Fragen zur Lernkontrolle: Allgemeine

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Fragen zur Lernkontrolle: Allgemeine Psychologie II – Motivation, Volition, Emotion
Rothermund, Sommersemester 2010
I.
Gegenstand und Grundfragen der Motivationspsychologie
1. Definieren Sie den Gegenstand der Motivationspsychologie: Was soll wodurch
erklärt werden?
Motivationspsychologie befasst sich mit der Erklärung von ergebnisorientiertem,
zielgerichtetem Verhalten und Handeln und will deren zugrunde liegende Gründe
und Motivationen erfassen.
2. Welche drei Aspekte des Verhaltens lassen sich motivationspsychologisch erklären
oder vorhersagen?
-
Richtung, also jeweilige Ausrichtung des Verhaltens, für die sich entschieden wird
Intensität, also Grad der Anstrengung, der potenziell in das Erreichen des Ziels
investiert wird
Zeitliche Aspekte des Verhaltens, also Beginn, Dauer und Ende
3. Welche Arten von Verhalten werden typischerweise ohne Rückgriff auf Motive und
Motivation erklärt?
Unwillkürliches Verhalten wie Reflexe und Gewohnheiten werden typischerweise
ohne Rückgriff auf Motive und Motivation erklärt, da sie keinen treibenden Motiven
zugrunde liegen (oder nicht mehr, wie häufig im Falle von Gewohnheiten), sondern
automatisch und unbeabsichtigt ablaufen oder wie Reflexe zusätzlich extern
verursacht werden.
4. Unterscheiden Sie zwischen „verstehenden“ und „erklärenden“ Antworten auf die
motivationspsychologische Wozu-Frage. Geben Sie jeweils ein Beispiel.
Unter verstehenden Antworten auf die Wozu-Frage versteht man Erklärungen, die
durch vernünftiges, reflektiertes Nachdenken über einen Gegenstand entstehen.
Vergleicht man zum Beispiel die Karrierechancen von Studiengängen und entscheidet
sich anschließend für den erfolgversprechendsten, so ist dies eine verstehender
Zugang zur Wahl des Studiums.
Erklärende Antworten auf die Wozu-Frage umfassen alle möglichen Zugänge, ob
bewusst ausgeführte Reflektion oder unterbewusste Prozesse mit z.B. latenten
Motiven, Anreizen oder Deprivation als Verhaltensauslöser. Nimmt sich z.B. ein
Patient im Wartezimmer eine bestimmte Zeitung zum Lesen, so kann man ursächlich
erklären, dass er sich bewusst aus Interesse für den Titel entschieden hat oder aber,
dass ihn beispielsweise die Frau auf dem Titelbild unterbewusst angesprochen hat.
5. Definieren Sie die Begriffe Motiv und Motivation und grenzen Sie diese
voneinander ab.
Unter einem Motiv versteht man eine spezifische Wertungsdisposition im
Hintergrund (wie Interessen, Werte, etc.), die durch jeweilige situative Hinweise
Motivation bedingen, also aktiviert werden müssen. Motive sind relativ zeitstabil.
Motivation hingegen meint die spezifische Orientierung einer Person auf ein
bestimmtes Ziel in einer bestimmten Situation. Sie entsteht durch Aktivierung eines
Motivs und will eine Zielerreichung oder Bedürfnisreduktion bedingen. Motivation
wird durch Aufmerksamkeitsfokusierung, Planung, Überlegung und Anstrengung in
konkretes Verhalten übersetzt.
6. Diskutieren Sie die Aussage, man könne „die Motive einer Person an ihrem
Verhalten ablesen“. Beschreiben Sie dazu je eine Lesart bzw. Verwendung der
Aussage, die wissenschaftlich gehaltvoll und eine, die bedeutungsleer ist.
Es mag in manchen Fällen möglich sein, die Motive einer Person am Verhalten
abzulesen, häufig jedoch auch nicht. Um sichergehen zu können, dass ein bestimmtes
wissenschaftlich gehaltvolles Motiv vorliegt, reicht der Rückschluss vom Verhalten
ausgehend jedoch ohnehin nie aus, da das Motiv unabhängig vom Verhalten
gemessen werden muss. Um wissenschaftlich von „Motiv“ sprechen zu können, muss
man sich zudem auf wenige Grundmotive (Macht, Leistung, Anschluss) beschränken
und Verhalten im Hinblick auf solche grundlegenden Kategorien untersuchen. Wenn
man alltagspsychologisch unter „Motiv“ und „Motivation“ die bloße spezifische
Zielgerichtetheit eines Verhaltens versteht, so kann man diese wohl leichter am
Verhalten ablesen. Der Begriff ist jedoch dann trivial und bedeutungsleer, da keine
zusätzlichen Erklärungen gegeben werden, sondern nur zirkulär argumentiert wird.
7. Warum ist es unbefriedigend, wenn ein häufiger Besuch von Partys darauf
zurückgeführt wird, dass die betreffende Person ein „Party-Motiv“ hat? Nennen Sie
eine motivationspsychologisch ernstzunehmende Erklärung für ein solches
Verhalten und skizzieren Sie eine Möglichkeit, Ihre Aussage empirisch zu prüfen.
Damit Erklärungen für Motive wissenschaftlich gehaltvoll sind, müssen die Motive
unabhängig vom Verhalten gemessen werden, da die Erklärungen sonst trivial und
zirkulär sind. Es ist also unbefriedigend von dem Verhalten der Person auf ein „PartyMotiv“ zu schließen, da hierdurch nichts erklärt und keine zusätzliche Information
gewonnen wird.
Eine motivationspsychologisch ernstzunehmende Erklärung könnte sein, dass die
Person ein Bedürfnis nach sozialem Anschluss hat und dieses durch den Besuch von
Partys und die vielen Menschen dort befriedigt wird. Um diese Aussage empirisch zu
prüfen, könnte man Vermittlungsprozesse direkt manipulieren. Das Auf-PartysGehen wird in der These vermittelt durch ein Anschlussmotiv. Man könnte nun
prüfen, ob die Person auch noch auf Partys geht, wenn dort nur wenige Leute sind,
die zudem keine Freunde oder Bekannten sind, alle anderen Rahmenbedingungen
wie Musik, Tanzen und Alkohol aber gleichgelassen würden. Täte sie das nicht, so
könnte auf eine Richtigkeit der Aussage geschlossen werden.
8. Was sind die 8 Grundfragen der Motivationspsychologie? Geben Sie jeweils eine
kurze Erläuterung.
1. Motivklassifikation: Was kann man als Motiv bezeichnen?  inhaltliche
Klassifikation angestrebter Handlungsziele und Aufstellung von Motivkatalogen;
2. Motivgenese: Wie entstehen Motive?  Entstehung, Anfänge, Entwicklung und
Änderung einzelner Motive;
3. Motivmessung: Wie kann man Motive messen?  Verfahren zum Erfassen
individueller Unterschiede in der Ausprägung einzelner Motive;
4. Motivanregung: Wann und wodurch werden Motive angeregt?  Eingrenzung
und Differenzierung der motivationsspezifischen Anregungsbedingungen der
Situation;
5. Wechsel und Wiederaufnahme der Motivation: Kann eine Motivation gewechselt
werden und welche Nachwirkungen hat eine frühere Motivation?
6. Motivierte Zielgerichtetheit und Motivationskonflikt: Sind Motive zielgerichtet
und können verschiedene Motive im Konflikt miteinander stehen?
 Zielgerichtetheit als allgemeines Merkmal motivierten Verhaltens und
Motivationskonflikt zwischen verschiedenen Handlungszielen;
7. Selbstregulatorische Zwischenprozesse der Motivation: Wie kann man Motivation
mit Hilfe von selbstregulatorischen Zwischenprozessen rekonstruieren?
 Analytische Rekonstruktion von „Motivation“ unter Zugrundelegung
hypothetischer, selbstregulatorischer Zwischenprozesse in einzelnen Phasen des
Verhaltensabschnitts;
8. Motivationswirkungen: Welche Wirkungen hat Motivation auf Verhalten?
 Manifestation von Motivation in beobachtbarem Verhalten und seinen
Resultaten;
II.
Kraft I – Triebtheorien
9. Definieren Sie den Begriff „Trieb“.
Als Trieb bezeichnet man eine unspezifische Quelle der Verhaltensenergetisierung,
die aktiviert werden muss, damit Verhalten manifest werden kann. Ein Trieb erzeugt
einen inneren Druck, dem man nicht ausweichen kann und der nicht regulierbar ist.
Er versetzt den Körper in Anspannung, deren Reduktion angestrebt und als
befriedigend erlebt wird.
10. Wie motivieren Triebe Verhalten? Welche allgemeinen Grundsätze liegen einer
triebhaften Verhaltenssteuerung zugrunde?
Triebe motivieren Verhalten dadurch, dass sie einen inneren Druck erzeugen, der
nicht regulierbar ist und dem nicht ausgewichen werden kann. Sie versetzen in einen
Zustand der Anspannung, deren Reduktion als befriedigend erlebt wird und deshalb
durch entsprechendes Verhalten angestrebt wird. Die allgemeinen Mechanismen, die
hierbei wirksam sind, sind das Anstreben von Lust und das Vermeiden von Unlust.
11. Warum ist man unter Umständen Triebeinflüssen auf das Verhalten in stärkerem
Maße „ausgeliefert“ als Einflüssen, die von Anreizen ausgehen?
Sowohl äußere Anreize als auch innerer Druck, der durch Triebe erzeugt wird, können
Motivation für bestimmtes Verhalten bedingen. Jedoch kann man äußeren Anreizen
ausweichen und aus dem Weg gehen, wenn sie als unangenehm empfunden werden
oder nicht erwünscht sind. Dies ist bei Triebdruck nicht möglich. Man ist ihm
„ausgeliefert“.
12. Erläutern Sie die Auswirkungen von Triebzuständen auf das Denken und Handeln
mit Hilfe der Begriffe Primär- und Sekundärprozess.
Primärprozesse sind Prozesse, die das Verhalten direkt im Hinblick auf die
Triebbefriedigung steuern, ohne dass gedankliche Prozesse eine Rolle spielen.
Bei Sekundärprozessen dient das Ich als Vermittler zwischen Trieben und
Verhalten, wenn z.B. die direkte Triebbefriedigung gesellschaftlich nicht akzeptiert ist
oder erst durch Vorhandlungen geplant und ermöglicht werden muss. Hierunter fällt
Aufschieben und Planen von direkter Triebbefriedigung oder auch Ersatzhandlungen.
Kann oder darf ein Trieb nicht befriedigt werden, so werden Abwehrmechanismen in
Kraft gesetzt, um die Triebspannung anderweitig zu reduzieren. Beispiele hierfür sind
z.B. Leugnung, Sublimation, Verdrängung oder Projektion.
13. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Studie von McGinnies (1949) zur
Verdrängung in der Wahrnehmung. Welches methodische Problem gibt es bei
dieser Studie, das eine Interpretation der Ergebnisse im Sinne einer automatischen
Wahrnehmungsabwehr fraglich erscheinen lässt?
 McGinnies (1949): Probanden werden neutrale Wörter wie „Apfel“ und
tabuisierte Wörter wie „Hure“ so kurz gezeigt, dass sie nicht zu erkennen sind.
Die Darbietungsspanne wird danach sukzessive erhöht und die
Wahrnehmungsschwelle gemessen, die definiert wird als die Darbietungsspanne,
ab der ein Proband ein Wort überzufällig häufig richtig erkennt;
 Wahrnehmungsschwelle für Tabuwörter signifikant höher!
 Beweis für automatische Wahrnehmungsabwehr?
 Der Effekt wird dadurch konfundiert, dass die Tabuwörter im Alltag
seltener verwendet werden als die neutralen und somit schwerer
erkannt werden; zudem Möglichkeit, dass die Probanden die Wörter
zwar schon früher erkannt haben, jedoch nochmals sicher gehen
wollten, das Tabuwort gesehen zu haben, bevor sie es wirklich dem
Versuchsleiter sagten;
14. Erläutern Sie die Katharsis-Hypothese. Warum spricht der Befund, dass häufiger
Konsum von Filmen mit Gewalt-Inhalten mit erhöhter Aggressivität einhergeht,
nicht unbedingt gegen die Katharsis-Hypothese?
Die Katharsis-Hypothese geht davon aus, dass Aggression bzw. Feindseligkeit durch
stellvertretende Gewalt (z.B. Ego-Shooter-Spielen) abgebaut werden kann, da der
Aggressionstrieb so reduziert werde.
Der Befund, dass Gewaltfilme Aggressivität sogar erhöhen spricht nicht unbedingt
dagegen, da zum einen in Korrelationsstudien Konfundierungen durch Variablen wie
sozioökonomischer Status auftreten können (möglicherweise höhere
Gewaltbereitschaft bei niedrigem SÖS, und die meisten der Teilnehmer an Studie
haben niedrigen SÖS) und zudem Gewaltfilme ohnehin nur bei schon Aggressiven das
Gewaltpotenzial verringern sollten. Bei wenig Aggressiven könnte es die Aggression
erhöhen, da sie ihren Aggressionstrieb sonst anderweitig befriedigen und durch die
Videos ein Vorbild für eine neue Möglichkeit dazu bekommen könnten.
15. Welche Beobachtungen haben dazu geführt, dass das Triebkonzept in die
Lerntheorie eingeführt wurde?
Die Beobachtung, dass satte Tiere in Experimenten weniger gut lernen als hungrige
oder gelerntes Verhalten weniger häufig zeigen, führte zum Schluss, dass
Triebbefriedigung als Verstärker wirken müsse. Dies führte dazu, dass die Stärke der
Defizitmotivation, also eines unbefriedigten Bedürfnisses, als ein wichtiger Faktor für
Lernen erkannt und in die Lerntheorie aufgenommen wurde.
16. Wie werden primäre Triebzustände in der Lerntheorie aufgefasst und wie werden
sie operationalisiert?
Primäre Triebzustände werden in der Lerntheorie als Verstärker für Verhalten
verstanden, da sie eine Defizitmotivation erzeugen, durch die der Trieb befriedigt
werden soll. Primäre Triebe werden auf wenige Kategorien beschränkt und als an
physiologische Mangelzustände gekoppelt gesehen (z.B. Hunger  Sättigungstrieb).
Operationalisiert werden sie im Labor an Tieren durch Deprivationsintervalle, also die
Zeitabschnitte, für die das Tier ein bestimmtes Bedürfnis nicht mehr befriedigen
konnte und in denen sich eine Defizitmotivation aufgebaut hat. Je länger die
Deprivationsphase, desto stärker der Trieb.
17. Welche Implikationen ergeben sich aus der multiplikativen Verknüpfung von Trieb
und Habit in der Theorie von Hull?
Die multiplikative Verknüpfung von Trieb und Habit spiegelt die interaktive
Beziehung der beiden Größen wider. Ein Habit zeigt die Verstärkungsgeschichte eines
Verhaltens in einer bestimmten Situation auf, also wie stark die jeweilige Situation
mit einer potenziellen Verstärkung assoziiert wird. Implikationen aus der
multiplikativen Verknüpfung sind, dass die Effektstärke des einen Faktors vom
anderen abhängt. Ist der Trieb oder der Habit gleich null, so wird für jeden beliebigen
Betrag des anderen Faktors kein Verhalten auftreten. Auch für beide Faktoren
ungleich null hat bei einem starken Habit eine hohe Triebstärke einen viel größeren
Effekt als bei einem schwachen.
18. Durch welche experimentelle Evidenz konnte das Postulat der multiplikativen
Verknüpfung von Trieb und Habit belegt werden? Schildern Sie Aufbau und
Ergebnisse der Studie.
 Perin (1942): Ratten wurden trainiert, Hebel zu drücken, um Futter zu erhalten;
Später erhielten Ratten durch Drücken kein Futter mehr;
UV 1: Anzahl der vorherigen Verstärkungen (Stärke des Habits)
UV 2: Manipulation der Triebstärke durch Nahrungsdeprivation (3 Std. oder 22
Std.)
AV: Löschungsresistenz des Hebeldrückens
 Ergebnisse: Löschungsresistenz am geringsten, wenn kurze Deprivation +
niedrige Verstärkungsanzahl und am höchsten für lange Deprivation +
hohe Verstärkungsanzahl; jedoch keine linearen Zusammenhänge,
sondern für die jeweilige Deprivationszeit asymptotische Annäherung an
bestimmtes Maß von Löschungsresistenz mit zunehmender
Verstärkungsanzahl  dieses ist für lange Deprivation etwa dreimal so
groß; allgemein immer stärkerer Effekt für häufige Verstärkung, wenn
längere Deprivationszeit, bei fast gleicher Ausgangs-Löschungsresistenz
der beiden Deprivationsintervalle für sehr niedrige Verstärkungsanzahl;
 Beleg von Interaktionseffekten und damit der multiplikativen
Verknüpfung von Trieb und Habit;
19. Schildern Sie die Untersuchung von Webb (1949) zum Nachweis, dass Triebe
unspezifisch Verhalten energetisieren.
 Webb (1949): Tieren wird beigebracht, Hebel für Futter zu drücken;
Sie werden danach entweder 22 Std. nahrungsdepriviert oder verschieden lang
flüssigkeitsdepriviert (+ Kontrollgruppe), und die Löschungsresistenz des
Hebeldrückens gemessen, nachdem dieser kein Futter mehr bringt;
 Ergebnisse: Obwohl stärkste Löschungsresistenz für Futterdeprivation,
erhöht sich die Löschungsresistenz des Hebeldrückens auch mit Zunahme
des Wasserdeprivations-Intervalls fast linear! Trinktrieb energetisiert also
auch Verhalten, dass nur mit Futter assoziiert wird;
 Unspezifische Energetisierung von Verhalten;
20. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Untersuchungen von Crespi (1942) zum
Nachweis von Anreizeffekten. Warum lassen sich diese Anreizeffekte mit der
ursprünglichen Theorie von Hull nicht erklären?
 Crespi (1942): 3 Gruppen von Versuchstieren laufen in 20 Durchgängen durch ein
Labyrinth und werden am Ende mit entweder 1, 16 oder 256 Futterkugeln
verstärkt; nach dem 20. Durchgang wird die Futtermenge bei allen 3 Gruppen auf
16 gesetzt; gemessen wird die Laufgeschwindigkeit der Tiere in jedem Durchgang;
 Ergebnisse: erwartungsgemäß laufen die Tiere schon nach wenigen
Durchgängen am schnellsten, die mit 256 Futterkugeln verstärkt werden,
und die am langsamsten, die nur eine erhalten; Nach dem Anreizwechsel
jedoch sinkt die Performanz der Gruppe, die zuvor 256 Kugeln erhielt
massiv und schnell ab, wohingegen die der Gruppe, die zuvor 1 erhielt,
genauso stark ansteigt; die Gruppe mit auch ursprünglich 16 erhöht die
Laufgeschwindigkeit konstant wie zuvor;
 Mit ursprünglicher Theorie von Hull nicht erklärbar, da zwar bis Durchgang
20 je nach Verstärkungsmenge die Performanz kontinuierlich zunimmt
(also verschieden starke habits gebildet werden), jedoch nach dem
Anreizwechsel die Performanz jeweils drastisch und schlagartig absinkt
bzw. ansteigt und nicht wie nach Hulls Theorie zu erwarten wäre, durch
niedrigere/höhere Verstärkungsrate eine kontinuierliche Modifikation des
habit stattfindet;
21. Wie lautet die Formel zur Berechnung der Verhaltensstärke im erweiterten
Motivationsmodell von Hull? Erläutern Sie jede Komponente der Formel.
V = D x SHR x K
-
-
V = Stärke des gezeigten Verhaltens
D = Triebstärke, die das Verhalten unspezifisch desto stärker energetisiert, je
größer sie ist
SHR = habit-Stärke, also Stärke der Assoziation der Situation mit einem
bestimmten Verhalten, bedingt durch die Häufigkeit und Menge der
vorherigen Verstärkung des Verhaltens in dieser Situation
K = Stärke der Konsummation, also Stärke des Anreizes einer Situation bedingt
durch antizipierte Verstärkungsmenge
22. Erklären Sie die Wirkung von Anreizen auf das Verhalten mit Hilfe des
Mechanismus der fragmentarischen antizipatorischen Zielreaktion.
In einer Situation S1 wird eine Reaktion R1 ausgeführt, in einer weiteren Situation S2
eine Reaktion R2, usw. bis eine antizipatorische Zielreaktion Rn auf eine Situation Sn
die gewünschte Befriedigung in Form des Zielreizes sG zur Folge hat. Im weiteren
Verlauf gewinnen nun schon die frühen Reaktionen R1 und R2 auf die Situationen S1
und S2 eine bestimmte sensorische Reizqualität, die später direkt mit der jeweils
nächsten Reaktion assoziiert wird, und zwar auch ohne Eintreten der jeweils
nächsten Situation. s1 wird direkt mit R2, s2 direkt mit R3, usw. assoziiert, so dass
schließlich eine Assoziationskette entsteht, die bei S1 beginnt und sG zum Ziel hat und
die schon allein durch S1 aktiviert wird. So wird S1 mit sG ohne weitere situative
Hinweisreize oder Durchführung des Verhaltens direkt verknüpft. Das eigentliche
Verhalten verkommt zu einem Rudiment. Wenn sich nun sG verändert, so wird dies
direkt mit der Grundsituation S1 assoziiert und erhöht oder erniedrigt die
Konsummations- und damit die Verhaltensstärke.
23. Erläutern Sie das Konzept der Triebreize. Schildern Sie die Untersuchung von Hull
(1933) zum Nachweis der steuernden Funktion dieser Triebreize auf das Verhalten.
Das Konzept der Triebreize besagt, dass auch Triebe selbst eine bestimmte
Reizqualität besitzen und habit-erzeugende „Situationen“ sind. Der Trieb selbst bleibt
hierbei unspezifisch, jedoch bildet sich ein triebspezifischer habit SDhR heraus, dessen
R für triebspezifische Situationen die höchste Assoziationsstärke besitzt.
 Hull (1933): Ratten wurden nahrungs- oder flüssigkeitsdepriviert und in ein
Labyrinth mit 2 Wegalternativen gesetzt, wobei jeweils eine am Ziel mit Wasser
und die andere mit Futter verstärkt wurde; gemessen wurde die Wegpräferenz
und ob sich hierbei eine triebspezifische Ausprägung abzeichnet;
 Ergebnis: es bilden sich nach und nach Präferenzen für den Weg heraus,
der jeweils triebspezifisch verstärkt wird; der jeweils höhere
Verstärkerwert bildet einen stärkeren habit aus;
 Beleg für steuernde Funktion der Triebreize; langsame Präferenzbildung
entspricht kumulativem habit-Bildungs-Konzept;
24. Erläutern Sie das Yerkes-Dodson-Gesetz der Motivation. Inwiefern sind die hier
beschriebenen Zusammenhänge wichtig für die Verhaltensvorhersage auf der Basis
trieb- oder aktivationstheoretischer Ansätze?
