8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Weitergehende Abwasserreinigung – Stickstoffelimination Stickstoff ist ein wichtiger Nährstoff im kommunalen Abwasser, so dass eine übermäßige Einleitung zu einer großen Belastung werden kann. Folgende Wirkungen sind dabei zu nennen: Ammonium wird im Gewässer durch natürliche Nitrifikation umgesetzt und verursacht damit Sauerstoffzehrung, Fischtoxizität durch Umsetzung des Ammonium zu Ammoniak bei Erhöhung des pH-Wertes. Nitrit zehrt im geringen Ausmaß Sauerstoff bei der Oxidation zu Nitrat und ist für zahlreiche Wasserlebewesen toxisch. Nitrat ist ein im Gewässer leicht verwertbarer Nährstoff, der zur Gewässereutrophierung beiträgt. Stickstoffeinträge im Fließgewässer diffuse Einträge (60 %) Punktförmige Einträge (40 %) Niederschlag, Streu ( 3 %) Industrielle Abwässer (7 %) Einleitungen Landwirtschaft (20 %) Dränwasser (6 %) Regenwasserbehandlung (3 %) Erosion (6 %) Grundwasser (25 %) häusliche Abwässer (30 %) Stickstoffvorkommen im kommunalen Abwasser: hauptsächlich als Ammonium andere organische N-Verbindungen (nicht zerlegte Eiweiße) Nitrit/Nitrat 1/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Ammonifikation: Die Ammonifikation ist ein Teilprozess des Stickstoffkreislaufs und des Abbaus organischer Stoffe in Ökosystemen. Hierbei wird der Stickstoff aus Stickstoff-haltigen organischen Stoffen durch mikrobielle Prozesse in Form von Ammoniak (NH3) freigesetzt. Viele Destruenten (Bakterien, Archaeen und Pilze) sind in der Lage, Ammoniak aus organischen Stickstoffverbindungen abzuspalten. Beispielsweise kann Ammoniak aus Aminosäuren, die in den Proteinen enthalten sind, durch Desaminierung abgespalten werden; auch Aminozucker werden desaminiert. Außerdem kann Ammoniak durch Hydrolyse von Harnstoff gebildet werden. Bei dieser Reaktion wird Harnstoff (CO(NH2)2) durch das Enzym Urease zu Ammoniak (NH3) und Kohlenstoffdioxid (CO2) umgesetzt: Aus Ammoniak, das in Wasser gelöst ist, entstehen Ammoniumionen. Da dabei Hydroxidionen entstehen, ist die entstehende Lösung alkalisch. Das Mengenverhältnis von Ammoniak zu Ammonium-Ionen ist vom pH-Wert abhängig: Ammonifikation bewirkt so eine Alkalisierung des Milieus. Ammoniumabbau: Ammonium wird zuerst zu Nitrat oxidiert (Nitrifikationsschritt) und anschließend wird das Nitrat zu molekularem Stickstoff reduziert (Denitrifikationsschritt). NH4+ NO2-/NO3Nitrifikation N2 Denitrifikation 2/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Nitrifikation, Nitrifizierung (nitrification) (lat. nitrogénium = Stickstoff; lat. fácere = machen, tun) Die Nitrifikation ist die Umsetzung von Ammoniak bzw. Ammonium zu Nitrat. Sie wird im natürlichen Gewässer und bei der biologischen Abwasserreinigung von Nitrifikanten durchgeführt. Bisher wurde noch kein Bakterium identifiziert, das Ammonium direkt bis hin zum Nitrat oxidieren könnte; vielmehr sind an der Oxidation zwei Arten beteiligt: Die Ammoniumoxidierer (Nitrosomonas) wandeln durch biochemische Oxidation (pH-Wert abhängig) über diverse Zwischenprodukte zu Nitrit. Die Nitritoxidierer (Nitrobacter) oxidieren das entstandene Nitrit weiter zum Endprodukt Nitrat. Ammonium und Nitrit wirken hierbei als Elektronendonatoren. Die Nitrifikation ist eine Reaktion mit sehr hohem Sauerstoffbedarf der extern zugeführt werden muss, da die Nitrifikanten zu den aeroben Bakterien gehören. Sie benötigen Sauerstoff als Elektronenakzeptor und nutzen organisches Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle. Eine