Materialordner - Basale Unterrichtsmaterialien

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Inhaltsverzeichnis des Materialordners:
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1. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.a (Modell A) bzw. 10.2.b
(Modell B) – Ermächtigungsgesetz (S. 2-3)
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2. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.a (Modell B) - Tag von Potsdam
(S. 4-6)
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3. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.b (Modell A) –
NS-Wirtschaftswunder (S. 7-10)
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4. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.c (S. 11-12)
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5. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.d (Modell A) – Hitlerjugend (S.
13-16)
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6. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.d (Modell B) – KdF
(S. 17-18)
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7. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.e (S. 19-21)
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8. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.b (S. 22-24)
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9. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.c (Modell B) – Widerstand
Warschau (S. 25-26)
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10. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.d (S. 27-28)
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11. Unterrichtsmaterial zur Unterrichtseinheit 10.3.e (S. 29-30)
Weitere Materialien s. auch: Detailplanungen
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1. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.a (Modell A) bzw. 10.2.b (Modell B)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Quelle 1
Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz) vom 23.3.1933
1. Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch
die Reichsregierung beschlossen werden. […]
2. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung
abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum
Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt.
3. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze werden vom Reichskanzler ausgefertigt
und im Reichsgesetzblatt verkündet. Sie treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem auf
die Verkündung folgenden Tage in Kraft. […]
4. Verträge des Reiches mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung
beziehen, bedürfen für die Dauer der Geltung dieser Gesetze nicht der Zustimmung der an der
Gesetzgebung beteiligten Körperschaften. Die Reichsregierung erlässt die zur Durchführung dieser
Verträge erforderlichen Vorschriften.
5. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer
Kraft, es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst
wird.
Quelle 2
Auszüge aus der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919
Artikel 1
(1) Das Deutsche Reich ist eine Republik.
(2) Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Artikel 68
(2) Die Reichsgesetze werden vom Reichstag beschlossen.
Artikel 109
(1) Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben
staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
Artikel 114
(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen
Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.
Artikel 135
(1) Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens und Gewissensfreiheit. Die ungestörte
Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. […]
Artikel 136
(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der
Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.
(2) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen
Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
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Quelle 3
Auszüge aus den sog. Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 (als Beispiel für die Aushöhlung
der Grundrechte aus der Verfassung von 1919)
a) Reichsbürgergesetz
§2, 1. Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch
sein Verhalten beweist, dass er gewillt und geeignet ist, in Treue dem deutschen Volk und Reich zu
dienen.
3. Der Reichsbürger ist der alleinige Träger der vollen politischen Rechte nach Maßgabe der Gesetze.
b) „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“
§1, 1. Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes
sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig, auch wenn sie zur Umgehung dieses
Gesetzes im Auslande geschlossen sind.
§2 Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten
Blutes ist verboten.
c) Verordnung zum Reichsbürgergesetz
§4, 1. Ein Jude kann nicht Reichsbürger sein. Ihm steht ein Stimmrecht in politischen Angelegenheiten nicht zu; er kann ein öffentliches Amt nicht bekleiden.
2. Jüdische Beamte treten mit Ablauf des 31. Dezember 1935 in den Ruhestand.
Ein Download dieser Materialien ist z.B. möglich über: www.dhm.de/lemo .
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2. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.a (Modell B)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
1) Audio-Datei
Eine Audio-Datei mit der Rundfunkübertragung zum „Tag von Potsdam“ findet sich unter
http://www.dhm.de/lemo/suche/.
2) Quellen: Textausschnitte aus der Rundfunkübertragung am 21.3.1933
a) Anmoderation des Reporters Eberhard Freiherr von Medem
„(Glockenläuten) Potsdamer Garnisonkirche, das ist ein Begriff, ein Begriff, der die vielen Millionen
deutscher Volksgenossen über die Ätherwellen zu innerer Haltung zwingt. Deutsche Hörer an allen
Sendern des Reiches! Ich stehe jetzt mit Euch zusammen an einem hohen Fenster am Südportal de
Garnisonkirche. Da unten ist die Ehrenkompanie des Deutschen Reichsheeres angetreten […].
Verbunden mit den Soldaten der Wehrmacht stehen da unten die Soldaten der Nationalen
Bewegung Deutschlands, die braune Ehrenkompanie der SA, die graue Truppe des Stahlhelms. Sie
hören, deutsche Hörer, das Heil-Rufen, das die breite Straße lang tönt. Sie sehen mit mir die
Soldaten, die SA-Männer, die Stahlhelmer sich aufrichten. Sie wollen, dass ihre Führer, da Kanzler,
die Minister des Reiches und dann [der], den sie erwarten, mit glühendem Herzen, der
Reichspräsident, der Generalfeldmarschall, der erste Soldat des Krieges, ihnen ins Auge schaut [... ]
Noch einmal wendet sich der Reichspräsident um und Jubel noch einmal schlägt ihm entgegen. […]
Jetzt geht er hinein in die Kirche. Draußen noch singen die Menschen weiter das Deutschlandlied, so
erfasst von der Größe der Stunde.
(Orgelspiel) Wir treten ein in die Kirche. Millionen deutscher Menschen, kommen Sie mit mir, lassen
Sie sich fassen von dem Ernste dieser großen Stunde. Faltet Ihr Millionen deutscher Menschen, die
Ihr hier mit mir kraft der Sehnsucht Eurer Herzen vereint seid, die stärker ist als die Kraft der
kosmischen Wellen des Weltäthers, die die Stimmen aus der Garnisonkirche zu Euch tragen, faltet
die Hände wie Hindenburg, wie der Kanzler des Reiches, wie die Männer der Reichsregierung, wie die
deutschen Abgeordneten. Hört, was das neue Deutschland in Ehrfurcht und Selbstbesinnung am
Grabe Friedrichs des Großen der Welt zu sagen hat."
b) Rede des Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg:
„[...] Der Ort, an dem wir uns heute versammelt haben, mahnt uns zum Rückblick auf das alte
Preußen, das in Gottesfurcht durch pflichttreue Arbeit, nie verzagenden Mut und hingebende
Vaterlandsliebe groß geworden ist und auf dieser Grundlage die deutschen Stämme geeint hat. Möge
der alte Geist dieser Ruhmesstätte auch das heutige Geschlecht beseelen, möge er uns frei machen
von Eigensucht und Parteizank und uns in nationaler Selbstbestimmung und seelischer Erneuerung
zusammenführen zum Segen eines in sich geeinten, freien, stolzen Deutschlands! [...]"
c) Rede des Reichskanzlers Adolf Hitler:
[...] Diesem jungen Deutschland haben Sie, Herr Generalfeldmarschall, am 30. Januar 1933 in
großherzigem Entschluss die Führung des Reiches anvertraut. […] Am 5. März hat sich das Volk
entschieden und in seiner Mehrheit zu uns bekannt. In einer einzigartigen Erhebung hat es in
wenigen Wochen die nationale Ehre wiederhergestellt und dank Ihrem Verstehen, Herr
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Reichspräsident, die Vermählung vollzogen zwischen den Symbolen der alten Größe und der jungen
Kraft.
Wir erheben uns vor Ihnen, Herr Generalfeldmarschall. Dreimal kämpften Sie auf dem Felde der Ehre
für das Dasein und die Zukunft unseres Volkes: als Leutnant in den Armeen des Königs für die
deutsche Einheit, in den Heeren des alten deutschen Kaisers für des Reiches glanzvolle Aufrichtung,
im größten Kriege aller Zeiten aber als unser Generalfeldmarschall für den Bestand des Reiches und
für die Freiheit unseres Volkes. Sie erlebten einst des Reiches Werden, sahen vor sich noch des
großen Kanzlers Werk, den wunderbaren Aufstieg unseres Volkes, und haben uns endlich geführt in
der großen Zeit, die das Schicksal uns selbst miterleben und mit durchkämpfen ließ. Heute, Herr
Generalfeldmarschall, lässt Sie die Vorsehung Schirmherr sein über die neue Erhebung unseres
Volkes. Dieses Ihr wundersames Leben ist für uns alle ein Symbol der unzerstörbaren Lebenskraft der
deutschen Nation. So dankt Ihnen heute des deutschen Volkes Jugend, und wir alle mit, die wir Ihre
Zustimmung zum Werk der deutschen Erhebung als Segnung empfinden. Möge sich diese Kraft auch
mitteilen der nunmehr eröffneten neuen Vertretung unseres Volkes. Möge uns dann aber auch die
Vorsehung verleihen jenen Mut und jene Beharrlichkeit, die wir in diesem für jeden Deutschen
geheiligten Raume um uns spüren, als für unseres Volkes Freiheit und Größe ringende Menschen zu
Füßen der Bahre seines größten Königs1."
