit” und “Optimismus” bedeuten.
An welchen Stellen beeinflussen diese Variablen Prozesse der Handlungsregulation im
Modell von Carver und Scheier? Schildern Sie die Ergebnisse der Untersuchung von Carver,
Blaney & Scheier (1979), mit denen der Einfluss von Selbstaufmerksamkeit und Optimismus
auf die Hartnäckigkeit der Zielverfolgung untersucht wurde.
Selbstaufmerksamkeit und Optimismus sind Moderatorvariablen (psychologische Variablen).
Optimismus bedeutet, dass man seine Zielerreichungsmöglichkeiten positiv einschätzt, obwohl es
vielleicht auch mal Rückschläge gibt. Deshalb beeinflusst diese Variable auch den Prozess an der
Stelle, an der man seine Zielerreichungsmöglichkeiten einschätzen muss.
Selbstaufmerksamkeit („Wie salient sind mir meine Ziele?“) bedeutet, dass in einer Situation die
persönlichen Ziele besonders salient sind, die eigene Person sich selbst besonders bewusst wahrnimmt
und ihr Ideal-Self mit dem Actual-Self vergleicht und eventuelle Diskrepanzen auf die eigene Person
bezieht. Diese Variable beeinflusst den Prozess der Handlungsregulation in dem Moment, in dem eine
Person einen Ist-Soll-Vergleich vornimmt. Ohne Selbstaufmerksamkeit könnte dieser Prozess nicht
stattfinden.
Experiment (Carver, Blaney und Schleicher): Vpn sollen Anagramme lösen; der Schwierigkeitsgrad
liegt entweder bei „schwierig“ oder bei „leicht“. Danach kommt ein unlösbares. Einteilung in eine
Low-Self-Focus- (Standardbedingung) und eine High-Self-Focus-Bedingung (z.B. Aufstellen von
Spiegeln oder Kameras, um die Selbstaufmerksamkeit zu erhöhen).
Gemessen: Zeit, die sich die Vpn mit dem unlösbaren Anagramm beschäftigten bis sie resignierten.
Ergebnis: In der Bedingung mit
geringer Selbstaufmerksamkeit (Low
self-focus) war es egal, ob die Vpn
zuvor schwere oder leichte
Anagramme gelöst hatten. Bei der
Kontrollbedingung mit hoher Selbstaufmerksamkeit allerdings gingen die
Zeitwerte weit auseinander. Die Vpn,
die zuvor leichte Aufgaben gelöst
hatten, versuchten wesentlich länger
die unlösbaren Anagramme zu lösen
als die Vpn mit den schwierigen.
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Diese größere Hartnäckigkeit rührt daher, dass sie Anagramme zuvor von ihnen ohne Probleme gelöst
werden konnten und sie nun der Meinung sind, es müsse auch bei diesem einen ebenfalls
funktionieren (hohe Kontrollüberzeugung). Durch die hohe Selbstaufmerksamkeit überprüfen sie
ständig den Ist-Wert und vergleichen ihn mit dem Soll-Wert (High self-focus  bei Schwierigkeiten
kommen Personen schneller in den ‚Korrekturmodus’ („Jetzt konzentrier dich!“)  Vpn mit hoher
Kontrollüberzeugung probieren viel länger, zeigen höhere Persistenz) So korrigieren sie ständig ihr
Vorgehen bis sie irgendwann alle ihnen möglichen Varianten ausprobiert haben.
Psychologisches Regelkreismodell der Handlungsregulation durch Ziele (Carver & Scheier):
128. Erläutern Sie den Begriff des “disengagement”. Welche beiden Formen des
“disengagement” werden im Modell von Carver & Scheier unterschieden? Unter welchen
Umständen ist ein “disengagement” wahrscheinlich?
Disengagement entsteht dann, wenn die Einschätzung der Zielerreichungsmöglichkeiten negativ
ausfällt, d.h. wenn alle dem Organismus zur Verfügung stehenden Handlungsvarianten ausgeschöpft
wurden und das Ziel trotz allem nicht erreicht wurde. Die Zielablösung kann dann auf zwei Arten
erfolgen, je nachdem, ob ein offener Rückzug möglich ist. Zum ersten kann es einen behavioralen
Rückzug geben, d.h. eine offene Aufgabe des Ziels und das aktive Suchen eines neuen Ziels - oder
aber es gibt, wie es oft der Fall ist, einen subtilen und indirekten, mentalen Rückzug, der auch
„innere Kündigung“ genannt wird und somit von außen nicht gleich erkennbar ist („Ich tue noch so,
als ob ich dafür arbeiten würde, aber im Inneren habe ich schon damit abgeschlossen“).
129. Wann entsteht nach dem Ansatz von Carver & Scheier positiver bzw. negativer Affekt
bei der Zielverfolgung?
Positiver Affekt entsteht, wenn die Diskrepanz zwischen Ist und Soll möglichst gering oder bestenfalls
nicht vorhanden (Ziel ist bereits erreicht) ist. Das schließt ebenfalls die benötigte Zeit zum Fortschritt
oder zur Zielerreichung mit ein.
Negativer Affekt hingegen entsteht, wenn die Diskrepanz zu groß ist oder der Fortschritt zur
Erreichung des Ziels zu gering ist und der „Zeitplan“ überschritten wird.
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130. Ziele unterscheiden sich in ihrer Schwierigkeit und im Grad ihrer Konkretheit. Was ist
damit genau gemeint und wie wirken sich diese Variablen auf die Effizienz der Zielverfolgung
aus?
Die Zielschwierigkeit ist das Anspruchsniveau, d.h. das hochgesteckte Ziele eine größere Leistung
verlangen als niedrige. Problematisch wird es dann, wenn die Ziele unrealistisch sind und die nötige
Leistung zur Zielerreichung nicht erbracht werden kann. Wenn ein Ziel nicht realistisch ist, dann führt
schon der erste Misserfolg zur Zielablösung, d.h. effektive Zielverfolgung ist nicht möglich.
Die Zielspezifität (Konkretheit) ist wichtig, da nur ein klares Ziel das nötige Feedback vermitteln
kann. Wenn ganz genau festgelegt ist, worin die Zielerreichung liegt, es also klare Vorgaben gibt,
kann man auch diagnostizieren, ob eine Ist-Soll-Diskrepanz vorliegt und ggf. korrigieren. Bei einer
uneindeutigen Zielsetzung ist kein Ist-Soll-Vergleich möglich, da der Soll-Wert in einem zu großen
Intervall liegt und es somit passieren kann, dass eine Diskrepanz zu spät erkannt wird und keine
korrektiven Maßnahmen mehr möglich sind.
131. Was versteht man unter “commitment” bei der Zielverfolgung? Von welchen Variablen
hängt das “commitment” zu einem Ziel ab? Erläutern Sie die Aussage, dass “commitment”
eine Moderatorvariable für Prozesse der Zielverfolgung darstellt.
Das „commitment“ ist die Zielbindung (hohes Commitment  hohe Verpflichtung) und die daraus
folgende Wirkung auf die Handlung des Individuums zur Zielerreichung (wie sehr man sich mit einem
Ziel identifizieren kann bzw. wie wichtig es einem ist). Es hängt von der Erwartung (z. B.