Das Yerkes-Dodson-Gesetz besagt, dass die Verhaltensleistung umgekehrt U-förmig
vom Erregungsniveau abhängt, also die schlechteste Leistung bei sehr hoher oder
sehr niedriger Aktivierung erbracht wird, und dass das Performanzmaximum
zusätzlich von der Aufgabenschwierigkeit abhängt, wobei für leichtere Aufgaben ein
höheres Aktivierungsniveau optimal ist als für schwere.
Diese Zusammenhänge sind wichtig für die trieb- oder aktivationstheoretische
Verhaltensvorhersage, da sie eine Unterscheidung zwischen Verhaltensstärke und qualität treffen und somit eine interaktive Komponente einführen, die das starre
Konzept der Triebreduktion und habit-Bildung nicht erklären kann. Für die
Vorhersage der Leistung muss also die Qualität des jeweiligen Verhaltens mit
einbezogen werden.
25. Worin besteht die Kernannahme von Berlynes Aktivationstheorie?
Die Aktivationstheorie von Berlyne geht davon aus, dass es ein optimales
Aktivierungsniveau gibt, das vom Organismus angestrebt wird. Aktivierung findet
nach Berlyne nicht nur durch Triebdruck, sondern auch durch die
Umgebungskomplexität statt. Ist das Aktivierungsniveau zu hoch, so entsteht das
Bedürfnis, es zu senken. Für eine komplexe Umweltstimulation würde hier durch
spezifische Neugier eine Reduktion der Umgebungskomplexität und damit der
Aktivierung angestrebt, um das Aktivierungsniveau auf ein optimales Level zu senken.
Für eine zu niedrige Aktivierung würde bei einer den Organismus unterfordernden
Umgebungskomplexität Explorationsverhalten auftreten, um dadurch die
Stimuluskomplexität zu erhöhen, Langeweile und daraus resultierende innere Unruhe
zu unterbinden und den Organismus auf ein optimales Aktivierungsniveau
anzuheben.
26. Definieren Sie die Begriffe der spezifischen und diversiven Neugier. Was sind
jeweils Auslösebedingungen für diese beiden Formen des Neugierverhaltens? Was
ist ihre gemeinsame Funktion?
Spezifische Neugier bedeutet die aktive Reduktion der Umgebungskomplexität durch
Fokusierung auf bestimmte zielrelevante Informationen und Aspekte dieser.
Diversive Neugier meint unspezifisches und exploratives Verhalten, bei dem allen
Informationen und Aspekten gleiche Aufmerksamkeit geschenkt und kein spezifisches
Ziel verfolgt wird.
Spezifische Neugier wird ausgelöst durch eine den Organismus überfordernde
Umgebungskomplexität, die auf diese Weise auf ein überschaubares Niveau gesenkt
werden soll. Diversive Neugier zielt ab auf die Erhöhung der Komplexität bei den
Organismus unterfordernden Umweltstimuli und wird durch ebensolche
unterfordernden Umgebungen ausgelöst. Beide Formen des Neugierverhaltens
haben das Ziel, das Aktivierungsniveau des Organismus auf einen optimalen
Leistungslevel zu bringen.
III.
Kraft II – Feldtheorie
27. Warum heißt Lewins Motivationstheorie „Feld“-Theorie?
Der Begriff „Feld“ ist in Lewins Theorie als analog zu einem physikalischen Kraftfeld
zu sehen, in dem unsichtbare Kräfte wie elektro-magnetische Wellen Kräfte auf
Körper ausüben. Ein dynamisches „Feld“, in dem sich eine Person zu einem
bestimmten Zeitpunkt befindet, setzt sich zusammen aus äußeren Umweltvariablen
und Personenvariablen, so dass das Verhalten als Funktion von inneren und äußeren
Einflüssen aufgefasst und als solches durch diese vorhergesagt und/oder erklärt
werden kann.
28. Wie ist das Personenmodell in Lewins Feldtheorie aufgebaut?
Lewins Personenmodell unterteilt die Person psychologisch in verschiedene Bereiche:
Bedürfnisse wie Anerkennung oder Geborgenheit und Quasibedürfnisse. Zu letzteren
zählen Ziele wie Familie und Karriere und Vornahmen, also konkrete
Handlungsvorhaben, die in Verhalten umgesetzt werden. Diese drei Bereiche sind
von innen nach außen gegliedert, wobei Bedürfnisse am weitesten innen und
Vornahmen außen, dem Verhalten am nächsten, stehen. Ein Bedürfnis kann gespannt
oder entspannt sein. Spannung wird jeweils solange aufrechterhalten, bis das
spezifische Bedürfnis befriedigt wird. Dies kann nur über Ziele, Vorhaben und
Verhaltensweisen geschehen, die mit dem Bedürfnis über Ähnlichkeitsverhältnisse
verbunden sind. Ein angespanntes Bedürfnis aktiviert zielbezogene Verhaltensweisen
und sensibilisiert Wahrnehmung und Gedächtnis für jeweilige bedürfnisrelevante
Informationen und Inhalte. Sind mehrere Ziele und Vornahmen äquivalent, also mit
demselben Bedürfnis verbunden, so kann durch Kraftübertragung das Bedürfnis
durch jeweils verschiedene Alternativen (Substitution/Ersatzhandlungen) befriedigt
werden, wenn ein ursprünglicher Bereich blockiert ist. Der Substitutwert eines
alternativen Bereichs ist desto größer, je durchlässiger die Grenze zwischen den
Bereichen ist, je ähnlicher sie sich also sind. Zwei Bereiche, die keine Grenze teilen,
sind unabhängig voneinander, es kann keine Kräfteübertragung und somit keine
Bedürfnisbefriedigung über nichtähnliche Ziele und Vornahmen erreicht werden.
29. Beschreiben Sie die Auswirkungen gespannter Bereiche in der Person auf Handeln
und Kognition anhand eines Beispiels.
Wenn z.B. das Bedürfnis nach Anerkennung gespannt ist und das Ziel berufliche
Karriere aktiviert hat, kann eine Person die Vornahme haben, eine geschriebene
Bewerbung in den nächsten Briefkasten zu werfen. Sie wird nun Orte aufsuchen, an
denen sie Briekästen vermutet, eine sensibilisierte Wahrnehmung für die Farbe Gelb
und Kästen entwickeln und darüber nachdenken, wo der nächste Briefkasten wohl zu
finden sein mag, wozu ihr Gedächtnis für diesen spezifischen Inhalt sensibilisiert wird.
30. Wie kann ein in der Person herrschender Spannungszustand abgebaut werden?
Nennen Sie unterschiedliche Möglichkeiten auf der Basis der Feldtheorie.
Ein Spannungszustand ist auf spezifische Bedürfnisse zurückzuführen. Er kann
entweder durch Befriedigung dieser oder benachbarter ähnlicher Bedürfnisse
abgebaut werden. Es kann dabei eine Kräfteübertragung von einem in einen anderen
Bereich stattfinden. Gleiches gilt für weiter außen gelegene Quasibedürfnisse, die
sich aus Grundbedürfnissen ableiten. Sie können direkt oder im Falle einer Blockade
auf Umwegen über Ähnlichkeitsverhältnisse mit Hilfe von Kräfteübertragung auf
benachbarte Bereiche befriedigt werden. Bei einer alternativen Befriedigung und
einem daraus folgenden Spannungsabbau spricht man von Substitution oder
Ersatzhandlung. Grundsätzlich muss ein Bedürfnis über Quasibedürfnisse und
konkrete Handlungen befriedigt werden. Dies ist nur über ähnliche und äquivalente
Bereiche möglich.
31. Was ist nach Lewin eine Ersatzhandlung? Geben Sie ein Beispiel. Wie erklärt man
Ersatzhandlungen?
Eine Ersatzhandlung ist ein gezeigtes Verhalten, das durch Substitution statt eines
eigentlichen Verhaltens gezeigt wird, jedoch die gleichen Quasibedürfnisse und
Bedürfnisse wie die ursprünglich gewollte Handlung befriedigt und somit innere
Spannung abbaut. Will man beispielsweise eine Familie gründen, kann aber keine
eigenen Kinder bekommen, so kann das Ziel der Familiengründung auch über eine
Adoption befriedigt werden. Erklärt wird dies durch Kräfteübertragung zwischen
durchlässigen, benachbarten – also ähnlichen – Bereichen, bei der die Spannung
übertragen und stellvertretend abgebaut wird.
32. Beschreiben Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung von Zeigarnik (1927). Wie
erklärt man das Ergebnis auf der Basis der Feldtheorie?
 Zeigarnik (1927): kleine Kinder bekommen eine Reihe von leichten Aufgaben; bei
der Hälfte der Aufgaben wird so viel Zeit gegeben, bis sie fertig sind, bei der
anderen Hälfte werden sie vorher unterbrochen; am Ende werden die Kinder
gefragt, an was sie sich noch erinnern können;
 These: innere Spannung bleibt so lange erhalten, bis die Aufgabe erledigt,
also das subjektive Erfolgskriterium eingetreten ist;
 Ergebnis: die Aufgaben, die vor der Fertigstellung unterbrochen werden,
können besser erinnert werden;
 Feldtheorie: dadurch, dass innere Spannung beim Lösen der Aufgabe
noch nicht abgebaut wurde, da unterbrochen wurde, bleiben die
Gedächtnisinhalte für diese Aufgaben zugänglicher, da zielbezogene
Inhalte in Spannungszuständen zugänglicher sind;
33. Wie kann man mit der Feldtheorie erklären, dass in der Untersuchung von Marrow
(1938) mehr abgeschlossene als unterbrochene Aufgaben erinnert wurden?
Die Studie von Marrow wurde genauso durchgeführt wie die von Zeigarnik (1927),
mit dem einen Unterschied, dass den Kindern gesagt wurde, sie würden beim
Aufgabenlösen immer dann unterbrochen, wenn sie auf einem guten Weg seien und
zeigen würden, dass sie in der Lage seien, die Aufgabe gut zu lösen. Somit wird das
Unterbrochen-Werden bei den Aufgaben zum subjektiven Erfolgskriterium, so dass
die innere Spannung dann erhalten bleibt, wenn nicht unterbrochen wird, also die
Aufgabe scheinbar nicht gut genug bearbeitet wurde. Der Mechanismus der
Feldtheorie der zielrelevanten Gedächtnisaktivierung unter Spannung ist genauso
wirksam, nur das Kriterium zum Spannungsabbau wurde ins Gegenteil verkehrt.
34. Was versteht man unter Wiederaufnahmetendenzen? Schildern Sie hierzu Ablauf
und Ergebnisse der Untersuchung von Ovsiankina und erklären Sie das Ergebnis auf
der Basis der Feldtheorie.
 Ovsiankina (1928): Es wurden Kinder beim Lösen verschiedener Aufgaben
unterbrochen oder nicht, und die spontane Wiederaufnahmetendenz für die
unerledigten Aufgaben gemessen, d.h., wie häufig versucht wurde, die
unterbrochenen Aufgaben zu vollenden, nachdem die eigentliche Zeit abgelaufen
war;
 Ergebnis: in über 80% der Fälle wurde versucht, die unerledigten
Aufgaben zu Ende zu bringen, und zwar selbst dann, wenn dies vorher
verboten worden war;
 Feldtheorie: in den Kindern verblieb eine gewisse Restspannung, da dass
Erfolgskriterium noch nicht eingetreten war, so dass sie diese durch
zielbezogene Handlungen – also Erledigen der Aufgabe – reduzieren
wollten;
35. In den Untersuchungen von Lissner & Mahler konnte gezeigt werden, dass die
Wiederaufnahmetendenz durch zwischenzeitlich ausgeführte Aktivitäten reduziert
werden kann. Wie erklärt man dieses Ergebnis? Welche Aktivitäten besitzen einen
hohen Substitutwert, welche nicht?
Die reduzierten Wiederaufnahmetendenzen bei Lissner (1933) und Mahler (1933)
erklärt man dadurch, dass ausgeführte Ersatzhandlungen, die sich aus dem gleichen
Ziel wie die ursprüngliche Handlung speisen, die innere Spannung durch
Kräfteübertragung reduzieren. Somit wird durch gesenkte Spannung auch die
Wiederaufnahmetendenz für die ursprüngliche Handlung reduziert. Einen hohen
Substitutwert besitzen solche Aufgaben, die der ursprünglichen möglichst ähnlich
oder äquivalent zu ihr sind, sich aus dem gleichen Ziel speisen und bei denen eine
durchlässige Grenze mit der Ursprungshandlung (Handlungsvornahme) vorliegt.
36. Erläutern Sie, was mit Bereichen und Grenzen in Lewins Umweltmodell gemeint ist.
Lewins Umweltmodell gliedert die Umwelt psychologisch in Handlungsmöglichkeiten,
die als Wege zu einem subjektiven Ziel aufgefasst und nach Mittel-Zweck-Relationen
und Konsummation eingeteilt werden. Sie sind subjektiv konstruiert, da je nach Ziel
ganz unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten bestehen, und wiederum eine
Situation für unterschiedliche Ziele ganz unterschiedlich bewertet werden kann. Die
Bereiche sind hierbei die einzelnen Teilhandlungsschritte auf dem Weg zum Ziel,
zwischen denen es verschiedene Hindernisse gibt, die überwunden werden müssen
(zeitlich, räumlich, finanziell, etc.). Diese Hindernisse sind die Grenzen zwischen den
Bereichen. Sie sind ebenfalls subjektiv konstruiert, da je nach Ziel eine bestimmte
Gegebenheit eine Handlungsmöglichkeit oder aber auch ein Hindernis darstellen
kann.
37. Warum wird die Umwelt in Lewins Modell als „hodologischer“ Raum bezeichnet?
„hodos“ ist griechisch für „Pfad“. „Hodologischer“ Raum meint die Gesamtheit einer
Person zur Verfügung stehender Umweltbereiche, also Wege zu verschiedenen
Zielen. Die Umwelt ist somit nach Lewin ein subjektiver Raum aus
Handlungsmöglichkeiten, die auf verschiedenen Wegen Ziele und Bedürfnisse
befriedigen und dabei das Verhalten einer Person in verschiedene Richtungen, auf
verschiedene „Pfade“ lenken.
38. Definieren Sie den Begriff der Valenz in Lewins Feldtheorie.
Die Valenz Va eines Zielbereichs in Lewins Feldtheorie ist definiert als Funktion der
Bedürfnisspannung s und den dazu korrespondierenden Eigenschaften des
Zielobjekts Z:
Va = f(s, Z)
Das bedeutet, dass Dinge keine Valenz als Eigenschaft an sich besitzen, sondern
hinsichtlich ihrer Dienlichkeit zum spezifischen Spannungsabbau –
Und damit zur (Quasi-)Bedürfnisbefriedigung – eine positive oder negative Wertigkeit
und einen Betrag bezüglich dieser qualitativen Richtung zugewiesen bekommen.
39. Wie lautet die Formel zur Berechnung der Kraft, die von einem Umweltobjekt auf
eine Person wirkt, nach Lewins Feldtheorie?
Va f(s, Z)
K= d = d
-
-
-
K = motivationale Kraft, also Stärke der anziehenden bzw. abstoßenden Wirkung
des Zielobjekts
 Quotient aus:
Va = Valenz, definiert als Funktion der Bedürfnisspannung s und den
korrespondierenden Zielobjekteigenschaften Z
 und
d = Distanz zum Zielobjekt
 Je größer die Distanz, desto kleiner die motivationale Kraft;
40. Wovon wird das Verhalten einer Person beeinflusst: von der positiven oder
negativen Valenz, die ein Objekt oder eine Situation für eine Person besitzt, oder
von der Kraft, die von diesem Objekt bzw. dieser Situation ausgeht?
Das Verhalten einer Person wird direkt von der motivationalen Kraft eines Objekts
oder einer Situation beeinflusst, die als der Quotient aus Valenz und Distanz (nicht
nur räumliche Distanz!) aufgefasst wird. Die Richtung und der Betrag der Kraft ist es,
der letztlich bestimmt, wie und wie stark eine Person reagiert. Eine hohe Valenz kann
hierbei durch große Distanz gepuffert werden, ebenso kann eine geringe Valenz
durch große Nähe zum Zielobjekt in ihrer Wirkung gesteigert werden. Die Valenz
beeinflusst das Verhalten somit zwar indirekt, jedoch ist die motivationale Kraft
ausschlaggebend, die von dem Objekt oder der Situation ausgeht. Diese hängt
zusätzlich von der Distanz zum Objekt ab.
41. Was bedeutet Distanz in Lewins Theorie (geben Sie mindestens zwei verschiedene
Beispiele) und welche Rolle spielt die psychologische Distanz für das Umweltmodell
in Lewins Feldtheorie?
Distanz wird in Lewins Theorie grundsätzlich als psychologisches Konstrukt definiert.
Es handelt sich um die Distanz zum Zielobjekt oder der Zielsituation aus subjektiver
Sicht. Dies kann durchaus eine räumlich zu überbrückende Distanz sein, jedoch
genauso eine zeitliche, eine Zahl zu vollbringender Handlungsschritte oder auch ein
Geldbetrag, der eine Person von einem Zielobjekt trennt. Mit Distanz ist alles
gemeint, was eine Person vom Erreichen des Ziels trennt. Will eine Frau z.B. teure
Schuhe kaufen, so stellt abhängig von ihrem Reichtum der Preis der Schuhe eine
mehr oder weniger große Distanz zu ihnen her. Auch ist die psychologische Distanz
zum monatlichen Gehalt, abhängig von Tag im Monat, unterschiedlich groß. Sie ist
nämlich dann am größten, wenn man zeitlich noch am weitesten von der nächsten
Zahlung entfernt ist.
In Lewins Feldtheorie setzt sich die motivationale Kraft eines Zielobjekts oder einer
Zielsituation als Quotient aus der Valenz geteilt durch die psychologische Distanz
zusammen. Hierbei ist die motivationale Kraft – also die abstoßende oder anziehende
Wirkung – eines Objekts desto größer, je kleiner die Distanz zu ihm, und desto
kleiner, je größer die Distanz.
42. Schildern Sie Aufbau und Ergebnisse der Untersuchung von Hull (1934) zum
Zusammenhang von Zieldistanz und Verhaltensintensität.
 Hull (1934): Ratten wurden für das erfolgreiche Absolvieren eines Labyrinths mit
Futter verstärkt, wobei jeweils die Zeit, die für die Wegabschnitte 0-5 bis zum Ziel
benötigt wurde an den ersten drei Tagen und den darauf folgenden drei Tagen
gemessen und gemittelt wurde;
 Ergebnis: Je näher ein Wegabschnitt dem Zielpunkt des Labyrinths ist,
desto kürzer benötigen die Ratten, um ihn zu bewältigen; der Effekt
nimmt zwar nach längerem Training in den zweiten 3 Tagen ab, da die
ersten Abschnitte schneller durchlaufen werden, ist aber dennoch auch an
Tag 4-6 stabil manifest;
 Je kleiner die Zieldistanz, desto größer die Laufintensität;
43. Was ist ein Konflikt und wie zeigt er sich im Verhalten? Wie erklärt man Konflikte in
Termini der Feldtheorie Lewins?
Ein Konflikt ist eine Situation, in der mehr als eine Kraft in unterschiedliche
Richtungen widerstreitend auf eine Person wirkt. Im Verhalten zeigt sich ein Konflikt
in Form von entweder Immobilität oder schnell wechselndem Hin und Her zwischen
widersprüchlichen Verhaltensweisen.
Lewins Feldtheorie erklärt Konflikte als Gleichgewicht anziehender und/oder
abstoßender Kräfte, die typologisch in verschiedene Konfliktarten untergliedert sind.
44. Definieren Sie die unterschiedlichen von Lewin postulierten Konflikttypen. Welche
Konflikte lassen sich vergleichsweise leicht auflösen, welche sind dagegen
schwieriger aufzulösen? Warum?
1. Annäherungs-Annäherungs-Konflikt: 2 sich gegenseitig ausschließende Objekte
positiver Valenz versetzen verschiedene Personenbereiche in Anspannung, und
zwar auf eine solche Weise, dass der Quotient aus Valenz und Distanz für beide
Handlungsalternativen kurzzeitig gleich ist;
 Vergleichsweise leicht aufzulösen: ein zufälliges Element verschiebt das
Distanzgleichgewicht in eine bestimmte Richtung; dadurch wird die
Asymmetrie im Kräftefeld eigendynamisch zugunsten der näheren
Alternative verschoben;
2. Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt: 2 Objekte negativer Valenz versetzen
verschiedene Personenbereiche in Anspannung, und zwar auf eine solche Weise,
dass die negative motivationalen Kräfte, aus Valenz geteilt durch Distanz, gleich
sind und für beide Handlungsalternativen die gleiche aversive Kraft entsteht, so
dass beiden gleich stark ausgewichen werden will, wobei es keine dritte
Handlungsalternative gibt;
 Schwierig aufzulösen, da Annäherung an eine Handlungsalternative die
aversive Kraft dieser Alternative erhöht und die der anderen senkt, so
dass wieder in die andere Richtung tendiert wird; Auflösung nur möglich,
wenn sich Valenzen der Zielobjekte zugunsten eines der beiden
verschieben;
3. Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt: ein ambivalentes Objekt versetzt zur selben
Zeit verschiedene Personenbereiche in Anspannung, und zwar auf eine solche
Weise, dass gleich große appetitive und aversive Kräfte entstehen, die sowohl
Vermeidungs- wie auch Annäherungstendenzen bedingen; der
Vermeidungsgradient verläuft hierbei steiler als der Annäherungsgradient, so
dass bei einer Annäherung an das Objekt über den Punkt des
Kräftegleichgewichts hinaus Vermeidungstendenzen überwiegen und
zurückgeschreckt wird, wobei bei einer Entfernung vom Punkt des
Kräftegleichgewichts aus Annäherungstendenzen überwiegen, so dass sich das
Verhalten wieder in Richtung des Objekts umkehrt;
 Schwierig aufzulösen, da Annäherung an das Objekt stärker
Vermeidungsverhalten und Entfernung vom Objekt stärker
Annäherungsverhalten hervorruft; auflösbar nur durch Verschiebung im
Valenzgleichgewicht, so dass entweder positive oder negative Aspekte des
Objekts überwiegen;
4. Doppelter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt: 2 ambivalente Objekte versetzen
jeweils verschiedene Personenbereiche in Anspannung, und zwar auf eine solche
Weise, dass für jedes appetitive und aversive Kräfte entstehen, die für beide
Alternativen Annäherungs- und Vermeidungstendenzen bedingen; strukturell
ähnelt dieser Konflikt dem Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt, nur dass bei
Annäherung an ein Objekt, bevor der Punkt des Kräftegleichgewichts erreicht ist,
zunächst eine appetitive Kraft zum Objekt hingeht;
 Schwierig aufzulösen, da für geringe Distanz zu einem der Objekte jeweils
aversive und für größere Entfernung appetitive Tendenzen entstehen; im
Gegensatz zu 1. Ist für Annäherung an ein Objekt noch keine sichere
Entscheidung gefallen, da die aversiven Tendenzen desto stärker werden,
je weiter sich angenähert wird; auflösbar durch Verschiebung des
Valenzgleichgewichts für eine der beiden Alternativen;
45. Beschreiben Sie das Verhalten bei einem Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt
(Beispiel) und erklären Sie das beobachtete Verhalten mit Millers
Gradientenmodell. Wie erklärt sich die unterschiedliche Steigung der Gradienten?