(1) In der Potsdamer Garnisonskirche befand sich die Grabstätte des preußischen Königs Friedrich der Große.
d) Abmoderation des Reporters Eberhard Freiherr von Medem
„(Orgelimprovisationen über das Deutschlandlied) Die große Stunde der Selbstbesinnung der
deutschen Nation an der heiligen Stätte des Preußentums ist beendet. Der Geist dieser Stätte wird
seine unsterbliche Kraft erweisen in dem Aufbauwerk, das die nationale Regierung erfüllen wird. Hier
hat Adolf Hitler diese Arbeit symbolisch begonnen, hier hat er der Welt gezeigt, dass Gott, der große
Alliierte Friedrichs, bei Deutschland ist, weil Deutschland wieder mit Gott sein will."
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Dr. Arnulf Scriba, Deutsches Historisches
Museum, Berlin)
3) Bildpostkarte (1933) zum „Tag von Potsdam“ nach Karl Langhorst (1867-1950).
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© akg-images; z.B. zu finden in: http://www.listityourselfauctions.com/uploaded/rad8D334d389.jpg;
Zugriff 17.02.11; abgedruckt auch in: Ulrich Baumgärtner/Klaus Fieberg (Hg.), Horizonte 3.
Geschichte Gymnasium Nordrhein-Westfalen, Westermann Verlag, Braunschweig 2009, S. 73;
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3. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.b (Modell A)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
1) Folienbilder
Folie 1
(aus: Christian Heuer/Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hg.), Der Nationalsozialismus. Bd. 2:
Ausgrenzung und Vernichtung, Cornelsen Verlag, Berlin 2010, S. 21.)
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Folie 2:
(aus: Christian Heuer/Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hg.), Der Nationalsozialismus. Bd. 2:
Ausgrenzung und Vernichtung, Cornelsen Verlag, Berlin 2010, S. 18.)
Folie 3
(Graphik: Frank Hoffmann auf der Basis der Daten in: Statistisches Handbuch von Deutschland 19281944, hrsg. vom Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets, München 1949, S. 554.)
Quellen
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Quelle 1:
Aus Hitlers geheimer Denkschrift zum Vierjahresplan (1936:)
Die Quelle findet sich in vielen Schulgeschichtsbüchern. Ein Download ist z.B. möglich bei:
http://www.kurt-bauer-geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung%202008_2009/14_HitlerDenkschrift_Vierjahresplan.pdf; Zugriff 17.02.2011
Quelle 2:
Aus den 1987 erstmals veröffentlichten Erinnerungen der 1925 geborenen Eva Sternheim-Peters:
„Einmal in jenen Jahren (1931/32) klingelte Frau Steinhauer, die Mutter ihrer Vorschulfreundin
Anneliese. Ihr Mann war arbeitslos, solange E.1 zurückdenken kann. Frau Steinhauer und die Mutter
sprachen zuweilen am Gartentor miteinander, und Steinhauers Kinder durften im Garten von E.s
Elternhaus spielen, weil sie aus einer ‚ordentlichen, anständigen Familie' kamen, aber gegenseitige
Hausbesuche waren nicht üblich. Frau Steinhauer brachte ihren Wunsch – ‚Ich möchte deine Mutter
sprechen' - sehr bestimmt vor, und so führte E. sie wie ‚richtigen Besuch' ins ungeheizte Esszimmer.
Schon nach etwa zehn Minuten geleitete E.s Mutter die Nachbarin zur Tür, und als sie ihr die Hand
gab und mehrmals versicherte, daß es ihr sehr leid tue, lächelte keine der beiden Frauen. Frau
Steinhauer hatte sich für Näh- und Flickarbeiten angeboten, die damals in jedem Haushalt anfielen,
da es allgemein üblich war, zerrissene Bettbezüge zu flicken, dünngewordene Laken in der Mitte
durchzutrennen und die noch strapazierfähigen Seiten wieder zusammenzunähen sowie durchgescheuerte Kragen und Manschetten von Herrenoberhemden durch neue zu ersetzen. [...]
Solche und andere Näharbeiten erledigte aber schon seit vielen Jahren Frau Michels, die einmal im
Monat aus einem weit entfernten Stadtviertel kam, um sie sich abzuholen. Frau Michels, so erklärte
die Mutter, war auch eine arme Frau, ‚die es nötig hatte' und ‚damit rechnete'. Sie fühle sich daher
nicht berechtigt, ihr diese Arbeit wegzunehmen und anderweitig zu vergeben. [...] und wenn sie
heute an die „Zeit der schweren Not" zurückdenkt, so sieht sie nicht die zahlreichen, namenlosen
Vertreter des ‚Bettelunwesens' vor sich, sondern Frau Steinhauer, wie sie an jenem Nachmittag
langsam und schwerfällig die Treppen wieder hinunterging: die unförmige Gestalt mit der alten Jacke
über der Kittelschürze, die glanzlos-fettigen Haare, das breitflächige Gesicht mit dem grauen,
hoffnungslosen Ausdruck. […]
Irgendwann in jenen Aufbruchsjahren (1935/36) trafen E. und ihre Mutter auf dem Wochenmarkt
Frau Steinhauer [...] Sie hatte frische Dauerwellen, trug einen Pelzkragen auf dem Wintermantel und
glich in nichts mehr jenem Urbild bedrückender, hoffnungsloser Verzweiflung, als welche sie E. einige
Jahre zuvor so deutlich wahrgenommen hatte. Erst als sie laut und aufgeräumt grüßte ‚Guten Tag,
Frau Peters!' erkannte die Mutter, wen sie vor sich hatte, und sagte erstaunt: ‚Mein Gott, Frau Steinhauer, ich hab Sie gar nicht wiedererkannt. Wie geht es Ihnen denn?' obwohl diese Frage überflüssig
war, weil jeder sehen konnte, dass es ihr gut ging. Das sagte sie dann auch: ‚Danke! Mir geht es gut!
Mein Mann hat wieder Arbeit!' und in diesen Worten lag mehr als ein von Herzen fallender Stein, lag
ein ganzes Gebirge von Erleichterung und neu erwachtem Lebensmut. Dann sprachen die beiden
Frauen einige Minuten, wovon in jenen Jahren alle sprachen, nämlich, dass es ja nun endlich, Gott sei
Dank, wieder aufwärts ginge.
Einige Monate nach dieser Begegnung sah E. die Steinhauer-Jungen mit neuen Fahrrädern durch die
Gegend flitzen und irgendwann auch den ältesten in der braunen Uniform der SA. […]
Ihre kindliche Liebe zum „Führer" hatte nicht unwesentlich mit der wundersamen Verwandlung von
Frau Steinhauer zu tun [...]"
(1) Eva Sternheim-Peters nennt sich selbst im Buch E.
(Sternheim-Peters, Eva, Habe ich denn allein gejubelt. Eine Jugend im Nationalsozialismus. 5. Auflage,
Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 2000, S. 48f., 66f. Frühere Auflagen sind erschienen unter dem
Titel: Die Zeit der großen Täuschungen. Eine Jugend im Nationalsozialismus.)
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4. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.c
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Folienbild:
Werbeplakat für die „Deutschen Jungmädel“ 1937
©akg-images
Quelle 2
Aus einer Rede Hitlers in Reichenberg am 2.12.1938
Der Staat hat seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens
einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann
die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. [...] Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. Es wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine
gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. [...] Ich werde sie in allen
Leibesübungen ausbilden lassen. So merze ich die Tausende von Jahren der menschlichen
Domestikation aus. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend.
Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht
besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend. Aus ihr wächst die Stufe des Gottmenschen.
Diese Jugend lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln. Wenn diese Knaben mit
zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk
in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann nehmen wir sie in die
Partei. Dann kommen sie in den Arbeitsdienst, dann übernimmt die Wehrmacht zur weiteren
Behandlung auf zwei Jahre, und dann nehmen wir sie in die SA, SS und so weiter, und sie werden
nicht mehr frei ihr ganzes Leben und sie sind glücklich dabei.
(Völkischer Beobachter vom 4.12.1938)
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Quelle 3
Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15. Dezember 1939:
Richtlinien für das Unterrichtsfach Geschichte in der Volksschule
„Die politische Erziehung in der Volksschule gründet sich in erster Linie auf den Geschichtsunterricht,
der die Kinder mit Ehrfurcht vor unserer großen Vergangenheit und mit dem Glauben an die
geschichtliche Sendung und die Zukunft unseres Volkes erfüllen soll. Er richtet den Blick auf den
schicksalhaften Kampf um die deutsche Volkwerdung, bahnt das Verständnis für die politischen
Aufgaben unseres Volkes in der Gegenwart und erzieht die Jugend zu freudigem, opferbereitem
Einsatz für Volk und Vaterland. Zur Erreichung seines politischen Zieles rückt der
Geschichtsunterricht das politische Geschehen in den Vordergrund; doch dürfen auch die wirtschaftlichen und kulturellen Fragen nicht vernachlässigt werden. Dabei sind die im deutschen Volk
wirksamen rassischen Grundkräfte vorwiegend nordischer Artung nachdrücklich herauszustellen und
vor allem in den großen Leistungen unseres Volkes und seiner Führer lebendig zu machen. Heldischer
Geist und Gedanke des Führertums in germanischdeutscher Ausprägung sollen den gesamten
Geschichtsunterricht erfüllen, die Jugend begeistern und den Wehrwillen wecken und stärken. An
geeigneten Stellen ist den Kindern, vor allem in Mädchenklassen, auch vorbildliches deutsches
Frauentum vor Augen zu führen.
[…] letztes Ziel ist, die Kinder bereits in […] frühem Alter für unser Volk und seinen Führer zu
begeistern.“
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5. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.d (Modell A)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
1) Folie zum Einstieg
Zahl der Mitglieder der Hitler-Jugend
1932
100.000
1939
8,7 Mio.
(nach: http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/organisationen/jugend/; Zugriff 20.02.2011)
2) Informationstext
„Die HJ (= Hitler-Jugend) - 1926 als Jugendorganisation der NSDAP gegründet - wurde 1933
aufgegliedert in Jungvolk und HJ einerseits, Jungmädelbund und BdM andererseits. Dem
Jungvolk gehörten die 10- bis 14jährigen, der HJ die 14- bis 18jährigen Jungen an; dem
Jungmädelbund gehörten entsprechend die 10- bis 14jährigen, dem BdM (Bund deutscher
Mädel) die 14- bis 18jährigen Mädchen an. Alle 10- bis 18jährigen Mädchen und Jungen
hatten seit 1939 an den Veranstaltungen der HJ - gesetzlich geregelt - teilzunehmen.
In der Regel fanden für Jungvolk („Pimpfe"), HJ, Jungmädel und Mädel wöchentliche
Heimabende statt. Hinzu kamen Sportnachmittage, Tagesfahrten, Zeltlager, Feierstunden
und Sportfeste. Die eigentliche Schulung fand auf den Heimabenden statt und war
geschlechtsspezifisch differenziert. […] Die Hitler-Jugend war uniformiert und streng
hierarchisiert nach dem Prinzip „Jugend führt Jugend".
Das Gesetz über die Hitler-Jugend vom 1.12.1936 bestimmte, dass die gesamte Jugend des
Reiches in der Hitler-Jugend zusammengefasst war. Die Durchführungsverordnung vom März
1939 legte fest, dass alle Jugendlichen Zwangsmitglieder in der HJ waren. […]“
(Klaus Bergmann, Nationalsozialistische Jugendorganisationen, in: Geschichte Lernen,
Friedrich Verlag in Velber, Heft 24, 1991, S. 35.)
3) Quelle 1
Ein Abiturient blickt Ende der 1940er Jahre auf seine Zeit in der Hitlerjugend zurück:
„Diese Kameradschaft, das war es auch, was ich an der Hitlerjugend liebte. Als ich mit zehn Jahren in
die Reihen des Jungvolks eintrat, war ich begeistert. Denn welcher Junge ist nicht entflammt, wenn
ihm Ideale, hohe Ideale wie Kameradschaft, Treue und Ehre, entgegengehalten werden. Ich weiß
noch, wie tief ergriffen ich dasaß, als wir die Schwertworte des Pimpfen lernten: „Jungvolkjungen
sind hart, schweigsam und treu; Jungvolkjungen sind Kameraden; des Jungvolkjungen Höchstes ist
die Ehre!" Sie schienen mir etwas Heiliges zu sein. - Und dann die Fahrten! Gibt es etwas Schöneres,
als im Kreis von Kameraden die Herrlichkeiten der Heimat zu genießen? Oft zogen wir am
Wochenende in die nächste Umgebung von K. hinaus, um den Sonntag dort zu verleben. Welche
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Freude empfanden wir, wenn wir an irgendeinem blauen See Holz sammelten, Feuer machten und
darauf dann eine Erbsensuppe kochten! [...] Und es ist immer wieder ein tiefer Eindruck, abends in
der freien Natur im Kreise um ein kleines Feuer zu sitzen und Lieder zu singen oder Erlebnisse zu
erzählen! Diese Stunden waren wohl die schönsten, die uns die Hitlerjugend geboten hat. Hier saßen
dann Lehrlinge und Schüler, Arbeitersöhne und Beamtensöhne zusammen und lernten sich
gegenseitig verstehen und schätzen.“
(Zit. nach: Hass, Kurt; Goes, Albrecht (Hrsg.), Jugend unterm Schicksal. Lebensberichte junger
Deutscher 1946-1949, Wegner-Verlag, Hamburg 1950, S. 61 ff.)
Quelle 2
Melitta Maschmann, geboren 1918, erinnert sich 1963 rückblickend an ihre Zeit im BdM:
„In diesem Alter findet man sein Leben, das aus Schularbeiten, Familien-Spaziergängen und
Geburtstagseinladungen besteht, kümmerlich und beschämend arm an Bedeutung. Niemand traut
einem zu, dass man sich für mehr interessiert als für diese Lächerlichkeiten. Niemand sagt: Du wirst
für Wesentlicheres gebraucht, komm! Man zählt noch nicht mit, wo es um ernste Dinge geht. Aber
die Jungen und Mädchen in den Marschkolonnen zählten mit. [...] Ich wollte aus meinem kindlichen
engen Leben heraus und wollte mich an etwas binden, das groß und wesentlich war. Dieses
Verlangen teilte ich mit unzähligen Altersgenossen. [...] Unsere Lagergemeinschaft war ein
verkleinertes Modell dessen, was ich mir unter Volksgemeinschaft vorstellte. Niemals vorher oder
nachher habe ich eine so gute Gemeinschaft erlebt. [...] Unter uns gab es Bauernmädchen,
Studentinnen, Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Friseusen, Büroangestellte usw. Geführt wurde das
Lager von einer ostpreußischen Bauerntochter. [...] Gestützt auf diese Erfahrung glaubte ich, dass der
Musterfall unseres Lagers sich eines Tages ins Unendliche würde vergrößern lassen.“
(Melitta Maschmann, Fazit. Kein Rechtfertigungsversuch, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1963, S.
17 ff.)
