Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören 7.1. 1 Der Reiz Unterscheidung akustischer Reize: perzeptive Dimension physikalische Dimension Lautstärke Amplitude / Intensität Tonhöhe Frequenz in Hertz Klangfarbe/ Timbre Komplexität Entstehung von Klängen: Vibration von Gegenständen bewegende Moleküle in der Luft Schwingungen 330m/sec. wahrnehmbare Frequenzbereiche von 30 bis 20.000 Hz/ sec Lautstärke ist abhängig von Verdichtung & Verdünnung der Luft- Moleküle 7.1.2 Anatomie des Ohres Außenohr: Ohrmuschel Mittelohr: besteht aus einem Hohlraum hinter dem Trommelfell [Membrana tympani] enthält 3 Knöchelchen – Ossiculae Malleus [Hammer] Incus [Ambos] Stapes [Steigbügel] Volumen von 2ml Ossicula: Gehörknöchel des Mittelohrs Hammer: Malleus mit dem Trommelfell verbunden erste der drei Gehörknöchelchen Ambos: Incus zweiter Gehörknöchel Vibrationsleiter Steigbügel: Stapes letzter Gehörknöchel drückt gegen die Membran hinter dem ovalen Fenster ovales Fenster & rundes Fenster: Öffnung des knöchernen Labyrinths umgibt die Cochlea Innenohr: Schnecke Cochlea Cochlea ist mit Endolyphe [Flüssigkeit] gefüllt Klang-Vibrationsübertragung in die Flüssigkeit knapp drei Windungen [2 ¾] 35 mm lang in drei Abschnitte unterteilt -1- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören Abschnitte der Cochlea: Scala Vestibuli Scala Tympani gehen beide ineinander über Ductus Tympani enthält das cortische Organ cortisches Organ / Corti-Organ: im Ductus Tympani besteht aus Basilarmembran – lamina basilaris Haarzellen – rezeptive Zelle Tektorialmembran – lamina tectoria Haarzellen: auditive Rezeptorzellen zwischen Basilarmembran & Tektorialmembran durch stabförmige Deiters-Stützzellen [Phalangenzellen] in der Basilarmembran verankert Zilien auf den Haarzellen berühren die Tektorialmembran Klangwellen drückt die Basilarmembran nach oben gegen die Tektorialmembran Haarzellen werden gebogen Rezeptorpotential Flexion bei Klangvibration: wenn der Steigbügel an die Membran hinter dem ovalen Fenster schlägt wölbt sich die Membran des runden Fensters nach außen Biegung des Ende der Basilarmembran bei hochfrequenten Tönen - nahe am ovalen Fenster niederfrequenter Schall Verbiegung der Spitze der Basilarmembran Basilarmembran bewegt sich vor und zurück in Folge verschiedener Frequenzen Antwortcharakteristika von Haarzellen in der Cochlea: äußere Haarzellen sind fix in der Tektorialmembran äußere haben Verstärkerfunktion – können Tectorialmembran spannen innere sind flexibel & dienen vornehmlich der akustischen Wahrnehmung Verhältnis 3:1 und 1:20 dreimal so viele äußere wie innere Haarzellen 7.1.4 Die Hörbahnen Übertragung der akustischen Information bis zum Gehirn: Corti-Organ sendet über den Nervus Cochlearis Teil des N. vestibulocochlearis VIII. an Nucleus Cochlearis - ipsilateral Fasern zur oberen Olive – Tractus olivocochlearis Trapezkörper großteils contralateral weiter zum lateralen lemniscus Colliculi inferior Thalamus - Corpus Geniculatum mediale [CGM] primäres akustisches Areal Brodman Areal 41 jede Hemisphäre erhält Information von beiden Ohren aber contralaterale wird besser versorgt Nervus Cochlearis: Zweig des VIII. Hirnnervs [N. vestibulocochlearis] sendet auditive Information ans Gehirn bipolare Neurone residieren im Spiral-Ganglion Axone bilden mit Medulla oblongata Synapsen 50.000 afferente Axone [Neurotransmitter Acetylcholin] efferente Neurone entspringen aus der oberen Olive -2- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören Nucleus Cochlearis: Kerngruppe in der Medulla