Das Verhalten bei einem Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt, z.B. bei einer Katze, die
um den heißen Brei schleicht, sieht so aus, dass sie sich dem Brei immer wieder bis zu
einem bestimmten Punkt annähert, um dann wieder umzukehren, bis sie wiederum
an einem bestimmten Punkt kehrtmacht, um sich dem Brei erneut zuzuwenden.
Millers Gradientenmodell nimmt an, dass der Vermeidungsgradient in
Richtung des Zielobjekts steiler ansteigt als der Annäherungsgradient, so dass für
Annäherung an das Objekt ab einem bestimmten Punkt aversive Tendenzen
überwiegen und Vermeidungsverhalten gezeigt wird, wohingegen bei Entfernung
vom Objekt über den Schnittpunkt der beiden Gradienten hinaus appetitive
Tendenzen überwiegen und wiederum Annäherungsverhalten auslösen. Miller erklärt
die unterschiedlich steilen Gradienten mit aversiver Konditionierung auf
diskriminative Hinweisreize, in diesem Fall z.B. die vom Brei ausströmende Hitze, die
sekundäre Furcht auslösen und bei Annäherung an das Objekt schließlich aversive
Tendenzen überwiegen lassen. Bei Entfernung vom Objekt kommt es zu keiner
konditionierten Furchtreaktion, so dass die Attraktion des Objekts überwiegt und sich
wieder angenähert wird.
46. Erläutern Sie den Begriff des „Time discounting“.
„Time discounting“ meint den Effekt, dass der motivationale Wert eines Anreizes
desto schwächer ist, je weiter in der Zukunft er liegt, bzw. dass ein zukünftiger Anreiz
einen desto größeren Wert erhält, je näher er der Gegenwart zeitlich kommt. Wichtig
ist das Konzept des „Time discounting“, wenn die Struktur von
Versuchungssituationen untersucht werden sollen, wenn man also wissen will, wann
ein kurzfristiger Anreiz, der an sich schwach, aufgrund seiner zeitlichen Nähe jedoch
stärker präsent ist, einen an sich großen, zeitlich aber weit entfernten Anreiz
überwiegen kann und eine Person vom langfristigen Ziel abbringt.
47. Worin besteht eine Versuchungssituation? Wie kann man erklären, dass man einer
Versuchung nachgibt? Welcher Zeitraum ist besonders kritisch?
Eine Versuchungssituation besteht in der Konkurrenz eines starken, jedoch zeitlich
noch weit entfernten und eines an sich schwachen, jedoch zeitlich unmittelbar
verfügbaren und sofort realisierbaren Anreizes (smaller-sooner, SS vs. larger-later,
LL). Einer Versuchung gibt man dann nach, wenn der Wert eines kurzfristigen
Anreizes in unmittelbarer zeitlicher Nähe den des starken, jedoch weit entfernten
und somit abgewerteten Anreizes überwiegt (SS-Dominanz). Kritisch ist hierbei die
Zeitspanne, ab der der schwache Anreiz, der, wenn er ebenfalls in der Zukunft liegt,
dem starken unterliegt, zeitlich immer näher rückt und sein Wert durch diese
zeitliche Nähe schließlich gleich mit dem des starken Anreizes wird oder über diesen
dominiert. Wenn ein schwacher, zeitlich naher Anreiz einem starken, weit entfernten
Anreiz schließlich im Wert entspricht, ist er in kritische Nähe gerückt.
48. Erklären Sie, was mit preference reversal gemeint ist, und geben Sie ein
Alltagsbeispiel.
Preference reversal bezeichnet das Phänomen, dass zunächst bei zeitlicher
Entfernung ein starker Anreiz (LL) schwache Anreize im Wert überwiegt, bei kritischer
zeitlicher Nähe jedoch schließlich eine Handlungsalternative gewählt wird, die einem
schwachen, unmittelbar realisierbaren Anreiz (SS) folgt, der den starken in dieser
Situation dominiert. Es kehren sich nicht eigentlich die Präferenzen um, sondern es
dominiert vielmehr der SS bei kritischer Nähe.
Ein Alltagsbeispiel ist die Vornahme, am nächsten Morgen in die Vorlesung zu gehen.
Solange der Morgen in zeitlicher Entfernung liegt, ist man fest entschlossen, die
Vornahme zu realisieren. Am nächsten Morgen jedoch kann mitunter die Option,
noch weiter zu schlafen, als sofort realisierbarer Anreiz überwiegen und spontan
beschlossen werden, die Vorlesung nicht besuchen.
49. Warum kann man das Phänomen des preference reversal nicht mit einem einfachen
linearen Diskontierungsmodell erklären? Wie muss der Diskontierungsprozess
gefasst werden, damit man damit auch preference reversal erklären kann? Nennen
Sie die entsprechende Formel und erläutern Sie deren Komponenten.
Würde preference reversal einem linearen Diskontierungsmodell folgen, dann würde
durch die lineare Steigung der Geraden stets eine Kurve oberhalb der anderen
verlaufen und somit immer ein Anreiz überwiegen. Es könnte nicht zu einem
scheinbaren Präferenzwechsel kommen, also keine Dominanz eines SS bei kritischer
zeitlicher Nähe auftreten. Ein einmal einen anderen dominierender Anreiz könnte
nicht mehr unterliegen.
Damit preference reversal erklärt werden kann, muss von einem hyperbolischen
Verlauf der Diskontierungskurven ausgegangen werden, der für unmittelbare
zeitliche Nähe den Wert des SS rapide und disproportional ansteigen und die
zunächst höher gelegene LL-Kurve schneiden und dann dominieren lässt. Die Formel
V
für eine Diskontierungsfunktion lautet: v = 1 + kd , wobei v dem aktuellen
diskontierten Wert, V dem undiskontierten Wert, d der Distanz und k dem jeweiligen
Diskontierungsparameter entspricht. Als Nenner wird 1 + kd statt nur kd gewählt,
damit für eine sehr kleine Distanz der Wert des Bruches V entspricht und nicht gegen
unendlich geht, was unplausibel wäre.
50. Beschreiben Sie den Aufbau und die Ergebnisse der Studie von Rachlin & Green
(1972) zum preference reversal.
 Rachlin & Green (1972): Tauben wurden zunächst vor die Entscheidung gestellt,
eine blaue oder eine gelbe Taste zu drücken, wobei Blau sofortige 2-sekündige
Futtergabe und Gelb 4-sekündige Futtergabe mit 4 sec Verzögerung zur Folge
hatte; eine zweite eingeführte Bedingung ließ die Tauben zunächst zwischen
einer roten und einer grünen Taste wählen, wobei Rot nach 10 sec die
ursprüngliche Entscheidungssituation Blau-Gelb zur Folge hatte, und für Grün
nach 14 sec ohne erneute Entscheidungssituation eine 4-sekündige Futtergabe
folgte;
 Ergebnisse: bei Entscheidung zwischen Blau und Gelb drücken die Tauben
Blau, obwohl Gelb an sich attraktiver wäre; bei der vorgeschalteten RotGrün-Entscheidung jedoch bevorzugen die Tauben Grün, so dass die
Versuchung des sofortigen kurzen Verstärkers nach 10 sec vermieden und
nach 14 sec der längere Verstärker konsumiert werden kann;
 Preference reversal: SS-Dominanz über LL bei sofortiger SS-Gabe und LLLatenz von 4 sec nicht überwindbar, für gleiche Latenz bei möglicher SSGabe nach 10 sec jedoch schon  für kritische Nähe lässt sich SSDominanz nicht überwinden; es wird, wenn möglich, die Situation
bevorzugt, in der es zu keiner Versuchungsentscheidung kommt!
51. Wofür stehen die Begriffe SS und LL in Versuchungssituationen? Skizzieren Sie
entsprechend dem Modell der hyperbolischen Diskontierung graphisch den Verlauf
von Präferenzen in Abhängigkeit von der zeitlichen Entfernung in einer Situation, in
der ein SS- und ein LL-Anreiz miteinander konkurrieren.
In einer Versuchungssituation steht SS (smaller-sooner) für einen eigentlich kleinen
Anreiz, der durch kritische zeitliche Nähe attraktiver wird. LL (larger-later) steht für
einen eigentlich starken Anreiz, der jedoch durch größere zeitliche Entfernung
abgewertet und weniger attraktiv wird.
52. Inwiefern haben wiederholte Entscheidungssituationen die Struktur eines
Gefangenendilemmas? Wie lässt sich das Dilemma auflösen? Ergänzen Sie Ihre
Ausführungen mit einem Beispiel.
Ein Gefangenendilemma grundsätzlich ist eine durch Spieltheoretiker erdachte
Wahlsituation mit zwei Beteiligten, in der zwei Verbrecher jeweils entscheiden
müssen, ob sie gestehen oder schweigen. Schweigen beide, bekommen beide nur 1
Jahr Gefängnis. Redet einer, während der andere schweigt, bekommt der
Schweigende 10 Jahre und der Redende ist frei. Reden beide, so bekommen sie beide
9 Jahre. Das Dilemma an der Situation ist nun, dass – egal, wie sich der andere
entscheidet – Reden an sich immer besser ist. Denn schweigt der andere, bringt
Reden die Freiheit, redet der andere bringt Reden 9 statt 10 Jahren Gefängnis. Für
beide ist es also am logischsten zu reden, was jedoch dazu führt, dass beide 9 Jahre
erhalten, obwohl für das Schweigen beider jeder nur 1 Jahr bekommen hätte. Die
plausibelste Entscheidung für beide führt also nicht zum bestmöglichen Ergebnis.
Auf wiederholte Wahlsituationen lässt sich dasselbe Entscheidungsmodell
anwenden. Man hat z.B. jetzt und auch in der Zukunft die Entscheidung, für das
Studium zu lernen oder zu faulenzen. Es entstehen vier Kombinationsmöglichkeiten.
Wer jetzt faulenzt und in Zukunft lernt, der genießt jetzt und schafft das Studium
(++). Wer jetzt und auch in Zukunft lernt, verfehlt den Genuss, schafft aber das
Studium (+). Wer jetzt und in Zukunft faulenzt, genießt jetzt, schafft aber das Studium
nicht (-), und wer jetzt lernt, aber in Zukunft faulenzt, verfehlt den Genuss und
schafft das Studium nicht(--). Die beste Wahlalternative scheint also zu sein, jetzt zu
faulenzen und in Zukunft zu arbeiten. Und auch, wenn man in Zukunft faulenzen will,
ist jetzt zu faulenzen die bessere der beiden Alternativen. Faulenzen ist also in jedem
Fall die bessere Entscheidung. Dies wiederum gilt jedoch für jeden einzelnen Tag, so
dass man das Studium am Ende nicht schafft, wenn man jeden Tag faulenzt, obwohl
dies an sich stets die beste Alternative ist. Dies ist das Dilemma: Jeden Tag das Beste
zu wählen, lässt einen des Endziel verfehlen.
Auflösen lässt sich das Dilemma, indem man sich klarmacht, dass Entscheidungen
heute von Entscheidungen in der Zukunft nicht unabhängig sind, sondern sogar
diagnostisch dafür. Faulenzt man heute, dann wird man es wahrscheinlicher auch
morgen und in Zukunft tun als wenn man heute lernt. Somit lassen sich die beiden
Wahlalternativen streichen, die voraussetzen, dass man in Zukunft anders handeln
wird, nämlich die, heute zu faulenzen und in Zukunft zu lernen (++) und die, heute zu
lernen und in Zukunft zu faulenzen (--). Was bleibt, ist immer zu faulenzen (-) oder
immer zu lernen (+), wobei man sich dann für die bessere Alternative, nämlich immer
zu lernen, entscheiden wird.
IV.
Rationale Kalkulation I – Nutzenmaximierung
53. Welcher Aspekt des Verhaltens soll durch Nutzenmaximierungs- und Erwartung x
Wert-Ansätze vor allem erklärt werden?
Durch Nutzenmaximierungs- und Erwartung x Wert-Theorien soll vor allem die
Richtung des Verhaltens und weniger seine Stärke erklärt werden. Man hat hierbei
einen kognitiven Ansatz, der vor allem Antizipation und Bewertung von
Handlungskonsequenzen einbezieht und davon ausgeht, dass der Mensch je nach
subjektiven Präferenzen eine Entscheidung zwischen mehreren Alternativen trifft,
nicht also ein willenloser Spielball psychologischer Kräfte ist.
54. Was ist eine Nutzenfunktion?
Eine Nutzenfunktion u ordnet als Vektoren verschiedener Aspekte gegebenen
Ergebnissen subjektive Nutzenwerte zu und ordnet die Ergebnisse damit
hierarchisch. Sie ist keine Theorie der Entstehung subjektiver Nutzenantizipation,
sondern bildet lediglich den Nutzen von Ergebnissen auf eine uniforme und
numerische Nutzendimension ab. Eine Nutzenfunktion kann nicht direkt abgebildet
werden, sondern muss aus Entscheidungen einer Person erschlossen werden nach
dem Prinzip, dass ein Ergebnis y, das über ein anderes Ergebnis x präferiert wird
einen Nutzenwert u(y) > u(x) hat.
55. Was versteht die Nutzenmaximierungstheorie unter einem (Handlungs-)Ergebnis
(outcome)?
Unter einem Ergebnis versteht die Nutzenmaximierungstheorie einen Vektor
verschiedener Bewertungsaspekte einer Situation. Dieser setzt sich zusammen aus
allen nutzenrelevanten Aspekten und gibt den subjektiven Nutzen einer
Handlungsalternative wider. Um Ergebnisse vergleichbar zu machen, müssen sie
durch eine Nutzenfunktion u auf eine uniforme Nutzendimension abgebildet werden.
56. Wie lässt sich nach von Neumann & Morgenstern der erwartete Nutzen einer
Handlung ermitteln, wenn das Ergebnis dieser Handlung unsicher ist?
Der erwartete Nutzen einer unsicheren Handlung kann aus der Summe der
Nutzenwerte der potenziellen Ergebnisse gewichtet mit ihren jeweiligen
Auftretenswahrscheinlichkeiten errechnet werden. Hat eine Handlung die möglichen
Ausgänge x und y, und x tritt mit der Wahrscheinlichkeit p und y mit der
Wahrscheinlichkeit q auf, dann ist der Nutzen der Handlung:
u(x,p; y,q) = u(x) ∙ p + u(y) ∙ q.
57. Was ist die Grundidee der Nutzenmaximierung?
Die Grundidee der Nutzenmaximierung ist die, dass der Mensch immer danach
strebt, die Option mit dem höchsten subjektiven Nutzen zu wählen. Das Kriterium
einer rationalen Entscheidung ist der höchste subjektive Nutzen dieser. Der Nutzen
selbst wird ermittelt durch die Abbildung von Ergebnisvektoren auf eine uniforme
Nutzenwertdimension, die Nutzenfunktion u.
58. Erklären Sie, was mit Risikoaversion gemeint ist.
Mit Risikoaversion ist gemeint, dass man bei potenziellen Gewinnen im Gegensatz zu
potenziellen Verlusten sicher gehen will und statt einer Alternative mit hohem Wert,
aber geringer Auftretenswahrscheinlichkeit, lieber eine mit niedrigerem Wert und
dafür hoher Auftretenswahrscheinlichkeit wählt. Erklärbar ist dies mit dem
asymptotischen Verlauf der Nutzenfunktion, da der Wert eines Gewinns desto
weniger stark zunimmt, je größer er wird. Ein potenziell höherer Gewinn wird damit
nicht proportional zu seiner absoluten gesteigerten Größe wertvoller im Vergleich zu
einem niedrigeren Gewinn. Somit nimmt man lieber einen niedrigeren, aber
sichereren Gewinn, da ein vollständiger Gewinnverlust durch den Verlauf der
Nutzenfunktion auch dann schwerer wiegen kann als das Nicht-Gewinnen der
Differenz von größerem und kleineren Gewinn, wenn er eigentlich kleiner als diese
ist.
59. Bei welchen Entscheidungssituationen beobachtet man typischerweise
Risikoaversion, und bei welchen Situationen findet man Risikosuche? Schildern Sie
hierzu ein Entscheidungsszenario. Wie erklärt man dieses Ergebnis?
In Entscheidungssituationen, in denen es zwei mögliche Gewinne unterschiedlicher
Höhe gibt, von denen der höhere mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als der
niedrigere eintritt, beobachtet man typischerweise Risikoaversion, also die Tendenz,
den sichereren, aber kleineren Gewinn dem unsichereren, aber größeren
vorzuziehen. Risikosuche findet man bei potenziellen Verlusten, wobei
typischerweise ein größerer Verlust, der aber mit einem niedrigeren Risiko eintritt,
einem kleineren aber sichereren Verlust vorgezogen wird. Würde man z.B. vor die
Entscheidung gestellt, sicher 10 Euro oder aber 20 Euro mit einer Wahrscheinlichkeit
von 50% zu erhalten, würden wahrscheinlich die sicheren 10 Euro bevorzugt werden.
Umgekehrt würde man bei einem sicheren Verlust von 10 Euro oder aber einem
Verlust von 20 Euro, der mit einer 50%-Chance eintritt, letztere Alternative wählen.
Erklären lassen sich Risikoaversion bei Gewinnentscheidungen und
Risikosuche bei Verlustentscheidungen mit dem doppelt asymptotischen Verlauf der
Nutzenfunktion, die im ersten und dritten Quadranten sich jeweils einem positiven
bzw. negativen Wert annähert. Dies impliziert, dass höhere Gewinne im Wert nicht
proportional zu ihrer gesteigerten Höhe wachsen, sondern desto weniger wertvoller
werden, je größer sie werden. Ein doppelt so hoher Gewinn wird also als weniger als
doppelt so wertvoll angesehen. Umgekehrt verhält es sich bei Verlusten, so dass ein
höherer Verlust nicht im gleichen Maße, in dem er höher wird, als solcher
empfunden wird. Ein höherer Verlust wird also als desto weniger schwerer
empfunden, je höher er ist. Ein doppelt so hoher Verlust wird also nicht als doppelt
so schlimm empfunden.
60. Was ist mit der Aussage „losses loom larger than gains“ in der prospect-Theorie von
Kahneman & Tversky gemeint? Nennen Sie einen Beleg für diese These.
„Losses loom larger than gains“ meint die Tatsache, dass der asymptotische Verlauf
der Nutzenkurve im negativen Bereich relativ zum Verlauf im positiven Bereich steiler
ist, also ein Verlust schwerer wiegt als ein Gewinn gleichen Betrages es in die andere
Richtung tut. Man würde sich beispielsweise nicht auf ein Spiel einlassen, bei dem
man mit 50%iger Chance 10 Euro gewinnt und mit 50%iger Chance 10 Euro verliert,
da der Verlust von 10 Euro mehr Gewicht hat als der Gewinn der selben Summe.
61. Was versteht man unter framing-Effekten? Nennen Sie ein Beispiel für einen
solchen framing-Effekt. Inwieweit widersprechen framing-Effekte klassischen
Axiomen einer rationalen Nutzentheorie?
Unter framing-Effekten versteht man das Phänomen, dass aufgrund des steileren
Verlaufs der Verlustkurve der Nutzenfunktion verglichen mit der Gewinnkurve ein
und dieselbe Entscheidungssituation, abhängig davon, ob sie als Gewinn- oder
Verlustentscheidung dargestellt wird, von Menschen mitunter unterschiedlich
bewertet und entschieden wird.
Bsp.: Eine Krankheit bedroht 600 Menschenleben. Wird Programm A eingesetzt so
überleben 200 und sterben 400 Menschen sicher, wird Programm B eingesetzt, so
überleben alle und niemand stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel,
mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln jedoch sterben alle und niemand
überlebt.
Ja nachdem, ob man die Situation als Gewinnentscheidung („Entweder rettet man
200 sicher oder man rettet 600 mit einem Drittel Wahrscheinlichkeit.“) oder als
Verlustentscheidung („Man verliert 400 sicher oder verliert alle mit einer
Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln.“) formuliert, entscheiden Menschen sich in
derselben Situation völlig unterschiedlich. Bei der Formulierung als
Gewinnentscheidung wählen 72% die sichere Rettung von 200, im Falle einer
Verlustentscheidung wählen 78% den Tod von allen 600 mit einer Zwei-DrittelWahrscheinlichkeit.
Abhängig von der Formulierung entscheidet man sich also in derselben Situation für
verschiedene Alternativen. Damit widersprechen framing-Effekte den
Konsistenzpostulaten der rationalen Nutzentheorie, die voraussetzen, dass eine
Entscheidung, die über eine andere präferiert wird, einen höheren Nutzenwert hat
und somit immer der anderen vorgezogen werden muss. Dies ist im obigen Beispiel
nicht der Fall.
62. Welche Anomalien postulieren Kahneman & Tversky bei der Übersetzung
objektiver Wahrscheinlichkeiten in subjektive Entscheidungsgewichte? Nennen Sie
ein Beispiel, das die Auswirkungen dieser Sprünge und Ungleichmäßigkeiten dieses
Zusammenhangs auf das Entscheidungsverhalten belegt.
Bei der Übersetzung objektiver Wahrscheinlichkeiten in subjektive
Entscheidungsgewichte postulieren Kahneman & Tversky, dass es qualitative Sprünge
im unteren und oberen Bereich der Gewichtungsfunktion gibt. Zwischen
Unmöglichkeit (p = 0) und einer nur marginal über Null liegenden Wahrscheinlichkeit
findet eine drastische Erhöhung des subjektiven Gewichts statt, so dass eine sehr
kleine Wahrscheinlichkeit dramatisch überschätzt wird. Genauso wird eine sehr hohe
Wahrscheinlichkeit, marginal kleiner als 1, im Vergleich zum sicheren Ereignis (p =
1.0) durch die Gewichtungsfunktion drastisch gesenkt und unterschätzt. Im Bereich
relativ niedriger bis sehr hoher Wahrscheinlichkeiten liegt das subjektive Gewicht
stets unter der objektiven Wahrscheinlichkeit. Im Bereich niedriger
Wahrscheinlichkeiten schneiden sich die objektive und die Gewichtungsfunktion, so
dass für sehr niedrige Wahrscheinlichkeiten bis zum Punkt des qualitativen Sprungs
auf Null die Gewichtungsfunktion über den objektiven Werten verläuft.
Ein Beispiel für die Anomalien im unteren Bereich der Gewichtungsfunktion: Eine
Versicherung gegen Erdbeben (Erdbebenwahrscheinlichkeit p gering) kostet eine
bestimmte Prämie. Diese ist einem Kunden zu hoch, so dass der
Versicherungskaufmann vorschlägt, die Prämie zu halbieren und Schutz gegen
Erdbeben dafür nur an ungeraden Daten zu gewährleisten. Objektiv hat sich das
Angebot nun verbessert, da für die Hälfte des Geldes an über der Hälfte aller Tage
des Jahres Schutz gewährleistet ist. Jedoch würde niemand auf den Vorschlag
eingehen, da die Differenz der Erdbebenwahrscheinlichkeit p - p/2 als wesentlich
geringer als die von p/2 auf 0 empfunden wird.