Quelle 3
Herbert K., geboren 1926, erinnert sich an seinen Alltag, als er etwa 10 bis 12 Jahre alt war und in
Berlin-Zehlendorf zur Schule ging:
„ Es sind nicht alle Jungs aus meiner Klasse in die HJ gegangen. Ich kann mich entsinnen, dass zwei
nicht mitgemacht haben. Der Vater von dem einen war ein SPD-Mann - das habe ich aber erst später
erfahren. Den Vater haben sie fürchterlich maßgenommen 1933, und da hat er gesagt: „Eher geht ein
Kamel durchs Nadelöhr, als dass mein Sohn zur HJ geht". Der ist also sehr lange nicht hingegangen. In
der Schule wurde das vollständig ignoriert, auch unter den Klassenkameraden. Wir haben ihn nur
öfter in den Hintern getreten oder fürchterlich gezwickt, wenn er bei der Fahnenweihe oder einer
Feier nicht den Arm heben wollte. Da haben wir gesagt: „Heb den Arm hoch, du dämlicher Hund.
Dein Vater ist doch nicht da, nun mach doch mal". Dann hat ihm einer den Arm hochgerissen, damit
er mit dem deutschen Gruß dastand. [...]“
(aus: Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum (Hrsg.), Heil Hitler, Herr Lehrer. Volksschule 1933-1945.
Das Beispiel Berlin, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 87 f., zit. nach: Hans-Jürgen
Lendzian/Wolfgang Mattes (Hrsg.), Zeiten und Menschen, Bd. 4, Schöningh Verlag im Westermann
Schulbuch Verlag GmbH, Paderborn 2002, S. 117.)
Quelle 4
14
Aus den 1999 veröffentlichten Erinnerungen von Hans-Jürgen Massaquoi an seine Schulzeit in
Hamburg:
„Unser neuer Klassenlehrer, Herr Schürmann [...] versuchte ununterbrochen, uns zum Beitritt ins
Jungvolk zu bewegen. Kernstück seiner Rekrutierungsbemühungen war eine große Grafik, die er mit
weißer Kreide auf die Tafel gemalt hatte: ein Rechteck, das in ebenso viele Quadrate unterteilt war,
wie es Jungen in unserer Klasse gab. Jeden Morgen erkundigte sich Herr Schürmann als Erstes, wer
der HJ beigetreten war, und trug dann die entsprechenden Namen in die Grafik ein. [...] Allmählich
gab einer nach dem anderen Schürmanns unerbittlichem Drängen nach und trat in die Hitler-Jugend
ein. Eines Morgens nahm Herr Schürmann sich die letzten Zögerer zur Brust und wollte wissen,
warum sie „nicht genug Liebe für Führer und Vaterland“ empfanden [...] Als ich an die Reihe kam,
öffnete ich den Mund, um etwas zu sagen, doch Herr Schürmann schnitt mir das Wort ab: „Schon
gut, du bist ja sowieso vom Jungvolk ausgeschlossen." Ich war wie vom Donner gerührt. […] Herr
Schürmann bemerkte meine Verwirrung und sagte mir, ich solle in der Pause zu ihm kommen. [...]
„Ich dachte, du wüsstest, dass du nicht ins Jungvolk darfst, weil du Nichtarier bist", fing er an. „Du
weißt doch, dass dein Vater Afrikaner ist und dass Afrikaner und andere nichteuropäische Menschen
als Nichtarier gelten. Nichtariern ist es untersagt, der Hitler-Jugend beizutreten." - „Aber ich bin doch
Deutscher", schluchzte ich unter Tränen. „Meine Mutter sagt, dass ich Deutscher bin, so wie alle
anderen."
(aus: Hans-Jürgen Massaquoi, „Neger, Neger, Schornsteinfeger!". Meine Kindheit in Deutschland,
Scherz Verlag, München 1999, S. 129 f.)
Quelle 5
Aus den 1979 veröffentlichten Erinnerungen des Schriftstellers Max von der Grün:
„Es war Pflicht, die Fahne mit erhobenem Arm zu grüßen. Er [ein Schulkamerad] vergaß es. Daraufhin
rannte der Fähnleinführer aus der Kolonne und streckte den Jungen mit zwei Faustschlägen nieder,
sodass er aus Mund und Nase blutete. Kein Wunder, denn der Fähnleinführer war 18 Jahre und stark,
mein Schulkamerad gerade 13 und schmächtig. Nirgendwo konnte er sich darüber beschweren,
geschweige denn den Fähnleinführer wegen Körperverletzung anzeigen. Niemand hätte dem Jungen
recht gegeben [...]. Die Fahne im Dritten Reich nicht zu grüßen, war kein Vergehen, es war ein
Verbrechen.“
(aus: Grün, Max von der, Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend im Dritten Reich, Luchterhand
Verlag, Darmstadt 1979, S. 141)
15
6. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.d (Modell B)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
1. Folienbild
Werbeplakat für KdF-Reisen
Werbeplakate für KdF-Reisen sind in vielen Schulbüchern zu finden. Der Bezug ist auch beim
Bundesarchiv Berlin möglich.
Quelle 2
Robert Ley, 1934-1945 Leiter der „Deutschen Arbeitsfront" (DAF) und ihrer Teilorganisation „Kraft
durch Freude" (KdF) über Ziele und Aufgaben der KdF:
„Wir schicken unsere Arbeiter nicht auf eigenen Schiffen in Urlaub und bauen ihnen gewaltige
Seebäder, weil uns das Spaß macht oder zumindest dem Einzelnen, der von diesen Einrichtungen
Gebrauch machen kann. Wir machen das nur, um die Arbeitskraft des Einzelnen zu erhalten und ihn
gestärkt und neu ausgerichtet an seinen Arbeitsplatz zurückführen zu lassen. KdF überholt
gewissermaßen jede Arbeitskraft von Zeit zu Zeit, genauso wie man den Motor eines Kraftwagens
nach einer gewissen gelaufenen Kilometerzahl überholen muss. [...]
Wir verlangen den Urlaub nicht aus Mitleid, wie wir überhaupt nichts aus Mitleid verlangen, sondern
weil der schaffende Volksgenosse seine Kräfte behalten muss, was ja auch wieder dem Unternehmer
zu Gute kommt. […]
Was wollen wir mit der Schaffung der Freizeitorganisation? Über allem steht das vom Führer
geprägte Wort: ‚Wie erhalten wir dem Volk die Nerven in der Erkenntnis, dass man nur mit einem
nervenstarken Volk Politik treiben kann.‘ Müdigkeit ist ein Gefühl der Leere. Da die Arbeitszeit von
den schaffenden Menschen Höchst- und Spitzenleistungen verlangt, muss man in der Freizeit als
Nahrung der Seele, des Geistes und des Körpers das Beste vom Besten bieten. "
(Auszüge aus Reden von Robert Ley aus den Jahren 1933, 1934 und 1940, aus: Forsthoff, Ernst (Hrsg.),
Deutsche Geschichten seit 1918 in Dokumenten, Kröner Verlag Stuttgart 1938, S. 329 f.)
Quelle 3
Wegen der Verfolgung durch die NS-Regierung verlegte die SPD im Juni 1933 den Sitz ihres Vorstandes in Ausland, zunächst nach Prag, später nach Paris, um von dort aus die politische Arbeit fortzusetzen. Unter anderem veröffentlichte die SPD dort laufend Berichte über die Verhältnisse in
Deutschland, um das Ausland unabhängig von den Nationalsozialisten über die Lage in Deutschland
zu unterrichten. Diese Veröffentlichungen beruhten auf geheimen Berichten, die in Deutschland
lebende Mitglieder der SPD auf Grund ihrer Beobachtungen verfassten und ins Ausland schafften.
Die Quelle enthält Auszüge aus solchen Berichten vom Dezember 1935.
Bericht aus Berlin: „Bei KdF darf man nicht nur die Reiseveranstaltungen sehen. Daneben
gibt es in großer Zahl Veranstaltungen aller möglichen Art: Sport, Wandern, Schwimmen,
Skilaufen, Gymnastik, Theater usw. usw. und bei diesen Veranstaltungen kann jeder für
wirklich billiges Geld mitmachen. [...] Die Urteilsfähigen erkennen natürlich den politischen
Zweck […],aber die große Masse fällt auf dieses Rummel herein, nimmt die Gelegenheiten
mit und kümmert sich nicht um die Zwecke, die das System mit diesem Veranstaltungen
verbindet."