schnelle Umwandlung der Nitritsalze durch die Bakterien ist lebensnotwendig, da Nitrit für höhere Organismen bei niedrigem pH-Wert giftig wirkt. Der in zwei Stufen untergliederte Nitrifikationsprozess kann folgendermaßen beschrieben werden: 1. Stufe: Oxidation des Ammoniums zu Nitrit. Dazu muss zuerst die Umwandlung des Ammonium-Ions über die vom Enzym Ammoniummonooxigenase (AMO) katalysierte Reaktion zum Hydroxylamin erfolgen. Im Anschluss daran wird das gebildete Hydroxylamin durch die Hydroxylaminoxidoreduktase (HAO) in das Endprodukt der ersten Stufe, das Nitrit, umgebaut. Diese beiden Reaktionsschritte führen Bakterien aus, die allgemein als Ammoniumoxidanten bezeichnet werden. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist Nitrosomonas. 2. Stufe: Oxidation des Nitrits zu Nitrat. In der zweiten Stufe erfolgt dann die Umwandlung des entstandenen Nitritstickstoffs in seine höhere Oxidationsstufe, das Nitrat. Repräsentativer Mikroorganismus dieses Schritts ist Nitrobacter. Beide Schritte zusammen werden als Nitrifikation bezeichnet. Dabei nutzen die beteiligten Mikroorganismen die Ausgangsverbindungen Ammonium bzw. Nitrit zur Veratmung mit Sauerstoff. 3/13 8 AU/2009 NH4+ NO21) Nitrosomonas Wolfgang Scheitz NO32) Nitrobacter Die Lebensweise der beteiligten Mikroorganismen wird als Chemolitotrophie bezeichnet. Darunter versteht man, dass bei einer chemischen Reaktion nur anorganische Stoffe umgesetzt werden. Der oben beschriebene Sachverhalt führt zu Problemen in natürlichen Gewässern, die mit großen Mengen an Stickstoff belastet werden. Durch die Oxidation von Ammonium zu Nitrat wird zum einen der Sauerstoffgehalt im Wasser des Gewässers verändert. Hierbei werden 4,5 mg Sauerstoff pro1 mg Ammonium-Stickstoff verbraucht. Dies kann zu einem Sauerstoffdefizit und zur Umwandlung von Ammonium zu Ammoniak, einem Fischgift führen. Zum anderen entsteht wegen der steigenden Nutzung von Oberflächengewässern für die Trinkwasserversorgung ein weiteres Problem. NitratKonzentrationen von über 10 mg/L Trinkwasser können bei Säuglingen zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Dies beruht weniger auf der Primärtoxizität des Nitrates, sondern auf der möglichen Reduktion zu Nitrit durch die im Körper ansässigen Bakterien. Die technische Nitrifikation ist unter anderem abhängig von: Temperatur: Das Optimum liegt zwischen 28-36°C. Die Nitrifikation wird bei Temperaturen unter 12°C verlangsamt und unter 8°C eingestellt. gelöster Sauerstoff >=2 mg/l pH-Wert, Pufferkapazität: starke Abhängigkeit, optimaler Bereich 7,5-8,3 organische Belastung relevante Substratkonzentrationen (Ammonium, Nitrit) eventuell Hemmstoffe Kontaktzeit zwischen nitrifizierender Biomasse und Abwasser Bei kommunalem Abwasser wird üblicherweise von einer spezifischen Gesamtstickstofffracht von 12g N/(E. d) ausgegangen. Etwa 2g davon werden im Rahmen der biologischen Reinigungsprozesse zum Aufbau neuer Biomasse verbraucht. Es bleiben so ca. 10g/(E.d), die im Zuge der Nitrifikation oxidiert werden müssen. Die abwassertechnischen Probleme der mikrobiellen Ammoniumoxidation (Nitrifikation) sind im Wesentlichen auf die biologischen Eigenheiten der nitrifizierenden Bakterien zurückzuführen. Im Vordergrund steht dabei die Tatsache, dass diese Organismen, im Vergleich zu den heterotrophen Bakterien, nur eine überaus geringe Vermehrungsrate haben. Die Generationszeit der heterotrophen Bakterien liegt bei ca. 2 Stunden, die der Nitrifikanten