1. Definition Der Begriff „Demenz“ leitet sich ab vom lateinischen de = weg ( im Sinne von fern sein ) mens = Geist + d.h., Menschen mit Demenz befinden sich „fernab“ ihres Geistes. Bildlich jedoch ist es eigentlich mehr wie ein Leben hinter dem Vorhang. 2. Demenzformen Es gibt vier grundlegende Formen von Demenzen: a) Senile Demenzen vom Typ Alzheimer ( SDAT ) Alzheimer entsteht durch Schwund von Nervenzellen bzw. durch sog. „Plaquebildung“. Hierbei bildet der Körper fremde Eiweissmoleküle, die sich im Gehirn an verschiedenen Stellen ablagern und dadurch zu Ausfällen wichtiger Funktionen führen Die Plaques wirken wie Gift: Sie stören den Stoffwechsel der Nervenzellen, sodass diese nicht mehr wie früher miteinander kommunizieren können. Deshalb nimmt die geistige Leistungsfähigkeit betroffener Menschen ab. Die Ursachen für Alzheimer sind noch nicht vollkommen geklärt. Früh betroffen ist ein Bereich im Gehirn, der den wichtigen Botenstoff Acetylcholin ausschüttet. Alzheimer tritt in einigen Familien gehäuft auf; auch spielen genetische Faktoren mitunter eine gewisse Rolle. I) Frühes Stadium Im frühen Stadium von Alzheimer können sich Betroffene häufig neue Informationen nicht mehr gut merken. Beispielsweise lesen sie die Zeitung und wissen am Ende eines Artikels nicht mehr, worum es am Anfang ging. Häufiger als früher verlegen sie Gegenstände. Außerdem fällt es ihnen schwerer, sich auf Gespräche zu konzentrieren. Sie können ihrem Gegenüber nur mit Mühe folgen und bestimmte Wörter wollen ihnen einfach nicht in den Sinn kommen. Auch erste Probleme mit der Orientierung treten auf: In fremden Umgebungen finden sich die Betroffenen schwer zurecht. Das macht sich zum Beispiel in Restaurants bemerkbar, wenn der Weg zurück von der Toilette zum Tisch wie ein Labyrinth erscheint. -2- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -2II) Mittleres Stadium Im mittleren Stadium der Alzheimer-Demenz sind Sprache und Sprachverständnis der Betroffenen meist spürbar beeinträchtigt: Fehler im Satzbau treten auf, Antworten werden floskelhaft und Unterhaltungen schwierig, da Betroffene den "roten Faden" verlieren. Da sich die Patienten kaum noch etwas merken können, fällt es ihnen schwer, sich im Alltag zurechtzufinden. Sie bringen Tageszeiten und Daten durcheinander. Außerhalb und innerhalb der eigenen vier Wände fällt die Orientierung immer schwerer. Bei vielen Kranken ist darüber hinaus der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört. III) Spätes Stadium Im späten Stadium können Demenzkranke kein Gespräch mehr führen. Sie reagieren kaum und reihen allenfalls einzelne Wörter oder Laute aneinander. Viele verstummen völlig. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass keinerlei Kommunikation mehr möglich ist. Die Brücke der Gefühle trägt länger als Worte. Die Alzheimer-Krankheit ist nicht heilbar. Die Beschwerden lassen sich aber hinauszögern und lindern. Je früher die Therapie beginnt, desto besser. Dabei kommen gegebenenfalls Medikamente wie Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika zum Einsatz. Genauso wichtig bei der Alzheimer-Therapie sind aber nicht medikamentöse Maßnahmen. Dazu zählen kognitives Training, Ergo- und Musiktherapie, in bestimmten Fällen auch Psychotherapie. Über die Art und Dauer der Behandlung entscheiden Demenzkranke und Angehörige möglichst gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten. Dabei müssen sie das Stadium der Krankheit und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten berücksichtigen. Ziel jeder Therapie ist es, den Betroffenen so lange wie möglich ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. b) Vaskuläre Demenzen ( VD ) Diese entstehen auf Basis von Defekten bzw. Schwächen innerhalb des Gefäßsystems z.B. durch wiederkehrende sog. TIA ( verständlich formuliert: vorübergehende, kleine Phasen der Minderdurchblutung bestimmter Hirnareale – häufig nachts ). Im Rahmen dieser Phasen kann es zum Absterben von Gehirnzellen