16
Bericht aus Nordwestdeutschland: Die KdF-Reisen sind sehr lebhaft von der Arbeiterschaft
mitgemacht worden. Die Arbeiter betrachten die Reisen nicht als eine Nazi-Angelegenheit
[…]. Bei einer Fahrpreisermäßigung von 75% kann der Arbeiter mal einige Tage ans dem
Elend heraus. […] Er nimmt aber in diesem Jahr m größerer Zahl teil. Es haben Fahrten nach
dem Schwarzwald und dem Bodensee stattgefunden. Die Bodenseefahrer sind zu einem
verbotenen Abstecher in die Schweiz gegangen und haben in Deutschland verbotene
Zeitungen gelesen."
Bericht aus dem Rheinland: „Wie viel herrliche Fahrten haben früher Gewerkschaften,
Arbeiterwohlfahrt und Arbeiter vereine arrangiert? Da war wirklich die Arbeiterschaft
vertreten. Heute bei KdF? Oft sind es die besser gestellten Bürger und die Nazibonzen
natürlich, die KdF ausnutzen. In unserem Betrieb mit etwa 20.000 Beschäftigten durften bis
heute erst zwei Mann eine Reise nach den Azoren umsonst mitmachen. An den
Rheinfahrten, die acht Tage dauerten, beteiligten sich von 20.000 nur 25 Arbeiter.“
(Deutschland-Berichte der Sozial-Demokratischen Partei Deutschlands, 2. Jg. 1935)
Quelle 4
In seinen nach dem 2. Weltkrieg erschienenen Erinnerungen schilderte der ehemalige Sozialdemokrat
August Winnig ein Gespräch, das er 1935 mit mehreren Arbeitern geführt hatte:
„Einer der Arbeiter sagte: ‚Sehen Sie, jetzt im Mai war ich zwölf Tage am Rhein; erst ging‘s mit der
Bahn nach Düsseldorf, aber fein gefahren. Niemals mehr als sechs in einem Wagen, und unterwegs
tipp-topp Verpflegung. Wir haben uns die Röhrenwerke angesehen, Riesenbetriebe, und wurden
durch die Bildersammlungen geführt - großartig. Dann fuhren wir mit Autobussen nach Köln und
sahen den Dom. [...] Von Köln ging‘s mit dem Schiff weiter: Loreley, Binger Mäuseturm - na, Sie werden das ja kennen. Aber nun frage ich Sie: Wer hat uns denn früher so etwas geboten? Wir logierten
immer in den besten Hotels: haben wir uns das früher gedacht?' Der Mann sah zu seinem jungen
Kameraden hinüber: ‚Man muss bei der Wahrheit bleiben, wir haben von dem Umschwung nur
profitiert.‘ Ein anderer Arbeiter erwiderte daraufhin: "Was da heute dem Arbeiter vorgemacht wird,
und wie er sich dazu verhält, das ist eine Affenschande. Von Ehre weiß der heutige Arbeiter nichts
mehr. War das zu Ihrer Zeit auch so? Ich meine, damals hatte der Arbeiter noch seine Ehre. Heute
schmeißt er sie für eine Rheinreise weg.'"
(aus: Winnig, August, Aus zwanzig Jahren, Wittig Verlag, Hamburg 1949, S. 68 f.)
17
7. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.2.e
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Quelle 1
Anweisung von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, an
Reinhard Heydrich, den Leiter der Sicherheitspolizei, 26.01.1942
Anliegend übersende ich Ihnen einen Bericht, den mir der Reichsjugendführer Axmann über
die ‚Swing-Jugend‘ Hamburg zugesandt hat. ... Meines Erachtens muss jetzt... das ganze Übel
radikal ausgerottet werden ... Alle Rädelsführer, und zwar die Rädelsführer männlicher und
weiblicher Art, unter den Lehrern diejenigen, die feindlich eingestellt sind und die SwingJugend unterstützen, sind in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dort muss die Jugend zunächst einmal Prügel bekommen und dann in schärfster Form exerziert und zur Arbeit
angehalten werden. Irgendein Arbeitslager oder Jugendlager halte ich bei diesen Burschen
und diesen nichtsnutzigen Mädchen für verfehlt...
Der Aufenthalt im Konzentrationslager für diese Jugend muss ein längerer, 2-3 Jahre sein. Es
muss klar sein, dass sie nie wieder studieren dürfen. Bei den Eltern ist nachzuforschen, wie
weit sie das unterstützt haben. Haben sie es unterstützt, sind sie ebenfalls in ein KL zu
verbringen und das Vermögen ist einzuziehen. Nur, wenn wir brutal durchgreifen, werden
wir ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophilen Tendenz in einer Zeit, in der
Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können
Quelle 2
Aus den Erinnerungen von Günter Discher, geboren 1925, der zur Hamburger „Swing-Jugend“
gehörte und als 17-jähriger in das KZ Moringen eingesperrt wurde.
Aufgrund meiner Musikleidenschaft bin ich ... langsam in Opposition gegen die Jugenderziehung der Nazis geraten. [...] Wir jugendlichen Swinger lehnten diese Marschmusik ab. Wir
wollten - genau wie viele junge Leute heutzutage - eine andere Musik spielen und hören.
Und zwar das, was populär war: Swing-Musik! Diese leichtere und heitere Musik, die von
englischen und amerikanischen Orchestern gespielt wurde. Also zum Beispiel: Jack Hilton,
Harry Roy, Louis Armstrong oder Duke Ellington mit ihren Bands [...] In den folgenden Jahren
wurde zunehmend gegen die Swing-Musik polemisiert und gehetzt [...] Deshalb mussten wir
uns auf Hausfeste zurückziehen und drinnen feiern, weil wir mit unseren Grammofonen
nicht mehr in die Öffentlichkeit gehen durften.
(Zit. nach: Katalog zur Ausstellung „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben“, hg. Von
M. Guse / Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen e.V., 3. Aufl., Moringen / Liebenau
1997, S. 24)
Quelle 3
Interview mit Alfred Grasel, einem ehemaligen Häftling des Jugend-KZ Moringen, im Jahre 2004
18
Das war die Angst vor den Schlägen: Ich hab einmal 25 bekommen, die so schmerzhaft waren, dass
ich tagelang konnte nicht schlafen. Und man muss sich vorstellen: du musst deine Hose runterziehen
vor 30 oder 40 anderen [...] übern Schemel, mitzählen und dann sagen „Häftling Nr. 768 sagt Danke
für 25 Stockschläge". Es war eine Erniedrigung, aber man hat sich so schnell gewöhnt. Innen ist der
Hass, am liebsten würde man den anspringen, aber man hat vor der Pistole Angst, man hat Angst um
sein Leben, man möchte gern raus. Aber am nächsten Tag ist das vergessen, wenn die Schmerzen
weg sind. Bist du nur vorsichtig, dass es nicht wieder etwas passiert Die Angst ist immer da, vor allem
vor den Schlagen. Vor dem Strafstehen, vor der Kälte. Und vor allem: Es war eine Schikane. Denn
wenn irgendetwas Kleines passiert ist, wenn die Wäsche bei einem nicht in Ordnung ist, mussten alle
raus am Appellplatz antreten, hocken, springen, hüpfen, auch bei tiefem Frost Also eine
Erniedrigung, durch und durch. Die SS ist rundherum gestanden und hat gelacht. Man kam sich vor
wie ein Hund.
Interview mit Alfred Grasel, geführt von Dietmar Sedlaczek am 29.08.2004, Archiv der KZGedenkstätte Moringen; zit. nach: Rutenbeck, Jutta/Sedlaczek, Dietmar, Gedenkstätte als Lernort.
