Aromakongress: 26. und 27.9.2008, Jugendstiltheater, Baumgartner Höhe, Wien Ätherische Öle und Riechstoffe in der Aromatherapie – neuere Studienergebnisse In der Wissenschaft stellt sich die Frage: Lösen ätherische Öle und Einzelduftstoffe eine reflektive Aktion aufgrund eines Wohlfühleffektes aus oder steckt doch eine physiologische Aktion durch direkte molekulare Interaktionen dahinter? Die Wahrheit liegt in der Mitte, wobei sich Ausschläge in Richtung der einen oder anderen Seite in Abhängigkeit von Indikation, Anwendung und Individuum ergeben. „Aus wissenschaftlicher Sicht bilden Begriffe wie Seele, Geist und Persönlichkeit der Pflanze als Definition für ätherische Öle keine Basis für Untersuchungen“, berichtete Prof. Dr. Gerhard Buchbauer, Institut für klinische Pharmazie und Diagnostik, Pharmazie-Zentrum, Universität Wien, und stv. Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege (ÖGwA): „In der Wissenschaft spricht man deshalb von ätherischen Ölen, deren Funktion man in der Pflanze als Ausscheidungsprodukte, Allochemikalien, Verteidigungsstrategien, chemische Waffen und Transpirationsverminderung ansehen kann. Duftstoffe besitzen eine individuelle Molekularformel, ein spezielles Molekulargewicht zwischen 100 und 300 amu und bestimmte physikochemische Eigenschaften wie Polarität, elektronische Dichte und optische Aktivität.“ Ein gutes Beispiel für molekulare Mechanismen von vielen ätherischen Ölen und Einzelduftstoffen stellt, so Gerhard Buchbauer, deren Bindung an so genannte GABAARezeptoren (γ-Aminobuttersäure). Die Folge ist eine deutliche Zunahme der Affinität der inhibitorisch wirkenden GABA an diese speziellen Rezeptoren. Somit können ätherische Öle und Einzelduftstoffe ebenso wie Benzodiazepine oder Barbiturate Angst lösende, antikonvulsive und sedierende Aktivitäten entfalten (Aoshima et al., 1999). Verteilung ausgewählter Einzelduftstoffe im menschlichen Körper Substanz Benzaldehyd Carvon Linalylacetat Linalool α-Pinen Blut Gehirn Hirnrinde Medulla + + + + + + + + + + + / + + + / - + = positiver Nachweis; - = negativer Nachweis; / = nicht geprüft Untersuchungen von Schulz et al. aus dem Jahr 1997 zeigten ebenso wie frühere Studien von Pahlow 1988 entspannende, beruhigende und Stress lösende Wirkungen von Lavandula angustifolia. Sugawara et al. bestätigten 1998 eine Verminderung der β-Wellen im Elektroenzephalogramm (EEG) von gesunden Probanden durch (R)-(-)-Linalool, einem genuinen Enantiomer von Lavandula angustifolia. (S)-(+)-Linalool hingegen führt tendenziell eher zu einer Steigerung der β-Wellen-Aktivität. Holmes et al. (2002), Ballard et al. (2002), Lee (2005) und Lin PW et al. (2007) fanden in ihren Untersuchungen mit Lavandula angustifolia bei Patienten mit schwerer agitierter Demenz und emotionalen Störungen bei rund 60% signifikante positive Wirkungen auf Aggression, Agitation und emotionale Störungen. Höferl et al. (Planta Med., 2006) entdeckten, dass das Aroma von Linalool zahlreiche durch Hormone und Mediatoren ausgelöste Stressreaktionen hemmt, indem die Achse Hypothalamus-Hypophyse-Nebenniere im Sinne einer Hemmung beeinflusst wird. Förderung der Wundheilung Zahlreiche wissenschaftliche und klinische Untersuchungen bestätigen mittlerweile die günstigen therapeutischen Effekte von ätherischen Ölen und Einzelduftstoffen auf Wunden, Verbrennungen, Akne sowie Wundinfektionen mit Bakterien und Pilzen. Cox et al. (2001) untersuchten die antibakteriellen Wirkungen von Melaleuca alternifolia (Teebaumöl, Myrtaceae) vom