bei ca. 12 Stunden. In diesen Fällen steht den Nitrifikanten im Wasserkörper nicht genug Zeit zur Verfügung, um sich zu einer hinreichend leistungsfähigen nitrifizierenden Bakterienpopulation zu entwickeln. Infolge der laufenden Ausspülung der Nitrifikanten stellt sich im biologischen Reaktionsraum ein Gleichgewicht zwischen 4/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Vermehrung und Ausschwemmung auf einem so niedrigen Niveau ein, dass die relativ wenigen im Abwasser flottierenden Nitrifikanten nur geringfügig zu Stickstoffoxidation beitragen können. Unter diesen Bedingungen hängt die Nitrifikationsleistung überwiegend von den am Teichboden fest sitzenden Nitrifikanten ab. Die Immobilisation von Nitrifikanten auf Festkörpern wird u.a. auch in Biofiltern als auch Hochleistungsreaktoren zur Stickstoffelimination ausgenutzt. Für die Stickstoffelimination ist neben der Nitrifikation der weitere Schritt Denitrifikation notwendig. Nitrifikanten Nitrobakterien, Bakterien, mit denen die Nitrifikation erfolgt. Zu den Nitrobakterien zählen einerseits die Nitratbakterien und andererseits die Nitritbakterien. Die bekanntesten Nitrifikanten sind Nitrobacter, eine Gattung nitratbildender Bakterien und Nitrosomonas, eine Gattung nitritbildender Bakterien. Nitrosomonas Nitrobacter Nitrobacter und Nitrosomonas, die im Boden und im Wasser leben, ernähren sich autotroph unter Ausnutzung von Energie, die durch Nitrifikation gewonnen wird. Bedingt durch ihre geringen Wachstumsraten ist es notwendig, besondere Milieubedingungen zu gewährleisten, um diese Bakterien im Abwasserbereich besonders effektiv einsetzen zu können. 5/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Denitrifikation Der Abbau von Nitrat zu Stickstoff und Sauerstoff durch bestimmte Mikroorganismen (Denitrifikanten). Das Verfahren wird technisch u.a. in der biologischen Abwasserreinigung als Folgeschritt nach der Nitrifikation für den Abbau von Stickstoffverbindungen genutzt. Es tritt aber auch in der Umwelt im natürlichen Stickstoffkreislauf auf. Unter Denitrifikation wird die Fähigkeit von Mikroorganismen verstanden, selektiv Nitrat durch enzymatische Aktivitäten zu molekularem Stickstoff zu reduzieren (abzubauen). Dieser Prozess findet nur statt, wenn kein frei gelöster Sauerstoff im Wasser vorhanden ist, also anoxische Bedingungen vorliegen. Die Denitrifikation ist der einzige biologisch bekannte Prozess, durch den organische oder anorganische Stickstoffverbindungen zu Stickstoffgas zersetzt und letztlich wieder in den Stickstoffkreislauf der Atmosphäre zurückgeführt werden können. Wie bei der Nitrifikation sind auch bei der Denitrifikation verschiedene bakterielle Enzyme beteiligt. Im Unterschied zur Nitrifikation kann die Denitrifikation von einem einzigen Organismusstamm durchgeführt werden, die als Denitrifikanten bezeichnet werden. NO3- N2 Denitrifikanten benötigen für den Abbau des Nitrats zu Distickstoff organisch gebundenen Kohlenstoff, der als Elektronenspender dient. Diese Beziehung spiegelt das Verhältnis von BSB5-Wert zur Nitrat-Konzentration wieder, das bei der Denitrifikation nach Erfahrungswerten idealerweise ca. 4:1 beträgt. Bei kommunalem Abwasser beträgt das Verhältnis von BSB5 zu CSB ungefähr 0,65-1. Wenn sich zu wenig gelöster organischer Kohlenstoff im Abwasser befindet, also bei niedrigem BSB5-Werten, kann der Abbauweg auf einer der Zwischenstufen enden (dead end-Produkte). In diesem Fall kann sich Nitrit oder Distickstoffoxid