Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez (D/E/F) Felahikum Choreografie: Sébastien Ramirez, Rocío Molina, Honji Wang Flamenco und Hip-Hop, eine ausgesprochen feminine Begegnung Sébastien Ramirez, Rocío Molina und Honji Wang werden die Schweiz mit einem Stück besuchen, in dem es zur Begegnung zweier gegensätzlicher Solistinnen von überwältigender Präsenz und Perfektion kommt. Optisch ähneln sich die beiden durchaus. Doch bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass in Felahikum (ein arabischer Ausdruck für wandernder Bauer) zwei Welten aufeinander zugehen und sich treffen. Werdegang und Prägung der beiden Protagonistinnen könnten unterschiedlicher kaum sein: Rocío Molina entstammt ganz der grossen Flamencotradition Spaniens und ist zurzeit einer der meistbeachteten Namen auf den Flamencobühnen der Welt; das auch deshalb, weil sie dieser Tanzsprache mit ihrer grossen Persönlichkeit eine neue, dezidiert zeitgenössische Ausrichtung gibt. Es ist ein Ereignis, wie sie selbstbewusst, mit klarer und dominierender Eindringlichkeit den Weg in die Moderne weist. Honji Wang ist koreanisch-deutscher Abstammung, ihr Bewegungsmaterial basiert auf einem ganzen Bündel von Einflüssen, ursprünglich darunter eine klassischen Ballettausbildung, die sie als Kind genoss; wesentlich verlässt sie sich aber auf ihre in vielen Jahren gewonnenen Hip-Hop-Skills. Die internationale Vernetzung, die schon Teil ihrer Biografie ist, ist typisch für die zeitgenössische Tanzszene und trägt auf ganz andere Weise den Keim für Zukünftiges in sich. Wie ein Zauberwesen umschmeichelt sie flink und flexibel jegliche Annäherung, mal ausweichend, mal fordernd. Kaum eine andere Tänzerin ihrer Generation verfügt über eine so imponierende Vielseitigkeit an Bewegungsmöglichkeiten. Gemeinsam choreografiert, mit der künstlerischen Leitung von Sébastien Ramirez, loten diese beiden Power-Frauen in Felahikum aus, wie Kommunikation zwischen Vertreterinnen so unterschiedlicher Ästhetiken überhaupt möglich ist. Anlässlich der Pressekonferenz nach der Premiere beschrieb Honji Wang den Prozess folgendermassen: «Ich fühlte mich am Anfang des Probenprozesses wie eine stumme Person, die einer akustisch und gestisch sehr präsenten Tänzerin gegenübergestellt wird. Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 1 / 6 Flamenco ist intensiv und akustisch sehr präsent. Als ‹stille› Hip-Hop-Tänzerin musste ich meinen Platz finden und dem Perkussiven die Stille gegenüberstellen.» Die stolze und leicht entzündliche Natur des Flamenco liess sich auf den Hip-Hop ein. Es ist sinnliche Diplomatie: Mit grossem Respekt voreinander gehen sie aufeinander zu, befragen sich, wagen sich aus der Reserve, ihre gewohnten Bewegungsmuster verlassend. Beide versuchen, sich in den Kosmos der jeweils anderen hineinzufühlen. Dass das funktioniert, liegt nicht zuletzt daran, dass jede der beiden Tänzerinnen ohnehin daran gewöhnt ist, die Regeln und Grenzen ihrer eigenen künstlerischen Universen zu hinterfragen, beide sind geübt in Gratwanderungen. Das Publikum spürt förmlich das Knistern des Spannungsfelds, das zwischen den beiden entsteht. Die Originalmusik unterstreicht hier die Dramaturgie oder schafft dort mit Jazznoten eine klangliche Atmosphäre, die befreiend wirkt. Mit einer einfallsreichen Lichtregie, ansonsten aber szenisch konsequent reduziert auf das Wesentliche, ist das Geschehen gänzlich auf diese beiden Charakterfrauen fokussiert. Es wir umrahmt von Ventilatoren, die den Wind symbolisieren, der stets