kommen, welche letztlich auch zu einem Funktionsausfall führen können. Mitunter folgen auf TIA’s auch kleinere / größere Schlaganfälle, die zu weitergehenden und großflächigen Schädigungen im Gehirn führen können. Diabetes, Herzrhythmusstörungen, ein zu hoher Blutdruck und verkalkte Arterien erhöhen das Risiko, einen Hirnschlag zu erleiden. Diese Befunde begünstigen damit auch Durchblutungsstörungen im Hirn und das Risiko, eine vaskuläre Demenz zu entwickeln. -3- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -3Die vaskulären Demenzen bilden die zweithäufigste Form. SDAT und VD „überlagern“ sich auch immer wieder. Ihre Symptomatik ist ähnlich. Wichtigster Unterschied für die Diagnostik: Alzheimer verändert den Menschen eher schleichend; Menschen mit einer VD sind häufig „von heute auf morgen“ verändert. c) Sog. „Frontotemporallappendemenz“ ( auch bekannt als Morbus Pick ) Der Frontotemporallappen ist ein umschriebenes Gebiet im Gehirn (Stirn / Schläfe), welches v.a. durch Gifte wie Alkohol dauerhaft geschädigt werden kann. Manche Menschen mit dieser Form der Demenz sind rast- und ruhelos, aggressiv und leicht reizbar. Andere wiederum ziehen sich zurück, werden stumpf und gleichgültig und finden an nichts Freude. Andere wiederum sind über die Maßen heiter und fröhlich. Insgesamt besteht also sozusagen die Tendenz zu einem „enthemmten Verhalten“. Menschen mit dieser Demenzform machen gerne auch unpassende oder peinliche Bemerkungen, die sie früher nicht gemacht hätten. Oder sie beginnen zu stehlen. Darauf angesprochen reagieren sie verblüfft oder empört. Zur Selbstkritik / Selbstreflexion sind sie nicht mehr in der Lage. Weitere Symptome können Heisshunger und „Ticks“ ( z.B. man muß ständig dasselbe machen ) sein oder die Menschen wiederholen echohaft alles, was man sagt. Erst Jahre später vermischen sich diese Erscheinungen dann häufig mit Symptomen, die auch für Alzheimer typisch sind. Morbus Pick ist nicht heilbar. Eine Linderung der Symptomatik lässt sich häufig über Antidepressiva, aber v.a. auch über Sport, Musik-;Tanz- oder Kunsttherapie erreichen. d) Lewy-Körperchen-Demenz Die Symptome der Lewy-Demenz ähneln denjenigen der Alzheimer-Demenz. Einige davon, wie z.B. Halluzinationen treten früher und heftiger auf. Häufig findet man die Lewy-Demenz in Verbindung mit Parkinson, was eine erhöhte Sturzgefährdung nach sich zieht. Die geistige und körperliche Verfassung dieser Menschen schwank mitunter sehr stark von hellwach und unternehmungslustig bis zu in sich gekehrt, verwirrt und orientierungslos. Die Gedächtnisleistung bleibt aber lange Zeit gut erhalten. Auch Lewy ist nicht heilbar; zudem sind die Symptome auf Basis des häufig bestehenden Parkinson schwierig behandelbar ( keine Neuroleptika! ). Antidementiva und nicht medikamentöse Maßnahmen stehen im Vordergrund. -4- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -4- 3. Risikofaktoren die die Entstehung einer Demenz begünstigen - 4. Alter ( wichtigster Grund ) Erbanlagen ( gering und in der Regel nur bei früh beginnenden Verläufen zwischen 40.tem und 50.tem Lebensjahr ) Chronische entzündliche Prozesse Chronische Vergiftungen - Flüssigkeitsmangel Medikamente Hirnverletzungen Anhaltende Depression, Trauer Fortdauernder Schmerz Zwänge, soziale Isolation, Lebensbrüche Überforderung – Burnout – innere Isolation Diagnostik / Untersuchungsmethoden Vom Beginn der Erkrankung bis zur Diagnose können häufig bis zu 10 Jahre vergehen. Dies liegt daran, daß der Mensch viele Kompensationsmechanismen entwickeln kann. Da sich seine Persönlichkeit hier immer nur schleichend verändert, wird dies von der Umwelt häufig zunächst gar nicht als krankhafte Veränderung erkannt. Hellhörig sollte man werden, wenn: - ein Mensch, der bislang gewohnt war, Dinge selbstständig zu erledigen, Sie plötzlich bittet, dieses und jenes für ihn zu erledigen ( „dätsch mer net...