oblongata erhält auditive Info von der Cochlea obere Olive: Tractus olivocochlearis Bündel efferenter Axone Verlauf von oberen Olivenkomplex [der Medulla oblongata] zu auditiven Haarzellen der Cochlea Glutamat als Neurotransmitter der efferenten Endknöpfe oberer Olivenkomplex: Kerngruppe in der Medulla oblongata auditive Funktion Lokalisation der Schallquelle lemniscus lateralis: Faserband rostral durch die Medulla oblongata & Pons zum Colliculus inferiores [im dorsalen Mittelhirn] Tonotope Repräsentation: topographische Kartierung verschiedener Tonfrequenzen repräsentiert in bestimmten Bereichen des Gehirns hohe Töne am basalen unteren breiten Ende in der Cochlea tiefe Töne am engen oberen apicalen Ende der Basilarmembran Repräsentation der Basilarmembran im Cortex basales Ende [hohe Töne] der Basilarmembran im auditiven Cortex medial apicales Ende [tiefe Töne] lateral im auditiven Cortex primärer auditiver Cortex: in der Sylvischen Furche [Fissur] oberer Teil der Fissura lateralis [aufgeklappt] Brodmann Areal 41 auch Heschl-Querwindungen genannt auf Gyrus temporalis transversalis Hauptteil des auditiven Cortex: primär-akustisches Areal Gürtelregion [sekundäres Areal] umgibt den primären auditiven Cortex erste Ebene des auditiven Assoziationscortex Input von primär. Cortex & Corpus Geniculatum mediale Parabelt-Region [sekundäres] umgibt die Gürtelregion höchste Verarbeitungsebene des auditiven Assoziationscortex Input aus Gürtelregion & Corpus Geniculatum mediale Pfade des auditiven Systems: dorsaler Pfad ventraler Pfad dorsaler Pfad: endet im posterioren parietalen Cortex Lokalisation der Schallquelle ventraler Pfad: endet in der Parabelt-Region des anterioren Temporallappens Analyse komplexer Klänge -3- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören 7.1.5 Tonhöhenwahrnehmung Wahrnehmung der Tonhöhe [ Hz ]: Frequenzentdeckung der Cochlea Ortskodierung mittlere bis hohe Frequenzen Impulskodierung niedrige Frequenzen Ortscode: Neurone repräsentieren Info mittels Code bestimmte Frequenzen in bestimmten Bereichen der Cochlea höhere Frequenzen basales Ende der Basilarmembran niedere Frequenzen apicales Ende der Basilarmembran [Spitze] hohe Hz nahe am Steigbügel niedrige Hz weit weg vom Steigbügel Abb. 7.11 Carlson pg. 251 Belege für die Ortskodierung der Tonhöhe: Neomizin – Antibiotikagabe Cochlea-Implantat Antibiotikagabe bei Experimentaltieren: Haarzellenschädigung entlang der Basilarmembran progressiver Hörverlust zuerst höchste Frequenzen schließlich auch die niedrigsten Cochlea-Implantat: chirurgisch in das Innenohr implantiert bei Haarzellenzerstörung Wiederherstellung des Hörvermögens Frequenz von Sprache hoch Aufbau des Cochlea- Implantats: außen Mikrophon Minielektroden entlang der Schneckenwindungen Multikanalelektrode für Ortskodierung jede Elektrode stimuliert unterschiedliche Teile der Membran Impulskodierung: Erkennung niederer Frequenzen Frequenzentdeckung durch das Feuern der Neurone Neurone lösen synchron zur Bewegung der apicalen Basilarmembran Aktionspotentiale aus Kodierung unterschiedlicher Frequenzen mittels Aktionspotentialfrequenz der Neurone des auditiven Systems -4- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören 7.1.6 Lautstärkenwahrnehmung: Sensibilität des auditiven Systems: Tonwahrnehmung selbst bei geringster Reizung Vibration kleiner als ein Wasserstoff-Atom genügt aus Distanz für das Trommelfell Wahrnehmung der Lautstärke [ Amplitude]: über Axone des Nervus Cochlearis durch Veränderung ihrer Aktionspotentialfrequenz lautere