63. Was ist das Ziel der Spieltheorie?
Die Spieltheorie modelliert menschliche Entscheidungssituationen. Ihr Anspruch ist
es, eine normative Theorie menschlicher Entscheidungen zu sein, die aufzeigt, was in
einer Situation die objektive beste Entscheidung ist, unter der Voraussetzung, dass
das Handeln von Menschen auf Nutzenmaximierung ausgerichtet ist. Die objektiv
beste Strategie eines Spiels wird seine „Lösung“ genannt. Zudem will die Spieltheorie
darstellen, wie Menschen sich tatsächlich entscheiden, was sich nicht immer mit der
objektiv besten Lösung deckt. Besonders relevant ist dies, wenn mehrere Spieler
beteiligt sind und der Ausgang des Spiels von den kombinierten Entscheidungen aller
abhängt.
64. Was ist ein soziales Interaktionsspiel? Nennen Sie ein typisches spieltheoretisches
Beispiel.
Ein soziales Interaktionsspiel ist ein Spiel mit mehreren Spielern, bei dem der
Ausgang von der kombinierten Entscheidung aller Spieler abhängt. Optimiert wird
dabei nur der eigene Nutzen jedes einzelnen. Interesse am Ergebnis anderer Spieler
in Form von Neid, Missgunst oder Mitleid wird als im eigenen Nutzenwert implizit
aufgefasst. Ein typisches Beispiel ist das Gefangenendilemma, bei der die
Gefängnisstrafe eines Verbrechers für Aussage oder Schweigen stets von der
Entscheidung seines Mitgefangenen abhängt.
65. Von welchen Faktoren hängt das Ergebnis für einen Spieler im Interaktionsspiel ab?
Das Ergebnis eines Interaktionsspiels hängt stets von den kombinierten
Entscheidungen aller ab, also für einen einzelnen Spieler von seiner eigenen
Entscheidung und der seiner Mitspieler.
66. Für die Maximierungsentscheidung eines Spielers sind einzig und allein die
persönlichen Nutzenwerte entscheidend; die Nutzenwerte der Mitspieler sind
vollkommen irrelevant – sie spielen nur für die Erwartung bzgl. der zu erwartenden
Handlungen der Mitspieler eine Rolle. Auf welchem Weg können im Rahmen der
Spieltheorie dennoch Ziele, die sich direkt auf den Nutzen anderer Spieler beziehen
(z.B. der Wunsch, mehr zu haben als der andere, der Wert der Fairness, etc.)
Einfluss auf die Entscheidung nehmen?
Dem rein objektiven Maximierungsnutzen werden mögliche Interessen am
Nutzenwert der anderen Spieler eingespeist, so dass diese bereits im persönlichen
Nutzenwert enthalten sind. Dabei kann es sich um Interessen handeln, die z.B. von
Neid, Missgunst oder aber Mitleid getragen werden, so dass der eigene Nutzen dann
z.B. am höchsten ist, wenn man mehr als der andere hat, den Gewinn des anderen
verhindert oder aber fair geteilt hat.
67. Nennen Sie zwei spieltheoretische Methoden, um optimale
Verhaltensentscheidungen zu identifizieren und suboptimale Optionen zu
eliminieren. Illustrieren Sie jede Technik jeweils mit einem spieltheoretischen
Beispiel.
Um optimale Verhaltensentscheidungen zu identifizieren, müssen
Gleichgewichtspunkte in den Nutzenmatrizen bestimmt werden, an denen sich kein
Spieler durch Abweichen von seiner Wahl verbessern kann. Um suboptimale
Optionen zu eliminieren, muss man dominierte Strategien identifizieren und
streichen. Dominierte Strategien sind solche, die in keinem Fall die beste
Entscheidungsalternative darstellen und somit nicht zur Nutzenmaximierung
geeignet sind.
Bsp.:
 1 und a sind dominierte Strategien, da 2 bzw. b immer besser ist;
 (16,16) ist ein Gleichgewichtspunkt, da sich kein Spieler
durch alleinige Abweichung von der Entscheidung verbessern kann;
68. Was ist ein einfaches Spiel und was ist ein Superspiel? Geben Sie jeweils ein
Alltagsbeispiel.
Ein einfaches Spiel wird einmal durchgeführt und nicht wiederholt; der Nutzen aller
Beteiligten wird nur im Hinblick auf den einmaligen Ausgang optimiert. Ein
Alltagsbeispiel ist Taschendiebstahl. Obwohl man den Vorgang als Taschendieb
vielleicht häufig durchführt, tut man dies immer wieder bei neuen Menschen, die
einen nicht kennen und die man selbst nicht kennt. Der Nutzen wird durch den
Diebstahl maximiert und keine Wiederholung des gleichen Vorgangs durchgeführt.
Ein Superspiel ist ein Spiel, das in gleicher Konstellation mit gleichen
Teilnehmern zu ähnlichen Nutzenkonditionen immer wieder durchgeführt wird.
Teilnehmer haben hierbei die Möglichkeit, andere in folgenden Runden zu bestrafen,
wenn sie von der vereinbarten, für alle idealen Strategie abweichen, indem sie sich in
zukünftigen Durchgängen auch anders entscheiden. Ein Alltagsbeispiel ist Kloputzen
in der WG. Der Nutzen aller ist auf Dauer am höchsten, wenn jeder regelmäßig dann
putzt, wenn er an der Reihe ist. Tut er das nicht, so ist der Nutzen kurzfristig zwar
höher, in Zukunft wird er mit dieser Strategie aber von den anderen bestraft werden,
indem sie z.B. auch nicht putzen oder ihm häufiger den Putzdienst zuteilen.
69. Welche der folgenden Alltagsbeispiele sind Nullsummenspiele: Küssen, Boxkampf,
versuchter Diebstahl, Spenden? Bitte kurze Begründung.
Boxen, versuchter Diebstahl und Spenden sind Nullsummenspiele. Beim Boxen ist
Gewinnmaximierung der Gewinn des Kampfes und den kann nur einer erhalten. Beim
Diebstahl ist ebenfalls der Erfolg eines Spielers der Misserfolg des anderen. Entweder
wird der Dieb ertappt und dem Besitzer kein Schaden zugefügt, jedoch dem Dieb,
oder der Dieb kommt davon. Beim Spenden wird ein Geldbetrag aufgeteilt in einen,
den man behält und einen, den man weggibt. Der Gewinn des Beschenkten ist immer
der Verlust des Spenders.
Küssen ist kein Nullsummenspiel, der der Pot nicht konstant ist. Der Kuss kann für
beide sehr angenehm sein, oder nur für einen von beiden, oder aber für beide
unangenehm.
70. Was ist ein Gleichgewichtspunkt? Beispiel.
Ein Gleichgewichtspunkt ist ein Punkt in einer Nutzenmatrix, an dem sich kein Spieler
durch eigenmächtiges Abweichen von der Entscheidung verbessern kann.
Gleichgewichtspunkte sind die idealen Entscheidungen, da man durch seine
Entscheidung den anderen zwingen kann, sich entsprechend dem
Gleichgewichtspunkt zu entscheiden.
Bsp.:  siehe 67.
71. Was ist eine dominierte Strategie? Beispiel.
Eine dominierte Strategie ist eine Handlungsalternative, die in keinem möglichen Fall
des Spiels die beste Alternative darstellt, die also immer schlechter ist als mindestens
eine andere.
Bsp.:  siehe 67.
72. Definieren Sie den Begriff des nicht-kooperativen Spiels. Wie kann in solchen
Spielen dennoch Kooperation entstehen?
In nicht-kooperativen Spielen findet im Gegensatz zum kooperativen Spiel kein
bindender Vertragsschluss statt, dessen Nicht-Einhaltung extern sanktioniert werden
könnte. Die Spieler entscheiden alle eigenmächtig im Sinne der eigenen
Nutzenmaximierung. Kooperation entsteht dann dadurch, dass alle Spieler nach
Gleichgewichtspunkten suchen, an denen sich kein anderer durch Abweichung von
der Entscheidung verbessern und damit eventuell sie selbst verschlechtern kann.
Wenn alle sich für den Gleichgewichtspunkt entscheiden, geht man auch in einem
nicht-kooperativen Spiel den für alle besten Kompromiss ein, der stabil ist, und hat
kooperiert.
73. Skizzieren Sie die payoff-Matrix des „chicken“-Spiels. Wie kann man den Mitspieler
bei diesem Spiel dazu bringen, die vorsichtige Verhaltensoption zu wählen, so dass
man selbst gute Chancen hat, durch Wahl der gefährlichen Option den maximalen
Nutzen zu erzielen?
-
C = careful
D = daring
 Um den Mitspieler dazu zu bewegen, die vorsichtige Verhaltensoption zu wählen,
muss man ihm glaubhaft vermitteln, dass man selbst auf jeden Fall die gefährliche
wählen wird, so dass er dann die Situation (-100,-100) vermeidet, indem er
ausweicht. Hierzu sollte man z.B. das eigene Lenkrad abnehmen und aus dem
Fenster werfen, so dass es an der eigenen Wahl keinen Zweifel mehr geben kann.
74. Inwiefern benutzen die Nutzen- und Spieltheorie einen verkürzten Begriff von
Rationalität?
In Nutzen- und Spieltheorie ist rational, was den eigenen Nutzen maximiert. Nutzen
ist hierbei das, was den eigenen individuellen Präferenzen entspricht. Diese werden
als gegeben vorausgesetzt. Individuelle Präferenzen können mitunter jedoch sehr
unvernünftig sein und ein für die Person sehr schlechtes Ergebnis nach sich ziehen, so
dass es verkürzt ist, Rationalität nur als Nutzenoptimierung hinsichtlich der
individuellen Interessen zu verstehen. Eine Präferenz, die etwas Schlechtes zur Folge
hat, kann nicht als rationales Kriterium der Nutzenmaximierung angesehen werden.
75. Nennen Sie Befunde zum Entscheidungs- und Wahlverhalten, die gegen eine rein
egoistische Form der Nutzenmaximierung sprechen.
Im Ultimatumspiel lehnen Spieler mitunter eine Pot-Aufteilung von 7:3 in ihrem
Sinne als unfair für den anderen ab, und auch im Diktatorspiel sind 5:5 Verteilungen
zu beobachten. Dies spricht dafür, dass Nutzenmaximierung nicht rein egoistisch
geschieht, vielmehr gibt es eine gewisse Tendenz zu fairen Optionen. Der Einfluss von
Eigeninteresse bei der Wahl einer Handlungsalternative scheint also in der Nutzenund Spieltheorie überschätzt zu werden.
76. Kontrastieren Sie die Begriffe des Maximizing und des Satisficing.
Als Maximizing bezeichnet man die Wahl von Handlungsalternativen, die den eigenen
Nutzenwert auf das höchstmögliche Niveau bringen, also das Verlangen nach
maximaler Optimierung. Satisficing meint, nicht unbedingt das allerbeste Ergebnis
erzielen zu wollen, sondern sich mit einem bestimmten Nutzenwert
zufriedenzugeben, der gut genug ist. Hinter Satisficing steht auch die Angst, zu kurz
zu kommen und daher schon weniger als die beste Optimierung zu akzeptieren. In
Spielen findet man häufig statt Maximizing eher Satisficing.
77. Worin unterscheidet sich die von Herrnstein postulierte „meliorization“ von der in
der Nutzenmaximierung geforderten „optimization“?
Das Konzept der „optimization“ geht davon aus, dass ein Mensch sich immer so
entscheidet, dass sein Nutzen kurzfristig- und langfristig bestmöglich optimiert wird.
„Meliorization“ jedoch meint, dass ein Mensch seinen Nutzen zwar kurzfristig
optimal erhöht, durch häufige Wahl kurzfristig guter Alternativen diese jedoch
abwertet und nicht-gewählte Alternativen in ihrem Wert erhöht. Der Wert einer
Alternative ist also abhängig davon, wie häufig oder selten sie gewählt wird. Das
Konzept der „meliorization“ bezieht indirekte, reflexive Konsequenzen wiederholter
Entscheidungen auf payoff-Strukturen mit ein, die im „optimization“-Konzept der
Nutzenmaximierung nicht beachtet werden und nimmt an, dass Menschen durch
Nicht-Beachtung langfristiger Veränderungen der payoff-Strukturen häufig zu
kurzsichtig und dadurch mitunter irrational entscheiden.
78. Inwiefern kann sich die Proportion, in der die verschiedenen Handlungsalternativen
in einer wiederholten Wahlsituation ausgeführt werden, auf die erreichbaren
Nutzenwerte auswirken? Illustrieren Sie Ihre Ausführungen mit einem
Alltagsbeispiel.
Wählt man eine Handlungsalternative häufig, so senkt sich auf Dauer ihr Nutzenwert.
Wählt man eine Handlungsalternative hingegen selten, so erhöht sich ihr Nutzenwert
mit der Zeit. Der Nutzenwert einer Handlungsalternative hängt also von der
Häufigkeit ab, mit der sie gewählt wird. Je nach Veränderung der Proportion einer
Handlungsalternative verschieben sich die payoff-Strukturen zugunsten des
Nutzenwerts der jetzt seltener gewählten und zuungunsten dessen der nun häufiger
gewählten Alternativen.
Ein Alltagsbeispiel ist Tennisspielen. Spielt man einen bestimmten Schlag sehr häufig,
so wird er für den Gegner vorhersehbar und verliert an Wert. Gleichzeitig erhöht sich
der Nutzenwert eines selten gespielten Schlags, da er für den Gegner desto
unerwarteter kommt, je länger er nicht gespielt wurde.
79. Erklären Sie, warum die optimale Strategie der Verteilung von
Handlungsmöglichkeiten nach dem meliorization-Ansatz nicht stabil ist.
Da der Mensch nur kurzfristig von Situation zu Situation die jeweils optimale
Entscheidung trifft, wird eine Alternative solange gewählt, bis eine andere im
Nutzenwert höher ist. Diese wiederum wird solange gewählt, bis wieder die andere
besser ist. Durch Verweilen an diesem lokalen Optimierungspunkt, nämlich dem
Schnittpunkt der Nutzenwerte beider Handlungsalternativen, verharrt eine Person
nicht beim eigentlichen globalen Maximum, dass vom Schnittpunkt verschieden ist,
jedoch nicht identifiziert werden kann. Befindet eine Person sich am Maximum, so
wird sie die aktuell bessere Handlungsalternative steigern, bis sie an Wert verloren
hat. Die optimal proportionierte Strategie ist damit nicht stabil.
80. Erklären Sie das Phänomen der psychischen Abhängigkeit auf der Basis der
meliorization-Theorie von Herrnstein.
Am Beispiel eines Alkoholikers stellt sich die psychische Abhängigkeit nach der
meliorization-Theorie dar als Wettstreit zwischen den Verhaltensalternativen des
Trinkens alkoholischer oder nicht-alkoholischer Getränke. Die prinzipielle Situation ist
übertragbar auf andere psychische Abhängigkeiten. Für einen schon länger trockenen
Alkoholiker steigert sich die Attraktivität von sowohl alkoholischen wie auch nichtalkoholischen Getränken mit der Zeit, die er schon keinen Alkohol mehr getrunken
hat. Der Alkohol wird immer verlockender, aber auch ein trockener Abend gewinnt
an Attraktivität, da der direkte Entzug nachlässt. Das globale Maximum der
Nutzenfunktion der beiden Alternativen befindet sich bei einem Verhältnis von über
95% nicht-alkoholischen Getränken und einer sehr seltenen Wahl von Alkohol. Diese
dauerhaft optimale Strategie kann aber nicht identifiziert werden, sondern vielmehr
wird sich ein ehemaliger Säufer eher für die Alternative Alkohol entscheiden, da sie
kurzfristig attraktiver ist. Durch häufige Wahl von Alkohol im Vergleich zu nichtalkoholischen Getränken, verliert der Alkohol jedoch immer weiter an Attraktivität,
da man in die volle Abhängigkeit mit allen negativen Konsequenzen zurückrutscht.
Die Alternative des alkoholischen Getränks wird solange gewählt, bis schließlich das
nicht-alkoholische einen höheren Nutzen hat, da die Nutzenkurve der nichtalkoholischen Getränke weniger steil nach links abfällt. Der Säufer wird sich nun
immer im Bereich dieses lokalen Optimierungspunkts bewegen, da er gemäß dem
meliorization-Ansatz stets kurzfristig optimiert, da er das globale Maximum nicht
identifizieren kann und durch stetige Wahl der kurzfristig attraktiveren Alternative
deren Wert und hier auch den Wert der nicht-gewählten Alternative senkt. Der lokale
Optimierungspunkt an dem sich die beiden Nutzenfunktionen schneiden, befindet
sich bei ehemaligen Alkoholikern weiter links als bei Nicht-Abhängigen.
V.
Rationale Kalkulation II – Erwartung x Wert
81. Welche Arten von Erwartungen unterscheidet das kognitive Erwartung x WertModell von Heckhausen? Erklären Sie anhand von Beispielen, was mit den
unterschiedlichen Erwartungen gemeint ist.
-
-
-
Situations-Ergebnis-Erwartung P(E|S): Erwartung, wie weit der Ergebnisspielraum
der Situation ist und inwieweit das Ergebnis schon feststeht; Bsp.: Noten in der
Schule haben Spielraum 1-6; in bestimmten Fächern sehen manche Schüler ihre
Note evntl. als unveränderbar festgelegt schlecht an;
Handlungs-Ergebnis-Erwartung P(E|H,S): Erwartung, welches Verhalten in einer
Situation welche Ergebnisse zur Folge haben wird; kommt Nutzenmaximierung
nahe; Bsp.: Lernen vor Prüfung hat bessere Note zur Folge als Faulenzen;
Ergebnis-Folge-Erwartung P(F|E): instrumentelle Verknüpfung übergeordneter
Ziele mit konkreten Ergebnissen; Erwartung, inwiefern verschiedene Ergebnisse
relevant für verschieden valente Ziele sind oder nicht; Bsp.: wer einen guten
Abschluss hat, bekommt einen guten Studienplatz vs. Es gibt in dem Studienfach
keinen n.c.  Abschluss egal für Konsequenz;
82. Definieren Sie den Begriff der Instrumentalität.
Instrumentalität ist die antizipatorische Verknüpfung übergeordneter Ziele mit
bestimmten konkreten Handlungsergebnissen, also der Grad der Erwartung
bestimmter Konsequenzen als Folge von erreichten Ergebnissen. Formalisiert ist
Instrumentalität die bedingte Wahrscheinlichkeit einer Folge F, gegeben ein
erreichtes Ergebnis E, P(F|E).
83. Welche Arten von Erwartungen stärken die Motivation, welche untergraben sie?
Nennen Sie jeweils Beispiele.
Eine hohe Situations-Ergebnis-Erwartung untergräbt die Motivation, wenn man
annimmt, dass das Ergebnis durch die Situation ohnehin schon feststeht. Wenn man
glaubt, durch Lernen seine Note nicht verbessern zu können, hat man keine
Motivation zu lernen.
Eine hohe Handlungs-Ergebnis-Erwartung bei niedriger Situations-ErgebnisErwartung stärkt die Motivation, wenn man annimmt, dass durch eigenes Handeln
der Ausgang der Situation beeinflusst werden kann. Glaubt man, durch Lernen eine
gute Note schreiben zu können, so ist man auch motiviert viel zu lernen.
Eine hohe Ergebnis-Folge-Erwartung bei ebenfalls hoher Handlungs-ErgebnisErwartung stärkt die Motivation, wenn man glaubt, dass ein durch eigenes Handeln
erreichtes Ergebnis eine positiv valente Konsequenz nach sich ziehen wird. Glaubt
man, durch einen guten Abschluss einen guten Studienplatz zu bekommen, dann ist
man motiviert zu lernen und gute Noten zu schreiben. Ist die antizipierte Konsequenz
negativ valent, so untergräbt eine hohe Ergebnis-Folge-Erwartung die Motivation.
Glaubt man, durch Diebstahl sicher ins Gefängnis zu kommen, so stiehlt man nichts.
84. Nutzen Sie das kognitive Erwartungs-Wert-Modell der Handlungserklärung von
Heckhausen, um nach Erklärungen dafür zu suchen, warum eine Person ein
sinnvolles oder wünschenswertes Verhalten nicht zeigt (z.B. nicht regelmäßig zum
Zahnarzt geht, soziale Kontakte vermeidet, etc.).
Nach dem kognitiven Erwartungs-Wert-Modell der Handlungserklärung von
Heckhausen gibt es eine Reihe von Erklärungen, warum jemand ein sinnvolles
Verhalten – wie z.B. mit dem Rauchen aufzuhören – nicht zeigt. Zunächst kann es
sein, dass eine Person ein Ergebnis durch eine bestimmte Situation schon
vorherbestimmt sieht und nicht glaubt, dass der Ausgang veränderbar ist. Weiterhin
ändert man sein Verhalten nicht, wenn man glaubt, das Ergebnis nicht hinreichend
durch eigenes Handeln beeinflussen zu können, wenn einem die Konsequenzen aus
den Ergebnissen des Verhaltens nicht wichtig genug sind oder aber, wenn man denkt,
dass ein durch ein Verhalten erreichtes Ergebnis gar nicht die erwünschten Folgen
nach sich zieht.
Es gibt also vier Erklärungen dafür, wieso man ein an sich wünschenswertes
verhalten nicht zeigt.
85. Worin unterscheidet sich das von Bandura eingeführte Konzept der
Selbstwirksamkeit („self-efficacy“) von den Handlungs-Ergebnis-Erwartungen der
klassischen kognitiven Erwartung x Wert-Ansätze?
Eine Handlungs-Ergebnis-Erwartung bezeichnet die Antizipation der
Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte ausgeführte Handlung ein bestimmtes
Ergebnis hervorrufen wird. Dies ist eine allgemeine Einschätzung der Ergebnisse von
Handlungen. Das Konzept der Selbstwirksamkeit meint die personenbezogene
Einschätzung, eine zielführende Handlung auch selbst ausführen zu können, also in
der Lage zu sein, eine gemäß Handlungs-Ergebnis-Erwartung vorteilhafte
Verhaltensweise auszuführen. Die Selbstwirksamkeit kann z.B. sehr niedrig sein, bei
hoher Handlungs-Ergebnis-Erwartung im Hinblick auf die gleiche Situation. Man kann
glauben, dass eine Verhaltensweise sicherlich zum gewünschten Ergebnis führt, sich
aber selbst nicht befähigt sehen, diese Handlung auszuführen, weil beispielsweise die
nötige Expertise fehlt.
86. Beschreiben Sie einen Fall, in dem Handlungs-Ergebnis-Erwartung und
Selbstwirksamkeitserwartung dissoziieren, so dass die Motivation trotz starker
Handlungs-Ergebnis-Erwartung niedrig ist.