Erfolgswahrscheinlichkeit, Instrumentalität, Vertrauen in eigene Tüchtigkeit), Attraktivität des Ziels
(kommt auf die Ausprägung der eigenen Motive an) und den situativen Einflussgrößen (z. B. soziale
Einflüsse, Arbeits- und Lernumgebung) ab. Commitment ist eine Moderatorvariable für den
Zusammenhang zwischen Anspruchsniveau und Leistung, wobei die Stärke des Zusammenhangs von
der Ausprägung des Commitment abhängt: ein Unterschied macht sich dabei erst bemerkbar, wenn
man anspruchsvolle Ziele hat (siehe Abb.)  nur wenn das Commitment hoch ist, führen anspruchsvolle Ziele zu höherer Leistung. Ist das Commitment hingegen niedrig, ist Anspruch des Ziels für die
Leistung unwesentlich:
132. Erläutern Sie, was mit Selbstdefinitionen und Identitätszielen gemeint ist.
Selbstdefinitionen und Identitätsziele sind spezifisch menschliche Motivationsquellen. Selbstdefinition
bedeutet dabei die Bewertung des eigenen Selbstkonzepts und Identitätsziel das Anstreben einer
bestimmten „Rolle“ im Leben, d.h. wer, was, wie ein Mensch in seinem Leben sein oder werden will.
133. Was versteht man unter “possible selves”? Welche unterschiedlichen Typen von “possible
selves” gibt es? Wie wirken sich “possible selves” auf das Handeln einer Person aus? Illustrieren
Sie Ihre Antworten anhand eines Alltagsbeispiels.
Possible selves sind die möglichen (zukünftigen) Selbst, die eng mit den gesetzten Zielen zusammenhängen und sind unmittelbare Motivationsquellen. Sie lassen sich in desired und undesired possible
selves unterteilen: Ein desired possible self ist das angestrebte Selbst bzw. das Selbst, welches
wünschenswert wäre, ein undesired self ist das Gegenteil.
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Bspw. wäre ein positives mögliches Selbst, ein guter Psychologe zu werden. Dies beeinflusst das
Handeln des Einzelnen, z.B. indem er jeden Tag den Vorlesungsstoff nacharbeitet und sich einen
Lernplan erstellt. Allerdings wird das Handeln auch durch negative possible selves beeinflusst, die
man zu vermeiden versucht. Dies ist dann der Fall, wenn man nicht immer der Schlechteste in der
Klausur sein und sich die Schmach ersparen will.
134. In der “self-discrepancy”-Theorie von Higgins werden zwei unterschiedliche Arten von
Selbstdiskrepanzen unterschieden. Welche Arten der Selbstdiskrepanz sind das? Welche
Auswirkungen hat das Erleben solcher unterschiedlichen Diskrepanzen auf die Handlungsregulation und auf das emotionale Erleben?
1. Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen (aktuellen) Selbst und dem „Ideal self“ führt zu einem
promotion focus (Annäherung / Nutzen von Gelegenheiten). Da Diskrepanzen im Allgemeinen als
unangenehm erlebt werden und man daher versucht, sie zu reduzieren, führt eine negative Diskrepanz
zwischen dem aktuellen Selbst und dem Idealselbst dazu, dass Situationen von Self-awareness
vermieden werden oder man versucht, durch Verhaltensänderung dem Ideal-Self näher zu kommen
2. Diskrepanz zwischen dem Actual-Self und dem „Ought self“ führt zu einem prevention focus, dass
bedeutet der Ist-Soll-Vergleich erbringt eine negative Diskrepanz und eine Vermeidung des Verhaltens
versucht wird, welches die negativen Auswirkungen auslöst. Kurz gesagt geht es um
Fehlervermeidung / Risikominderung.
Bei beiden Arten der Diskrepanz entstehen unterschiedliche Gefühlsqualitäten: bei Diskrepanz
zwischen Actual- und Ideal-Self  Freude / Angst; bei Diskrepanz zwischen Actual- und Ought-Self
 Ruhe / Anspannung
135. Erläutern Sie unterschiedliche Arten von Selbstaufwertungsprozessen, mit denen das
Selbstkonzept einer Person stabilisiert und gegen selbstwertbedrohliche Information geschützt
werden kann.
Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten des Selbstkonzept aufzuwerten, oder zumindest zu schützen.
Die erste ist das „Self-handicapping“: Vor einem kritischen Ereignis tut man etwas, was einem
schadet, um bei Misserfolg eine Ausrede für sich selbst und für andere hat, die die Identität nicht
angreift (z.B. man geht am Abend vor einer wichtigen Klausur in die Kneipe und betrinkt sich. Sollte
man dann durch die Klausur fallen, kann man immer sagen, dass es am Alkohol lag und man sie
deshalb nicht bestehen konnte.) Damit kommt es nicht zu einer internalen „Schuld“-Zuweisung. Die
zweite Variante ist der attributional bias, d.h. Erfolge werden internal attribuiert und Misserfolge
external. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Ausreden zu finden: für negative Ereignisse oder
Misserfolge werden automatisch Entschuldigungen generiert (z.B. in peinlichen Situationen).
136. Schildern Sie die Ergebnisse der Studie von Rosenfield & Stephan (1978) zum selbstwertdienlichen Attributionsbias. Welcher Aspekt der Ergebnisse belegt, dass es sich bei diesem Bias
nicht um einen generellen Mechanismus der Selbstaufwertung, sondern um einen spezifischen
Mechanismus der Selbstbildstabilisierung handelt?
Studie (Rosenfiled und Stephan): Vpn wurden in vier Gruppen eingeteilt, ihnen wurde manipuliertes
(positives oder negatives) Feedback über das Lösen von Aufgaben gegeben (Aufgaben waren immer
die gleichen).
 Gruppe 1 bestand nur aus Männern, denen gesagt wurde, dass die Aufgaben besonders gut von
Frauen gelöst wurden.
 Gruppe 2: Vpn waren Männer, die „Männeraufgaben“ bekamen (d.h. sie als Männer sollten die
Aufgaben richtig gut lösen können; wenn sie richtige Männer sind, dann schaffen sie das)
 Gruppe 3 und 4: Vpn waren Frauen, es wurde ihnen gesagt, die Aufgaben seien
„Männeraufgaben“, d.h. sie werden von Männern besonders gut gelöst.
Im Nachhinein sollten die Probanden entscheiden, inwieweit ihr Erfolg oder Misserfolg von Fähigkeit
bzw. Anstrengung (internale Faktoren) abhängig war oder von der Schwierigkeit der Aufgabe bzw.
ihrem Glück (externale Faktoren).
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Ergebnis: bei positivem Feedback wurde von beiden Geschlechtern internal attribuiert. Allerdings bei
Männern stärker, wenn Männeraufgaben zu lösen waren und bei Frauen stärker, wenn Frauenaufgaben
zu lösen waren (im Vergleich zum anderen Geschlecht). Dies zeigt, dass grundsätzlich selbstwert
dienlich attribuiert wird. Aber es lässt sich auch erkennen, dass die Ausgangsituation der Aufgabe
(Männer- oder Frauenaufgabe) einen spezifischen Einfluss auf die Häufigkeit der Attribution bei den
einzelnen Geschlechtern hat. Wenn es ein genereller Mechanismus wäre, dann wäre die Art der
Aufgabe egal, aber es ist erkennbar, dass dies nicht so ist.