Themen und Zugänge zum Jugend-KZ Moringen, in: Geschichte Lernen, Friedrich Verlag in Velber,
Heft 129, 2009, S. 26-33, hier: S. 33. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Herrn
Dietmar Sedlaczek)
Quelle 4
Erinnerungen von Kurt Rothgänger, ehemaliger Häftling des Jugend-KZ Moringen, aus dem Jahre
1987
Ich erlebte im April 1945 den Einmarsch der amerikanischen Panzer in Moringen. Die letzten SSBewacher waren plötzlich verschwunden. loh ging mit den anderen zurückgebliebenen Häftlingen zur
Hauptstraße, wo sich schon zu beiden Seiten viele Menschen eingefunden hatten. Obwohl wir noch
nichts sehen konnten, hörten wir schon laute Geräusche von Fahrzeugen, welche immer lauter
wurden. Dann tauchten in einer Kurve Panzer auf. Ich stand mit den anderen Leidenskameraden an
der Straße und sah die Panzer an mir vorbeifahren. Es war eine glückliche Stunde in meinem Leben
[…] Ich merkte, dass meine Augen feucht würden und die Tränen die Backe herunterliefen. Es waren
Freudentränen [...]
Wenn der Krieg noch ein Jahr länger gedauert hätte, wären ich und noch viele andere auf dem
Moringer Friedhof vergraben worden. Viele waren wie ich am Ende ihrer Kräfte angelangt.
Kurt Rothgänger, ehem. Häftling des Jugend-KZ Moringen: unveröffentlichter Bericht, Hamburg 1987,
Archiv der KZ-Gedenkstätte Moringen, zit. nach: Rutenbeck, Jutta/Sedlaczek, Dietmar, Gedenkstätte
als Lernort. Themen und Zugänge zum Jugend-KZ Moringen, in: Geschichte Lernen, Friedrich Verlag in
Velber, Heft 129, 2009, S. 26-33, hier: S. 30. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Dietmar Sedlaczek)
19
8. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.b
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Frank Hoffmann
Quelle 1: Auszug aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz am 20.Januar 1942
Die Wannsee-Konferenz war eine Besprechung von Vertretern verschiedener Ministerien und SSOffizieren unter der Leitung von Reinhard Heydrich, dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes, der
leitenden Behörde aller Polizei- und Sicherheitsorgane in NS-Deutschland. Der Name der Konferenz
leitet sich ab von der Adresse des Tagungsortes, einer Villa in der Straße „Am Großen Wannsee“ in
Berlin. Der einzige Tagesordnungspunkt der Konferenz war die „Gesamtlösung der Judenfrage in
Europa“, das heißt, der Völkermord an den europäischen Juden. Da der Massenmord an den
europäischen Juden zum Zeitpunkt der Wannsee-Konferenz längst begonnen hatte, bestand der
Zweck der Konferenz nicht darin, einen Beschluss über die Ermordung der Juden in Europa zu fassen.
Sondern es ging um die Abstimmung der verschiedenen daran beteiligten Behörden, SS- und
Polizeidienststellen über die Grundlinien des weiteren Vorgehens.
Heydrich führte in seinem die Konferenz einleitenden Vortrag aus:
„[…] Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in
Betracht, die sich wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen:
Land
Altreich
Ostmark
Ostgebiete
Generalgouvernement
Bialystok
Protektorat Böhmen und Mähren
Estland
[…]
Frankreich/Besetztes Gebiet
Unbesetztes Gebiet
[…]
England
[…]
Ungarn
UdSSR
Ukraine
Weißrußland
zusammen
Zahl
131.800
43.700
420.000
2.284.000
400.000
74.200
- judenfrei –
165.000
700.000
330.000
742.800
5.000.000
2.994.684
446.484
über 11.000.000
[…] Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise
im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter,
werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein
Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den
widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine
natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues
anzusprechen ist. […]
20
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa vom Westen nach Osten
durchgekämmt. Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird, allein schon
aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozial-politischen Notwendigkeiten, vorweggenommen werden müssen.
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um
von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“
("Besprechungsprotokoll" der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942, angefertigt von Adolf
Eichmann nach Instruktionen Reinhard Heydrichs, zitiert nach: Pätzold, Kurt/Schwarz, Erika,
Tagesordnung: Judenmord. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, Metropol Verlag, Berlin
4
1998, S. 105 ff.)
Quelle 2: Schreiben des stellvertretenden Leiters der Kanzlei des Führers1, Viktor Brack, an den
Reichsführer der SS, Heinrich Himmler , 23.6.1942.
Ich habe dem Brigadeführer Globocnik2 auf Anweisung von Reichsleiter Bouhler3 für die
Durchführung seiner Sonderaufgabe4 schon vor längerer Zeit einen Teil meiner Männer zur
Verfügung gestellt. Aufgrund einer erneuten Bitte von ihm habe ich nunmehr weiteres Personal
abgestellt. Bei dieser Angelegenheit vertrat Brigadeführer Globocnik die Auffassung, die ganze
Judenaktion so schnell wie nur irgend möglich durchzuführen, damit man nicht eines Tages mitten
drin steckenbliebe, wenn irgendwelche Schwierigkeiten ein Abstoppen der Aktion notwendig
machen. Sie selbst, Reichsführer, haben mir gegenüber seinerzeit schon die Meinung geäußert, dass
man schon aus Gründen der Tarnung so schnell wie möglich arbeiten müsse. Beide Auffassungen, die
ja im Prinzip das gleiche Ergebnis zeitigen, sind nach meinen eigenen Erfahrungen mehr als
berechtigt; trotzdem möchte ich Sie bitten, in diesem Zusammenhang folgende Überlegung von mir
vortragen zu dürfen:
Bei ca. 10 Millionen europäischer Juden sich nach meinem Gefühl mindestens 2-3 Millionen sehr gut
arbeitsfähiger Männer und Frauen enthalten. Ich stehe in Anbetracht der außerordentlichen
Schwierigkeiten, die uns die Arbeiterfrage bereitet, auf dem Standpunkt, diese 2-3 Millionen auf
jeden Fall heranzuziehen und zu erhalten. Allerdings geht das nur, wenn man sie gleichzeitig
fortpflanzungsunfähig macht. Ich habe Ihnen vor ca. 1 Jahr bereits berichtet, dass Beauftragte von
mir die notwendigen Versuche für diesen Zweck abschließend bearbeitet haben. Ich möchte diese
Tatsachen nochmals in Erinnerung bringen. Eine Sterilisation, wie sie normalerweise bei Erbkranken
durchgeführt wird, kommt in diesem Fall nicht in Frage, da sie zu zeitraubend und kostspielig ist. Eine
Röntgenkastration jedoch ist nicht nur relativ billig, sondern lässt sich bei vielen Tausenden in
kürzester Zeit durchführen. Ich glaube, dass es auch im Augenblick schon unerheblich geworden ist,
ob die Betroffenen dann nach einigen Wochen bzw. Monaten an den Auswirkungen merken, dass sie
kastriert sind.
Sollten Sie, Reichsführer, sich im Interesse der Erhaltung von Arbeitermaterial dazu entschließen,
diesen Weg zu wählen, so ist Reichsleiter Bouhler bereit, die für die Durchführung dieser Arbeit
notwendigen Ärzte und sonstiges Personal Ihnen zur Verfügung zu stellen. Ebenso hat er mich
beauftragt, Ihnen zu sagen, dass ich dann auf schnellstem Wege diese so notwendigen Apparaturen
in Auftrag geben soll.
(BA NS 19/1583; Artur Eisenbach: Hitlerowska polityka zaglada Źydόw. Warszawa 1961,
Dokumentenanhang (Faks.). Zit. nach: Longerich, Peter (Hrsg.), Die Ermordung der europäischen
Juden. Eine umfassende Dokumentation des Holocaust 1941-1945, Piper Verlag München 1989, S.
371 f.)
21
(1) Kanzlei Hitlers, die seit 1939 die sog. Euthanasie, die Ermordung von mehr als 100.000 Behinderten und
Psychiatrie-Patienten organisierte.
(2) Odilo Globocnik, hoher SS-Führer; leitete die Ermordung der Juden in den von Deutschland besetzten
Gebieten Polens.
