Jutta Limbach Präsidentin des Goethe-Instituts Rede zur Eröffnung des Dialogpunktes in Nazaret Es ist mir eine große Freude einen Dialogpunkt des Goethe-Instituts in Nazaret zu eröffnen. Nicht nur für Christen ist Nazaret ein geschichtsträchtiger Ort. Bewunderungswürdig ist an dieser Stadt, dass sie Tradition mit den Aufgaben einer modernen Stadt zu verbinden weiß. Nazaret ist eine blühende Stadt voller Dynamik. Sie ist das politische und geistige Zentrum der arabischpalästinensischen Bevölkerung Israels. Das Interesse an der Welt ist groß, auch an Deutschland. Diese Stadt, die die größte Gemeinschaft israelischer Araber in Israel vereint, hat mit der Stadtpartnerschaft mit Neubrandenburg bereits eine Brücke nach Deutschland geschlagen. Wir sind neugierig aufeinander geworden und möchten miteinander in das Gespräche kommen. Wir freuen uns, in dem I’lam, in dem Media Center for Arab Palestinians einen Partner für unseren deutsch-arabischen Treffpunkt gefunden zu haben Ich weiß, dass das unser Fachausdruck Dialogpunkt nicht auf Gegenliebe stößt. Weil ich von den Vorbehalten weiß, möchte ich deutlicher umschreiben, was wir im Goethe-Institut unter auswärtiger Kulturarbeit verstehen. Es mag gut sein, dass Sie westliche Kulturpolitik als Bevormundung erlebt haben. Aber der erhobene Zeigefinger ist nicht, oder jedenfalls nicht mehr die Schlüsselgeste des Goethe-Instituts. Bei dem Austausch von Gedanken und Erfahrungen ist für das Goethe-Institut eine Methode leitend, die Edward Said die „Kultur der Einfühlung“ genannt hat. Ohne ein besseres Verständnis für einander werden nicht friedlich zusammenleben können. Wir werden uns aber nur dann in die Vorstellungswelt des anderen hineinfühlen können, wenn wir Kenntnis von den Lebensweisen und Lebenserfahrungen der Anderen haben. Ohne jeden Versuch der Bevormundung und des Besserwissens wollen wir einen Dialog auf gleicher Augenhöhe mit unseren Partnern in anderen Ländern führen. Nachhilfeunterricht mögen weder Kinder noch Erwachsene. Auch sind wir für kritische Nachfragen offen. Die einseitige Selbstdarstellung deutscher Kultur ist schon in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch das Prinzip von Austausch und Zusammenarbeit ersetzt worden. Kulturelle Außenpolitik darf keine Einbahnstraße sein. Es geht nicht darum, andere zu indoktrinieren, sie einseitig vom Wert deutscher Dinge oder westlicher Kultur ____________________________________________________________________________________________________________ Copyright © Goethe-Institut 1 Alle Rechte vorbehalten www.goethe.de/telaviv zu überzeugen. Wir wollen Brücken bauen, über die der Verkehr in beide Richtungen fließen kann. Auswärtige Kulturpolitik zielt auf Austausch, nicht auf Einfluss. Gewiss treten wir für die in Europa gemeinsam erkämpften Prinzipien des modernen Verfassungsstaats ein, die in der Declaration des droits de l`homme et du citoyen von 1789 einen ihrer großen Marksteine gefunden haben. Das tun wir aber ohne jeden imperialen Gestus. Wir wissen nur zu gut, wie mühsam Europa - und vor allem Deutschland - aus seinen bitteren Erfahrungen mit Rassismus und totalitären Herrschaftsformen gelernt hat und noch immer lernt. Wir sind an Ihrer Kultur interessiert, an einem regen Austausch von Gedanken und Erfahrungen. Wir wollen von Ihnen erfahren, wie in ihrer Stadt Menschen unterschiedlicher Kultur und Religion zusammenleben. Auch in unseren deutschen Städten leben Muslime, Christen und Juden, religiös gebundene und ungebundene Menschen, die Agnostiker oder Atheisten sein mögen, zusammen. Mit uns leben Migranten aus vielen Staaten der Welt, die bei uns Arbeit, einen Studienplatz oder Zuflucht vor politischer Verfolgung suchen. Diese Vielfalt der Kulturen führt unvermeidlich zu Spannungen und Konflikten. Wer gleichwohl das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens, anderer Rasse und Herkunft gewährleisten will, sollte nicht seine Idee von einem guten Leben zum Maßstab aller machen. Die Einsicht, dass wir in gemeinsame oder vergleichbare Probleme verstrickt sind, fordert trotz aller kulturellen Unterschiede zur Suche nach gemeinsamen Lösungsmodellen heraus. Wie lässt sich das besser voranbringen als in einem Gespräch? Gewiss, der interkulturelle Dialog verlangt mehr als einen bloßen Austausch der Gedanken. Er schließt - mit Jürgen Habermas - die Bereitschaft ein, unserem Denken zu wider laufende Verhaltensweisen und Lebensentwürfe aus der Perspektive des Anderen zu verstehen. Diese Bereitschaft gehört zum Arbeitsethos der Mitarbeiter des Goethe-Instituts. Doch die Religionsfreiheit der Anderen zu respektieren, schließt nicht aus, für den eigenen Glauben, die eigene Weltanschauung zu werben. Toleranz meint nicht Indifferenz, sondern den Verzicht auf Gewalt. Das stärkste und wichtigste Prinzip unserer Kulturbeziehung ist die Partnerschaft. Kulturaustausch ist kein Export- oder Konsumartikel, sondern ein ____________________________________________________________________________________________________________ Copyright © Goethe-Institut 2 Alle Rechte vorbehalten www.goethe.de/telaviv Prozess auf Gegenseitigkeit. Nur auf diese Weise wird auswärtige Kulturpolitik die Menschen verschiedener Kulturen einander näher bringen. In diesem Sinne wünsche ich diesem arabisch-deutschen Treffpunkt viel Erfolg. Mögen es Ihnen gelingen gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. ____________________________________________________________________________________________________________ Copyright © Goethe-Institut 3 Alle Rechte vorbehalten www.goethe.de/telaviv