Terpineol-Typ (32 – 45% Terpinen-4-ol), Cineol-Typ (bis zu 60% 1,8-Cineol) und von Terpinen-4-ol. Der Einzelduftstoff zeigte dabei die größte antibakterielle Wirkung. Die beiden ätherischen Öle lassen sich in der Praxis jedoch aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit höher dosieren. Die Wirkmechanismen beruhen auf einer Steigerung der Permeabilität der bakteriellen und fungalen Membranen mit Kaliumverlust, auf dem Verlust der chemi-osmotischen Kontrolle und Hemmung der Zellatmung. Über die Wirkung von ätherischen Ölen und Einzelduftstoffen auf Krankheitserreger in der Raumluft gibt es aus dem Jahr 2006 eine interessante Untersuchung von Kei Sato und Mitarbeitern. Durch Versprühen von Wasser kommt es zu einer Zunahme der Koloniebildenden Einheiten. Im Gegensatz dazu kann durch das Versprühen von Aromastoffen die Belastung durch Krankheitserreger in der Raumluft signifikant verringert werden: Citral (7 – 19%), trans-Cinnamaldehyd (27 – 45%), Carvacrol (15 – 30%), (-)- Perillaldehyd (28 – 69%), (-)- Citronellal (11 – 30%) und Eugenol (3 – 19%). Bezüglich der antiviralen Aktivitäten fanden B. Ryabchenko und Mitarbeiter (NPC 2008) eine Hemmung der Mäuse-Polyoma-Viren in 3T6-Zellen durch Nerolidol (effektive Konzentration CC50: 1,2 ± 0,4 µM, zytotoxische Dosis ED50: 10,6 ± 3 µM). Als ebenso effektiv erwies sich trans, trans-Farnesol. Die ätherischen Öle von Laurus nobilis und Thuja orientalis (M.R. Loizzo et al., Chem. & Biodiv. 2008) erwiesen sich als effektiv gegenüber SARSCoronaviren (effektive Konzentration IC50: 120 ± 1,2 µg/ml bzw. 130 ± 0,4 µg/ml) und Herpes simplex Virus Typ 1 (IC50: 60 ± 0,5 µg/ml bzw. >1000 µg/ml). Linalool und Linalylacetat zeigen bei chemisch induzierten Ödemen bei Ratten ihre entzündungshemmenden Eigenschaften (Peana et al., 2002, Phytomedicine). R-(-)-Linalool demonstriert dabei einen verzögerten und prolongierten Effekt. Das Razemat führt eine Stunde nach der chemischen Reizung zu einer signifikanten Entzündungshemmung. Höhere Dosen als 25 mg/kg zeigen keine weitere Steigerung der antiinflammatorischen Wirkung. Äquimolares Linalylacetat verhält sich wie ein typisches Prodrug. In Tierversuchen können an Mäusen durch Hitze oder chemische Substanzen Schmerzen ausgelöst werden. R-(-)-Linalool konnte in mehreren Studien seine signifikante Schmerz hemmende Wirkung unter Beweis stellen (Peana et al., 2003, 2004, 2006, Life Sci., Eur. J. Pharmacol.; Barocelli et al., 2004, Life Sci.). Dieser Effekt konnte durch die Verabreichung des Opioid-Rezeptor-Antagonisten Naloxon vollständig rückgängig gemacht werden. Die Hemmung der akuten Hyperalgesie erfolgt durch NO-Bildung und Blockade der NMDARezeptoren und einer Öffnung der K+-Ionen-Kanäle. Auf diese Weise entstehen auch gastroprotektive Effekte. Bezüglich der antioxidativen Eigenschaften von ätherischen Ölen und Einzelduftstoffen zeigen unter anderem auch Untersuchungen von Jirovetz et al. (JAFC, 2006) und Jahangir et al. (Redox.-Rep.) signifikante Effekte von Nelkenöl und Farnesol. Als effektive Radikalfänger erweisen sich auch Melissa officinalis (Mimica-Dukic et al., 2004, JAFC; de Souza et al., 2004, J. Pharm. Pharmacol.), Geraniol, Antehol, Eugenol, Limonen, Linalool, pCymol, Pulegon, Thymol (Naderi et al., 2004, Mol. Cell. Biochem.) Carvacrol und Borneol (Radonic et al., 2003, Free Radic. Res.). Kontakt: Österreichische Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege (ÖGwA) E-Mail: [email protected] HP: www.oegwa.at Dr. Wolfgang Steflitsch