Es ist möglich, dass eine Person davon überzeugt ist, sehr viel Geld sparen zu können,
wenn sie mit dem Rauchen aufhören würde, jedoch glaubt, zu abhängig zu sein, um
jemals damit aufhören zu können. Es besteht in diesem Fall eine hohe HandlungsErgebnis-Erwartung, da sie sich sicher ist, das positive Ergebnis durch eine bestimmte
Handlung erreichen zu können, sich aber nicht befähigt sieht, diese auszuführen.
87. Was sind spezifische und was sind generalisierte Erwartungen? Unter welchen
Bedingungen wird das Verhalten von welchem Typus von Erwartungen stärker
beeinflusst? Geben Sie jeweils ein Beispiel.
Spezifische Erwartungen sind solche, die auf früheren Erfahrungen in einer genau
gleichen oder sehr ähnlichen Situation basieren. Sie beeinflussen das Verhalten
stärker, wenn man die gleiche Situation schon zuvor erlebt hat. Ein Beispiel ist das
Halten eines Referats. Wenn man dies schon häufig gemacht hat und immer gut und
verständlich geredet hat, so ist man zuversichtlich, dass man es auch dieses Mal gut
schaffen wird.
Bei generalisierten Erwartungen werden frühere Erfahrungen aus anderen
Situationen auf aktuelle übertragen, auch wenn die frühere Situation mit der jetzigen
sehr wenig gemein hat. Generalisierte Erwartungen beeinflussen das Verhalten vor
allem in neuen und unbekannten Situationen. Ist man das erste Mal in seinem Leben
zu einem Vorstellungsgespräch geladen, so weiß man nicht genau, was einen
erwartet, wenn man jedoch meist sehr ungeschickt beim Reden vor anderen Leuten
war, erwartet man, es auch in dieser Situation zu sein. Generalisierte Erwartungen
können mitunter der Realität stark widersprechen, da sie oft aus Situationen
kommen, die nicht auf die aktuelle übertragbar sind.
88. Was ist mit internalem und externalem locus of control gemeint?
Internaler locus of control meint die Überzeugung, dass das Ergebnis einer Handlung
der eigenen Kontrolle unterliegt und nur von einem selbst abhängt.
Externaler locus of control ist hingegen die Überzeugung, dass äußere Faktoren wie
Schicksal oder Zufall für die Ergebnisse von Handlungen verantwortlich sind und man
selbst keinen Einfluss darauf hat.
VI.
Motive
89. Definieren Sie, was mit dem Begriff Motiv gemeint ist.
Motive sind zeitlich stabile und bereichsübergreifende Wahrnehmungs- und
Bewertungsdispositionen, die menschliches Verhalten steuern. In ihrer Eigenschaft
sind Motive latent, also immer vorhanden und werden durch bestimmte Situationen
und Reize aktiviert.
90. Was ist der Unterschied und worin besteht der Zusammenhang zwischen Motiv und
Motivation?
Motivation ist das Ergebnis des Zusammenwirkens eines Motivs und einer
entsprechenden Situation. Dieses Zusammenwirken löst zielgerichtetes Verhalten zur
Motivbefriedigung aus. Motivation kann als aktiviertes Motiv gesehen werden.
91. Nach welchen Inhaltsklassen werden Motive in der modernen
Motivationspsychologie organisiert? Geben Sie zu jedem Basismotiv eine kurze
inhaltliche Definition und grenzen Sie die verschiedenen Motive voneinander ab.
-
Leistungsmotiv: Bestreben, Rückmeldung über den Erfolg oder Misserfolg des
eigenen Handelns zu erhalten, dieses dadurch zu optimieren, hochzuhalten und
möglichst effektiv zum Einsatz zu bringen; entscheidend ist für das LM, dass
-
-
Leistungen erkennbar das Resultat eigener Anstrengung und Fähigkeit sein
müssen;
Anschlussmotiv: Bestreben, soziale Beziehungen zu fremden Leuten aufzubauen
und schon bestehende zu festigen und hierbei Konflikte zu vermeiden, um
möglichst hohe Gruppenzugehörigkeit herzustellen;
Machtmotiv: Bestreben, innerhalb sozialer Beziehungen den eigenen Willen auch
gegen Widerstand durchzusetzen und sich dadurch selbst zu behaupten,
Führungspositionen einzunehmen und Entscheidungsträger zu werden; das MM
widersetzt sich einem Untergehen des Einzelnen in der sozialen Gemeinschaft;
 In verschiedenen Situationen sind für verschiedene Motive verschiedene Aspekte
von Bedeutung; für das Anschlussmotiv ist in einer sozialen Situation die
möglichst harmonische Eingliederung in eine Gruppe von Bedeutung, für das
Machtmotiv das Erkennen sozialer Hierarchien und das Einbringen in sie und für
das Leistungsmotiv die Fähigkeiten und Leistungen der anderen und das
Hochhalten und Optimieren der eigenen Fähigkeit zum Problemlösen im
Vergleich mit ihnen;
92. Welche Funktion haben Motive für Individuen und die Spezies?
Grundmotive erhöhen den evolutionären Vorteil einzelner und der gesamten Gruppe
oder Spezies, indem sie effiziente Reaktionsmechanismen für bestimmte Typen von
Situationen bereitstellen und somit dem ultimaten Ziel der Weitergabe des Erbguts
durch bessere Anpassung dienlich sind. Kurzfristig haben Motive auch die Funktion
der positiven Affektänderung und damit Stimulierung des Individuums.
93. Unterscheiden Sie zwischen ultimaten und proximalen Zielen von Motiven.
Ultimates Ziel von Motiven ist die Erhöhung des evolutionären Vorteils durch
effiziente Reaktionsmechanismen für bestimmte Situationen und die daraus folgende
möglichst breite Weitergabe des Erbguts.
Proximale Ziele von Motiven sind Affektänderungen hin zum Positiven, also
beispielsweise soll durch das Anschlussmotiv ein Zustand der Unsicherheit und
Einsamkeit überwunden werden, hin zum Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit.
94. Welche Rolle spielen Emotionen/Affekte für das Motivationsgeschehen?
Affekte steuern Motivationsgeschehen, indem Affektänderungen von negativ zu
positiv Anreiz für motiviertes Verhalten darstellen (proximale Ziele). Die
Affektänderung – z.B. von Unsicherheit zu Sicherheit durch sozialen Anschluss –
verstärkt also ein bestimmtes Verhalten. Die Aktivierung eines Affekts steuert das
motivierte Verhalten spezifisch hinsichtlich Appetenz respektive Aversion. Affekte
sind mit Motiven über physiologische Apparate mit Neurotransmittern und
Hormonen verbunden.
95. Was versteht Muray unter „need“ und „press“? Was versteht man unter „alpha
press“ und „beta press“? Wie entsteht aus „need“ und „press“ Motivation?
Ein „need“ ist nach Muray ein grundlegendes Motiv oder Ziel, das durch eine der drei
Inhaltsklassen von Motiven – Machtmotiv, Leistungsmotiv und Anschlussmotiv –
klassifiziert wird. Ein „press“ ist ein situativer Anreiz in Form einer Chance oder eines
Risikos, der einen „need“ triggert. Es wird hierbei unterschieden zwischen „alpha
press“, was objektive situationelle Charakteristika bezeichnet, die als Stimuli für ein
Motiv dienen, und „beta press“, was die subjektive Interpretation einer Situation in
einem Sinne, der ein Motiv anspricht, meint. Motivation entsteht in dem Maße, in
dem ein situationeller objektiver oder subjektiv interpretierter „press“ einen „need“
triggert, also ein Anreiz ein Motiv aktiviert und ein Bedürfnis durch eigenes Handeln
befriedigt bzw. ein Ziel dadurch erreicht werden kann.
96. Wie ist die Bedürfnispyramide nach Maslow (1943) aufgebaut? Unterscheiden Sie
auf Basis dieses Modells zwischen Defizitmotiven und unstillbaren Bedürfnissen.
Die Bedürfnispyramide nach Maslow unterscheidet 5 Bedürfnisse, die hierarchisch
von unten nach oben angeordnet sind: physiologische Bedürfnisse wie
Nahrungsaufnahme und Schlaf; das Sicherheitsbedürfnis nach z.B. Versorgung und
körperlicher Unversehrtheit; das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen; das Bedürfnis
nach Wertschätzung und Anerkennung der eigenen Person und erbrachten
Leistungen; und das Bedürfnis nach Selbstaktualisierung in Form von Entfaltung des
eigenen Potenzials. Die Hierarchie ist so aufgebaut, dass zunächst die untersten
Bedürfnisse gestillt sein müssen, bevor die weiter oben gelegenen angegangen
werden – es muss also z.B. zuerst der Hunger gestillt sein, bevor man nach sozialem
Anschluss sucht. Physiologische Bedürfnisse sowie die Bedürfnisse nach Sicherheit
und sozialen Beziehungen werden als Defizitmotive bezeichnet, die gestillt werden
können und danach keine Verhaltensmotivation mehr hervorrufen. Die Bedürfnisse
nach Anerkennung und Wertschätzung sowie Selbstaktualisierung jedoch werden als
unstillbare Bedürfnisse bezeichnet, was heißt, dass ein Mensch nie genug davon
bekommen kann und stets nach Maximierung strebt, ganz gleich wie viel
Wertschätzung, Anerkennung und Selbstaktualisierung ihm schon zugekommen sind.
Man könnte sagen, dass der Mensch deshalb nach immer mehr strebt und nie
zufrieden ist, weil er stets noch Bedürfnisse hat, ganz gleich, wo er sich in der
Pyramide befindet. Sind die unteren drei Stufen befriedigt, so können die darüber
liegenden dennoch nie gestillt werden.
97. Was versteht man unter direkter und indirekter Messung von Motiven? Nennen Sie
jeweils ein Beispiel für ein direktes und ein indirektes Messverfahren.
Bei einer direkten Motivmessung gibt die zu untersuchende Person selbst, z.B. in
Form eines Fragebogens, Auskunft über persönliche Präferenzen, Einstellungen und
Beweggründe. Ein Beispiel hierfür ist das „Personality Research Form“ von Jackson
(1974).
Bei der indirekten Motivmessung wird bei der Instruktion kein expliziter Bezug auf
Motive genommen, da man hier annimmt, dass Personen sich selbst gar nicht
unbedingt über ihre eigenen Motive bewusst sind. Man verwendet projektive
Testverfahren wie den „thematischen Apperzeptions-Test“ (Murray, 1938), um über
subjektive Interpretationen mehrdeutiger Situationen Rückschlüsse auf zugrunde
liegende Motive zu ziehen.
98. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile direkter und indirekter Verfahren der
Motivmessung.
-
Direkte Verfahren:
o Vorteile: objektiv auswertbar; schnelle und einfache Durchführung
o Nachteile: relativ geringe Validität, da Motive oft nicht reflektiert
zugänglich sind; demand-Effekte; nur kurzfristige Verhaltensvorhersage;
keine Motivaktivierung durch Interpretationsfreiraum;
-
Indirekte Verfahren:
o Vorteile: Hohe Validität auch bei langfristigen Verhaltensvorhersagen;
Erfassung von Motiven als affektive und automatisierte Reaktionstendenz
durch interpretationsoffene Situationen;
o Nachteil: hohe Subjektivität bei der Auswertung; gesenkte Reliabilität;
aufwendige Durchführung;
99. Was ist ein projektiver Test?
Ein projektives Test ist ein Verfahren der indirekten Motivmessung, bei dem
mehrdeutige und interpretationsoffene Reizvorlagen dargeboten und in offenem
Format geantwortet wird. Er dient dazu, Motive durch automatisierte und affektive
Reaktionstendenzen zu erfassen und nimmt in der Instruktion keinen direkten Bezug
zu Motiven. Ein Beispiel für einen projektiven Test ist der Thematische
Apperzeptions-Test (TAT; Murray, 1938).
100.
Welche Funktionen erfüllen Leistungs-, Macht- und Anschlussmotiv für das
menschliche Leben und Überleben (für den einzelnen, für die Gemeinschaft)?
Ordnen Sie jeder Motivklasse spezifische Funktionen zu.
-
-
Leistungsmotiv: der Einzelne erlebt sich selbst als leistungsfähig und kompetent
und erlebt dadurch Befriedigung und Selbstbestätigung; In der Gesellschaft wird
durch kreatives Problemlösen die Gesellschaft vorangebracht und neue
Kompetenzen werden erworben;
Machtmotiv: Sicherung des Status und Zugangs zu Ressourcen für den Einzelnen;
Stabilität durch Aufrechterhaltung der sozialen Hierarchie (z.B. auch im Tierreich);
Anschlussmotiv: Sicherheit und Kooperation durch Gruppenzugehörigkeit und
Attachment für Einzelnen; durch Eltern-Kind-Bindung und zwischenelterliche
Bindung effizienteres Aufziehen des Nachwuchses, Stabilität im Familienverband
und verbesserte Arterhaltung;
101.
Welche Sozialisationsfaktoren sind günstig für die Entstehung von
Leistungsmotivation?
Frühe Erziehung von Kindern zur Autonomie und Selbstständigkeit sind förderlich für
die Entstehung von Leistungsmotivation. Die Kinder sollten hierbei für erfolgreiches
eigenständiges Problemlösen verstärkt werden. Weiterhin förderlich für
Leistungsmotivation sind hohe nationale Achievement-Indizes, die angeben, wie
präsent Leistungsorientierung in Medien, Kultur, Politik, etc. ist, sowie
Protestantismus (hier besonders der Calvinismus), der ideologisch mit hoher
Eigenverantwortlichkeit und Leistungsmotivation einhergeht.
102.
Welche Evidenz lässt sich für den Zusammenhang zwischen
Leistungsmotivation und dem ökonomischen Erfolg einer Gesellschaft anführen?
In modernen Gesellschaften sagen nationale Motivindizes – gemessen über politische
Reden, Medien, Kinderbücher, etc. – die nachfolgende wirtschaftliche Entwicklung
voraus. Bei hoher Präsenz von Leistungsinhalten in der Gesellschaft erhöht sich die
Zahl der angemeldeten Patente, das Brutto-Inlands-Produkt steigt an und der
Energieverbrauch erhöht sich, was ebenfalls ein Indikator für wirtschaftliches
Wachstum ist. Einem Anstieg der Leistungsmotivation folgt stets mit kurzem Abstand
ein Anstieg solcher wirtschaftlicher Indikatoren.
103.
Nennen Sie die beiden Komponenten, aus denen sich nach dem
Risikowahlmodell die resultierende Motivationstendenz in einer Leistungssituation
ergibt.
Die Motivationstendenz im Risikowahlmodell nach Atkinson ergibt sich aus der
Summe von Erfolgshoffnung und Furcht vor Misserfolg, also aus aufsuchenden und
vermeidenden Tendenzen.
 RT = Te + Tm, wobei die Furcht vor Misserfolg Tm immer ein negatives
Vorzeichen hat;
104.
Welche drei Variablenwerte muss man kennen oder messen, um die
resultierende Motivationstendenz in einer Leistungssituation nach dem
Risikowahlmodell berechnen zu können? Welche drei anderen Variablen lassen sich
aus der Erfolgswahrscheinlichkeit ableiten?
Um nach dem Risikowahlmodell die Motivationstendenz in einer Leistungssituation
berechnen zu können, müssen Erfolgsmotiv Me, Misserfolgsmotiv Mm und
Erfolgswahrscheinlichkeit We bekannt sein. Die Motive werden hierbei über
projektive Tests bestimmt, die Erfolgswahrscheinlichkeit lässt sich über die
Aufgabenschwierigkeit manipulieren.
Misserfolgswahrscheinlichkeit Wm, Erfolgsanreiz Ae sowie Misserfolgsanreiz Am
lassen sich aus der Erfolgswahrscheinlichkeit ableiten. Hierbei ist die
Misserfolgswahrscheinlichkeit Wm das Komplement der Erfolgswahrscheinlichkeit
We: Wm = 1 - We. Erfolgs- und Misserfolgsanreiz Ae und Am sind lineare Funktionen
von We, insofern, dass eine niedrige Erfolgswahrscheinlichkeit einen hohen
Erfolgsanreiz zur Folge hat und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit einen hohen
negativen Misserfolgsanreiz: Ae = 1 - We und Am = -We.
105.
Wie lassen sich nach dem Risikowahlmodell der Erfolgs- und
Misserfolgsanreiz aus der Erfolgswahrscheinlichkeit berechnen?
Nach dem Risikowahlmodell sind Erfolgs- und Misserfolgsanreiz Ae und Am lineare
Funktionen der Erfolgswahrscheinlichkeit We, insofern, dass der Erfolgsanreiz desto
größer ist, je kleiner die Erfolgswahrscheinlichkeit, und der Misserfolgsanreiz desto
größer negativ, je größer die Erfolgswahrscheinlichkeit:
Ae = 1 - We,
Am = -We.
106.
Warum ist die resultierende Motivationstendenz eine parabelförmige
Funktion der Erfolgswahrscheinlichkeit? Begründen Sie Ihre Argumentation mit
einer kurzen Ableitungsskizze der entsprechenden Formeldarstellung des
Risikowahlmodells.
Durch Einsetzen der Komponenten der Motivationstendenz in die ursprüngliche
Formel nach oben beschriebenen Eigenschaften ergibt sich:
RT = Te + Tm = Me ∙ Ae ∙ We + Mm ∙ Am ∙ Wm =
= Me ∙ (1 - We) ∙ We + Mm ∙ (-We) ∙ (1 - We) =
= Me ∙ (We - We²) - Mm ∙ (We - We²) =
= (Me - Mm) ∙ (We - We²).
(Me - Mm) ist eine Konstante, da die Motivlage einer Person mittelfristig stabil ist.
(We - We²) ist eine quadratische Funktion der Erfolgswahrscheinlichkeit, die mit dem
Faktor (Me - Mm) multipliziert eine Parabel als Funktion der
Erfolgswahrscheinlichkeit auf die Motivationstendenz ergibt. Als quadratische
Normalform geschrieben lautet sie:
RT = -(Me - Mm) ∙ We² + (Me - Mm) ∙ We.
Da Erfolgs- und Misserfolgsanreiz sowie Misserfolgswahrscheinlichkeit von We
abhängen und Erfolgs- und Misserfolgsmotiv Konstanten sind, lässt sich die
resultierende Motivationstendenz schließlich als quadratische Funktion der
Erfolgswahrscheinlichkeit darstellen. Inhaltlich liegt dies darin begründet, dass die
Erfolgshoffnung bei mittlerer Erfolgswahrscheinlichkeit am größten und bei niedriger
und hoher Erfolgswahrscheinlichkeit am geringsten ist, die Furcht vor Misserfolg
jedoch genau umgekehrt am größten negativ ist für mittlere
Erfolgswahrscheinlichkeit und am größten für niedrige und hohe. Gleichwohl liegt die
Furcht vor Misserfolg stets im Negativen und die Hoffnung auf Erfolg im Positiven.
Die beiden Tendenzen addiert ergeben wiederum die individuelle Ausprägung der
Motivationstendenzfunktion, die aufgrund der quadratischen Form von Te und Tm
immer parabelförmig ist.
107.
Welche Vorhersagen ergeben sich für das Verhalten in Leistungssituationen
aus der Tatsache, dass nach dem Risikowahlmodell der Zusammenhang von
resultierender Motivationstendenz und Erfolgswahrscheinlichkeit für
Erfolgsmotivierte umgekehrt u-förmig, für Misserfolgsmotivierte u-förmig verläuft?
Dominant Erfolgsmotivierte (Me > Mm) bevorzugen dem Modell zufolge
mittelschwere Situationen, strengen sich in ihnen am meisten an und zeigen dort die
höchste Ausdauer.
Dominant Misserfolgsmotivierte (Mm > Me) meiden dem Modell zufolge generell
Leistungssituationen, jedoch am meisten mittelschwere Situationen. Die höchste
Anstrengung und Ausdauer erbringen sie noch bei leichten und schweren Aufgaben,
in mittelschweren Leistungssituationen sind sie am gehemmtesten und zeigen die
geringste Anstrengung und Ausdauer.
108.
Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung zur
Anspruchsniveausetzung von Atkinson & Litwin (1960). Welcher Aspekt der
Ergebnisse entsprach nicht exakt den Vorhersagen des Risikowahlmodells?
 Atkinson & Litwin (1960): Kinder werfen Ringe aus verschiedenen Entfernungen
auf Stäbe, können die Distanz jedoch selbst festlegen (0-15 Fuß); gemessen wird
die Entfernungspräferenz zum Stab für die einzelnen Kinder und ob sie
erfolgsmotiviert oder misserfolgsmotiviert sind; die Entfernung zum Stab ist hier
ein Maß für die Aufgabenschwierigkeit;
 Ergebnisse: wie erwartet präferieren erfolgsmotivierte Kinder deutlich
mittlere Distanzen und damit mittlere Aufgabenschwierigkeit; ebenfalls ist
die Präferenz bei Misserfolgsmotivierten wie erwartet höher für leichte
und schwere Aufgaben als bei Erfolgsmotivierten und die Präferenz für
mittlere Schwierigkeiten deutlich geringer;
 Allerdings kommt es nicht wie erwartet zu einer Umkehrung der
Präferenzen bei Misserfolgsmotivierten, so dass diese etwa kurze und
weite Distanzen mittleren vorzögen, sondern mittlere Distanzen werden
immer noch am häufigsten gewählt; dies entspricht nicht exakt der
Vorhersage des Risikowahlmodells;
109.
Was versteht man unter der „kognitiven Wende“ in der
Leistungsmotivationsforschung? Was sind die zentralen Charakteristika der neuen
Forschungsrichtung? Grenzen Sie die neue Richtung von der bis dahin
vorherrschenden Forschungsauffassung ab. Was sind die zentralen Unterschiede
zwischen den beiden Auffassungen?
Unter der kognitiven Wende versteht man in der Leistungsmotivationsforschung die
1975 durch Trope aufgekommene Theorie, dass der Anreiz für Leistungsmotivation
das Ausmaß an Diagnostizität einer Aufgabe, statt Affektänderung sei. Die zentralen
Charakteristika dieser Auffassung sind es, dass die Information über die eigene
Fähigkeit das ausschlaggebende Kriterium für Leistungsmotivation ist, und
Erfolgsmotivierte gegenüber Misserfolgsmotivierten eine stärkere
Diagnostizitätsorientierung aufweisen. Bisher hatte man angenommen, entscheidend
für Leistungsmotivation seien die Aufgabenschwierigkeit und die damit verbundene
Affektänderung. Nach der neuen Theorie jedoch korreliert Aufgabenschwierigkeit
zwar zunächst mit Diagnostizität, ausschlaggebend sei jedoch letztere, was daran
erkennbar sei, dass sehr schwere Aufgaben von Erfolgsmotivierten nicht gewählt
würden, da sie keine Aussage über die eigene Leistung zulassen, da man sie ohnehin
kaum schaffen kann. Ebenfalls werden sehr leichte Aufgaben von allen geschafft und
lassen keinen Rückschluss auf die eigene Fähigkeit zu. Misserfolgsmotivierte würden
also deshalb schwere und leichte Aufgaben wählen, weil sie diagnostische Aufgaben
vermeiden wollten. In der Dissoziation von Aufgabenschwierigkeit und Diagnostizität
und Postulierung des letzteren als auschlaggebendes Kriterium für
Leistungsmotivation liegt der wichtigste Unterschied zwischen den beiden
Auffassungen. Erfolgsmotivierte haben demnach kein höheres Streben nach
Affektänderung, sondern ein höheres Streben nach Information über die eigene
Fähigkeit als Misserfolgsmotivierte.