alles in Bewegung hält. Die Produktion stellt nichts Geringeres dar als die Antwort des Tanzes auf die Frage, wie mit den grossen Unverständnissen der heutigen Zeit umgegangen werden könnte. Oder, auf einem zwischenmenschlichen Niveau: Wie können wir uns in der Andersartigkeit der Anderen wiederfinden? Honji Wang Die deutsche Tänzerin und Choreografin mit koreanischen Wurzeln wuchs in Frankfurt auf. Als junges Mädchen begann sie mit Ballettstunden und belegte ausserdem Gymnastikund Kampfsportkurse. Schnell machte sie sich in der Underground-Szene einen Namen als vielseitige und künstlerisch talentierte Tänzerin. Nach zehn Jahren Unterricht in klassischem Ballett am Konservatorium in Frankfurt, zu dem sie parallel auch ihr Hip-HopTraining fortsetzte, begann sie eine Karriere als professionelle Tänzerin in Musikvideos, Performance und Video. Durch diese unterschiedlichen Herausforderungen sammelte sie wertvolle Erfahrungen und entwickelte zunehmend den facettenreichen Stil, für den sie heute bekannt ist. 2005 lernte Honji Wang in Berlin Sébastien Ramirez kennen. Sie verliebten sich nicht nur, sondern sie wurden auch zu echten Partnern im Arbeitsfeld, wo sie mit einem ernsthaften, Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 2 / 6 künstlerischen Austausch ihrer Tanzerfahrungen begannen. 2009 gründeten sie das Ensemble Wang Ramirez. Sie arbeiten seitdem kontinuierlich zusammen und zeigen die bisher gemeinsam kreierten Produktionen AP15, Monchichi, Borderline und Felahikum regelmässig auf Tourneen. 2010 gewannen Honji Wang und Sébastien Ramirez mit AP15 den Publikumspreis für die beste Choreografie beim Wettbewerb für zeitgenössischen Tanz No Ballet in Deutschland. 2012 wurde Honji Wang für die renommierte Rolex Mentor and Protégé Arts Initiative nominiert. Im selben Jahr gewannen Wang Ramirez für das Duo AP15 den ersten Preis und den Publikumspreis beim 26. Wettbewerb für zeitgenössischen Tanz in Hannover. 2013 erhielten beide den Bessie Award (New York) als «outstanding performers». Im März 2015 bat Akram Khan Honji Wang für einen Abend auf die Bühne von Sadler’s Wells, London, um gemeinsam mit ihm und dem Jazzpianisten im Rahmen des Buta-Festivals zu improvisieren. Die Choreografen realisieren im Rahmen von Wang Ramirez auch choreografische Konzepte für die Bereiche Mode, Visual Arts, Videos und Werbung. Sébastien Ramirez Der Franzose mit spanischen Wurzeln wuchs in einer Zeit und einer Umgebung auf, in der Hip-Hop und Strassenkultur blühten. Bereits als Junge war er vom Hip-Hop inspiriert, mit 13 begann er mit dem B-Boying in den Räumlichkeiten einer Shopping Mall in Perpignan (F). Als Tänzer ist er Autodidakt. Schon ab 1996 nahm er an zahlreichen B-BoyingWettbewerben teil und gewann mehrere Titel. Prägend waren die Begegnungen mit anderen Tanzstilen, Kulturen und Ausdrucksmöglichkeiten. 1999 hatte er das Glück, Storm, einen der Pioniere des Hip-Hop, kennenzulernen, mit dem er dann sowohl als Tänzer wie auch als Choreograf in einigen internationalen Projekten kollaborierte. 