Der attributional bias ist ein defensiver Attributionsprozess, der aber immer unterschiedlich
ausgeprägt stattfindet, sondern je nachdem, ob die Situation es verlangt. Er tritt immer dann auf, oder
ist besonders dann aktiviert, wenn das Selbstkonzept bedroht ist. In der Studie ist das natürlich der
Fall, wenn Männer bei „Männeraufgaben“ ein negatives Feedback bekommen, oder wenn Frauen bei
„Frauenaufgaben“ ein negatives Feedback bekommen. In der Grafik sieht man das jeweils im
Vergleich von ‚Success’ und ‚Failure’: links (bei der Männeraufgabe) ist der Unterschied zwischen
den Attributionen bei Männern größer – dieser Unterschied ist der attributional bias. Genau umgedreht
ist es bei der „Frauenaufgabe“ – hier ist der attributional bias bei den Frauen größer.
137. Was versteht Swann unter “self-verification”? In welchen Fällen decken sich die
Vorhersagen der Theorie der Selbstverifikation mit der Theorie der Selbstaufwertung, in welchen
Fällen macht die Theorie der Selbstaufwertung eine gegensätzliche Vorhersage? Schildern Sie
die Studie und die Ergebnisse von Swann & Pelham (2002), mit deren Untersuchung die Theorie
der Selbstverifikation gestützt wurde.
Swann versteht unter dem Begriff „self-verification“ die Suche nach der Bestätigung des eigenen
Selbstbildes, d.h. die Suche nach positivem Feedback bei positivem Selbstbild und umgekehrt bei
negativem Selbstbild die Suche nach negativem Feedback. In positiven Fällen deckt sich die „selfverification“ mit der Theorie der Selbstaufwertung. Im umgedrehten Fall würde diese allerdings
voraussagen, dass negatives Feedback gemieden werden würde.
Dies wurde aber durch die Studie von Swann und Pelham 2002 widerlegt. Sie befragten Studenten, die
zu Beginn ihres Studium mit einem zufällig zugeteilten anderen Studenten in ein Zimmer zogen, ob
sie nun, nach einem Jahr, lieber mit jemand anderem zusammenziehen wollten.
Dabei stellte sich heraus, dass diejenigen, die ein
positives Selbstkonzept hatten und den Mitbewohner
als gut bewerteten, den Partner nicht wechseln
wollten. Dasselbe galt für Studenten mit negativem
Selbstbild und negativ bewertete Zimmergenossen.
 Beleg für die „self-verification“-Theorie, da somit
nicht nach positivem Selbstbild gestrebt wird, sondern
nach Bestätigung des schon vorhandenen.
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138. Welche Rolle spielen Symbole für die Selbstdefinition und Identitätsziele einer Person?
Was bedeutet es, dass die Sicherung von Selbstdefinitionen “soziale Realität” erfordert?
Durch Symbole (wie z. B. Häuser, Autos, berufliche Erfolge) wird der vorhandene Selbstwert nach
außen getragen oder nicht vorhandener wettgemacht. Symbole geben Erfolgen soziale Realität. Ein
Symbol kann aber auch ein Identitätsziel sein, z.B. wenn das Ziel die Gründung einer Familie ist.
Wichtig dabei ist allerdings die „soziale Realität“, d.h. dass die Umwelt / die Gesellschaft diese
Symbole genauso definiert, da sie sonst keine mehr sind.
139. Erläutern Sie die Begriffe der “incompleteness”-Erfahrung und der Kompensation auf
der Grundlage der Theorie der symbolischen Selbstkomplettierung. In welchem funktionalen
Zusammenhang stehen “incompleteness”-Erfahrungen und Prozesse der Kompensation?
Incompleteness-Erfahrungen entstehen dann, wenn ein Misserfolg in einem selbstwertrelevanten
Bereich auftritt, z. B. wenn ein Student einen Fragebogen ausfüllen und darin angeben soll, wie viele
Publikationen er bereits vorzuweisen hat. Wenn ein solcher Misserfolg auftritt, dann wird eine
Kompensation entweder mit gezieltem Daraufhinarbeiten oder mit Anhäufung von Statussymbolen
vorgenommen.
140. Wie lässt sich aufdringliches und angeberisches Verhalten auf der Grundlage der Theorie
der symbolischen Selbstkomplettierung erklären? Schildern Sie hierzu die Studie und
Ergebnisse von Gollwitzer & Wicklund (1985).
Gollwitzer und Wicklund führten 1985 eine Studie zur Selbstbeschreibung durch. Dabei gaben sie
Männern, nach dem Ausfüllen eines Persönlichkeitsfragebogens, manipuliertes Feedback über ihre
Eignung für eine bestimmte Aufgabe. Danach nahmen die Männer angeblich an einer zweiten Studie
teil, die aber nur die Fortsetzung der ersten war. In dieser sollten sie ein Profil von sich erstellen, um
eine sehr nette, attraktive Frau kennen lernen zu können, die ihrerseits (wie sie in ihrem Profil schrieb)
auf der Suche nach einem bescheidenen oder einem selbstbewussten Mann sei.
Ergebnis: Die Männer, die positives Feedback bekommen hatten, stellten ihre Fähigkeiten nicht in den
Vordergrund, wenn Bescheidenheit angesagt war, und gaben sich selbstbewusst, wenn dies gewünscht
war. Die Männer mit der „Incompleteness“-Erfahrung hingegen stellten ihre Vorzüge gnadenlos
heraus, um die „Unzulänglichkeiten“ aus dem Test zu kompensieren. Dabei nahmen sie keine
Rücksicht auf den Wunsch der Frau und waren somit unsensibel für die Gefühle anderer.
y-Achse: Positivität der Selbstdarstellung
Nonideal: Incompleteness-Erfahrung
 wollen etwas Positives zur Schau stellen,
auch wenn es gar nicht funktional ist! (wenn
die Frau einen bescheidenen Mann sucht)
 müssen negative Erfahrung ausgleichen
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VIII Volition
141. Erläutern Sie die Begriffe Volition und Motivation. Worin bestehen die zentralen
Unterschiede?
Motivation ist die Auswahl von Zielen, d.h. das Herauspicken bestimmter Ziele aus einem Pool vieler
verschiedener. Sie bezieht sich auf Prozesse und Phänomene, die mit dem Setzen von Zielen aufgrund
deren Wünschbarkeit und Realisierbarkeit zu tun haben. Volition ist dagegen der nächste Schnitt: die
Frage, wie effizient und mit welcher Entschlossenheit die Ziele verfolgt werden. Volition bezieht sich
auf Prozesse und Phänomene, die mit konkreter Realisierung von Zielen und Handeln zu tun haben.
142. Wozu braucht man Volition für die erfolgreiche Zielverfolgung?
Volition ist wichtig für die Zielverfolgung, da es nicht ausreichend ist, sich die Ziele zu setzen,
sondern es ist essentiell, dass die Ziele effektiv verfolgt werden, um sie zu erreichen. Dabei ist der
Umgang mit Hindernissen besonders wichtig, denn es müssen auch aversive Tätigkeiten ausgeführt
werden, die aber notwendig sind, um seine Ziele zu erfüllen (Bsp.: Hilfsbereitschaft => Unfallopfer
auf der Autobahn). Die Volition bewerkstelligt hierbei auch die Abschirmung des Ziels gegen andere
konkurrierende Reize, d.h. die top-down-Steuerung des Verhaltens.