anhäufen. Da dies nicht erwünscht ist, muss für die Denitrifikanten immer genug Kohlenstoff vorhanden sein. In der Abwasserreinigung werden drei verschiedene Denitrifikationsverfahren angewandt: vorgeschaltete Denitrifikation simultane Denitrifikation nachgeschaltete Denitrifikation Denitrifizierer Beispiele für denitrifizierende Bakterien sind: Paracoccus denitrificans (autotroph, Oxidation von H2) Thiobacillus denitrificans (autotroph, Oxidation von S2- (Sulfid) oder S2O32(Thiosulfat)) Pseudomonas stutzeri (heterotroph, Oxidation von organischen Stoffen) Allgemein ist die Fähigkeit zur Denitrifikation innerhalb der Prokaryoten weit verbreitet; Häufungen gibt es in der Alpha-, Beta- und Gamma- Klasse der Proteobakterien. 6/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Technisch wird die Denitrifikation in der Abwasserreinigung in Kläranlagen zur Eliminierung von Nitrat eingesetzt. Unter anaeroben Bedingungen, in Gegenwart von Nitraten, nutzt P. denitrificans für seinen Energiestoffwechsel die Denitrifikation. Vorgeschaltete Denitrifikation Ammoniumverbindungen gelangen vom Zulauf der Kläranlage unverändert durch die Denitrifikationsstufe in die nachfolgende Nitrifikation. Erst dort werden diese Verbindungen unter aeroben Bedingungen in Nitrat umgewandelt und wieder in den Zulauf der Denitrifikation zurückgeführt. Dies geschieht mittels des Rücklaufschlamms, in dem der größte Teil der Nitratverbindungen enthalten ist. Die vorgeschaltete Denitrifikation findet meist in Form von großvolumigen Klärbecken ihre Anwendung. So lassen sich z. B. ungenutzte Vorklärbecken zu Denitrifikationsstufen umrüsten. Ein Vorteil dieses Konzeptes liegt darin, dass der in der Denitrifikationstufe umgesetzte Nitrat-Sauerstoff schon zum biologischen Abbau der organischen Inhaltsstoffe des Abwassers (BSB5-Wert) genutzt wird, d.h. es ist keine externe Zugabe von Kohlenstoffquellen zum Nitratabbau notwendig. In der anschließenden Nitrifikationsstufe ist aufgrund dieses Sachverhalts ein verminderter Sauerstoffbedarf vorhanden, da der BSB-Wert in der Denitrifikationsstufe schon reduziert wurde. Als Folge muss das Nitrifikationsbecken weniger belüftet werden, wodurch Energiekosten eingespart werden können. Bei der vorgeschalteten Denitrifikation ist es normalerweise nicht möglich, Nitrat vollständig aus dem Abwasser zu entfernen, da der anfallende Schlamm nicht vollständig in die Denitrifikation zurückgeführt werden kann. Dies würde die Durchflusskapazität der Kläranlage überfordern, d.h. die hydraulische Belastung wäre zu hoch. Hierin liegt einer der Nachteile der vorgeschalteten Variante. Außerdem führen die für den Rücklaufschlamm benötigten Pumpen zu hohen Energie- und Investitionskosten. Eine Problemlösung stellt der Einsatz spezieller Rührsysteme dar. Da das Abwasser mit dem Rücklaufschlamm vermischt werden muss, um Konzentrationsunterschiede im Klärbecken zu vermeiden, können diese Rührsysteme auch zum Fördern des Rücklaufschlammes eingesetzt werden. Hierbei wird die Saugkraft der Rührer genutzt und mit der Einsparung der speziellen Förderpumpen werden dementsprechend Energie- und Wartungskosten eingespart. Integrierte vorgeschaltete Denitrifizierung 7/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Simultane Denitrifikation Die Denitrifikation und Nitrifikation erfolgt im selben Becken in dem abwechselnd sauerstoffarme und -reiche Zonen eingerichtet werden. In aeroben Bereichen findet so die Nitrifikation statt und das gebildete Nitrat