(3)Philipp Bouhler, Leiter der Kanzlei des Führers.
(4) Gemeint ist die sog. „Aktion Reinhard“, eine Tarnbezeichnung für die Ermordung von mehr als 2 Millionen
polnischer Juden in Vernichtungslagern.
22
9. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.c (Modell B)
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Quelle 1
Aus einem Flugblatt der jüdischen Kampforganisation ZOB vom 4. Dezember 1942:
„[…] Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich der Nazismus zum Ziel gesetzt hat, alle Juden
auszurotten. Seine Taktik beruht auf Betrug und Heuchelei. Er durchschneidet einem Opfer
die Kehle und wirft dem nächsten Opfer das Los zu, bevor er es zur Schlachtbank treibt.
Sehen wir der Wahrheit offen und mutig in die Augen! […]
Juden! Bürger des Warschauer Ghettos, seid wachsam! Glaubt keinem Wort, keinen
Winkelzügen der SS-Banditen! Die Gefahr lauert weiterhin! Geben wir uns keiner Täuschung
hin! […] Alle sind bedroht!
Niemand lasse es sich einfallen, aktiv oder passiv mitzuhelfen, den Kameraden, Nachbarn
oder Mitarbeiter in die Hände des Henkers zu liefern! Wir wollen angesichts des Untergangs
kein Haufen Dreck, kein Gewürm sein! Helft euch gegenseitig!
Die nichtwürdigen Verräter, die dem Feind helfen, müssen wir aus unserer Gemeinschaft
entfernen! Lasst euch nicht vernichten! Bereitet euch auf die Verteidigung des eigenen
Lebens vor!
Denkt daran, dass auch wir - die jüdische Zivilbevölkerung - an der Front des Kampfes um
Freiheit und Menschlichkeit stehen!
Der Feind ist bereits teilweise hinfällig. Verteidigen wir mit Mut und Würde unsere Ehre! Es
lebe die Freiheit!"
Quelle 2
Aus einem Flugblatt der jüdischen Kampforganisation ZOB, Mitte Januar 1943.
JÜDISCHE VOLKSMASSEN!
Die Stunde rückt näher! Ihr müßt bereit sein, Widerstand zu leisten!
Kein Jude geht zum Waggon! Diejenigen, die keine Möglichkeit haben, aktiven
Widerstand zu leisten, sollen passiven Widerstand leisten, sollen sich verbergen.
Die Hauptlosung heißt: Alle sind bereit, wie Menschen zu sterben!"
23
Quelle 3
Zeugenaussage des jüdischen Widerstandskämpfers Zwia L. gegenüber der Staatsanwaltschaft
Hamburg im Jahre 1972.
„Ich [wurde] dem Gefechtsstand in der [Straße] Nalewiki 33 zugeteilt. Wir waren dort 23 Jungen und
Mädchen. Unsere Ausrüstung bestand aus je einer Pistole, selbstgebastelten Handgranaten und
Bomben sowie aus Molotowcocktails. Bei Tageslicht konnte ich die großen Massen der deutschen
Soldaten, die von Kopf bis Fuß bewaffnet waren, feststellen. Ihnen gegenüber standen unsere 22
Gruppen, die wie meine ausgerüstet waren.
Ich war mir dessen bewusst, dass es unmöglich sei, unser Leben zu retten, auch war ich mir sicher,
dass der Preis, den die Deutschen zu bezahlen hätten, sehr hoch sein würde, und so war es auch. Die
Deutschen betraten in geschlossenen Kolonnen das Ghetto, eine Kampfgruppe nach der anderen.
Anfangs ließ man sie passieren, bis in den Bereich unserer Feuerlinie. Anschließend wurde das Feuer
auf sie eröffnet, und siehe da, ein Wunder: Die Deutschen, die bisher ganz Europa besetzten, flohen
nun vor einigen hundert jüdischen Jungen und Mädchen. Das erste Gefecht endete also mit dem Sieg
der Kämpfer. Die Deutschen flohen und ließen diesmal Tote und Verwundete liegen. Das war das
erste Mal, dass in den Straßen von Warschau deutsches Blut vergossen wurde [...]
Die Juden, die keine Waffen besaßen, verbargen sich in Bunkern, die vorher vorbereitet worden
waren, aus denen sie durch Feuer und Rauch aber herausgetrieben wurden und in die Hände der
Feinde fielen. Auch unsere Standorte wurden zerstört und niedergebrannt; wir setzten aber den
Kampf, insbesondere nachts, bis zum 12. Mai 1943 fort [...]
Wir versammelten uns, etwa hundert Kämpfer, in einem Wohnblock, der bisher vom Feuer verschont
geblieben war. Wir waren von tausenden Juden umgeben, die uns um Rat baten. Alle unsere Pläne
waren zerstört. Wir träumten von einem Kampf Mann gegen Mann. Man hatte an Frontkämpfe
gegen einen Feind gedacht, der einen hohen Blutpreis zahlen sollte. Die Deutschen lehnten es aber
ab, mit uns zu kämpfen. Sie wollten keine direkte Front und schickten Feuerstöße gegen uns aus [...]"
(Zit. nach: Scheffler, Wolfgang/Grabitz, Helge, Der Ghetto-Aufstand Warschau 1943 aus der Sicht der
Täter und Opfer in Aussagen vor deutschen Gerichten, München 1993)
24
10. Unterrichtsmaterial für die Unterrichtseinheit 10.3.d
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
Text 1: Das Reserve-Polizeibataillon 101
Das Reserve-Polizeibataillon 101 war eine Einheit von rund 500 Reserve-Polizisten der Ordnungspolizei. Die Männer stammten aus Hamburg, waren meist Familienväter mittleren Alters und kamen
aus der Arbeiterschicht oder kleinbürgerlichen Verhältnissen.
Im Sommer 1942 erhielt das Reserve-Polizeibataillon 101 einen Sonderauftrag in dem von
Deutschland besetzten Polen. Der Auftrag war, die jüdische Bevölkerung in polnischen Dörfern
aufzuspüren, die arbeitsfähigen Männer einem Transport in Arbeitslager zuzuführen und die übrigen
Menschen - Alte, Kranke, Frauen und Kinder - zu erschießen. Insgesamt erschossen die Männer des
Reserve-Polizeibataillons 101 bei diesen Einsätzen mindestens 38.000 Menschen.
Vor Beginn des Sonderauftrags machte der Kommandant des Bataillons seinen Männern ein
Angebot: Wer sich diesem Auftrag nicht gewachsen fühle, könne sein Gewehr abgeben und müsse
dann an den Erschießungen nicht teilnehmen, sondern werde zu anderen Aufgaben eingesetzt. Nur
12 Männer nahmen dieses Angebot an. Nach den ersten Erschießungen schlossen sich einige weitere
an.
(Frank Hoffmann auf der Basis von Christopher R. Browning, Ganz normale Männer. Das ReservePolizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek 1993. )
Text 2: „Ganz normale Männer“
„Warum entwickelten sich die meisten Männer des Reserve-Polizeibataillons 101 zu Mördern,
während das nur bei einer Minderheit von vielleicht zehn oder allerhöchstens zwanzig Prozent nicht
der Fall war? […]
Die Verunglimpfung der Juden und die Verkündung der Überlegenheit der germanischen Rasse
erfolgte [während der NS-Zeit] auf eine solch konstante, umfassende und unerbittliche Weise, dass
dadurch die Grundeinstellung großer Bevölkerungsteile in Deutschland – und somit auch des
durchschnittlichen Reserve-Polizisten – geprägt worden sein muss. […] Diese unablässige
Propagandaflut dürfte die allgemeinen Vorstellungen von der rassistischen Überlegenheit der
Deutschen und eine „gewisse Abneigung“ gegen die Juden erheblich verstärkt haben.