110.
Schildern Sie die Untersuchung und die zentralen Ergebnisse der Studie von
Trope (1975) zur Dissoziation der Effekte von Aufgabenschwierigkeit und
Diagnostizität auf die Aufgabenwahl. Welche theoretische Schlussfolgerung wird
durch dieses Ergebnis nahegelegt?
 Trope (1975): Probanden wurde eine Tabelle vorgelegt, die den Grad des Erfolges
6 verschiedener potentiell bearbeitbarer Tests vorstellte, unterteilt nach fähigen
und wenig fähigen Schülern; diese waren unterteilt in solche mit hoher und
solche mit niedriger Diagnostizität sowie innerhalb der beiden Kategorien nach
schwierigen, mittleren und leichten; sie sollten daraufhin angeben, wie viele
Aufgaben sie von welchem Typ bearbeiten wollten; außerdem wurde das
Leistungsmotiv der Probanden erhoben;
 Ergebnisse: jede der 3 Aufgaben mit hoher Diagnostizität wurde häufiger
gewählt als jeder der 3 mit niedriger; innerhalb der gleichen
Diagnostizitätskategorie wurden leichtere Aufgaben schwereren
vorgezogen; zwischen Leistungsmotiv und Diagnostizität zeigte sich in
Interaktion dahingehend, dass Probanden mit niedrigem LM kaum eine
diagnostische Kategorie der anderen vorzogen, mit leichter Tendenz zu
hochdiagnostischen Aufgaben, jedoch Probanden mit hohem LM eine
starke Präferenz für Aufgaben mit hoher Diagnostizität gegenüber solchen
mit niedriger zeigten, also mehr hochdiagnostische und weniger
niedrigdiagnostische wählten als Probanden mit niedrigem LM;
 Dissoziation der Bedeutung von Diagnostizität und Aufgabenschwierigkeit
für Leistungsmotivation; für hoch Leistungsmotivierte ist Grad der
Diagnostizität, statt Aufgabenschwierigkeit relevant, da sich
Leistungsmotivation offenbar aus Erwartung von Informationen über die
eigenen Fähigkeiten speist;
111.
Nennen Sie die beiden zentralen Dimensionen der Ursachenerklärung von
Leistungsergebnissen und erläutern Sie, was mit den beiden gegensätzlichen
Ausprägungen dieser Dimensionen jeweils gemeint ist.
Die beiden Dimensionen der Ursachenerklärung von Leistungsergebnissen sind
Stabilität und Lokation. Auf der Stabilitätsdimension kann ein ursächlicher Einfluss
auf den gegenüberliegenden Ausprägungen als entweder stabil oder variabel
gesehen werden, also als konstanter, gleichbleibender Einfluss oder schwankende,
unsichere Größe. Die beiden gegenüberliegenden Ausprägungen der
Lokationsdimension sind internale und externale Lokation. Internale Lokation
bedeutet Ursachenzuschreibung innerhalb der eigenen Person, und externale
Lokation meint ursächliche Erklärung durch Einflüsse außerhalb der eigenen Person.
112.
Beschreiben und skizzieren Sie die Selbststabilisierungszyklen in der
Leistungsmotivation für erfolgs- und misserfolgsmotivierte Personen nach dem
Selbstbewertungsmodell nach Heckhausen.
Nach dem Selbstbewertungsmodell nach Heckhausen sind Leistungsmotive
Selbstbewertungssysteme, die Anspruchsniveausetzung und Aufgabenschwierigkeit
bedingen. Unterschiedliche Selbstbewertungen kommen demnach zustande durch
Attributionsasymmetrien gemäß den zwei Dimensionen der Ursachenerklärung von
Leistungsmotiven. Die hierbei wirkenden Selbstverstärkungszyklen kann man trennen
nach Erfolgs- und Misserfolgsmotivierten:
-
Erfolgsmotivierte: Wahl hochdiagnostischer Ziele; Misserfolg wird variabel
external attribuiert, Erfolg internal stabil;
Misserfolgsmotivierte: Wahl unrealistischer Ziele mit niedriger Diagnostizität;
Erfolg wird variabel external, Misserfolg internal stabil attribuiert;
 jeweils Verstärkung des schon vorherrschenden Motivs; bei Erfolgsmotivierten
insgesamt positive Affektbilanz, bei Misserfolgsmotivierten negative;
113.
Was sind günstige und ungünstige Attributionsasymmetrien von
Leistungsergebnissen nach dem Selbstbewertungsmodell nach Heckhausen? Geben
Sie eine detaillierte Beschreibung.
Günstig ist es, Erfolg stabil internal und Misserfolg variabel external zu attribuieren,
da dadurch bei Erfolg der Selbstwert gesteigert wird, da man die eigenen Fähigkeiten
für den Erfolg verantwortlich macht, und bei Misserfolg nicht gesenkt wird, da dann
zufällige externe Faktoren als Ursache für das Versagen herangezogen werden.
Ungünstig ist es, Erfolge variabel external und Misserfolge stabil internal zu
attribuieren, da dann ein Erfolg als nicht selbst herbeigeführt angesehen wird, jedoch
ein Misserfolg den eigenen mangelnden Fähigkeiten zugeschrieben wird.
Günstig ist es also, selbstwertdienlich zu attribuieren und ungünstig, dies
selbstwertabträglich zu tun.
114.
Wie wirkt sich die Wahl von Aufgaben mittlerer im Gegensatz zu extrem
niedriger oder hoher Schwierigkeit auf Selbstwirksamkeitserfahrungen aus?
Bei mittelschweren Aufgaben macht man die Erfahrung, dass durch erhöhte
Anstrengung ein Erfolg erzielt werden kann. Hat man Erfolg, kann man es der eigenen
Fähigkeit und Anstrengung zuschreiben, bei Misserfolgen kann man durch erhöhte
Anstrengung beim nächsten Mal Erfolg haben. Man macht positive
Selbstwirksamkeitserfahrungen.
Bei sehr leichten oder sehr schweren Aufgaben hängt Erfolg oder Misserfolg kaum
von der eigenen Anstrengung ab. Leichte Aufgaben schafft man ohnehin meist auch
ohne große Anstrengung und sehr schwere schafft man meist sowieso nicht, auch
wenn man sich mehr anstrengt. Man macht die Erfahrung, dass der Erfolg oder
Misserfolg sich nicht durch eigene Anstrengung verändert und erlebt damit negative
Selbstwirksamkeitserfahrung.
115.
Was sind physiologische Korrelate eines angeregten Machtmotivs?
Physiologische Korrelate eines angeregten Machtmotivs ist zum einen sympathische
Aktivierung und damit einhergehende Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin,
die kognitive und affektive Zustände modifizieren. Zum anderen wirkt ein zweiter
Mechanismus als Folge eines angeregten Machtmotivs dann, wenn man in
Machtsituationen unterliegt. In diesem Fall wird Kortisol ausgeschüttet, um
kurzfristig das Immunsystem anzuregen und Infektionen bei auftretenden
Verletzungen zu verhindern. Bei dauerhafter Kortisolausschüttung jedoch kommt es
zu einer Schwächung des Immunsystems und damit einhergehendem erhöhten
Infektionsrisiko. Bei dauerhafter Anregung des Machtmotivs kommt es neben dieser
Hemmung des Immunsystems zusätzlich zu chronischem Bluthochdruck aufgrund der
ständigen sympathischen Aktivierung. Abhängig davon, ob man in einer
Machtsituation erfolgreich ist oder unterliegt wird als Folge mehr bzw. weniger
Testosteron ausgeschüttet.
116.
Mit welchen gesundheitlichen Konsequenzen ist ein hohes Machtmotiv
verbunden? Warum?
Ein hohes Machtmotiv ist verbunden mit erhöhtem Infektionsrisiko und chronischem
Bluthochdruck. Durch hohe Kortisollevel wird dauerhaft das Immunsystem
geschwächt und somit das Infektionsrisiko erhöht. Der Bluthochdruck ergibt sich aus
der ständigen sympathischen Aktivierung und Adrenalin/Noradrenalinausschüttung,
wodurch sich Metabolismus, Pulsrate, Blutdruck und andere Aktivitäten erhöhen.
117.
Schildern Sie die Studie von Schultheiss & Brunstein (2002) zum
Zusammenhang von Machtmotiv und Persuasionsverhalten.
 Schultheiss & Brunstein (2002): Probanden wurden unterteilt nach hoch und
gering Machtmotivierten und danach, ob ihre Aktivitätshemmung hoch oder
niedrig ist; ein hohes Machtmotiv gepaart mit hoher Aktivitätshemmung
entspricht einem sozialisierten Machtmotiv, ein hohes Machtmotiv mit niedriger
Aktivitätshemmung ist ein personalisiertes Machtmotiv; der Experimentalgruppe
wurde mitgeteilt, sie sollen sich vorstellen, wie sie in einer gleich folgenden
Diskussion über den Gesprächspartner dominieren würden, während er
unterliegen würde („goal imagery“); gemessen wurde der geschätzte
Persuasionsgrad in der darauffolgenden Diskussion;
 Ergebnisse: für Kontrollprobanden wenig Unterschiede, jedoch sind hoch
Machtmotivierte etwas schlechter; unter „goal imagery“ sind diejenigen
mit einem hohen sozialisierten Machtmotiv die weitaus besten, da ihr
Machtmotiv angeregt zu sein scheint; hohe Aktivitätshemmung +
niedriges Machtmotiv ist am schlechtesten; erstaunlich ist, dass
diejenigen mit hohem personalisierten Machtmotiv fast am schlechtesten
sind, obwohl ihr Machtmotiv offensichtlich angeregt ist; jedoch geraten
sie leicht in körperliche Rage, was in Diskussionen unglaubwürdig wirkt;
 Persuasionserfolg für hohes Machtmotiv vermittelt über
Aktivitätshemmung und Anregung des Machtmotivs durch „goal imagery“;
ohne „goal imagery“ kein erhöhter Persuasionsgrad für Machtmotivierte;
118.
Wie wirkt sich die Übernahme einer mächtigen/abhängigen sozialen Rolle
auf das Verhalten von Personen aus?
Bei Übernahme von mächtigen sozialen Rollen zeigen Personen geringe
interpersonale Distanz, erhöhte Redelautstärke, eine Tendenz zum Unterbrechen
und eine offenere Körperhaltung. Für abhängige soziale Rollen ist jeweils genau das
Gegenteil der Fall. Zudem gibt man in einer abhängigen sozialen Rolle positives
Feedback, obwohl es nicht der eigentlichen Überzeugung entspricht, z.B. lacht man
evntl. über Witze von Vorgesetzten, obwohl sie nicht lustig sind.
119.
Differenzieren Sie zwischen dem Anschluss- und dem Intimitätsmotiv.
Das Anschlussmotiv (affiliation motive) bezieht sich auf den Wunsch nach sozialem
Kontakt zu noch fremden Personen, also nach neuen sozialen Verbindungen. Das
Intimitätsmotiv (intimacy motive) meint den Wunsch nach Vertiefung und Sicherung
von bereits bestehenden Beziehungen zu Menschen.
120.
Durch welche Situationen werden Bindungsmotive typischerweise angeregt?
Bindungsmotive werden üblicherweise angeregt durch Trennung von Mitmenschen
und Isolation des Einzelnen, durch Zurückweisung oder Hinweise auf Spannungen in
bestehenden Beziehungen oder aber durch Kontakt mit bislang fremden Personen
oder Gruppen, zu denen Kontakt aufgebaut werden soll.
121.
Welche physiologischen Folgen hat die Anregung von Bindungsmotiven?
Die Anregung von Bindungsmotiven führt zu gesteigerter parasympathischer
Aktivierung und erhöhten Dopaminkonzentrationen, was zu einer Beruhigung des
Organismus führt. Hormonell sind bei Anregung von Bindungsmotiven die
Progesteronlevel erhöht. Insgesamt erhöht sich damit die Immunfunktion, wodurch
das Infektionsrisiko sinkt.
122.
Wie beeinflussen Bindungsmotive die Wahrnehmung?
Bindungsmotivierte sind tendenziell sensitiver bei der Wahrnehmung von Gesichtern.
Die automatische Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu freundlichen Gesichtern, weg
von unfreundlichen/neutralen, die Personen bei freundlichen Gesichtern
Kategorisierungsaufgaben grundsätzlich schneller erledigen lässt, ist bei
Bindungsmotivierten nochmals deutlich erhöht (Schultheiss & Hale, 2007).
123.
Wie wirkt sich ein hohes Bindungsmotiv auf die Bereitschaft zur Teilnahme
an sozialen Interaktionen und auf die Bewertung von potentiellen
Interaktionspartnern aus?
Ein hohes Bindungsmotiv steigert grundsätzlich die Bereitschaft zur Teilnahme an
sozialer Interaktion und die Leistung in Kooperationsaufgaben. Hoch
Bindungsmotivierte zeigen im Allgemeinen eine höhere Zustimmungstendenz. Bei
der Bewertung von potentiellen Interaktionspartnern bevorzugen
Bindungsmotivierte ähnliche Personen, mit denen sie erhöht interagieren, mehr
Augenkontakt halten und für die sie größere Sympathien hegen, gegenüber
Unähnlichen, von denen sie sich eher abgrenzen.
VII.
Ziele, Identität und Selbstkonzept
124.
Definieren Sie den Begriff „Ziel“. Auf welche Weise regulieren Ziele
menschliches Handeln?
Ziele sind proximale Determinanten menschlichen Handelns, die im Gegensatz zu
Motiven direkt Verhalten steuern, über die man sich bewusst ist und die man selbst
auch als Erklärung für sein Verhalten heranzieht. Ziele bestimmen die erwünschten
Handlungsergebnisse, deren kognitive Repräsentation sie enthalten, und sind die
Basis für Handlungspläne und Strategien. Sie regulieren Wahrnehmung,
Aufmerksamkeit, Bewertung und Denken auf zieldienliche Weise.
125.
Vergleichen Sie den Einfluss von Zielen und basalen Motiven auf
menschliches Handeln und Verhalten.
Ziele sind spezifische, bewusst repräsentierte und handlungsleitende proximale
Determinanten menschlichen Verhaltens. Sie sind die Basis von Handlungsplänen und
Strategien und werden von Menschen selbst als Erklärung für ihr Verhalten
herangezogen. Im Gegensatz dazu sind Motive basale Grundbedürfnisse, die meist
unterbewusst wirken und abstrakter Natur sind. Sie sind nicht direkt
handlungsleitend. Zielen und Motiven ist es jedoch gemeinsam, dass sie Einfluss auf
basale kognitive und affektive Prozesse nehmen, indem sie Wahrnehmung, Fühlen
und Denken modifizieren.
126.
Skizzieren Sie ein einfaches kybernetisches Regelkreismodell der
Handlungssteuerung durch Ziele. Erläutern Sie die verschiedenen Komponenten
dieses Modells.
Der Sollwert des kybernetischen Modells ist das zu erreichende Ziel, bzw. der
gestellte Anspruch, das bzw. der angibt, wie die Regelstrecke einer bestimmten
Situation aussehen soll. Über die Wahrnehmung – die als Messfühler fungiert – wird
der Ist-Wert einer Situation, also die tatsächlichen Gegebenheiten, erfasst und der
Bewertung zugeführt, die einen Ist-Soll-Vergleich durchführt, in dem die
tatsächlichen Gegebenheiten mit den erwünschten verglichen werden. Fällt dieser
Vergleich diskrepant aus, muss durch Handeln korrektiv auf die Situation eingewirkt
werden, so dass der erwünschte Regelstreckenzustand erreicht und der Ist-SollVergleich positiviert werden kann.
Die Grundlage des kybernetischen Modells ist das TOTE-Schema (Test Operate Test
Exit), das eine Kontrollschleife des Regelkreises beschreibt, bei dem ein diskrepanter
Ist-Soll-Vergleich zwischen Situation und Ziel korrektives Handeln aktiviert.
127.
Erläutern Sie, was die Begriffe „Selbstaufmerksamkeit“ und „Optimismus“
bedeuten. An welchen Stellen beeinflussen diese Variablen Prozesse der
Handlungsregulation im Modell von Carver und Scheier? Schildern Sie die
Ergebnisse der Untersuchung von Carver, Blaney & Scheier (1979), mit der der
Einfluss von Selbstaufmerksamkeit und Optimismus auf die Hartnäckigkeit der
Zielverfolgung untersucht wurde.
„Selbstaufmerksamkeit“ meint den Grad an Salienz persönlicher Ziele und der
Wahrnehmung des Selbst und des eigenen Handelns, wodurch Diskrepanzen
zwischen angestrebtem und tatsächlichem Zustand erkannt werden können.
„Optimismus“ meint den Grad der persönlichen Kontrollüberzeugung. Bei internalem
Kontrolllokus besteht ein höherer Grad an persönlicher Kontrollüberzeugung als bei
externalem, und so ist auch der Optimismus größer, eine Situation kontrollieren zu
können.
Im Modell von Carver & Scheier macht ein hoher Grad an Selbstaufmerksamkeit
persönliche Ziele salient und führt zu einem effizienteren Ist-Soll-Vergleich, da
eigenes Handeln besser hinsichtlich der Handlungsziele eingeschätzt und beobachtet
wird und Diskrepanzen besser erkannt werden. Optimismus beeinflusst die
Einschätzung der Zielerreichungsmöglichkeiten dahingehend, dass bei größerer
Kontrollüberzeugung der Ausgang einer Situation länger als positiv beeinflussbar
wahrgenommen wird. Ein hoher Grad an Optimismus führt somit zu späterem
Disengagement. Bei niedriger Kontrollüberzeugung findet früheres Disengagement
statt.
In der Untersuchung von Carver, Blaney & Scheier (1979) mussten Probanden
Anagramme lösen, von denen eines unmöglich war. Gemessen wurde die Zeit der
Bearbeitung dieses unmöglichen Anagramms (Disengagement) in Abhängigkeit von
der Erfolgserwartung (Schwierigkeit der lösbaren Anagramme) und dem Grad der
Selbstaufmerksamkeit (manipuliert durch Spiegel). Es zeigte sich, dass für hohe
Selbstaufmerksamkeit Probanden mit hoher Erfolgserwartung das Anagramm viel
länger bearbeiteten als solche mit niedriger Erfolgserwartung, also hohe
Erfolgserwartung hartnäckiger bei der Zielverfolgung macht. Für niedrige
Selbstaufmerksamkeit zeigte sich kein Unterschied zwischen den Erfolgserwartungen,
da gar nicht erst in den Kontrollmodus gewechselt wird.
128.
Erläutern Sie den Begriff des „disengagement“. Welche beiden Formen des
„disengagement“ werden im Model von Carver & Scheier unterschieden? Unter
welchen Umständen ist ein „disengagement“ wahrscheinlich?
„Disengagement“ meint die Zielkorrektur in Form von Ablösung von der
Zielverfolgung bei Einschätzung der Zielerreichungsmöglichkeiten als gering. Carver &
Scheier unterscheiden behaviorales und mentales „disengagement“, wobei
behavioral die körperliche Abwendung von der Zielverfolgung und mental die geistige
Abwendung meint, wenn die behaviorale aufgrund äußerer Umstände nicht möglich
ist. „Disengagement“ ist wahrscheinlicher bei niedriger Kontrollüberzeugung bzw.
niedrigem Optimismus.
129.
Wann entsteht nach dem Ansatz von Carver & Scheier positiver bzw.
negativer Affekt bei der Zielverfolgung?
Positiver Affekt bei der Zielannäherung entsteht nach Carver & Scheier bei möglichst
geringer Diskrepanzwahrnehmung zwischen erwünschtem und gegebenem Zustand
und bei schneller Annäherung an das Ziel von einem Ausgangszustand aus.
Umgekehrt entsteht negativer Affekt bei großer wahrgenommener Diskrepanz
zwischen gegebenem und erwünschtem Zustand und bei niedriger
Zielannäherungsrate.
130.
Ziele unterscheiden sich in ihrer Schwierigkeit und im Grad ihrer
Konkretheit. Was ist damit genau gemeint und wie wirken sich diese Variablen auf
die Effizienz der Zielverfolgung aus?
Die Schwierigkeit eines Ziels meint sein Anspruchsniveau, das es an eine Person stellt.
Die Konkretheit eines Ziels meint die Spezifizität seiner Formulierung.
Anspruchsvollere Ziele führen üblicherweise zu höherer Leistung, jedoch nicht, wenn
die Ziele unrealistisch schwer sind. Dann nämlich führt Misserfolg sofort zu
disengagement und Zielaufgabe. Feedback über den eigenen Leistungstand bei der
Zielerreichung ist nur für hochspezifische Ziele möglich. Eine Korrektur des eigenen
Verhaltens kann nur bei klaren Ist-Soll-Verhältnissen erfolgen. Demnach ist die
Leistung für hochspezifisch formulierte (konkrete) Ziele höher. Die Effizienz der
Zielverfolgung ist also am besten für schwere, aber realistische Ziele mit hoher
Spezifität.
131.
Was versteht man unter „commitment“ bei der Zielverfolgung? Von welchen
Variablen hängt das „commitment“ zu einem Ziel ab? Erläutern Sie die Aussage,
dass „commitment“ eine Moderatorvariable für Prozesse der Zielverfolgung
darstellt.
Unter „commitment“ bei der Zielverfolgung versteht man den Grad, zu dem man sich
mit einem Ziel identifiziert und es als verbindlich ansieht. Das „commitment“ hängt
ab von der Instrumentalität des Ziels, der Erfolgswahrscheinlichkeit, dem Grad der
Selbstwirksamkeit, der intrinsischen Passung der Ziele mit den eigenen Motiven und
situativen Faktoren wie z.B. dem Gefühl der Beteiligung an der Zielfindung oder der
Arbeits- oder Lernumgebung. „Commitment“ moderiert den Zusammenhang von
Anspruchsniveau eines Ziels und erbrachter Leistung insofern, als dass hohes
„commitment“ Voraussetzung dafür ist, dass ein hohes Anspruchsniveau zu hoher
Leistung bei der Zielverfolgung führt. „Commitment“ wird nicht direkt in Leistung
übersetzt, sondern moderiert den Effekt des Anspruchsniveaus auf die Leistung.
132.
Erläutern Sie, was mit Selbstdefinitionen und Identitätszielen gemeint ist.
Selbstdefinitionen und Identitätsziele sind typisch menschliche Motivationsquellen.