wird durch Umwälzungsvorgänge in die sauerstofffreien Zonen zur Denitrifikation transportiert. In neueren Kläranlagen wird diese Methode häufig genutzt, da hierbei nur ein Becken für die Stickstoffelimination notwendig ist. Technisch wird dies u.a. auch durch die diskontinuierliche oder punktuelle Sauerstoffzufuhr im Becken gelöst. Ein Teil des anfallenden Schlammes wird in den Zulauf des Beckens zurückgeführt, da der Rücklaufschlamm die benötigten Bakterien enthält und die Schlammflocken als Aufwuchskörper für die Organismen dienen. Außerdem muss aufgrund der langsamen Wachstumsrate der beteiligten Mikroorganismen der Schlamm zurückgeführt werden, um immer eine ausreichende Menge an aktiver Biomasse im Becken zu erhalten. Die Aktivität der Nitrifikanten und Denitrifikanten ist hierbei vom mittleren Schlammalter abhängig. Durch die Schlammrückführung kann man die Biomassekonzentration in Belebungsbecken den schwankenden Belastungen im Abwasser anpassen und somit den Abbau der Stickstoffverbindungen in begrenztem Maße regeln. Mit dem Rücklaufschlamm wird aber auch ein hoher Anteil an abgestorbener Bakterienmasse ins Becken zurückgefördert, die keine biologische Aktivität mehr besitzt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass nur ein Becken zur Stickstoffreduzierung benötigt wird. Nachgeschaltete Denitrifikation Für die nachgeschaltete Denitrifikation werden zunehmend Bioreaktoren eingesetzt. Die biologische, nachgeschaltete Denitrifikation wird überwiegend in sogenannten BiofilmReaktoren durchgeführt. Vereinzelt existieren auch Lösungen mittels des Belebungsverfahren, die sich jedoch kaum von der simultanen Denitrifikation unterscheiden. Die BiofilmVerfahren werden aufgrund ihrer Eigenschaften in Festbettreaktoren und Fließbettreaktoren unterteilt. 8/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Bioreaktoren nehme aufgrund ihrer kompakten Bauweise wesentlich weniger Platz in Anspruch als herkömmliche Reinigungsbecken und können auch in die Höhe gebaut werden. So lassen sich auch vorhandene Kläranlagen, die z. B. über kein großes Platzangebot verfügen, um eine biologische Stufe zur Stickstoffelimination erweitern. Nachteilig erweist sich bei diesen Verfahren die kurze Verweilzeit des Abwassers im Reaktor. Plötzlich auftretende Belastungsstöße bzw. starke Nitrat-Schwankungen können schlechter ausgeglichen werden. Hier sind Belebungsanlagen durch ihre großen Volumina, die als Puffer dienen, im Vorteil. Im Fall der nachgeschalteten Denitrifikation wird schon der größte Teil des im Wasser befindlichen Kohlenstoffs abgebaut. Damit die Denitrifikation dennoch erfolgen kann, wird die externe Zugabe einer Kohlenstoffquelle nötig. Dieser Nährstoff muss gezielt dosiert werden, wobei der im Wasser befindliche Nitratgehalt Regelgröße ist. Die Zugabe kann durch unterschiedliche Verfahren realisiert werden. So wird z. B. ein Teil des noch nicht biologisch gereinigten Abwassers vor der Nitrifikationstufe abgezogen und der Denitrifikation zugeben. In diesem Rohwasser befindet sich meistens noch eine hohe Konzentration an gelösten organischen Kohlenstoffverbindungen, die den Bakterien als Nahrungsquelle dienen. Ein Nachteil ist hierbei jedoch, dass in dem als Nährstoff zugegebenen Wasser AmmoniumStickstoff vorhanden ist, der nicht in der Denitrifikation abgebaut werden kann. Dies führt wiederum zu einer Erhöhung der Konzentration an Gesamtstickstoff im Ablauf der Kläranlage. Mit einer Überdosierung der zugegebenen