2007 gründete er zusammen mit seinem Produzenten Dirk Korell die Compagnie Sébastien Ramirez. Mit dem Berliner Tänzer Raphael Hillebrand arbeitete er im Rahmen von Kulturaustauschprogrammen zusammen, die mit Unterstützung des Institut Français und des Goethe-Instituts durchgeführt wurden. Das verhalf ihnen zu Einladungen bis nach Vietnam, Indonesien und Kambodscha. Für ein Projekt mit Strassenkindern reiste Sébastien Ramirez allein erneut nach Phnom Penh. Die Produktion The Mask und Gemeinsam, einsam, ebenfalls Resultat seiner Kooperation mit Hillebrand, tourte weltweit, unter anderem gab es eine Reihe von Vorstellungen am Broadway Theater in New York Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 3 / 6 und Auftritte in mehreren TV-Shows. Mit seiner Partnerin Honji Wang gründete er 2009 Wang Ramirez. Beide waren in den experimentellen Film Amor und Psyche der Regisseurin Vera Müller eingebunden, der unter dem Patronat von Wim Wenders entstand. Für die Eröffnungsfeier des Kunstraums MADE in Berlin kreierten sie zusammen eine konzeptuelle Tanzperformance; 2010 erarbeiteten sie für das Dansens Hus in Stockholm das Duo AP15, das beim Wettbewerb No Ballett für zeitgenössischen Tanz den Publikumspreis gewann. 2011 erhielt Sébastien Ramirez eine Nominierung bei der Rolex Mentor and Protégé Arts Initiative als Nachwuchschoreograf. 2012 lud der international renommierte Choreograf Akram Khan Sébastien Ramirez ein, im Théâtre de la Ville Paris einen Workshop zu gestalten. 2013 präsentierte die Compagnie Sébastien Ramirez in Kollaboration mit Honji Wang ein Stück für fünf Tänzerinnen und Tänzer und einen Rigger: Borderline. Im selben Jahr beauftragte ihn Sadler’s Wells in London mit einer Choreografie anlässlich des 100. Jahrestags von Stravinskys Rite of Spring, zur Besetzung zählten hundert Tänzerinnen und Tänzer, Schauspielerinnen und Schauspieler sowie das British South Bank Sinfonia Orchestra unter der Leitung von Gery Cornelius. 2015 fand die Uraufführung von Felahikum statt. In letzter Zeit hat sich Sébastien Ramirez parallel auch neuen Feldern zugewandt und realisiert Kurzfilme und Videos. Rocío Molina Rocío Molina wurde 1984 in Málaga geboren und begann mit drei Jahren zu tanzen. 2001 wurde sie Mitglied der Maria Pagés Compagnie, mit der sie weltweit auf Tournee ging und bei der sie auch erste choreografische Erfahrungen sammelte. 2002 graduierte sie am Real Conservatorio Superior de Música de Madrid. 2003 nahm sie als Solistin am USA Flamenco Festival teil, zusammen mit Manuela Carrasco und El Chocolate und tanzte ein Duo mit Israel Galvan. Ihre erste eigene Performance wurde 2005 uraufgeführt (Entre Paredes), und im selben Jahr beauftragt sie die Andalusian Agency for Flamenco mit einer Choreografie für die erste Ausgabe des Flamenco-Festivals in Málaga (El Eterno Retorno). 2006 fand in Madrid die Uraufführung von Turquesa como el limón statt, sie zeigte laut Juan Vergillos «eine Fähigkeit, jeden Klang und jede Stille zu tanzen, jede Idee und Empfindung, ausserdem ist sie in der Lage – vermutlich das Ergebnis vieler Stunden an Training – alles auszudrücken, was sie sagen will, und das sehr genau. Hoch begabt [...] in Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 4 / 6 vielerlei Hinsicht ist sie die wichtigste Tänzerin heutzutage.» In der Flamenco-Biennale von Sevilla 2007 fand im Rahmen des von Miguel Serrano geleiteten Festival de Jerez die Uraufführung von Almario statt. Immer mehr galt sie als Stimme einer neuen FlamencoGeneration. Als sie für die Flamenco-Biennale Málaga 2007 Por el decir de la gente kreierte, ist sie für die Leitung und die Choreografie verantwortlich. 