Neben der ideologischen Indoktrinierung war ein weiterer entscheidender Aspekt das
gruppenkonforme Verhalten. Den Befehl, Juden zu töten erhielt das Bataillon, nicht aber jeder
einzelne Polizist. Dennoch machten sich 80 bis 90 Prozent der Bataillonsangehörigen ans Töten,
obwohl es fast alle von ihnen - zumindest anfangs - entsetzte und anwiderte. Die meisten schafften
es einfach nicht, aus dem Glied zu treten und offen nonkonformes Verhalten zu zeigen. Zu schießen
fiel ihnen leichter. […] Eindeutig ist, dass den Polizisten die Sorge um das eigene Ansehen bei den
Kameraden wichtiger war als irgendein Gefühl menschlicher Verbundenheit mit den Opfern. Die
Juden standen für sie außerhalb des Kreises, in dem man mitmenschliche Verpflichtung und
Verantwortung empfand. […]
Was man von der Geschichte des Reserve-Polizeibataillons 101 vor allem mitnimmt, ist großes
Unbehagen. Diese Geschichte von ganz normalen Männern ist nicht die Geschichte aller Männer
oder Menschen. Die Reserve-Polizisten hatten Wahlmöglichkeiten, und die meisten von ihnen
begingen schreckliche Untaten. Doch jene, die getötet haben, können nicht aus der Vorstellung
heraus freigesprochen werden, dass in ihrer Situation jeder Mensch genauso gehandelt hätte. Denn
25
selbst unter ihnen gab es ja einige, die sich von vornherein weigerten zu töten oder aber ab einem
bestimmten Punkt nicht mehr weitermachten. Die Verantwortung für das eigene Tun liegt letztlich
bei jedem einzelnen.
Zugleich hat das kollektive Verhalten des Reserve-Polizeibataillons 101 aber zutiefst beunruhigende
Implikationen. Es gibt auf der Welt viele Gesellschaften, die durch rassistische Traditionen belastet
und aufgrund von Krieg oder Kriegsdrohung in einer Art Belagerungsmentalität befangen sind.
Überall erzieht die Gesellschaft ihre Mitglieder dazu, sich der Autorität respektvoll zu fügen, und sie
dürfte ohne diese Form der Konditionierung wohl auch kaum funktionieren. Überall streben die
Menschen nach beruflichem Fortkommen. In jeder modernen Gesellschaft wird durch die
Komplexität des Lebens und die daraus resultierende Bürokratisierung und Spezialisierung bei den
Menschen, die die offizielle Politik umsetzen, das Gefühl für die persönliche Verantwortung geschwächt. In praktisch jedem sozialen Kollektiv übt die Gruppe, der eine Person angehört, gewaltigen
Druck auf deren Verhalten aus und legt moralische Wertmaßstäbe fest. Wenn die Männer des
Reserve-Polizeibataillons 101 unter solchen Umständen zu Mördern werden konnten, für welche
Gruppe von Menschen ließe sich dann noch Ähnliches ausschließen.“
(Aus: Browning, Christopher R., Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die
„Endlösung“ in Polen, Deutsche Übersetzung von Jürgen Peter Krause, Copyright © 1993 by Rowohlt
Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg; hier S. 107 und 238 ff.)
26
11. Unterrichtsmaterial zur Unterrichtseinheit 10.3.e
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
1. Transkription der Zeitzeugen-Aussagen in den ersten 3:25 Min. der Dokumentation „Die
SS-Heydrichs Herrschaft“ von Guido Knopp, ZDF-Video, © Universum Film GmbH, 2003
(erhältlich als Video und als DVD)
1:05 Min. Franz Wimmer-Landquet (Vertrauter Heydrichs): „Er war die totale Macht. Er hatte
die
gesamte
Exekutive
in
der
Hand.
Kriminalpolizei,
Sicherheitsdienst,
Reichssicherheitshauptamt, Gestapo. Er war praktisch der Herr über Leben und Tod.“
1:35 Min. Ralf Giordano (Gestapo-Opfer): „Tatsächlich war Heydrich ein Menschentypus, wie
es ihn vorher nicht gegeben hat. Er war die Verkörperung des Vernichtungsapparates.“
2:24 Min. Hermann Laupsien (Gestapo-Opfer): „Man kann doch nicht hunderttausenden und
tausenden Leuten den Tod verordnen und ‘ne industrielle Maschinerie aufziehen und die
Leute umbringen. Ist doch unvorstellbar unter normalen Menschen.“
3:05 Min. Ralf Giordano (Gestapo-Opfer): „Wenn der Krieg länger gedauert hätte, dann wäre
Reinhard Heydrich der kommende Mann gewesen. Ist gar keine Frage. Er war der Prototyp
dessen, was Hitler sich gewünscht hat. Er war der Unmensch in Person.“
(Transkription von Frank Hoffmann; die Personennamen und die in Klammern gesetzten
Angaben zu den Personen entsprechen den Einblendungen im Film.)
2. Texte
2a) Der Historiker und Publizist Heinz Höhne in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung,
20.11.2002
„[…] ich meine, dass wir Zeitgeschichtler uns nicht damit begnügen dürfen, historiografische
Fehlleistungen der Medien immer nur zu monieren. Wir sollten jede Chance nutzen, dem Fernsehen
dabei zu helfen, seinen nicht selten umstrittenen Geschichtsproduktionen etwas mehr historische
Glaubwürdigkeit einzuhauchen.
Solche kritische Begleitung hätte man sich auch bei der […] Sendung „Heydrichs Herrschaft"
gewünscht, in der nun leider wieder all die Legenden und Halbwahrheiten hochkochen, die Forscher
der SS längst für überwunden hielten. Nicht ohne Grund wandten [sie] sich schon vor Jahren gegen
die maßlose Überbewertung von Heydrichs Rolle in der deutschen Publizistik. Bei Knopp lebt sie
wieder bedenkenlos auf: Reinhard Heydrich als der „Herr über Leben und Tod" im Dritten Reich,
Inkarnation „totaler Macht", Kandidat für eine Nachfolge Hitlers, schon dabei, auch im besetzten
Frankreich die Herrschaft an sich zu reißen - undifferenzierter geht's nimmer.“
(Aus: Süddeutsche Zeitung, 20.11.2002, S. 11.)
2b) In einer wissenschaftlichen Untersuchung hatte Höhne 1984 über Heydrich geschrieben:
„Er (= Heydrich) drängte Himmler immer wieder, die [Konzentrations-] Lager dem Hauptamt
Sicherheitspolizei zu unterstellen. [...] Ein solches Instrument der Führerdiktatur […] durfte nicht
länger außerhalb des Aktionsbereiches der Sicherheitspolizei bleiben, wollte Heydrich allein über
27
seinen Beherrschungsapparat gebieten. […] Tatsächlich aber machte Himmler keine Miene, die Lager
dem Sipo-Chef auszuliefern.[…] Himmler behielt sich selbst die Kontrolle über das KZ-System vor, die
Konzentrationslager blieben eine Einrichtung der SS. […]Vergebens versuchte Heydrich, die Macht
Eickes1 über die Konzentrationslager zu brechen. […] Der Name Eicke bezeichnete ein empfindliches
Loch im Kontrollnetz Heydrichs.“
(1) Theodor Eicke leitete die Dienststelle „Inspektion der Konzentrationslager“ innerhalb der SS.
(Aus: Höhne, Heinz, Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, S. 188 ff.)
2c) Die Historikerin Ruth Bettina Birn schrieb 1986 über Heydrich und Himmler:
„Es gibt in der Literatur die Tendenz, die Bedeutung Himmlers für die SS zu verkleinern und ihn selbst
vornehmlich im Lichte der ihm sicherlich anhaftenden abstrusen Züge zu betrachten. Diese
Unterschätzung Himmlers knüpft meist an eine Betrachtung seines Äußeren an […]. Dem entspricht
die Überschätzung Heydrichs, die sich häufig auch an Äußerlichkeiten festmacht. […] die Bedeutung
Heydrichs wurde dabei zum Teil grotesk überzeichnet. […] die wirklichen Verhältnisse stützen diese
These […] in keiner Weise.“
(Aus: Ruth Bettina Birn, Die Höheren SS- Und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den
besetzten Gebieten, Düsseldorf 1986, S. 5 f.)
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