Nährquelle kann bis zu bestimmten Grenzen die Denitrifikationsgeschwindigkeit erhöht werden. Eine Überdosierung lässt aber auch den BSBWert im Abwasser wieder ansteigen, da der organische Kohlenstoff des zugeführten Substrats nicht mehr vollständig abgebaut wird. Der BSB-Wert des gereinigten Abwassers darf jedoch ebenfalls nicht zu hoch sein, deshalb müssen bei der Substratdosierung beide Auswirkungen berücksichtigt werden: Bei Überdosierung wird das Nitrat schneller eliminiert, dies hat eine niedrigere Gesamtstickstoff-Konzentration zur Folge. Andererseits steigt damit wiederum der BSB-Wert an. Der Gehalt an Gesamtstickstoff wie auch BSB sind abgabepflichtig und somit sind beide Parameter ein Kostenfaktor für den Klärwerkbetreiber. Die Denitrifizierung wird zwischen Belebungsbecken und Nachklärung in einem separaten Becken durchgeführt. Das Wasser wird hier bewegt, aber nicht belüftet. Ein Nachteil ist das Fehlen der H-Donatoren im gereinigten Abwasser. Bei der nachgeschalteten Denitrifikation müssen folglich H-Donatoren gezielt dosiert zugesetzt werden, ohne inakzeptable Erhöhung des BSB5-Ablaufs. 9/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Anammox Anammox ist ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen Anaerobe Ammoniak-Oxidation zusammensetzt. Die anaerobe Ammoniak-Oxidation ist ein biologischer Vorgang aus dem Bereich des Stickstoffkreislaufes. Wie der Begriff schon andeutet, ist die Anamoxidation ein Oxidationsvorgang, der ohne Sauerstoff (anaerob) abläuft. Dabei wird Ammonium (NH4+) mit Nitrit (NO2−) unter anaeroben Bedingungen zu molekularem Stickstoff (N2) umgesetzt: NH4+ + NO2− → N2 + 2 H2O Die Anammox-Reaktion wurde erstmals in den 1980ern in einer Abwasseraufbereitungsanlage in Delft in den Niederlanden beobachtet. Verantwortlich dafür ist das bisher wenig beachtete Bakterium Candidatus Brocadia anammoxidans. Die Biologie des erst seit wenigen Jahren bekannten Bakteriums wurde von einem europäischen Forscherkonsortium Anfang 2006 entschlüsselt. Neben Brocadia anammoxidans wurde der Anammox-Prozess auch bei den Bakterien Kuenenia stuttgartiensis und Scalindua sorokinii beobachtet; während erstere Süßwasserorganismen sind, lebt Scalindua im Meer. Dem Erbgut nach zählt Candidatus Brocadia anammoxidans eindeutig zu den Bakterien, doch besitzen die Mikroben Organellen, wie es eigentlich nur bei den komplizierter aufgebauten Eukaryoten (Einzellern mit Zellkern) üblich ist. Die Zellwand der purpurroten Bakterien ähnelt dagegen der von Archaeen, einer Klasse von primitiven Einzellern, die sich vornehmlich in extremen Umgebungen (Black Smoker) wohlfühlen. Brocadia anammoxidans nutzt die AnammoxReaktion zur Energiegewinnung, wobei als Zwischenprodukt das giftige Hydrazin entsteht. Das Schlüsselenzym der Reaktion, eine Hydroxylamin Oxidoreduktase, befindet sich daher in einer speziellen Organelle, dem Anammoxosom. Leiterförmige Ketten aus KohlenstoffRingen (Ladderane), die mit der Membran des Anammoxosoms über Etherbrücken verankert sind, bilden eine einzigartige Struktur und verhindern, dass das Hydrazin das Organell verlässt. Bedeutung von Anammox für die Abwasserreinigung Der Anammox-Prozess ist nicht nur von akademischem Interesse, sondern bietet eine vielversprechende Alternative zu der klassischen Methode in Kläranlagen, Stickstoffverbindungen zu entfernen. Wohl aus diesem Grund wurden auch schon mehrere Patente in Zusammenhang mit dem Anammox-Prozess erteilt. Im Gegensatz zu den für biologische