143. Beschreiben Sie detailliert die vier Phasen des Rubikonmodells der Handlungssteuerung.
Welche dieser Phasen haben eine motivationale, welche eine volitionale Charakteristik?
Das Rubikonmodell nach Heckhausen (1989) besitzt vier Phasen. Die erste ist die Phase der „Wahl
des Ziels“, d.h. es findet eine Auswahl eines bestimmten Ziels statt, dessen Erreichung angestrebt
werden soll. Dabei gibt es eine Fazit-Tendenz (= dynamische Tendenz „endlich mal zu Potte
kommen“), d.h. es wird eine Entscheidung (über die Zielwahl) angestrebt. In der zweiten Phase findet
die Planung der Handlung statt, die mit einer Fiat-Tendenz besetzt ist, was bedeutet, „es soll etwas
geschehen“, d.h. die Handlung eingeleitet soll werden (auch Intensionsinitiierung genannt). Der
dritte Abschnitt ist von der Handlung selbst bestimmt, d.h. dort erfolgt die Intensionsrealisierung. Im
Anschluss daran erfolgen die Intensionsdeaktivierung und die Bewertung des Ergebnisses (egal ob
positiv oder negativ). Die erste und die letzte Phase sind von Motivation und die beiden mittleren von
Volition bestimmt. Der „Rubikon“ befindet sich zwischen der ersten und der zweiten Phase, d. h.
nach dessen „Überschreitung“ wird der Fokus auf das eine Ziel ausgerichtet und die Volitionsmechanismen (siehe Aufgabe 142) aktiv. Der „Rubikon“ wird auch Intensionsbildung genannt.
144. Beschreiben Sie die Bewusstseinslagen des Abwägens und des Planens auf der Basis des
Rubikonmodells. Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung von Gollwitzer,
Heckhausen & Steller (1989), mit der die unterschiedlichen Bewusstseinslagen nachgewiesen
wurden.
Die Bewusstseinslage während der Zielwahl-Phase ist bestimmt durch eine offene, unvoreingenommene („nüchterne“) Informationsverarbeitung, d.h. es werden verschiedene Informationen
gesammelt und ausgewertet, um schlussendlich das „richtige“ oder das Ziel zu finden, welches am
Besten passt. In der Planungsphase hingegen ist die Informationsverarbeitung fokussiert (es zählt nur
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noch das Ziel  Ausrichtung der Informationsverarbeitung, alles andere wird ausgeblendet) und
parteiisch (Schutz des Zieles gegen Dinge, die die Entscheidung in Frage stellen).
Nachweis der Bewusstseinslagen: Untersuchung (Gollwitzer, Heckhausen Steller, 1989): Vpn wurden
in unterschiedliche „Mindsets“ versetzt, dann wurde ihnen ein fortzusetzendes Märchen gegeben. Es
gab eine Kontrollgruppe, die das Märchen ohne vorherige „Instruktion“ fortsetzen sollte und zwei
Experimentalgruppen, die entweder gesagt bekamen, sie sollen sich an eine Situation erinnern, in der
sie sich entscheiden mussten oder sie bekamen gesagt, dass sie sich eine Situation vorstellen sollten, in
der sie ein wichtiges, schwer zu erreichendes Ziel zu verfolgen hatten. Die erste Bedingung war die
„Deliberative“-Bedingung (motivationale Bedingung), das zweite Mindset war eine „Implemental“Bedingung (volitionale Bedingung). Ziel war es, herauszufinden, ob sich in den Fortsetzungen der
einzelnen Gruppen die geprimten Mindsets wieder finden ließen. Gemessen wurde also, wie viele
deliberative (abwägen, mehrere Optionen) und implementative (konkrete Planung) Elemente in der
Fortsetzung des Märchens enthalten sind.
Ergebnis: Es war ein Interaktionseffekt je nach Priming festzustellen ( 2. und 3.)
1. in allen Gruppen gibt es mehr implementative Elemente
2. bei Gruppe 1 finden sich mehr deliberative Elemente als bei Gruppe 2
3. bei Gruppe 2 finden sich mehr implementative Elemente als bei Gruppe 1
145. Beschreiben Sie das Vorgehen und die Ergebnisse der Untersuchung von Gollwitzer &
Kinney (1989) zum Einfluss eines deliberativen vs. implementativen mind-sets auf das
Phänomen der Kontrollillusion. Erklären Sie das Ergebnis mithilfe des Rubikonmodells der
Handlungsphasen.
Experiment (Gollwitzer und Kinney) zum Einfluss verschiedener Mindsets auf das Phänomen der
Kontrollillusion durch. Dazu verwendeten sie das Kontrollillusionsparadigma, d.h. sie setzten die
Vpn vor einen Knopf und ließen danach in 25 (75)% der Fälle das Licht ohne Zutun der Vpn angehen
und in 25 (75)% der Fälle aufgrund des Knopfdrucks. Es gab also in keiner der Bedingungen eine
objektive Kontrolle. Vorher versetzten sie die Vpn entweder in ein „deliberative“-Mindset oder ein
„implemental“-Mindset (siehe Aufgabe 144).
Ergebnis: es zeigte sich, dass die Kontrollüberzeugungen im „deliberative“-Mindset eine „normale“
Tendenz aufwiesen, d.h. die 75-75-Gruppe war ein wenig höher als die 25-25-Gruppe. In der
„implemental“-Bedingung allerdings gab es einen signifikanten Unterschied zwischen dem 25-25Problem und dem 75-75-Problem. Die Vpn, bei denen in 75% der Fälle die Lampe auf Knopfdruck
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anging, waren wesentlich stärker von ihrem Einfluss überzeugt als die übrigen Teilnehmer. Nach dem
Rubikonmodell kommt dies daher, dass sie sich auf ihre Aufgabe so fokussieren und alles, was
passiert, mit ihren eigenen Handlungen verbinden. Somit werden sie parteiisch und überschätzen ihre
Kontrolle.
146. Was versteht man genau unter “implementation intentions”? Worin unterscheiden sie
sich von der Absicht, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen? Warum sind “implementation
intentions” so wichtig für eine effiziente Zielverfolgung?
„Implementation intentions“ sind Handlungsvorsätze, d.h. sie sind konkret und spezifizieren ein
Verhalten in einer bestimmten Situation und geben an, wie man das abstrakte Ziel im eigenen Handeln
implementieren kann. Handlungsvorsätze sind das Ergebnis der Planungsphase. Eine Absicht ist kein
sicheres Mittel, um ein Ziel zu erreichen, da es an fassbaren Plänen über die Umsetzung mangelt. Eine
Absicht ist motivational – eine Handlungsintention dagegen ist volitional. Planung konkreter
Handlungen ist deshalb entscheidend für die effiziente Umsetzung zielbezogenen Verhaltens.
147. Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung von Gollwitzer & Brandstätter
(1997) zum Nachweise der Wichtigkeit von “implementation intentions” bei der Zielverfolgung.