Klänge stärkere Vibration des Trommelfells & Gehörknöchelchen stärkere Kraftausübung der Zilien auf Haarzellen Haarzellen setzen mehr Neurotransmitter frei erhöhte Frequenz von Aktionspotentialen Lautstärke durch Anzahl aktiver Neurone signalisiert Wahrnehmung der Klangfarbe / Timbre Erkennen der Klangfarbe: Basilarmembran wird durch einen Klang stimuliert Erzeugung eines kodierten Aktivitätsmusters im Nervus Cochlearis Übertragung von neuronalen Schaltkreisen des auditiven Assoziationscortex Analyse komplexer Sequenzen mehrfacher Frequenzen [Oberton] Grundfrequenz: Niedrigste & intensivste Frequenz eines komplexen Klangs wird als Grundtonhöhe eines Klangs wahrgenommen 7.1.8 Schallquellenlokalisation Lokalisation von Schallquellen: 2 separate physiologische Mechanismen Auswertung von Phasenunterschieden niederfrequente Klänge Auswertung von Intensitätsunterschieden hochfrequente Klänge zusätzlich über die Klangfarbe Schallquelle oben / unten Lokalisation mittels Ankunftszeit: horizontaler Winkel –Azimuth genaueste Beurteilung Neurone im oberen Olivenkomplex reagieren auf unterschiedliche Ankunftszeiten wenn Quelle geradeaus liegt [Azimuth] werden beide Ohren simultan gereizt Schalldruckwelle erreicht ein Ohr früher wenn „Klick“ von links oder rechts Aktionspotentialfrequenzen erfassen Unterschiede im Millisekundenbereich Zeitliche Distanz zwischen beiden Ohren [20cm] circa 0.6msec. Phasenunterschied: bei kontinuierlichen Schallwellen simultane Ankunft verschiedener Anteile [Phasen] oszillierender Klangwellen an jedem Ohr wenn Schall nur auf einer Seite ein Trommelfell wird nach innen gedrückt ein Trommelfell wird nach außen gezogen hochfrequenten Phasenunterschiede [20.000 Hz] können nicht unterschieden werden -5- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören Lokalisation durch Intensitätsunterschiede: hohe Frequenzen binaurale Neurone in der oberen Olive jedes Neuron ist auf spezielle Richtung & Verzögerung sensitiv das Ohr das dem Klang am nächsten ist intensivste Stimulation durch Klangschatten = Kopf absorbiert hohe Frequenzen Lokalisation mittels Klangfarbe: Diskrimination ob Schall von oben oder von unten durch Kopfdrehung oder Faltungen & Wölbungen des Außenohrs [Ohrmuschel] abhängig vom Eintrittswinkel der Schallwellen auf die Faltungen & Wölbungen verstärkt oder vermindert sich die Frequenz individuelles Erlernen dieser Klangfarben – da jedes Ohr individuell nicht genetisch sondern Ergebnis eines Erfahrungsgewinns blinde Personen können die Höhe von Schallquellen schlechter beurteilen dafür bessere Navigation um Schalquellen auf dem Boden 7.1.9 Verhaltensfunktion des auditiven Systems: Funktion des Hörens: Schallentdeckung Lokalisation der Schallquelle Identifikation der Schallquelle Identifikation der Schallquelle: Mustererkennung unterschiedliche Aktivitätsmuster im Nervus Cochlearis der dazugehörigen Schallquelle zuordnen unklar wie diese Mustererkennung funktioniert Läsionen des auditiven Assoziationscortex: auditive Agnosien linkshemisphärisch Sprachstörung rechtshemisphärisch nichtsprachliche Klänge können nicht erkannt werden Conduction-Aphasie [Übertragungs-Aphasie] Läsion des Fasciculus arcuatus - zwischen Wernicke & Broca Areal Intaktes Verstehen & Sprachproduktion Unfähigkeit Worte zu wiederholen 7.2 Das vestibuläre System [Gleichgewichtsorgan] Teile des vestibulären Systems: Makulaorgane Sacculus [ kleiner Sack] Utriculus [kleiner Beutel] gleichmäßige Beschleunigung 3 Bobengänge ringförmige Struktur Drehbewegung / Winkelbeschleunigung