Klärstufen typischen Mikroben benötigt Brocadia anammoxidans keinen Sauerstoff und verbraucht noch dazu das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid. Die Kosten reduzieren sich auf ca. 10% und gleichzeitig verringert sich der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid um 88%. Für die Entwicklung biologischer Verfahren legten die in den 90er Jahren durchgeführten Untersuchungen über die mikrobiologischen Zusammenhänge der Nitrifikation/Denitrifikation sowie insbesondere die zunehmende Kenntnis über Hemmmechanismen innerhalb der Stickstoffumsetzung die Grundlage zur Entwicklung angepasster Verfahren unter gezielter Verwendung dieser Mechanismen. Beispielhaft sind hier zu nennen die Untersuchungen in Wien (Nowak und Svardal, 1993; Nowak, 1996), Delft (van Niel et al., 1993; van Loosdrecht und Jetten, 1998) und Hannover (Abeling, 1994; Hippen, 1999). Die weltweit erste auf Anammox basierende großtechnische Anlage wurde im Rahmen eines durch das Land Nordrhein Westfalen geförderten Forschungsprojektes im Jahre 2000 auf der Ruhrverbandsanlage Hattingen in Betrieb genommen. In Gelsenkirchen wird das Verfahren seit 2002 großtechnisch angewandt. Dieses wurde von der Universität Duisburg Essen im Jahre 2004 nachgewiesen. In Rotterdam setzte man diese Erkenntnisse seit Anfang 2006 um. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen eine Vielzahl verschiedener Verfahrenssysteme auf 10/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz dem Markt zur Verfügung. Inwieweit sie jeweils die Anforderungen an einen wirtschaftlichen und betriebsstabilen Betrieb erfüllen, wird sich in den nächsten Jahren mit zunehmenden Erfahrungen von großtechnisch realisierten Anlagen zeigen. Belebtschlammverfahren Das Belebtschlammverfahren (auch kurz Belebungsverfahren; engl.: activated sludge process) ist ein Verfahren zur biologischen Abwasserreinigung in Kläranlagen. Dabei wird das zumeist kommunale Abwasser durch die Stoffwechsel-Aktivität von aeroben chemoorganoheterotrophen Mikroorganismen, dem sogenannten Belebtschlamm, weitestgehend von organischen Verunreinigungen befreit, also gereinigt. Das Verfahren setzt nach der Filterung der Grobanteile ein, die entwässert, separiert und verbrannt werden. Verfahrensgrundlagen Belebtschlammverfahren im Durchlaufbetrieb Anlagen nach dem Belebtschlammverfahren können sowohl kontinuierlich d.h. im Durchlaufbetrieb als auch diskontinuierlich (Batch-Betrieb; engl.: batch process) betrieben werden. Bei der klassischen Konfiguration des Durchlaufbetriebs folgt auf ein Belebungsbecken zur Belüftung des Gemisches aus Abwasser und Belebtschlamm ein Nachklärbecken zur Schlammabtrennung. Der Belebtschlamm wird im Nachklärbecken oder Absetzbecken vom gereinigten Abwasser durch Sedimentation getrennt, durch sein Eigengewicht eingedickt, am Beckenboden abgezogen und (teilweise) als sogenannter Rücklaufschlamm in das Belebungsbecken zurückgefördert. Das gereinigte und vom Belebtschlamm weitgehend befreite Abwasser verlässt das Nachklärbecken dabei oben über ein Überlaufwehr. Zur Verfahrensführung auf Kläranlagen können auch mehrere biologische Stufen hintereinander geschaltet werden (Belebungsbecken I, Zwischenklärbecken, Belebungsbecken II, Nachklärbecken). Der im Zwischenklärbecken abgesetzte Schlamm wird als Rücklaufschlamm in das erste Belebungsbecken gefördert, jener des Nachklärbeckens in das zweite Belebungsbecken. Somit entstehen unterschiedliche Biozönosen in den beiden Stufen. Die höher belastete erste Stufe kann sich auf leicht abbaubare Substanzen bzw. Adsorption ohne Abbau spezialisieren, jene der zweiten Stufe auf schwer abbaubare Stoffe und die Nitrifikation (Ammoniumoxidation zu Nitrat). 