2008 beteiligte sie sich an der Tournee von Mujeres, bei der sie die Bühne mit Künstlerinnen wir Merche Esmeralda und Belén Maya teilt; in Goyescas von Pedro G. Romero am Albéniz-Theater in Madrid trat sie unter anderem mit Carmen Linares, Miguel Poveda und Israel Galván auf. Anlässlich der Uraufführung von Oro Viejo an der XV Flamenco-Biennale von Sevilla schrieb die Kritik: «Die Produktion Oro Viejo war eine der gewaltigsten Realisierungen von zeitgenössischem Flamenco, die ich je das Glück hatte, zu erleben. Diese ist eine weiterentwickelte Form des Flamenco, die seinen Wurzeln völlig gerecht wird. Sie ist ausdrucksvoll, selbstbewusst, überschwänglich, ein Tribut an Rocíos Talent und aufregender Indikator für die Abenteuer, auf die sie uns in den kommenden Jahren mitnehmen wird» (Carole Eldrich, BALLET MAGAZINE). 2009 arbeitete sie gemeinsam mit Carlos Saura, der sowohl in der Show Flamenco Hoy als auch im Film Flamenco, Flamenco Regie führte. 2010 gelang ihr der endgültige Durchbruch bei den britischen und amerikanischen Kritikern, nachdem sie im New York City Center Theater ihre Show Oro Viejo präsentierte; mit nur 26 Jahren wurde ihr im selben Jahr die höchste Auszeichnung zuteil, die in Spanien im Bereich Kunst, Tanz und Kultur vergeben wird: Sie erhielt den Nationalpreis für Tanz in der Kategorie Bühnenkünste, vom Kulturministerium verliehen, für «ihren Beitrag zur Erneuerung des Flamenco sowie für ihre Vielseitigkeit und Ausdruckskraft als eine Tänzerin, die in der Lage ist, mit unterschiedlichen Stilen frei und mutig umzugehen». 2011 entstand Vinática in Sevilla, von dort aus begann sie eine umfassende Tournee, die sie bis ins folgende Jahr in alle grossen Theater der Welt führte. Erstmals kollaborierte sie 2012 bei Angeles Caídos mit dem Ballet Nacional de España, im Oktober wurde Afectos uraufgeführt, eine Produktion, die sie und den Flamencosänger Rosario La Tremendita verband. Rocío Molina ist inzwischen eine viel gefragte Künstlerin, hat sich als eine der besten «bailaoras» (Flamencotänzerinnen) ihrer Ära etabliert; gleichzeitig beschäftigt sie sich unablässig weiter mit neuen Möglichkeiten auf dem Feld der Choreografie. Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 5 / 6 Steckbrief Name der Compagnie Programm Künstlerische Leitung Choreografie Komposition unter Mitwirkung von Musikausschnitte aus Lichtdesign Lichttechnik Tontechnik Bühnenbild Kostümstyling Produktionsleitung und Buchungen Uraufführung Spieldauer Tänzerinnen Wang Ramirez feat. Rocío Molina Felahikum Einteiliges Programm ohne Pause Sébastien Ramirez Sébastien Ramirez, Rocío Molina und Honji Wang Jean-Philippe Barrios alias lacrymoboy Christophe Isselee (Gitarre), Cynthia Floquet und Katy Heiting (Gesang), Rocío Molina und Honji Wang (Stimmen) Alice Russel / To Know this, Steve Reich Drumming (Part II) und Typing Music Jani-Matto Salo Cyril Mulon Javier Alvarez Thomas Pénanguer Soo-Hi Song Dirk Korell 20. Januar 2015, Perpignan, Frankreich 55 Minuten Rocío Molina, Honji Wang (Anzahl: 2) Koproduzenten: Théâtre de l’Archipel, Perpignan (im Form einer Residenz) Migros-Kulturprozent Tanzfestival Steps Mercat de les Flors, Barcelona Le Théâtre* / Scène Nationale, Narbonne Unterstützt durch: Conseil régional Languedoc-Roussillon Conseil général des Pyrénées Orientales Dank an: Sadler’s Wells, London Flamenco Festival, London Compagnie Wang Ramirez (Clash66) erhält Strukturförderung von der Préfecture de région du Languedoc-Roussillon – Direction régionale des affaires culturelles, vom Conseil régional Languedoc-Roussillon und vom Conseil général des Pyrénées Orientales. Die Projekte der Compagnie Wang Ramirez werden von Fondation BNP Paribas gefördert. Linkliste Webseite von Wang Ramirez Webseite Rocío Molina Presse Artikel von Thomas Hahn auf Dansercanalhistorique Stand: März 2015 Honji Wang, Rocío Molina, Sébastien Ramirez 6 / 6