1 Die Verbesserung der Kommunikation im Unterricht http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/KommUnterricht.shtml Im folgenden werden einige Hinweise gegeben, wie der Lehrer gemeinsam mit seiner Klasse das Gespräch mit den Schülern und unter den Schülern verbessern kann. Ein Ziel ist vor allem die Möglichkeit, Konflikte, die immer wieder in sozialen Situationen entstehen, besser bearbeiten zu können. Die genannten Regeln stellen nur Klärungen von Rahmenbedingungen dar, sie sind keine Vorschriften sondern Vorschläge, die mit den Schülern besprochen werden müssen. Finden Sie gemeinsam mit Ihren Schülern weitere Regeln, formulieren Sie die vorgeschlagenen Regeln gemeinsam mit Ihren Schülern um. Didaktische Hinweise Es ist unter Umständen sinnvoll, eine ganze Unterrichtseinheit (günstig wäre eine Doppelstunde) diesen Gesprächsregeln zu widmen, wobei dem Lehrer vor allem die Aufgabe zukommt, geeignete Rahmenbedingungen für die Diskussion über diese zu schaffen, gegebenfalls diese Regeln zu verdeutlichen, sie mit Beispielen aus der Unterrichtspraxis zu belegen. Eine wesentliche Voraussetzung ist dabei, daß die durch die formelle Ordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen hinterfragt werden. Als Vorbereitung auf eine solche Unterrichtseinheit ist dabei eine Gruppenarbeit oder Hausarbeit günstig, bei der die Schüler sich Gedanken darüber machen, wie in einer Klasse Kommunikation normalerweise abläuft. Als Ziel einer solchen Unterrichtseinheit ist die Reversibilität der Klassen- kommunikation anzusehen, d.h., daß alles, was ein Kommunikationspartner zum anderen sagt, ebenfalls vom anderen geäußert werden kann (vielleicht ist eine Diskussion im Rahmen der Gruppenarbeit darüber sinnvoll, was z.B. ein Lehrer zum Schüler üblicherweise sagen kann, was aber kaum ein Schüler zum Lehrer äußern wird). Diese Reversibilität der Kommunikation ist nur als langfristiges Ziel zu erreichen. Die im folgenden angeführten Regeln stammen aus dem Bereich der Themenzentrierten Interaktion, einem von Ruth Cohn entwickelten Modell, wie Kommunikation innerhalb von Lern- und Arbeitsgruppen verbessert und die Effektivität erhöht werden kann. Besprechen Sie mit den Schülern eine Regel nach der anderen, wobei sie durchaus den Sinn diskutieren können. Wie erwähnt, stellen sie nur Rahmenbedingungen dar, die von der jeweiligen Gruppe (von jedem einzelnen Mitglied!) akzeptiert werden müssen. Dabei kommt es darauf an, daß nicht eine Mehrheit über die Annahme einer Regel entscheidet (keine Abstimmung!), sondern daß jeder einzelne von sich aus entscheidet, ob er sich an diese Regeln halten wird oder nicht. Bei einiger Erfahrung im Umgang mit diesen Regeln kann die Diskussion darüber bereits als erste Probe für die Kommunikation in der Klasse verwendet werden. Bei den einzelnen Regeln finden sich jeweils kurze didaktische Hinweise, die Ihnen die Diskussion erleichtern können. Diese sind ebenfalls nur Vorschläge und keine zwingend notwendigen Vorgangsweisen. Sie selber müssen in der konkreten Situation mit den Schülern entscheiden, ob diese Hinweise brauchbar sind oder nicht. Viele dieser Regeln hängen eng mit anderen zusammen, und es ist für Anfänger - und das sind vermutlich Sie und Ihre Schüler - oft sehr schwierig, zu entscheiden, welche Regel nun gerade verletzt worden ist. Verwenden Sie Regeln nicht dazu, andere an Fehler zu erinnern (Regeln als Hammer), 2 sondern reflektieren Sie immer zuerst die Bedeutung, die diese Regel bzw. die Regelverletzung für Sie hat. Vielleicht entdecken Sie, daß Sie in Ihrer Reaktion dadurch vielleicht eine andere Regel verletzen. Verteilen Sie eine Liste mit den genannten Regeln und lassen Sie diese in Arbeitsgruppen diskutieren. Das Wissen um kommunikative Vorgänge