Der Mensch denkt darüber nach, wie er ist und wie er gerne werden möchte und
macht sich selbst und seine Eigenschaften zum Gegenstand des Handelns und der
Modifikation. Ziel ist es dabei stets, ein positives Selbstbild mit hohem Selbstwert zu
haben, zu erreichen oder aufrechtzuerhalten. Selbstdefinitionen meinen das aktuelle
Selbstbild und Identitätsziele das angestrebte.
133.
Was versteht man unter „possible selves“? Welche unterschiedlichen Typen
von „possible selves“ gibt es? Wie wirken sich „possible selves“ auf das Handeln
einer Person aus? Illustrieren Sie Ihre Antworten anhand eines Alltagsbeispiels.
Ein „possible selve“ ist ein auf kürzere Sicht erreichbar scheinendes Selbst, das
unmittelbare Motivationsquelle für Verhalten ist. „Possible selves“ sind sehr wichtig,
da das ideale Selbst häufig sehr weit vom momentanen Zustand entfernt ist und als
unmittelbare Motivationsquelle unrealistisch scheint. Man unterteilt in „desired“ und
„undesired“ „possible selves“. Ein „desired possible self“ ist das auf absehbare Zeit
beste Selbst, wenn alles so geht, wie man es erhofft, während ein „undesired
possible self“ das Selbst ist, das man erreichen wird, wenn die Dinge anders kommen.
Man strebt nach dem „desired self“ und schöpft daraus Motivation. Noch wichtiger
fürs Aktivwerden ist jedoch die Vermeidung des „undesired possible self“, so dass
man häufig erst dann etwas unternimmt, wenn man sich mögliche negative
Ausgänge für das Selbstbild vorstellt.
Bsp.: Ein Psychologiestudent möchte später idealerweise Professor werden. Da dies
in weiter Zukunft liegt, wählt er als „desired possible self“ ein abgeschlossenes
Bachelor-Studium. Dieses motiviert ihn, für seine Prüfungen zu lernen. Gleichzeitig
will er das „undesired possible self“ eines durchgefallenen Versagers vermeiden und
lernt auch, um diesem Selbstbild aus dem Weg zu gehen.
134.
In der „self-discrepancy“-Theorie von Higgins werden zwei unterschiedliche
Arten von Selbstdiskrepanzen unterschieden. Welche Arten der Selbstdiskrepanz
sind das? Welche Auswirkungen hat das Erleben solcher unterschiedlichen
Diskrepanzen auf die Handlungsregulation und auf das emotionale Erleben?
Higgins unterteilt Selbstdiskrepanzen in Diskrepanzen zwischen dem Real- und dem
Idealselbst und solche zwischen dem Real- und dem Pflichtselbst. Bei einer
Diskrepanz zwischen Real- und Idealselbst wird die Handlungsregulation zur
Annäherung und zum Nutzen von Chancen verwendet, wohingegen bei einem RealPflichtselbstkonflikt die Handlungsregulation auf Fehlervermeidung ausgelegt ist. Auf
emotionaler Ebene gehen Real--Idealselbst-Konflikte mit depressiven Tendenzen
einher, da man seinen eigenen Idealen nicht gerecht wird, was als Folge zu
Motivationsdefiziten führt. Real--Pflichtselbst-Konflikte sind assoziiert mit sozialer
Ängstlichkeit, da man den Erwartungen anderer an die eigene Person nicht gerecht
wird. Hierdurch strengt man sich in Zukunft eher mehr an, um die Erwartungen
erfüllen zu können.
135.
Erläutern Sie die unterschiedlichen Arten von Selbstaufwertungsprozessen,
mit denen das Selbstkonzept einer Person stabilisiert und gegen
selbstwertbedrohliche Informationen geschützt werden kann.
-
-
-
Self-handicapping: absichtliche Selbstbehinderung durch externe Einflüsse in
kritischen Situationen, so dass bei Misserfolg external attribuiert und die Schuld
von der eigenen Person genommen werden kann;
Attributional bias: selbstwertdienliche Attributionsstrategien, bei denen Erfolge
internal und Misserfolge external attribuiert werden; Attributionsbias desto
größer, je selbstwertbedrohlicher oder -bestärkender ein Misserfolg oder Erfolg
ist;
Excuse making: automatisches Generieren von Entschuldigungen für eigene
Misserfolge und Versäumnisse, um diese nicht stabilen Eigenschaften der eigenen
Person zuschreiben zu müssen;
136.
Schildern Sie die Ergebnisse der Studie von Rosenfield & Stephan (1978) zum
selbstwertdienlichen Attributionsbias. Welcher Aspekt der Ergebnisse belegt, dass
es sich bei diesem Bias nicht um einen generellen Mechanismus der
Selbstaufwertung, sondern um einen spezifischen Mechanismus der
Selbstbildstabilisierung handelt?
 Rosenfield & Stephan (1978): Probanden wurden Aufgaben gestellt und dafür
unabhängig von ihrer Leistung positives oder negatives Feedback gegeben;
zudem wurde ihnen orthogonal zum eigenen Geschlecht mitgeteilt, dass die
Aufgabe entweder für Männer oder Frauen leichter als für das andere Geschlecht
sei; gemessen wurde Stärke und Art der Attribution von Erfolgen oder
Misserfolgen in Abhängigkeit vom Geschlecht des Probanden und mitgeteilter
Geschlechtsspezifität der Aufgabe;
 Ergebnisse: für positives Feedback attribuieren Probanden stark internal,
für negatives eher external  Beleg der grundsätzlichen Existenz eines
selbstwertdienlichen Atrributionsbias;
Attributionsbias ist jedoch stärker ausgeprägt, wenn eine Passung des
Probandengeschlechts mit der mitgeteilten Geschlechtsspezifität der
Aufgabe gegeben ist;
 Beleg, dass der selbstwertdienliche Attributionsbias ein spezifischer
Mechanismus zur Selbstbildstabilisierung in potenziell
selbstwertbedrohlichen Situationen ist (hier Selbstdefinition bezüglich der
eigenen Geschlechterrolle);
137.
Was versteht Swann unter „self-verification“? In welchen Fällen decken sich
die Vorhersagen der Theorie der Selbstverifikation mit der Theorie der
Selbstaufwertung, in welchen Fällen macht die Theorie der Selbstaufwertung eine
gegensätzliche Vorhersage? Schildern Sie die Studie und die Ergebnisse von Swann
& Pelham (2002), mit deren Untersuchung die Theorie der Selbstverifikation
gestützt wurde.
Unter „self-verification“ versteht Swann die Sicherung der personalen Identität durch
das Aufsuchen von selbstbildbestätigenden Umgebungen, negative Selbstverifikation
eingeschlossen! Hierin unterscheidet sie sich von der Theorie der Selbstaufwertung,
die annimmt, dass man stets versucht, Umgebungen aufzusuchen, die das eigene
Selbstbild aufwerten. Die Vorhersagen der beiden Theorien decken sich dann, wenn
die entsprechende Person ein positives Selbstbild hat, da beide dann das Aufsuchen
von Umgebungen, die einen positiv bestätigen bzw. aufwerten, vorhersagen würden.
Gegensätzliche Vorhersagen machen die Theorien für den Fall, dass eine Person ein
negatives Selbstbild hat. Die Selbstaufwertungstheorie würde vorhersagen, dass sie
sich wie im ersten Fall in Umgebungen mit positiver Bestärkung begeben würde, so
dass sie ihr negatives Selbstbild aufwerten kann. Die Selbstverifikationstheorie sagt
hier jedoch voraus, dass sich eine Person mit negativem Selbstbild in Umgebungen
begeben wird, die ihr negatives Selbstbild bestätigen, da es sonst zu
Identitätsverwirrungen kommt!
 Swann & Pelham (2002): Studenten werden gefragt, welches Interesse sie daran
haben, ihren Zimmerpartner beizubehalten; zuvor wurde das Selbstbild der
Studenten und die Fremdeinschätzung durch ihre Zimmerpartner erhoben;
 Ergebnisse: es zeigt sich, dass Studenten immer dann ein höheres
Interesse daran haben, ihren Zimmerpartner zu behalten, wenn sich
Selbstbild und Fremdeinschätzung decken, also sowohl bei positivem
Selbstbild und positiver Fremdbeurteilung, als auch bei negativem
Selbstbild und negativer Fremdbeurteilung;
 Unterstützt Selbstverifikationstheorie, nach der man
selbstbildbestätigende Umgebungen bevorzugt, selbst auf Kosten von
positivem Affekt  widerspricht Selbstaufwertungstheorie;
138.
Welche Rolle spielen Symbole für die Selbstdefinition und Identitätsziele
einer Person? Was bedeutet es, dass die Sicherung von Selbstdefinitionen „soziale
Realität“ erfordert?
Um das eigene Selbstbild aufrechtzuerhalten, bedarf es Bestätigung durch Symbole,
die mit dem jeweiligen Selbstbild assoziiert werden. Symbole können auch für
Identitätsziele instrumentalisiert werden, wenn mit ihrem Erreichen das Erreichen
eines bestimmten Selbstbildes verknüpft ist. Mangelt es an Symbolen oder ist man
selbstrelevant nicht erfolgreich, so kompensiert man diese „incompleteness“Erfahrungen durch Zur-Schau-Stellen zielassoziierter Symbole oder
Instrumentalisierung anderer Personen zur Selbstsymbolisierung, die dann nicht
mehr unbedingt der Realität entsprechen. Solche Symbole müssen jedoch öffentlich
von anderen auch als Symbol des entsprechenden Selbstbildes oder Identitätsziels
angesehen werden, sonst können sie nicht zur Selbstkomplementierung oder
Sicherung des Selbstbildes bzw. Erreichen des Identitätsziels verwendet werden.
Selbstdefinitionen können also nur dann mit Symbolen gesichert werden, wenn diese
der „sozialen Realität“ genügen.
139.
Erläutern Sie die Begriffe der „incompleteness“-Erfahrung und der
Kompensation auf der Grundlage der Theorie der symbolischen
Selbstkomplettierung. In welchem funktionalen Zusammenhang stehen
„incompleteness“-Erfahrungen und Prozesse der Kompensation?
Unter „incompleteness“-Erfahrungen versteht man gemäß der Theorie der
funktionalen Selbstkomplettierung Situationen, in denen es entweder an Symbolen
mangelt, die die eigene Selbstdefinition sichern und bestätigen oder in denen man
Erfahrungen des selbstrelevanten Misserfolgs macht.
Unter Kompensation werden Mechanismen gefasst, durch die „incompleteness“Erfahrungen ausgeglichen werden, so dass die eigene Selbstdefinition gesichert und
bestätigt wird. Kompensation kann in Form öffentlicher Zur-Schau-Stellung
selbstbildassoziierter Symbole oder auch durch Instrumentalisierung anderer
Personen zur Selbstsymbolisierung geschehen. Symbole zur Kompensation von
„incompleteness“-Erfahrungen entsprechen oft nicht den tatsächlichen Umständen
bezüglich der Person.
140.
Wie lässt sich aufdringliches und angeberisches Verhalten auf der Grundlage
der Theorie der symbolischen Selbstkomplettierung erklären? Schildern Sie hierzu
die Studie und Ergebnisse von Gollwitzer & Wicklund (1985).
 Gollwitzer & Wicklund (1985): männlichen Probanden wurde zunächst ein ihrem
Selbstkonzept dienliches (ideal) oder ein selbstbildaversives (non-ideal) Feedback
bezüglich ihrer Eigenschaften gegeben; danach wurden ihnen Bilder von
attraktiven Frauen gezeigt, die sie treffen könnten und die angaben, dass sie
entweder zurückhaltende (modesty) oder aber selbstbewusst auftretende (selfassertiveness) Männer bevorzugen würden; gemessen wurde im darauffolgenden
tatsächlichen Gespräch mit der jeweiligen Frau die Positivität der
Selbstdarstellung der Probanden in Abhängigkeit von der Art des anfänglichen
Feedbacks und der Angabe der Männerpräferenz der Frau;
 Ergebnisse: Probanden, die ein ihrem Selbstkonzept dienliches Feedback
erhalten hatten, passten sich im Grad der Positivität ihrer
Selbstdarstellung den angegebenen Präferenzen der Frau an, stellten sich
also positiver dar, wenn sei selbstbewusste Männer als bevorzugt
angegeben hatte, und weniger positiv bei Präferenz für zurückhaltende
Männer; Probanden mit selbstbildaversivem Feedback jedoch stellten sich
unabhängig von der Präferenz der Frau immer sehr positiv dar;
 Selbstkomplettierung durch Kompensation nach „incompleteness“Erfahrungen macht unsensibel gegenüber anderen, da man das eigene
Selbstkonzept um jeden Preis sichern will; fühlt man sich in seinem
Selbstkonzept bestätigt, ist man flexibler und sensibler im Umgang mit
anderen; demnach neigen besonders solche Leute zu unangebrachtem
aufdringlichem und angeberischem Verhalten, die „incompleteness“Erfahrungen kompensieren müssen;
VIII.
Volition
141.
Erläutern Sie die Begriffe Volition und Motivation. Worin bestehen die
zentralen Unterschiede?
Unter Motivation versteht man die Wahl von bestimmten Handlungs- und
Identitätszielen. Motivationale Prozesse sind solche, die mit der Wahl bestimmter
Ziele aufgrund deren Dienlichkeit für die eigene Person und ihrer Realisierbarkeit
verknüpft sind.
Im Gegensatz dazu fasst man unter Volition Prozesse, die ab der Festlegung auf
bestimmte Ziele bis hin zu ihrer konkreten Realisierung ablaufen, wie z.B. das Planen
von konkreten Handlungsschritten auf dem Weg zur Zielerreichung.
Motivation steht also im Zusammenhang mit der Wahl von Zielen, und Volition im
Gegensatz dazu mit der konkreten Realisierung von gewählten Zielen.
142.
Wozu braucht man Volition für die erfolgreiche Zielverfolgung?
Volition braucht man zur erfolgreichen Zielverfolgung, damit gesetzte Ziele auch
tatsächlich realisiert werden können und effektiv mit Hindernissen bei der
Zielverfolgung umgegangen werden kann, also im Hinblick auf Selbstüberwindung bei
aversiven, aber zur Zielerreichung notwendigen Tätigkeiten. Volition braucht man für
den Übergang von der Entscheidung zum eigentlichen Wollen.
143.
Beschreiben Sie detailliert die vier Phasen des Rubikonmodells der
Handlungssteuerung. Welche dieser vier Phasen haben eine motivationale, welche
eine volitionale Charakteristik?
Die erste Phase ist die prädezisionale Phase des Wählens, die charakterisiert ist von
einer Fazit-Tendenz und während der verschiedene potenzielle Ziele abgewogen und
bewertet werden. Sie hat eine motivationale Charakteristik und endet in der
Intentionsbildung, wodurch der sogenannte „Rubikon“ überschritten wird, der dem
Modell seinen Namen gibt und ab dem man sich auf ein bestimmtes Ziel definitiv
festgelegt hat.
Es folgt als zweite Phase nun die präaktionale Phase, die von einer Fiat-Tendenz
charakterisiert ist und während der konkrete Handlungsschritte auf dem Weg zur
Zielerreichung geplant werden. Sie endet mit der Intentionsinitiierung und hat
volitionalen Charakter.
Es schließt sich an die dritte aktionale Phase des Handelns, während der die
Intentionsrealisierung abläuft und die geplanten Handlungsschritte tatsächlich
ausgeführt werden. Sie hat ebenfalls volitionalen Charakter und endet mit der
Intentionsdesaktivierung.
In der vierten und letzten postaktionalen Phase des Bewertens wird das
vorangegangene Handeln im Hinblick darauf bewertet, ob das gesetzte Ziel erreicht
worden ist oder ob das Ziel ansonsten für die Zukunft modifiziert werden muss. Diese
Phase hat wiederum motivationale Charakteristik.
144.
Beschreiben Sie die Bewusstseinslagen des Abwägens und des Planens auf
der Basis des Rubikonmodells. Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der
Untersuchung von Gollwitzer, Heckhausen & Steller (1989), mit der die
unterschiedlichen Bewusstseinslagen nachgewiesen wurden.
Während der Phase des Abwägens, die einen motivationalen Charakter hat, findet
eine offene und unvoreingenommene Informationsverarbeitung statt, mit deren
Hilfe objektiv das beste potenzielle Ziel ausgewählt werden soll. Tendenziell werden
Informationen bezüglich der Realisierbarkeit und Attraktivität von Zielen bevorzugt.
Während des Planens hingegen ist die Informationsverarbeitung parteiisch und
voreingenommen, da man sich auf ein Ziel definitiv festgelegt hat und dieses
schützen und aufwerten will, indem man z.B. Gegenargumente ignoriert. Bevorzugt
werden Informationen, die Handlungsschritte auf dem Weg zur Zielerreichung
konkret spezifizieren.
 Gollwitzer, Heckhausen & Steller (1989):
Probanden mussten eine Märchengeschichte über einen König zu Ende erzählen,
der überlegte, wem er seine geliebte Tochter anvertrauen könnte, während er
selbst in den Krieg ziehen würde; die Probanden wurden zuvor in motivationale
oder volitionale Bewusstseinslagen versetzt, indem sie entweder ihre aktuellen
Lebensentscheidungen abwägen (motivational) oder aber die frühere Umsetzung
eines schwierigen Ziels beschreiben sollten (volitional) + Kontrolle; gemessen
wurde die Häufigkeit deliberativer (abwägender) und implementativer
(planender) Elemente in der Fortsetzung der Geschichte in Abhängigkeit von der
Bewusstseinslage, in die die Probanden zuvor versetzt worden waren;
 Ergebnisse: alle Gruppen weisen mehr implementative als deliberative
Elemente in ihren Geschichten auf, jedoch ist der implementative Anteil
am geringsten bei Probanden in motivationaler Bewusstseinslage und am
höchsten bei Probanden in volitionaler Bewusstseinslage; ebenfalls ist der
deliberative Anteil am geringsten für volitionale Bewusstseinslagen und
am höchsten für motivationale;
 bevorzugte Aufnahme, Erinnerung und Generierung phasenspezifischer
Inhalte  unterschiedliche Bewusstseinslagen beim Abwägen und Planen;
145.
Beschreiben Sie das Vorgehen und die Ergebnisse der Untersuchung von
Gollwitzer & Kinney (1989) zum Einfluss eines deliberativen vs. implementativen
mind-sets auf das Phänomen der Kontrollillusion. Erklären Sie das Ergebnis mit
Hilfe des Rubikonmodells der Handlungsphasen.
 Gollwitzer & Kinney (1989): Probanden Drücken auf Schalter, von dem sie nicht
wissen, inwiefern er eine Lampe kontrolliert; unabhängig davon, ob sie drücken
oder nicht drücken, ist die Wahrscheinlichkeit in einer Bedingung immer 25%,
dass die Lampe aufleuchtet, in der anderen Bedingung 75%; gemessen wird in
Anhängigkeit von der Bedingung und dem mind-set der Probanden (deliberativ
vs. implementativ), inwieweit die Probanden glauben, mit einem Tastendruck die
Wahrscheinlichkeit des Aufleuchtens der Lampe erhöhen zu können (entspricht
dem Grad der Kontrollillusion);
 Ergebnisse: Phänomen der Kontrollillusion tritt in beiden Bedingungen auf
und ist für die 75:75-Bedingung stets größer; Probanden in
implementativer Bewusstseinslage jedoch glauben in der 75:75-Bedingung
in viel höherem Maße als die in deliberativer, das Aufleuchten der Lampe
durch Tastendruck häufiger hervorrufen zu können; bei ihnen ist die
Kontrollillusion viel stärker ausgeprägt;
 Rubikonmodell: während der motivationalen Bewusstseinslage des
Abwägens unvoreingenommene und offene Informationsverarbeitung,
wobei man objektiver einschätzt; in der volitionalen Bewusstseinslage des
Planens findet hingegen parteiische und voreingenommene
Informationsverarbeitung statt, wobei Einschätzungen sehr subjektiv
getroffen werden; Probanden in deliberativem mind-set sind objektiver
und erliegen somit in der 75:75-Bedingung weniger leicht einer
Kontrollillusion als solche in implementativem mind-set;
146.
Was versteht man genau unter „implementation intentions“? Worin
unterscheiden sie sich von der Absicht, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen? Warum
sind „implementation intentions“ so wichtig für eine effiziente Zielverfolgung?
„Implementation intentions“ sind konkrete Handlungsvorsätze, die Verhalten in einer
bestimmten Situation festlegen. Von der Absicht, ein konkretes Ziel zu verfolgen
unterscheiden sie sich insofern, als dass das Ziele abstrakt sind und sich an ihrer
Wünschbarkeit orientieren, jedoch nicht spezifizieren, wann man sich in welcher
Situation wie verhalten sollte, um genau dieses Ziel zu erreichen. Vielmehr ist ein Ziel
ein generell erstrebenswertes Handlungsergebnis, nicht jedoch der konkrete
„Fahrplan“ zu diesem Ergebnis hin. Dieser wird festgelegt durch „implementation
intentions“. Die Zielerreichung ist desto effektiver, je konkreter und umfassender die
Handlungsvorsätze formuliert werden. „Implementation intentions“ sind also deshalb
so wichtig für eine effiziente Zielverfolgung, weil sie in vielerlei Hinsicht
konkretisieren, welches Verhalten in welcher Situation gezeigt werden muss, um das
Ziel zu erreichen. Dadurch ist man schneller und effizienter dabei, eine Zielintention
zu verwirklichen.
147.
Schildern Sie Ablauf und Ergebnisse der Untersuchung von Gollwitzer &
Brandstätter (1997) zum Nachweis der Wichtigkeit von „implementation
intentions“ bei der Zielverfolgung.
 Gollwitzer & Brandstätter: während eines Seminars wurde bekanntgegeben, dass
bis nach den Weihnachtsferien eine Hausarbeit anzufertigen sei; die
Kontrollgruppe wurde lediglich nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Arbeit
nach den Ferien auch wirklich fertig sein müsse; mit der Experimentalgruppe
wurde genau durchgesprochen, wo man sich während der Ferien befände, wann
man welche Pläne habe und an welchem Ort und zu welcher Zeit man mit der
Hausarbeit beginnen und wie viele Tage daran arbeiten solle;
 Ergebnisse: nach den Ferien zeigte sich, dass 70% der Seminarteilnehmer
in der Experimentalgruppe, jedoch nur 30% in der Kontrollgruppe eine
fertige Arbeit hatten, obwohl auch letztere nachdrücklich darauf
hingewiesen worden waren;
 „implementation intentions“ essenziell für schnelle und effektive
Umsetzung von Zielintentionen; desto besser, je konkreter;
IX.
Emotionen
148.
Erklären Sie die Begriffe Emotion und Stimmung und grenzen Sie die beiden
Phänomene voneinander ab.