Gollwitzer und Brandstätter führten 1997 ein Experiment zu „implementation intentions“ mit
Studenten durch. Diese sollten über die Weihnachtsferien eine Hausarbeit schreiben und danach bis zu
einem Stichtag an die Uni zu schicken. Eine Gruppe bekam diese Aufgabe ohne Zusätze gestellt. Die
andere Gruppe wurde gefragt, wann, wo und wie sie sich vornahmen, die Arbeit zu schreiben – also
z.B. ein konkretes Datum anzugeben.
Im Endergebnis zeigte sich,
dass die zweite Gruppe mit
konkreten Zielen mit einem
höheren Prozentsatz die
Arbeit erledigte, die Zeit bis
zum Zusenden an die Uni
kürzer war und der Prozess
der Erstellung der Arbeit
wesentlich schneller von
Statten ging als bei der
anderen Gruppe. Dies zeigt,
dass konkrete Handlungsvornahmen („implementation
intentions“) sehr wichtig für
die Erreichung von Zielen
sind.
 Niemand aus der Kontrollgruppe schaffte es, die Hausarbeit bis zu dem Stichtag einzureichen!
42
IX Emotionen
148. Erklären Sie die Begriffe Emotion und Stimmung und grenzen Sie die beiden
Phänomene voneinander ab.
Emotionen bzw. Gefühle sind immer objekt- oder ereignisbezogen.
- Emotionen haben also immer einen Gegenstand, und die Person, die die Emotion hat, muss
diesen Gegenstand auch kennen
- Sie liegen im Fokus der Aufmerksamkeit und laufen bewusst ab.
- Außerdem haben sie einen konkreten Verlauf.
- Anfang, Ende und Dauer sind bestimmbar.
- Beispiele für Emotionen sind Freude, Angst und Trauer.
Stimmungen hingegen sind diffus und laufen nur im Hintergrund ab.
- Dabei ist der Anlass zu einer Stimmung nicht notwendigerweise bekannt.
- Anfang und Ende sind nicht klar und Stimmungen können sehr lang anhaltend sein.
149. Was bedeutet es, dass Emotionen einen Objektbezug haben? Erläutern Sie dies an einem
Beispiel.
Ohne ein Objekt kann es keine Emotion geben, d.h. Emotionen brauchen einen konkreten Auslöser.
Ein Objekt oder Ereignis wird also bewusst wahrgenommen und führt somit zu einer bewussten
Emotion. Wenn man beispielsweise die Emotion Angst verspürt, hat das also einen bestimmten Grund.
Daher sagt man, man hat beispielsweise Angst vor einer Spinne.
150. Wie kann man versuchen, die Vielzahl von Emotionsbegriffen, die in der Sprache vorkommen, auf grundlegende Emotionskategorien bzw. -dimensionen zu reduzieren?
Es gibt verschiedene Methoden um die Vielzahl von Emotionsbegriffen zu reduzieren. Eine davon ist,
durch Vpn Ähnlichkeitsurteile von Paaren von Emotionsbegriffen vornehmen zu lassen, d.h. diese
nach gemeinsamem Auftreten und Kovariationen im Erleben zu bewerten. Eine weitere Möglichkeit
ist das Sammeln von Begriffen in einem Pool und die Gleichsetzung der einzelnen Worte mit anderen
aus dem Pool (sprachliche Basis). Aber auch Cluster- und Faktorenanalysen sind möglich.
2 Möglichkeiten zur Strukturierung der „Emotionsliste“:
a) dimensionaler Ansatz
b) Ansatz der Basisemotionen
151. Was sind Basisemotionen, wie wurden sie identifiziert und wodurch sind sie
charakterisiert? Nennen Sie mindesten 6 Basisemotionen.
Zur Identifizierung der Basisemotionen wurden Probanden in mehreren Studien verschiedene Fotos
von Gesichtsausdrücken vorgelegt, die verschiedene Emotionen zeigten. Die Vpn beurteilten die
Bilder daraufhin nach ihrer Ähnlichkeit.
Basisemotionen haben die Eigenschaften, dass sie kulturübergreifend auftreten, eindeutig
identifizierbar (in dieselbe Richtung von mehreren Einschätzern bewertet) sind und eine
charakteristische Mimik aufweisen. Aufgrund dieser Charakteristika lassen sich 6 bis 8
Basisemotionen herausfiltern, diese wären: Freude, Angst, Überraschung, Wut, Ekel, Trauer.
43
152. Nennen Sie die beiden zentralen Dimensionen im Circumplex-Modell der Emotionen
von Russell (1980) und verorten Sie die folgenden Gefühls- oder Befindlichkeitszustände in
diesem Modell: Angst, Freude, Trauer, freudige Überraschung, Entspannung, Müdigkeit /
Schläfrigkeit.
Im Circumplex-Modell gibt es die Dimension Erregung auf der vertikalen Achse, wobei oben (90°)
eine hohe Erregung und unten (270°) geringe bzw. keine Erregung besteht.
Außerdem gibt es auf der horizontalen Achse die Valenzdimension mit negativer Ausprägung links
(180°) und positiver Ausprägung rechts (0°).
Zuordnung:
Angst: etwas negativ, hocherregend, 125°130°
Freude: stark positiv, etwas erregend, 5°
Trauer: stark negativ, wenig erregend, 215°
freudige Überraschung: etwas positiv,
hocherregend, 50°
Entspannung: stark positiv, wenig erregend,
295°
Müdigkeit/Schläfrigkeit: valenzneutral, gar
nicht erregend, 270°
153. Skizzieren Sie das 2-Faktoren-Modell der Emotion von Watson, Clark & Tellegen (1988).
Worin liegen die zentralen Unterschiede zum Circumplexmodell von Russell? Wie hängen die
beiden Modelle zusammen? Verorten Sie auch hier die in Frage 152 genannten Gefühlszustände.
Achsen nach Russell:
V+
A+
V+ = positive Valenz
V- = negative Valenz
A+ = positives Arousal
A- = negatives Arousal
senkrecht: positiver Affekt
waagerecht: negativer Affekt
 unabhängige Hauptdimensionen
A-
V-
Zuordnung:
Angst: stark negativ, 0°; Freude: Mitte zwischen wenig negativ und hoch positiv, 135°; Trauer: Mitte
zwischen stark negativ und wenig positiv, 315°; Überraschung: Mitte zwischen stark negativ und stark
positiv, 45°; Entspannung: wenig negativ, 180°; Müdigkeit/Schläfrigkeit: wenig positiv, 270°
Die beiden Modelle unterscheiden sich in den betrachteten unabhängigen Dimensionen, d.h. Erregung
und Valenz im Circumplex-Modell und positiver und negativer Affekt im 2-Faktoren-Modell der
Emotion. Dabei lassen sich beide Modelle ineinander überführen. Dies ist der Fall, wenn man Russells
Circumcomplex-Modell um 45% dreht und die Achsen umbenennt.
44
154. Nennen Sie Probleme und Grenzen der dimensionalen oder kategorialen Strukturtheorien
der Emotion.
Bei der dimensionalen oder kategorialen Strukturtheorie gibt es auch Probleme, denn die Spezifität
der diskreten Emotionsbegriffe wird nur begrenzt abgebildet, d.h. Stolz und Freude sind nicht
dasselbe, werden aber in derselben Basiskategorie abgebildet. Auch der Item-Pool spielt eine große
Rolle – ist er zu „klein“ oder zu einseitig werden die Ergebnisse verfälscht. Ein weiteres Problem ist
die Frage nach dem empirischen Zusammenhang. Es ist wichtig, dass die Abgrenzung zum Sprachverständnis gegeben ist und die Probanden nicht einfach nur entscheiden, ob sie das Wort für die
Emotion kennen.