liegt nicht allein in der Hand des Lehrers. Geben Sie gleich zu Beginn ein Stück Ihres Wissensvorsprunges aus der Hand. Nicht Sie haben den Schülern etwas mitzuteilen. Versuchen Sie, Ihre Rolle in der Diskussion den Schülern klarzumachen, betonen Sie mit Nachdruck, daß auch Sie nur ein Mitglied der Gruppe sind. Regeln und Richtlinien für die Gruppeninteraktion von Ruth Cohn Jede Gruppeninteraktion enthält drei Faktoren, die man sich bildlich als Eckpunkte eines Dreiecks vorstellen könnte: 1. Das Ich, die Persönlichkeit; 2. Das Wir, die Gruppe; 3. Das Es, das Thema. Dieses Dreieck ist eingebettet in eine Kugel, die die Umgebung darstellt, in welcher sich die interaktionelle Gruppe trifft. Diese Umgebung besteht aus Zeit, Ort, und deren historischen, sozialen und teleologischen Gegebenheiten. Die thematische interaktionelle Gruppe versucht die Dreiheit von Ich-Wir-Es in dynamischer Balance zu halten. In der Praxis werden den Teilnehmern technische Regeln gegeben, die zugleich die jeweilige Arbeit und das Streben nach dem Bewusstsein von Autonomie und zwischenmenschlicher Verbundenheit fördern sollen. Versuche, in dieser Sitzung das zu geben und zu empfangen, was du selbst geben und empfangen möchtest. (Diese Richtlinie schließt alle folgenden, die nur zu größerer Verdeutlichung gegeben werden, ein.) Sei dein eigener Chairman und bestimme, wann du reden oder schweigen willst und was du sagst. Es darf nie mehr als einer auf einmal reden. Wenn mehrere Personen auf einmal sprechen wollen, muss eine Lösung für diese Situation gefunden werden. Unterbrich das Gespräch, wenn du nicht wirklich teilnehmen kannst, z.B. wenn du gelangweilt, ärgerlich oder aus einem anderen Grund unkonzentriert bist. (Ein »Abwesender« verliert nicht nur die Möglichkeit der Selbsterfüllung der Gruppe, sondern bedeutet auch einen Verlust für die ganze Gruppe. Wenn eine solche Störung behoben ist, wird das unterbrochene Gespräch entweder wieder aufgenommen werden oder einem momentan wichtigeren Platz machen.) Sprich nicht per »man« sondern per »ich«. (Ich kann nie wirklich für einen anderen sprechen. 3 Das »man« oder »wir« in der persönlichen Rede ist fast immer ein Sich-Verstecken vor der individuellen Verantwortung.) Es ist beinahe immer besser, eine persönliche Aussage zu machen, als eine Frage an andere zu stellen. (Meine Äußerung ist ein persönliches Bekenntnis, das andere Teilnehmer zu eigenen Aussagen anregt; viele Fragen sind unecht; sie stellen indirekt Ansprüche an den anderen und vermeiden eine persönliche Aussage.) Beobachte Signale aus deiner Körpersphäre und beachte Signale dieser Art bei den anderen Teilnehmern. (Diese Regel ist ein Gegengewicht gegen die kulturell bedingte Vernachlässigung unserer Körper- und Gefühlswahrnehmung.) Die thematische interaktionelle Methode beruht auf der Einsicht, dass die Menschen zwar Tatsachen und Zusammenhänge mit dem Denken allein erfassen können, dass jedoch sinnvolles Lernen den ganzen Menschen als psychosomatisches psychosomatisch: die seelisch-körperlichen Wechselwirkungen betreffend - daher auch gefühlsbetontes und sinnliches - Wesen betrifft. Die gegebenen Regeln und Richtlinien versuchen, den ganzen Menschen, Gefühle und Gedanken, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinzubeziehen Die "klassischen" Regeln der Themenzentrierten Interaktion (TZI) Sei Dein eigener Chairman. Dies bedeutet soviel wie "übernimm die Verantwortung für Dich selbst". Bestimme wann und was Du sagen willst und bestimme Dein eigenes Vorgehen im Blick auf die Arbeit, die Gruppe und alles, was für Dich wichtig ist. Nimm Deine Ideen, Gedanken, Wünsche und Gefühle wichtig und wähle aus, was Du den anderen anbieten kannst und um was Du bitten möchtest. Störungen angemessen Raum