11/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Belebtschlammverfahren im Batchbetrieb Beim diskontinuierlichen oder Batch-Betrieb laufen die einzelnen Phasen des Belebungsverfahrens (Befüllung, Belüftung, Abtrennung, Entleerung) in nur einem Becken zeitlich nacheinander ab (siehe Abbildung). Die Belüftung des Abwasser-Belebtschlamm-Gemisches kann durch Oberflächenbelüfter, durch Einblasen von Druckluft oder durch Begasung mit Reinsauerstoff erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Belüftung sowohl hinsichtlich der eingetragenen Menge als auch in Bezug auf die gleichmäßige Verteilung (vollständige Durchmischung) des Sauerstoffs ausreichend ausgelegt ist, um den für die biologischen Abbauprozesse notwendigen Sauerstoffbedarf der Mikroorganismen im gesamten Volumen des Belebungsreaktors zu decken. Neben der biologischen Oxidation von Kohlenwasserstoffverbindungen wird der Sauerstoff bei der Oxidation von Stickstoff- und Phosphorverbindungen verbraucht. Belüftung beim Belebungsverfahren Im Becken sollten dabei grundsätzlich Sauerstoffgehalte von ca. 2 mg/l vorliegen sofern nicht eine besondere Strategie zur Denitrifikation (Umwandlung von NO3- zu N2) notwendig ist. Die Belüftungssteuerung kann durch Sauerstoffsonden oder komplexe Regelmechanismen unter Berücksichtigung der Nitrifikation/Denitrifikation (Zeit-Pausensteuerung, RedoxPotential, ON-LINE Messung NH4, NO3) erfolgen. Die Regelung der Leistung der Belüftung erfolgt bei Druckluftbelüftung durch Ein- und Ausschalten bzw. Drehzahlregelung der Gebläse/Kompressoren. Bei Oberflächenbelüftern wird zur Änderung des O2 Eintrags die Eintauchtiefe der Rotoren/Kreisel durch Veränderung des Wasserspiegels in den Becken zur Regelung des Sauerstoffeintrags verändert. 12/13 8 AU/2009 Wolfgang Scheitz Belebungsbeckenformen Als Beckenformen für Belebungsbecken kommen Umlaufbecken, quadratische oder längliche Formen in Frage. Je nach betrieblicher Erfordernis (z.B. Auftrennung von belüfteten und unbelüfteten Becken zur Denitrifikation) können mehrere Becken vorgesehen werden. Die Bemessung der Anlagen erfolgt nach dem Schlammalter, das ist die mittlere Aufenthaltsdauer des Bakterienschlammes im System. Damit kann sichergestellt werden, dass ausreichend Zeit besteht, um auch langsam wachsende Bakterien, wie die Nitrifikanten, zu halten. Das Schlammalter ist grundsätzlich nicht die hydraulische Aufenthaltsdauer, da die Schlammwirtschaft durch den Rückhalt des Schlammes im Nachklärbecken in Grenzen von der Hydraulik entkoppelt ist. Das Schlammalter ist somit von der Schlammmenge im System und dem täglichen Überschussschlammanfall wegen des Biomassewachstums abhängig. Die klassischen Bemessungsparameter Raumbelastung und Schlammbelastung (BSB5 je kg TS,Tag) können aus dem Schlammalter abgeleitet werden. Zumeist können aus Gründen der Abtrennungsleistung im Nachklärbecken Schlammkonzentrationen von 3 bis 5 g Trockensubstanz je Liter im Belebungsbecken gehalten werden. Für die heute übliche Reinigung mit Nitrifikation und Denitrifikation sind bei den in Mitteleuropa üblichen niedrigen Temperaturen Schlammalter von 15 bis 25 Tagen erforderlich. Die Oberfläche des Nachklärbeckens wird je nach den zu erwartenden Schlammabsetzeigenschaften bemessen. 13/13