155. Was ist die Kernannahme der Appraisal-Theorien der Emotion? Erläutern Sie Ihre
Ausführung mithilfe eines Beispiels.
Jede echte Emotion hat einen Gegenstand – aber der Gegenstand allein definiert noch nicht die
resultierende Emotion! Entscheidend sind die individuellen Gedanken zu dem Emotionsobjekt / die
subjektive Einschätzung der Situation. Emotionen sind also abhängig von der Einschätzung
(„appraisal“) einer Situation, eines Ereignisses oder eines Objekt, d.h. Emotionen sind der Indikator
für die persönlichen Einstellungen, Ansprüche, Normen usw.
Beispiel: ein Junge kommt verdreckt und mit zerrissener Hose nach Hause. Die Mutter sieht ihn und
kann die Situation verschieden interpretieren. Es ist möglich, dass die Mutter die Schuld allein auf den
Jungen schiebt („Ich habe ihm das schon tausend mal gesagt, dass er nicht auf den Baum klettern
soll!“) und sich daraufhin bei ihr Ärger einstellt oder sie kann sich auch sagen: „Ach das arme Kind!
Er ist schon wieder von den Nachbarsjungen verprügelt worden“ und der Anblick erzeugt bei ihr
Mitleid. Aber auch Freude ist möglich, wenn er in der Hand vielleicht noch einen Blumenstrauß hält
und sie dann denkt: „Der liebe Junge, da hat er auch noch Kopf und Kragen riskiert, um mir Blumen
zu holen!“
156. Nennen Sie mindestens vier verschiedene Einschätzungsdimensionen, die für die
Differenzierung emotionaler Zustände relevant sein können. Geben Sie für jede Dimension
anhand eines Beispiels an, wie unterschiedliche Einschätzungen auf der jeweiligen Dimension
(bei sonst gleicher Einschätzung auf den anderen Dimensionen) unterschiedliche emotionale
Zustände bedingen können.
Wichtig für die Einschätzung verschiedener Situationen ist z.B.
a) die Relevanz oder die Zieldienlichkeit /Valenz: ist diese Situation nützlich für die Erreichung
meines Ziels, dann entsteht eine positive Emotion oder ist sie eher schädlich, dann ist es
wahrscheinlich, dass eine negative Emotion entsteht.
b) die Verantwortung/Absichtlichkeit: wer ist schuld am Versagen in der Klausur? Waren es die
Aufgaben? Oder war es mein Nachbar, der abgeschrieben hat und erwischt wurde? Oder war
ich es, weil ich zu wenig gelernt habe? Bei einer Attribution auf die Situation kann z. B.
Resignation entstehen, wobei bei dem Verschulden eines anderen eher Wut zu erwarten wäre.
Wenn ich aber selbst schuld bin, dann werde ich beschämt oder traurig sein.
c) das Bewältigungspotential: bei einem hohen Maß an Kontrolle folgen häufiger positive
Emotionen als bei geringer Kontrolle. Beispielsweise, wenn ich entscheiden kann, wann ich
meine Klausur schreiben möchte, ob gleich am Anfang des Prüfungszeitraums oder erst zum
Ende wird dies in mir ein Gefühl der Beruhigung auslösen.
d) die Erwartung bzw. die Wahrscheinlichkeit mit der ein Ereignis eintreten wird = essentiell: Ist
diese Erwartung hoch, löst sie zumeist ein Gefühl der Freude aus (Bsp.: Ich lerne seit Wochen
für Allgemeine II und schreibe dann die Klausur, die ganz gut läuft. Somit ist meine
Erwartung hoch und ich freue mich auf eine gute Note.), ist sie dagegen gering (niedrige
Erwartung an den Ausgang der Klausur), dann entsteht ein Gefühl der Verdrossenheit.
weitere Einschätzungsdimensionen: Zeitbezug (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), Moralische
Standards (involviert: ja/nein; wenn ja: verletzt/erfüllt)
 Spezifische Emotionen ergeben sich als Kombination verschiedener Einschätzungen
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157. Erläutern und kontrastieren Sie die beiden Auffassungen, kognitive Einschätzungen seien
Ursache vs. Konstituente von Emotionen. Nennen Sie Argumente für bzw. gegen die jeweiligen
Auffassungen.
Welche Rolle spielen Einschätzungen bei Emotionen? Einige sehen sie als Ursache für Emotionen an,
d.h. die kognitiven Einschätzungen lösen zusätzliche Reaktionen im Körper wie sympathische
Aktivierung usw. aus, und damit auch direkt die Emotion (z.B. ich sehe einen Unfall, ordne ihn als
negativ ein und verspüre daraufhin Angst, weil eine Person beteiligt sein könnte, die ich kenne).
Andere glauben hingegen, dass kognitive Einschätzungen als Konstituente für Emotionen gelten
(logischer Zusammenhang, Bewertungen als Bestandteil der Emotionen), d.h. als logische Grundlage
für die Bedeutung des spezifischen Emotionsbegriffs. Wenn z.B. ein Mensch sagt, dass er stolz sei,
dass draußen so schönes Wetter wäre, dann zweifeln wir nicht an der Definition des Begriffs „Stolz“,
sondern an seiner Auffassung davon.
 Ohne das jeweils passende Muster von Einschätzungen und Bewertungen kann die jeweilige
Emotion nicht zugeschrieben werden (man kann sich zum Beispiel nicht über ein Ereignis freuen, das
man negativ bewertet, genauso wenig wie man von einem Ereignis überrascht sein kann, das man
erwartet hat).
 Kognitive Einschätzungen sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für Emotionen
(zusätzliche Handlungen usw. sind nötig).
158. Schildern Sie die Kritik von Zajonc (1980) an den Appraisal-Theorien der Emotion. Wie
entgegnen Vertreter kognitiver Appraisal-Theorien dieser Kritik?
Zajonc kritisierte 1980 in einem Zeitschriftenartikel mit dem Titel „preferences need no inferences“
die Appraisal-Theorie der Emotionen. These: affektive Zustände können auch ohne bewusste
kognitive Einschätzungen entstehen.
Aufbau der Studie: er führte seine Vpn in der ersten Phase eine gewisse Anzahl von geometrischen
Figuren vor und beauftragte sie in Phase 2, die nun gezeigten Figuren (Formen aus Frage 1 und
zusätzliche neue) zu bewerten. Dabei zeigte sich, dass für „vertraute“ Objekt (Objekte aus Phase 1) der
Vertrautheits-Effekt auftrat, d.h. bekannte Objekt automatisch besser bewertet wurden als unbekannte.
Fragte man die Probanden allerdings, ob das Objekt schon in Phase 1 vorhanden war, dann lag die
Wiedererkennungsleistung nur auf Zufallsniveau.