Makulaorgane: 2 Rezeptororgane des Innenohrs auch Ortholithisches Organ genannt Sacculus & Utriculus reagieren auf Gravitationskraft gleichmäßige lineare Beschleunigung Orientierung – Körperstellung& Kopfneigung -6- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören Bogengänge: drei ringförmige Strukturen des vestibulären Apparates gehen von den Makulaorganen ab reagieren auf Winkelbeschleunigungen Veränderung in der Rotation des Kopfes reagieren schwach auf lineare Beschleunigung Funktion des vestibulären Systems: Gleichgewichtsjustierung Aufrechthaltung des Kopfes Angleichung der Augenbewegungen zur Kompensation der Kopfbewegungen Stimulation des vestibulären Systems: erzeugt keine gut bestimmbare Empfindung niederfrequente Stimulation der Makulaorgane kann Übelkeit auslösen Stimulation der Bogengänge Schwindel & Nystagmus [rhythmische Augenbewegung] 7.2.1 Anatomie des Gleichgewichtsorgans Labyrinth des Innenohrs: Cochlea Bogengänge Makulaorgane Anordnung der Bogengänge: approximieren die drei Hauptebenen des Kopfes sagittale Ebene transversale Ebene horizontale Ebene Rezeptoren in den Bogengängen reagieren auf maximale Winkelbeschleunigung auf einer Ebene Bestandteile der Bogengänge: Bogengänge bestehen aus membranartigem Kanal innerhalb eines Knöchernen Kanals enthält Flüssigkeit ähnlich der in der Cochlea [Endolyphe] sensorische Rezeptoren in der Ampulle – Bogengang-Erweiterung Rezeptor-Haarzellen ähnlich denen in der Cochlea Zilien sind in eine gallertartige Masse [Cupula] eingebettet Cupula bewegt sich entsprechend der Flüssigkeit in den Kanälen Wirkung der Winkelbeschleunigung: Endolyphe verhalten sich nach dem Trägheitsprinzip Trägheitswiderstand drückt Endolyphe gegen Cupula verbiegt sich bis sich die Endolyphe mit derselben Geschwindigkeit wie der Kopf bewegen wenn Kopfrotation beendet dreht sich Flüssigkeit weiter Cupula wird in die andere Richtung geschoben Cupula überträgt die Winkelbeschleunigung auf Haarzellen der Zilien Bogengänge messen sehr leichte & kurze Bewegungen des Kopfes -7- Physiologische Psychologie Kapitel 7: Das Hören Funktion der Makula: Ortholithisches Organ Utriculus & Sacculus funktionieren sehr unterschiedlich rezeptive Flecke/Gewebe enthält Haarzellen Zilien in gallertartiger Masser eingebettet Masse enthält Statolithen [kleine Kristalle aus Kalziumcarbonat] Kristalle stimulieren Zilien indem sie die Masse verschiebt bei Kopfbewegung 7.2.2 Rezeptorzellen Rezeptorzellen - Erscheinung & Transduktion: Haarzellen der Bogengänge & Makulaorgane ähnlich denen in der Cochlea jeder Haarzelle hat mehrere Zilien Abstufung von kurz nach lang ähnlicher Transduktionsmechanismus Transduktionsmechanismus: Schwerkraft der Zilien öffnet Ionen-Kanäle Einstrom von Kalium-Ionen Depolarisation der Zilienmembran 7.2.3 Die vestibulären Bahnen Gleichgewichtsweiterleitung: über Nervus vestibulocochlearis VIII. bildet Synapsen mit dem ipsilateralen Nc. vestibucochlearis & dem Cerebellum lateraler vestibulärer Nucleus zum Cerebellum Rückenmark Medulla oblongata & Pons medialer vestibulärer Nucleus extrazelluläre Motoneurone Thalamus [ventral posterior] Cortex Regionen nahe der Gesichtsregion vestibuläre Reflexe: Kompensation plötzlicher Kopfbewegungen durch Augenbewegungen sichert ein stabiles retinales Bild [beim Laufen] Augenmuskulatur [Nv. III. IV & VI.] Schädigungen: Läsionen im VP Thalamus Pusher-Symptomatik Schädigungen des Labyrinths ” room-tilt-Illusions” Verkehrtsehen – Kopfstehen oder um 90° gekippt Fehlintegration von Sehen & vestibulären Informationen -8-