geben. Schmerzen, Abneigung oder Vorurteile können unter Umständen der aktuellen Mitarbeit in der Gruppen ebenso im Wege stehen wie große Freude, denn sie schwächen unterschwellig die Konzentration auf das eigentliche Vorhaben. Deshalb: Unterbrich das Gespräch, wenn Du nicht wirklich teilnehmen kannst, wenn Du gelangweilt, ärgerlich oder aus einem anderen Grund unkonzentriert bist. Die Gruppe weiß dann, was in Dir vorgeht und welchen Anteil sie daran hat. Werden Störungen nicht beachtet, so kann dies schwerwiegende Folgen haben, weil das Lernen oder die Arbeit be- oder sogar verhindert werden. Die Gruppe kann Störungen zwar ignorieren, wirksam sind sie trotzdem. Eine Gruppe, die die Störungen ihrer Mitglieder bearbeitet, gewinnt die scheinbar verlorene Zeit durch intensivere und konzentriertere Arbeit zurück. Vertritt Dich selbst in Deinen Aussagen: Sprich per "ich" und nicht per "man" oder per "wir". Die verallgemeinernden Redewendungen wie z.B. "jeder weiß", "man sagt", "wir alle wollen" usw. sind häufig persönliche Versteckspiele; der Sprecher übernimmt nicht die volle Verantwortung für das, was er sagt. Er versteckt sich hinter der öffentlichen Meinung oder einer behaupteten Mehrheit um sich und andere zu überzeugen. Stelle möglichst nur Informationsfragen Informationsfragen sind nötig, um etwas zu verstehen. Fragen, die kein wirkliches Verlangen nach Information ausdrücken, sind unecht. Ausweichende Antworten oder Gegenfragen sind die Folge, es kommt zum Interview, statt zum Dialog. Wenn anstelle von Fragen Aussagen treten, inspiriert das zu weiteren Interaktionen. Versuche also, eigene Erfahrungen und Gedanken anzusprechen. 4 Seitengespräche haben Vorrang Sie stören und sind zugleich meist wichtig, sonst würden sie nicht geschehen. Wenn Teilnehmer Seitengespräche führen, so sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit stark beteiligt &endash; oder gar nicht. Es kann sein, daß ein Gruppenmitglied etwas sagen will, was ihm wichtig ist, aber gegen schnellere Sprecher nicht ankommt und Hilfe braucht, um sich in der Gruppe zu exponieren. Nur einer zur gleichen Zeit Niemand kann mehr als einer Äußerung zur gleichen Zeit zuhören. Damit man sich auf verbale Interaktionen konzentrieren kann, müssen sie nacheinander erfolgen. Sofern mehr als einer gleichzeitig reden wollen, verständigt man sich in Stichworten über das, was gesagt werden soll, und über die Reihenfolge der Sprecher. Sei authentisch und selektiv in Deiner Kommunikation. Mache Dir bewußt, was Du denkst und fühlst, und wähle aus, was Du sagst und tust Authentisch sein heißt, Kontakt zu den eigenen Gedanken und Gefühlen zu haben, die Auskunft darüber geben, was ich jetzt brauche, wünsche oder tun sollte. Wähle aus, was Du davon den anderen sagen oder zumuten willst. Alles, was Du sagst, sollte wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muß gesagt werden. Beachte die Signale Deines Körpers und achte auf solche Signale auch bei den anderen Wer die Sprache seines Körpers kennt, versteht, wie Gedanken und Aussagen von bestimmten Körpergefühlen begleitet werden und wie diese ihrerseits eine Aussage machen. Auf die Sprache des Körpers zu achten, verschafft wichtige zusätzliche Informationen über das Gesprochene und Gehörte hinaus. Körpersprache signalisiert Emotionen sehr deutlich und in der Regel eher als sie ausgesprochen werden. Sprich Deine persönlichen Reaktionen aus und stelle Interpretationen so lange wie möglich zurück Sind Interpretationen inadäquat ausgedrückt, so erregen sie Abwehr und verlangsamen oder unterbrechen den Gruppenprozeß. Direkte persönliche Reaktionen aber, also Gedanken und Gefühle, die das Gehörte bei Dir auslösen, führen immer zu weiteren Aktivitäten und fördern die spontane Interaktion.