 Zajonc schloss daraus, dass das appraisal erst später mit der Bewusstheit der Entscheidung eintritt
und somit nicht für die Entstehung von Emotionen verantwortlich sein kann. Vertreter der AppraisalTheorie dagegen kritisierten Zajonc hingegen für seinen schwachen Versuchsaufbau und warfen ihm
vor, nicht Emotionen, sondern Präferenzen gemessen zu haben und dass es des Weiteren so sei, dass
das appraisal wahrscheinlich unterbewusst abläuft, da man sich zumeist keine halbe Stunde überlegen
muss, wie man eine Situation findet. Somit kann man die Studie von Zajonc nicht unbedingt zur
Widerlegung der Appraisal-Theorie heranziehen.
159. Skizzieren Sie die Instinkt-Definition von Emotionen von McDougall und nennen Sie
für die folgenden Emotionen die zugehörigen Verhaltenstendenzen: Furcht, Ekel, Ärger,
Zärtlichkeit.
Nach McDougall’s Instinktdefinition ist ein Instinkt eine ererbte oder angeborene psychophysische
Disposition, die uns befähigt, bestimmte (relevante) Gegenstände wahrzunehmen und ihnen Aufmerksamkeit zu schenken (Perzeption, Kognition). Dadurch erleben wir eine emotionale Erregung von ganz
bestimmter Qualität (Affekt), woraufhin wir in einer bestimmten Weise handeln oder wenigstens den
Impuls zu solch einer Handlung erleben. (Motivation)
 Emotionen haben also immer Folgen und Konsequenzen für uns und sind deshalb verbunden mit
bestimmten Handlungstendenzen.
 Nach dieser Auffassung sind Emotionen also instinkt-ähnliche Reaktionsmuster auf typische für
das Überleben und die Reproduktion wichtige Situationen. Dabei werden verschiedenen Emotionen
verschiedene Verhaltenstendenzen zugeordnet:
- Furcht  Flucht; Ärger  Kampf
- Ekel  Abstoßung; Staunen  Neugier; Liebe/Zuneigung  Fürsorge
- Hochgefühl  Dominanz; Demut/Unterwürfigkeit  Unterordnung
46
160. Welche Forschungsergebnisse sprechen dafür, Emotionen als zentrale Motivsysteme
(appetitives vs. defensives Motivsystem) aufzufassen?
Die Forschungsergebnisse von Dickinson und Dearing (1979) sprechen dafür, die Emotionen als
zentrale Motivsysteme aufzufassen. Als Beispiel lässt sich eine konditionierte Furchtreaktion nennen,
die das defensive Motivsystem aktiviert und somit eine negative Emotion entstehen lässt. Sieht man
hingegen auf ein Bild mit einem süßen, flauschigen Hasen wird das appetitive System aktiviert und es
entwickelt sich eine positive Emotion.
Belegt wurde das zum Beispiel von Lang et al. 1997: Sie fanden heraus, dass die Betrachtung positiver
Bilder den defensiven Schreck-Reflex abschwächt und die Betrachtung negativer Bilder ihn verstärkt.
Außerdem belegten Chen & Bargh 1999, dass Beuge- und Streckbewegungen durch valente Reize
aktiviert werden (allerdings Einwand von Markman & Brendl 2005).
161. Schildern Sie Untersuchungsergebnisse von Lang et al. (1997) zur Modulation des
Schreck-Reflexes (startle probe / Blinzelreflex) und geben Sie eine theoretische Interpretation
dieser Ergebnisse.
Lang und Kollegen führten 1997 eine Untersuchung zur Manipulation des Blinzelreflexes durch, in
dem sie ihren Probanden entweder positive, neutrale oder negative Bilder zeigten, und währenddessen
ein lautes Geräusch abspielten. Gemessen wurde der Startle-Reflex zu unterschiedlichen Zeitpunkten
nach Erscheinen des Bildes.
Dabei zeigte sich, dass zu Anfang der StartleReflex bei valenten Bildern stärker
eingeschränkt war als bei neutralen. In Laufe
des Zeigens stieg der Reflex bei allen
Gruppen an. Je länger das Bild jedoch gezeigt
wurde, desto stärker wurde der Blinzelreflex
bei negativen Bildern. Bei positiven blieb er
sogar noch unter dem der neutralen Bilder.
Die anfängliche Abschwächung lässt sich
dadurch erklären, dass valente Bilder die
Aufmerksamkeit besser zu binden verstehen
als neutrale. Dabei wird das System
sensibilisiert für negative Reize und dabei
entstehen negative Emotionen und vice versa.
Nach der Aufnahme des valenten Bildes
erfolgt somit eine positive oder negative
affektive Reaktion. Da der Blinzelreflex ein
defensiver Reflex ist, ist er bei negativen
Emotionen größer / häufiger als bei positiven.
162. Beschreiben Sie die Untersuchung von Chen & Bargh (1999) zur Aktivierung instrumenteller Annäherungs- vs. Vermeidungstendenzen durch valente Reize. Welche Ergebnisse wurden
in dieser Untersuchung erzielt und wie wurden diese Ergebnisse ursprünglich interpretiert?
Welche Kritik lässt sich an dieser Interpretation üben? Beschreiben Sie hierzu die weitergehende Untersuchung von Markman & Brendl (2005).
Chen und Bargh führten 1999 eine Studie zur Aktivierung instrumenteller Annäherungs- und
Vermeidungstendenzen durch valente Reize durch. Dabei waren die Reize Bilder und Wörter. Mit
Hebelbewegungen sollten die Probanden anzeigen, ob die Reize positiv oder negativ waren. Gruppe 1
sollte den Hebel weg bewegen, wenn etwas Negatives zu sehen war und zu sich hinbewegen bei einem
positiven Reiz. Bei Gruppe 2 war diese Anweisung genau umgedreht. Dabei kann man sagen, dass
positiv-Hinbewegung und negativ-Wegbewegung kongruente Zuordnungen waren und positivWegbewegung / negativ-Hinbewegung inkongruente Zuordnungen.
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Im Ergebnis zeigte sich, dass die Probanden mit der kongruenten Zuordnung die schnelleren
Reaktionszeiten vorzuweisen hatten. Daraus schlussfolgerten Chen und Bargh, dass es eine
automatische Aktivierung von Beuge- und Streckmuskulatur durch valente Reize geben muss, d.h.
eine direkte Kopplung zwischen Valenz des Reizes und der Muskulatur. Diese Vermutung stellte sich
allerdings als naiv und falsch heraus.
Studie Markman und Brendl: Sie zeigten der Vpn zuerst einen Balken mit seinem Namen, der sich in
der Mitte des Bildes befand und setzten danach das zu bewertende Eigenschaftswort in Gruppe 1
hinter und in Gruppe 2 vor den Balken und ließen die Vpn das Wort mit Hebeldruck bewerten. Für
beide Gruppen galt: positiv nach vorn, negativ zurück. Der Balken mit dem eigenen Namen war der
Bezugspunkt. Wenn das Wort positiv war und dahinter stand, wurde es zum Namen hingezogen, stand
es davor, rückte es vom Namen weg (für die anderen Bedingungen genauso).
Dabei zeigte sich, dass nur die Distanz bzw. die Bewegung
zum Namen bei positiven oder Wegbewegung bei negativen
Worten eine Rolle spielte - wenn etwas negatives zum Namen
hin „gedrückt“ werden sollte, dann gab es eine längere
Reaktionszeit. D.h. es gibt keine direkte Verbindung zwischen
Valenz und Muskelaktivierung, sondern flexibel umsetzbare
Verhaltensziele.