Emotionen sind objekt- oder ereignisbezogene spezifische und starke Affekte, deren
Auslöser, Beginn und Ende bekannt oder bestimmbar sind und die im Fokus der
Aufmerksamkeit stehen. Im Gegensatz dazu sind Stimmungen diffuse und
abgeschwächte Auftretensformen der jeweiligen Emotionen, deren Anfang, Ende und
Auslöser unbekannt sein können, und die über eine unbestimmte längere Zeitspanne
hinweg andauern und das affektive Erleben kolorieren können.
149.
Was bedeutet es, dass Emotionen einen Objektbezug haben? Erläutern Sie
dies an einem Beispiel.
Mit Objektbezug hinsichtlich Emotionen ist gemeint, dass eine bestimmte Emotion
durch etwas Bestimmtes (ein Objekt oder etwa eine Situation) ausgelöst wird, das
bewusst ist und im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Eine Emotion wird also
hinsichtlich eines spezifischen Auslösers entwickelt. Anderenfalls spricht man von
einer Stimmung. Die Emotion ist an das Objekt gebunden und stellt sich nach kurzer
Zeit wieder ein, wenn das Objekt aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwindet.
Bsp.: Man sieht eine Spinne, die in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt und als
emotionale Antwort Ekel auslöst. Der Ekel wird nur solange anhalten, wie die
Aufmerksamkeit auf der Spinne ruht. Man ist sich auch bewusst darüber, dass man
sich ekelt und dass man es wegen der Spinne tut. Verschwindet die Spinne aus dem
Fokus der Aufmerksamkeit, weil man z.B. drauftritt, so flacht der Ekel schnell ab.
150.
Wie kann man versuchen, die Vielzahl von Emotionsbegriffen, die in der
Sprache vorkommen, auf grundlegende Emotionskategorien bzw. -dimensionen zu
reduzieren?
Die Vielzahl vom Emotionsbegriffen, die in der Sprache vorkommen, können durch
Ähnlichkeitsurteile (Paarvergleiche), Kovaritionen im Erleben, semantische
Differentiale sowie Cluster- und Faktorenanalysen bezüglich der Struktur auf
grundlegende Emotionskategorien oder -dimensionen reduziert werden.
151.
Was sind Basisemotionen, wie wurden sie identifiziert und wodurch sind sie
charakterisiert? Nennen Sie mindestens 6 Basisemotionen.
Basisemotionen sind kulturübergreifend auftretende charakteristische
Grundemotionen, die überall auf der Welt eindeutig identifiziert werden können.
Charakterisiert werden sie anhand ihrer spezifischen Mimik, wobei nur die
Basisemotionen jeweils ein ganz eigenes mimisches Muster aufweisen. 6
Basisemotionen sind Freude, Furcht, Aggression, Ekel, Überraschung und Trauer.
152.
Nennen Sie die beiden zentralen Dimensionen im Circumplex-Modell der
Emotionen von Russell (1980) und verorten Sie die folgenden Gefühls- und
Befindlichkeitszustände in diesem Modell: Angst, Freude, Trauer, freudige
Überraschung, Entspannung, Müdigkeit/Schläfrigkeit.
Die beiden Grunddimensionen des Circumplex-Modells der Emotionen nach Russel
sind Valenz und Erregung. Angst entspricht hierbei hoher Erregung und mittlerer
negativer Valenz, Freude mittlerer Erregung und stark positiver Valenz, Trauer
mittlerer bis schwacher Erregung und stark negativer Valenz, freudige Überraschung
hoher Erregung und mittlerer positiver Valenz, Entspannung niedriger Erregung und
positiver Valenz und Müdigkeit/Schläfrigkeit sehr geringer Erregung und neutraler
Valenz.
153.
Skizzieren Sie das 2-Faktoren-Modell der Emotion von Watson, Clark &
Tellegen (1988). Worin liegen die zentralen Unterschiede zum Circumplex-Modell
von Russel? Wie hängen die beiden Modelle zusammen? Verorten Sie auch hier die
in Frage 152 genannten Gefühlszustände.
Die zentralen Unterschiede zum Circumplex-Modell von Russel liegen darin, dass im
2-Faktoren-Modell der Emotion statt der Dimensionen Valenz und Erregung die
beiden Dimensionen des positiven und negativen Affektes verwendet werden. Diese
werden im Gegensatz zum Circumplex-Modell als unabhängig und kombinierbar
aufgefasst. Was bei Watson et al. nun auf der Winkelhalbierenden des ersten und
dritten Quadranten liegt – also gleiche Anteile positiven und negativen Affekts besitzt
– wäre im Circumplex-Modell valenzneutral. Das 2-Faktoren-Modell ist durch
Drehung um 45° in das Circumplex-Modell überführbar, letztlich ist es also egal,
welches der beiden Modelle zur Anwendung kommt.
Im 2-Faktoren-Modell entspricht Angst mittlerem positivem und starkem negativem
Affekt, Freude hohem positivem und niedrigem negativem Affekt, Trauer niedrigem
positivem und hohem negativem Affekt, freudige Überraschung hohem positivem
und hohem negativem Affekt, Entspannung mittlerem positivem und niedrigem
negativem Affekt sowie Müdigkeit/Schläfrigkeit niedrigem positivem und mittlerem
negativem Affekt.
154.
Nennen Sie Probleme und Grenzen der dimensionalen oder kategorialen
Strukturtheorien der Emotion.
-
Abhängigkeit der Analysenergebnisse vom verwendeten Item-Pool
Unklare externe Validität; vllt. wird statt empirischen Zusammenhängen nur
Sprachverständnis überprüft;
Nur begrenzte Abbildung der Spezifität der Emotionsbegriffe
155.
Was ist die Kernannahme der Appraisal-Theorien der Emotion? Erläutern Sie
Ihre Ausführung mit Hilfe eines Beispiels.
Die Kernannahme der Appraisal-Theorien der Emotion ist, dass Emotionen zwar
immer einen Objektbezug haben, dass sie aber nicht durch ein bestimmtes Objekt
generell festgelegt ist, sondern entscheidend für die ausgelöste Emotion die
Gedanken und subjektiven Bewertungen des Objekts oder der Situation durch die
Person ist. Verschiedene Objekte lösen bei verschiedenen Menschen verschiedene
Emotionen aus, abhängig von ihrem Appraisal dem Objekt/der Situation gegenüber.
Daraus schließen die Appraisal-Theorien, dass also eine bestimmte emotionale
Reaktion auf ein Objekt/eine Situation ein guter Indikator persönlicher Einstellungen,
Ansprüche und Normen ist.
Bsp.: Kommt ein kleiner Junge dreckig nach Hause, so hängt die Emotion seiner
Mutter ganz davon ab, wie sie die Situation bewertet. Sie kann denken, der Junge
habe sicher viel Spaß gehabt und sei beim Spielen dreckig geworden, was eine
positive Emotion zur Folge hätte. Genauso könnte sie aber böse werden, weil der
Junge sich schon wieder dreckig gemacht hat. Aufgrund ihrer jeweiligen emotionalen
Reaktion kann man ablesen, ob sie beispielsweise pedantisch und reinlich oder eher
offen in der Erziehung ist.
156.
Nennen Sie mindestens vier verschiedene Einschätzungsdimensionen, die
für die Differenzierung emotionaler Zustände relevant sein können. Geben Sie für
jede Dimension anhand eines Beispiels an, wie unterschiedliche Einschätzungen auf
der jeweiligen Dimension (bei sonst gleicher Einschätzung auf den anderen
Dimensionen) unterschiedliche emotionale Zustände bedingen können.
-
-
-
-
Verantwortung/Absichtlichkeit: Glaubt man, selbst für etwas Schlechtes
Verantwortung zu tragen, so wird man sich vllt. schuldig fühlen; im Gegensatz
dazu, ist man wütend auf jemanden, dem man die Schuld an etwas anderem
zuschreibt; schreibt man sich die Schuld am Tod eines verwandten zu, so fühlt
man sich schuldig; schreibt man sie einem anderen zu, so ist man wütend auf ihn;
Relevanz, Zieldienlichkeit/Valenz: Schätzt man ein Objekt oder eine Situation als
zieldienlich bezüglich eigener Motive ein, so wird die resultierende Emotion
positiver ausfallen als bei zielaversiver und –undienlicher Einschätzung; ein
diplomierter Jurist wird auf eine Stellenanzeige in einer Anwaltskanzlei viel
positiver reagieren als ein Mathematiker;
Moralische Standards: Glaubt man, eine Situation habe moralischen Bezug und
schätzt man sie so ein, dass moralische Standards gebrochen worden seien, dann
wird die resultierende emotionale Reaktion negativer sein; glaubt man, dass der
Chef einen unangemessen vor anderen Kollegen zurechtgewiesen hat, so wird
man wegen Verletzung moralischer Standards den Chef schlecht bewerten; wenn
man allerdings moralisch korrekt behandelt wird, wird man ihn positiv
einschätzen;
Bewältigungspotenzial/Handlungsressourcen: glaubt man, den Ausgang einer
Situation selbst unter Kontrolle zu haben und zu einem guten Ergebnis führen zu
können, so wird der emotionale Zustand positiver sein als bei jemandem, der
glaubt dem Zufall oder anderen ausgeliefert zu sein; meint man, die Noten im
Studium selbst durch mittleren Lernaufwand kontrollieren zu können, so fällt die
Emotion bezüglich Prüfungen besser aus als wenn man meint, Noten würden
mehr oder weniger per Zufall vergeben;
157.
Erläutern und kontrastieren sie die beiden Auffassungen, kognitive
Einschätzungen seien Ursachen vs. Konstitute von Emotionen. Nennen Sie
Argumente für bzw. gegen die jeweiligen Auffassungen.
Die Auffassung, kognitive Einschätzungen seien Ursachen von Emotionen geht davon
aus, dass Emotionen bezüglich einer Situation oder eines Objekts überhaupt erst
entstehen können, wenn diese kognitiv bewertet worden sind. Die Bewertungen
lösen dann je nachdem spezifische Emotionen aus (analog zu Appraisal-Theorien).
Im Gegensatz dazu gibt es Auffassungen, die meinen, Bewertungen seien stets
nur logische Folgen von Emotionen, nicht aber Auslöser für diese. Dass Bewertungen
auf Emotionen folgen, bestreiten auch Verfechter der ersten Auffassung nicht, sie
gehen nur davon aus, dass sie hauptsächlich Emotionen ursächlich bedingen.
Gestützt wird die Auffassung von kognitiven Einschätzungen als Konstitute durch
Emotionen durch Zajoncs „mere exposure“-Effekt (1980), bei dem Probanden
unabhängig von der Wiedererkennungsleistung durch reine Exposition Gegenstände
positiver beurteilten. Dem ist aus Sicht der Appraisal-Theorien entgegenzuhalten,
dass Zajonc lediglich Präferenzen, nicht aber Emotionen maß. Außerdem könnte
kognitives Appraisal sehr schnell und selbst unbewusst ablaufen, was die Auffassung
der ursächlichen kognitiven Bewertung ebenfalls stützt.
158.
Schildern Sie die Kritik von Zajonc (1980) an den Appraisal-Theorien der
Emotion. Wie entgegnen Vertreter kognitiver Appraisal-Theorien diese Kritik?
Zanjonc kritisiert die Appraisal-Theorien auf der Grundlage des von ihm gemessenen
„mere exposure“-Effekts (1980). Im zugehörigen Experiment, zeigte sich, dass
Probanden unabhängig von der Wiedererkennungsleistung komplexe Stimuli
hinsichtlich ihrer Valenz positiver bewerteten, wenn sie ihnen in Phase 1 schon
einmal präsentiert worden waren, als neue Stimuli. Er schloss hieraus, dass
Emotionen nicht notwendigerweise kognitives Appraisal als Ursache benötigen,
sondern auch ohne dieses zustande kommen.
Vertreter kognitiver Appraisal-Theorien entgegnen, dass Zajonc in seinen
Untersuchungen nicht tatsächlich Emotionen, sondern nur Präferenzen gemessen
habe, was keine Aussage über Bedingungen von Emotionen zulasse.
159.
Skizzieren Sie die Instinkt-Definition von Emotionen von McDougall und
nennen Sie für die folgenden Emotionen die zugehörigen Verhaltenstendenzen:
Furcht, Ekel, Ärger, Zärtlichkeit.
Nach der Instinkt-Definition von Emotionen nach McDougall werden Emotionen
evolutionsbiologisch als instinktähnliche Reaktionsmuster auf bestimmte typische für
das Überleben und die Reproduktion wichtige Situationen angesehen. Sie sind
genetisch determiniert oder angeboren und lenken Perzeption und Kognition
emotionsbezogen. Sie aktivieren über Affekte Verhaltensimpulse. Die zugehörige
Verhaltenstendenz zu Furcht ist hierbei Flucht, zu Ekel Abstoßung (z.B.
Zurückweichen), zu Ärger Kampf und zu Zärtlichkeit Fürsorge.
160.
Welche Forschungsergebnisse sprechen dafür, Emotionen als zentrale
Motivsysteme (appetitives vs. defensives Motivsystem) aufzufassen?
-
Konditionierte emotionale Furchtreaktionen, die mit instrumentellem
appetitivem Verhalten interferieren;
Lang et al. (1997): startle probe  Betrachten negativer/positiver Bilder
verstärkt/schwächt den defensiven Schreckreflex;
Chen & Bargh (1999): Aktivierung von Beuge- oder Streckbewegungen durch
entsprechend valente Reize;
161.
Schildern Sie die Untersuchungsergebnisse von Lang et al. (1997) zur
Modulation des Schreckreflexes (startle probe/Blinzelreflex) und geben Sie eine
theoretische Interpretation dieser Ergebnisse.
 Lang et al. (1997): Probanden wurden neutrale, positive und negative Bilder
gezeigt, und dann zu einem von 4 verschiedenen Zeitpunkten (max. 3 sec nach
Präsentation) eine Blinzelreflex-Test durchgeführt; es zeigte sich, dass die
Präpulsinhibition für emotionale Bilder 0.5 sec nach der Bildpräsentation
zunächst stärker war als bei neutralen Bildern; bei einer Latenz von 1 sec ist die
Startle-Reaktion bei positiven Stimuli schon am geringsten, und bei 2 sec. Ist die
Reaktion für negativ am stärksten und weiterhin für positiv am schwächsten;
 Präpulsinhibition größer für emotionale Bilder; die legt nahe, dass für
emotionale Inhalte stärkere Aktivierung von Motivsystemen stattfindet;
für größere Latenzen ist die Reaktion stärker für negative Bilder und am
schwächsten für positive; die entsprechenden Emotionen scheinen das
appetitive bzw. defensive Motivsystem zu aktivieren und die StartleReaktion der entsprechenden Motivationstendenz anzupassen, indem das
defensive Motivsystem den Organismus in größere Alarmbereitschaft
versetzt und das appetitive stärker beruhigt;
162.
Beschreiben Sie die Untersuchung von Chen & Bargh (1999) zur Aktivierung
instrumenteller Annäherungs- und Vermeidungstendenzen durch valente Reize.
Welche Ergebnisse wurden in diese Untersuchung erzielt und wie wurden diese
Ergebnisse ursprünglich interpretiert? Welche Kritik lässt sich an dieser
Interpretation üben? Beschreiben Sie hierzu die weitergehende Untersuchung von
Markman & Brendl (2005).
 Chen & Bargh (1999): Probanden wurden positive vs. negative Bilder gezeigt; in
Bedingung 1 (kongruente Bed.) musste für ein positives Bild ein Hebel
herangezogen und für ein negatives ein Hebel von sich weggedrückt werden; in
Bedingung 2 (inkongruente Bed.) war die Zuordnung verkehrt, also Ziehen für
negative, Drücken für positive Bilder; gemessen wurden Reaktionszeiten in
Abhängigkeit von der Bedingung;
 Ergebnisse: in der kongruenten Bedingung waren die Reaktionszeiten
signifikant kürzer als in der inkongruenten;
 Ursprüngliche Interpretation: direkte reflexartige Bizeps- vs.
Trizepsaktivierung in Abhängigkeit von valenten Stimuli; deshalb brauchen
Inkongruente länger, da sie dieser Aktivierung gegensteuern müssen
 Markman & Brendl (2005): auf einem Bildschirm wurden über bzw. unter dem
eigenen Namen positive vs. negative Wörter gezeigt; Probanden mussten jeweils
die Handbewegung ausführen, die ein positives Wort ihrem Namen näher und ein
negatives von ihrem Namen wegbrachte, oder sie mussten negative Wörter zu
ihrem Namen und positive davon weg bringen; unabhängig davon, ob dazu eine
Streck- oder Beugebewegung notwendig war, waren Probanden schneller, wenn
sie positive Wörter dem eigenen Namen näher und negative weiter weg bringen
konnten als umgekehrt (jeweils gleiche Reaktionszeiten für inkongruent vs.
kongruent);
 Keine bloße Aktivierung motorischer Programme bei
Verhaltensaktivierung durch valente Reize/Emotionen, sondern
stattdessen flexibel umsetzbare Verhaltensziele;
163.
Nennen Sie verschiedene Beispiele für verhaltenshemmende Effekte von
Emotionen. Welche dieser Effekte verweisen möglicherweise dennoch auf eine
funktionale emotionale Handlungsregulation?
1. Interrupt-Effekt der Emotion: Emotionen können mit laufenden Tätigkeiten
interferieren und diese unterbrechen;
 kann sinnvoll sein, um Verhalten an neue Gegebenheiten anzupassen oder
auch, um sich ergebende Chancen zu nutzen;
2. Verhaltensblockaden bei intensiven Emotionen: z.B. bei Furcht vor Prüfung
Verkrampfen und Black-out;
 Bei intensiver Furcht vor Angriffen durch Räuber kann es vorteilhaft sein,
sich nicht zu bewegen und unauffällig zu bleiben, daher das Freezing;
3. Antriebslosigkeit bei Depressivität/Trauer
 Kann der Vorbereitung der Zielablösung bei Aufgaben und
Handlungsroutinen dienen, die ins Leere laufen und nicht mehr sinnvoll
sind, um so Ressourcen zu schonen, z.B. wenn ein Partner verstorben ist
und bestimmte Tätigkeiten ohne ihn nicht mehr vorteilhaft sind;
164.
Was ist die Kernaussage der James-Lange-Theorie der Emotion?
Getreu dem Zitat „Wir sind traurig, weil wir weinen.“, geht die James-Lange-Theorie
der Emotion davon aus, dass Emotionen nicht nur Auslöser physiologischer Prozesse
sind, sondern dass Emotion vielmehr durch Wahrnehmung peripher-physiologischer
Veränderungen (hierbei besonders die Gesichtsmuskulatur) entstehen. Spontane
Reaktionen mit vorprogrammiertem Verhalten lassen dann erst eine Emotion in
zweiter Instanz entstehen.
165.
Was besagt die „facial-feedback“-Hypothese? Schildern Sie als Beleg dieser
Auffassung Ablauf und Ergebnisse der sog. „pen studies“ von Strack, Martin &
Stepper (1988).
Die „facial-feedback“-Hypothese nimmt an, dass nicht nur das emotionale Erleben
sich in unserem Gesichtsausdruck widerspiegelt, sondern ebenso veränderte
Gesichtsmuskelaktivität einen rückwirkenden Einfluss auf das emotionale Erleben
hat, je nachdem welcher spezifische emotionstypische Ausdruck zustande kommt.
 Strack et al. (1988): Probanden müssen Comics nach ihrer Lustigkeit bewerten
und halten dabei den Stift entweder in der nicht-dominanten Hand, so zwischen
den Zähnen, dass dabei Lachen imitiert wird oder so zwischen den Lippen, dass
ein positiver Gesichtsausdruck inhibiert wird;
 Ergebnisse: unabhängig von der Bewusstheit über die Natur des imitierten
Gesichtsausdrucks findet die Zahngruppe die Comics signifikant lustiger
und die Lippengruppe signifikant weniger lustig als die Handgruppe;
 Rückwirkender Einfluss peripherer Gesichtsmuskeln auf emotionales
Erleben
166.
Worin besteht die Hauptfunktion emotionalen Ausdrucksverhaltens (Mimik,
Haltung)?
Die Hauptfunktion emotionalen Ausdrucksverhaltens ist seine kommunikative
Komponente. Es werden durch emotionales Ausdrucksverhalten Motivzustände und
Verhaltenstendenzen an Interaktionspartner übermittelt.
167.
Warum ist der typische emotionale Ausdruck keine notwendige
Komponente einer Emotion?
Man kann seine tatsächliche Emotion vor anderen verbergen, indem man z.B.
künstlich lächelt, obwohl man sich schlecht fühlt. In einem solchen Fall tritt die
Emotion unabhängig von ihrem typischen Ausdruck auf.
168.
Schildern Sie die klassische Studie von Schachter & Singer (1962) zur Rolle
von arousal bei der Emotionsentstehung. Welches Ergebnis wurde beobachtet und
wie wird dieser Befund interpretiert?
 Schachter & Singer (1962): Probanden erhielten Adrenalin oder Placebo und
wurden über mögliche Folgen des Adrenalins (arousal) richtig, falsch oder gar
nicht informiert; danach füllten sie einen intimen Fragebogen zusammen mit
einem Konföderierten aus, der sich hierbei ärgerlich oder euphorisch zeigte;
 Ergebnisse: die nicht oder falsch Informierten mit Adrenalin passten ihre
Emotion tendenziell an die des Konföderierten an (besonders für
Euphorie); allerdings wird auch Placebo-Bedingung und teilweise
informierte Adrenalin-Bedingung beeinflusst bzw. in der Ärger-Bedingung
die falsch-Informierten mit Adrenalin nicht beeinflusst;
 Es war erwartet worden, dass Placebo und informiert-Adrenalin weniger
stark und falsch-Informierte und nicht Informierte stärker durch
Konföderierten beeinflusst werden; die Hypothese das Emotionen durch
Attribution unspezifischen arousals entstehen können, bestätigte sich
zwar, jedoch scheint auch ohne das arousal ein Einfluss zu bestehen
 Arousal scheint für eine Emotion weder zwingend notwendig noch
hinreichend zu sein;
169.
Nennen Sie Argumente, warum physiologische Erregung (arousal) weder
hinreichend noch notwendig für Emotion ist.
Im Experiment von Schachter & Singer (1962) zeigte sich, dass unter unspezifischem
physiologischem arousal nicht zwangsläufig die Emotion in eine manipulierte
Richtung schwenkt und außerdem auch physiologisch Nicht-Erregte sich emotional
beeinflussen ließen. In einer weiteren Untersuchung von Valins (1966) zeigte sich
außerdem, dass auch durch falsches Feedback über den eigenen Herzschlag
positivere Gefühle gegenüber erregenden Bildern entstehen, also auch vorgestelltes
arousal ausreichen kann, um Emotionen zu beeinflussen. Außerdem zeigten Lang et
al. (1997), dass erhöhtes arousal an sich valenzunspezifisch ist. Maranon (1924)
zeigte, dass arousal auch ohne Emotion auftreten kann.
Physiologisches arousal scheint somit weder für das Entstehen einer Emotion
notwendig zu sein, noch zwingend zu einer Emotion zu führen.
ENDE IM GELÄNDE.
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