 Verbindung positiver / negativer Reize mit der Tendenz,
die Distanz zwischen ihnen und der eigenen Person zu
verringern / zu vergrößern
 entscheidend ist also nicht, ob man beugt oder streckt,
sondern ob man die Distanz zwischen dem Wort/Bild und der
eigenen Person verringern/vergrößern soll.
 es geht immer schnell, wenn ich etwas Positives zu
meinem Namen hin bewege und wenn ich etwas Negatives
von meinem Namen weg bewege (egal ob push- oder pullBewegung!)
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163. Nennen Sie verschiedene Beispiele für verhaltenshemmende Effekte von Emotionen.
Welche dieser Effekte verweisen möglicherweise dennoch auf eine funktionale emotionale
Handlungsregulation?
Ein verhaltenshemmender Effekt ist beispielsweise der „Interrupt“-Effekt“. Dieser tritt auf, wenn
eine Emotion die laufende Tätigkeit stört. Wenn man z.B. im Kino sitzt und sehr gespannt dem Film
zuschaut, ohne dass man sich von dem Geschnatter der Nachbarinnen stören lässt und dann aber
plötzlich Rauch riecht, dann wird die gespannte Tätigkeit des Filmschauens unterbrochen und durch
die der Flucht / Panik ersetzt (Verhalten wird an die neue Situation angepasst).
Außerdem kann es durch intensive Emotionen auch zu einer Verhaltensblockade kommen, wenn
man z. B. unter Prüfungsangst leidet und daher in einer mündlichen Prüfung nicht antworten kann.
Eine Verhaltenshemmung durch Emotionen kann aber auch Vorteile haben: sie kann z.B. gerade dann
adaptiv sein, wenn man den schweren Verlust eines geliebten Menschen überwinden muss. Durch den
Verlust verfällt man zumeist in Trauer oder gar Depression. Die daraus oft resultierende Antriebslosigkeit dient dazu, Ressourcen zu schonen, leer laufende Handlungsroutinen zu unterbrechen und
eine Zielablösung vorzubereiten.
164. Was ist die Kernaussage der James-Lange-Theorie der Emotion?
Nach der James-Lange-Theorie der Emotionen ist der Gesichtsausdruck nicht nur eine Begleiterscheinung von Emotionen, sondern Emotionen entstehen durch den Ausdruck, den wir zeigen! Also durch
die Wahrnehmung peripher-physiologischer Veränderungen, insbesondere der Gesichtmuskulatur.
„Wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wie sind traurig, weil wir weinen.“
165. Was besagt die “facial-feedback”-Hypothese? Schildern Sie als Beleg dieser Auffassung
Ablauf und Ergebnisse der sog. “pen-studies” von Strack, Martin & Stepper (1988).
Nach der „facial-feedback“-Hypothese lassen sich Emotionen durch Mimik und Haltung induzieren.
Dazu führten Strack, Martin und Stepper 1988 eine Untersuchung durch, in der sie ihren Probanden
eine Coverstory erzählten und einen Stift gaben, den diese entweder mit den Zähnen oder mit den
Lippen halten sollten. „Zahnhalten“ erzeugt ein dem Lächeln ähnliches Gesicht, „Lippenhalten“ ein
Schmollen. In dieser Haltung sollte sie dann Cartoons auf ihre Lustigkeit bewerten. Dabei zeigte sich,
dass die „Zahnhalter“ die Cartoons witziger fanden als die „Lippenhalter“. Die Lippenhalter lagen
sogar noch hinter der Kontrollgruppe, die den Stift in der Hand hielt.
 “facial feedback“ Effekt
166. Worin besteht die Hauptfunktion des emotionalen Ausdrucksverhaltens (Mimik, Haltung)?
Es hat eine wichtige kommunikative Funktion, denn durch meine Mimik übermittele ich meinem
Gegenüber Informationen, wie meine momentane Motivlage ist, worauf er sich einstellen muss, um
danach adäquat zu reagieren.
167. Warum ist der typische emotionale Ausdruck keine notwendige Komponente einer
Emotion?
Die Steuerung des Verhaltens ist manchmal auch unabhängig von den „gefühlten“ Emotionen. Wenn
z.B. eine Mutter ihr Kind sieht, wie es schlamm-beschmiert vor ihr steht und trotzdem herzallerliebst
schaut, dann wird sie zwar ein ernstes Gesicht machen und ein wenig schimpfen, weil sonst die
Erziehung dahin wäre, obwohl sie eigentlich lachen würde.
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168. Schildern Sie die klassische Studie von Schachter & Singer (1962) zur Rolle von arousal
bei der Emotionsentstehung. Welches Ergebnis wurde beobachtet und wie wird dieser Befund
interpretiert?
Schachter und Singer führten 1962 eine Studie zur Rolle von arousal (= Erregungsniveau) bei der
Emotionsentstehung durch, in dem sie drei Faktoren experimentell manipulierten:
1. physiologische Erregung (entweder Adrenalin gespritzt oder Placebo gegeben)
2. Erklärungsbedürfnis (korrekte, falsche oder keine Information zu der Wirkung)
3. Kognition (euphorische vs. ärgerliche konföderierte „Versuchsperson“)
Während die Teilnehmer nun einen Fragebogen mit den vielen intimen Fragen beantworten müssen,
werden sie über das ganze Experiment durch eine verspiegelte Scheibe beobachtet.
Die Hypothesen waren, dass es bei der Placebo-Gruppe und bei den richtig informierten Probanden
kein arousal geben sollte und die unaufgeklärten bzw. falsch informierten Studienteilnehmer sich wie
der Confident verhalten würde:
Ergebnis: die falsch oder nicht informierten Probanden (mit Adrenalin) orientierten sich an dem
Verhalten des Konföderierten, d.h. die Erregung wird durch die Kognitionen, die durch den
Confidenten vorgegeben werden, erklärt. Waren die Vpn. richtig über die Wirkung des Adrenalin
informiert worden, wurden ihre Emotionen weniger durch das Verhalten der 2. Vpn beeinflusst (die
Vpn braucht nämlich keine zusätzliche Erklärung mehr). Die Placebo-Gruppe zeigte allerdings
ähnliche Ergebnisse wie die unaufgeklärten und falsch informierten Vpn aus der Adrenalin-Gruppe,
d.h. erhöhtes arousal ist keine notwendige Bedingung für Emotionen.
 Deshalb kann man sagen, dass Emotionen weniger durch Arousal vermittelt sind als durch
kognitive Prozesse.
169. Nennen Sie Argumente, warum physiologische Erregung (arousal) weder notwendig
noch hinreichend für Emotion ist.
Zum einen tritt arousal auch ohne Emotionen auf, beispielsweise wenn man viel Kaffee getrunken
hat. (Maranon, 1924). Weiterhin ist erhöhtes arousal valenzunspezifisch, muss also mit keiner
bestimmten Emotion verbunden auftreten (Lang et al., 1997). Außerdem wiesen Schachter und Singer
1962 nach, dass unspezifisches arousal fehlattribuiert werden kann und dass die entsprechenden
Attribuierungen Emotionen determinieren (je nach Erklärung des arousal  pos./neg./neutrale
Emotionen). Emotionen können auch ohne Arousal auftreten
 arousal ist weder eine hinreichende, noch eine notwendige Bedingung für Emotionen.
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