“ ) - Sich Aussagen häufen wie: „Ach, das habe ich heute vergessen, aber ich kann es ja auch morgen noch erledigen - Jemand Sie immer wieder nach der Uhrzeit fragt - Jemand Sie bei ihrem Besuch immer wieder nur durch bestimmte Räume seiner Wohnung führt ( die anderen könnten bereits vermüllt oder zugestellt sein ) - jemand das heutige Datum nicht weiß und/oder die Tageszeit nicht richtig zuordnen kann - jemand Sie oder andere beschuldigt, daß er bestohlen wird, oder man ihm etwas wegnimmt - und so vieles mehr! -5- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -5Untersucht wird heutzutage mit: - Neurologischen Testreihen Bestimmung des Gedächtnisstatus mit Gedächtnistestverfahren ( z.B. Mini-Mental-State, der aber bei Pick keine Auffälligkeiten aufdeckt ) Magnetresonanztomographie ( MRT ) Computertomographie ( CT ) Positronenemissionstomographie ( PET ) Die Diagnose einer Demenz gilt als gesichert, bei Vorliegen 1. einer Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und 2. mindestens einer der folgenden kognitiven Störungen: a) b) c) d) 5. Aphasie ( Störung der Sprache ) Apraxie ( beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen, trotz intakter Motorik ) Agnosie ( Unfähigkeit, Gegenstände zu erkennen, trotz intakter sensorischer Funktionen ) Störungen in den Exekutivhandlungen ( Planung, Organisation, Folgerichtigkeit von Abläufen ) Die 4 Stadien der Demenz ( v.a. Alzheimer + Vaskuläre Demenz ) Stadium I Dieses ist gekennzeichnet durch: Geistige Ebene - Tw. mangelhafte Orientierung Zuhause wohnen; kaum die Wohnung verlassen Aufrechterhalten der Fassade ( Kleidung, Make-up, usw. ) Körperliche Symptome - Blick ist noch klar und zielgerichtet Oft steife Haltung, angespannte Muskeln Bewegungen erfolgen präzise und gezielt Das Lernvermögen ist noch grundsätzlich erhalten Der Atem ist flach Die Stimme ist noch sehr individuell ( klar, scharf, weinerlich... ) -6- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -6Psychologische Charakteristika - Bislang unterdrückte Gefühle/Konflikte werden ausgedrückt Der Mensch klammert sich an die Realität Er möchte verstehen / verstanden werden Ist sich gelegentlicher Verwirrung bewusst Denkt sich aber Geschichten aus, um dies anderen zu erklären Hat Angst vor Veränderung, widersetzt sich Sucht Sicherheit, Vertrautes Leugnet Gefühle wie Einsamkeit, Wut, Angst Beschuldigt andere, wenn persönliche Verluste zu groß werden weisen Berührung und Intimität ab Stadium II Dieses ist gekennzeichnet durch: Zeitverwirrtheit - Körperliche + soziale Verluste ( Bewegung, Sinne, Lernen ) führen zum weiteren Rückzug Grundlegende, universelle Gefühle stehen im Vordergrund ( Liebe, Hass, Angst usw. ) Körperliche Symptome - Entspannte Muskeln Langsame Bewegungen Schultern nach vorn gebeugt, evtl. schlurfender Gang Klarer Blick, jedoch häufig zielloses Starren in die Ferne Gesten stimmen mit den Gefühlen überein; oft fragend Langsames mitunter auch monotones Sprechen; dabei flache Stimme Psychologische Charakteristika - Realität zerfließt/verschwimmt langsam; Abnahme rationalen Denkens Gefühle werden ausgedrückt; Erinnerung an Fakten unscharf Zurückkehren zu intuitivem, früh gelerntem Wissen Erinnern an angenehme, sinnliche Gefühle v.a. in der Kindheit Vergessen jüngster Ereignisse Verwenden persönlicher Fürworte ohne klare Angaben, wie z.B. „Er“ für Gott, Vater „Sie“ für Mutter ausgeprägte Symbolik; d.h. ein Ding/Tier steht für einen Menschen Stadium III Dieses ist gekennzeichnet durch: -7HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -7Sich wiederholende Bewegungen - Körperteile werden zu Symbolen; Bewegungen ersetzen Worte Lebenslang unterdrückte „eingesperrte“ Gefühle brechen hervor und bahnen sich ihren Weg Körperliche Symptome - Rhythmische Bewegungen; häufig hin und her Singen ohne dabei Sätze bilden zu können Entspannte Muskeln; Inkontinenz Augen oft geschlossen bzw. nicht zielgerichtet Können nicht mehr lesen oder schreiben; auch nicht fernsehen Psychologische Charakteristika - Hinübergleiten in eine Sterbephase; Bedürfnis zu sprechen schwindet Bewegungen schaffen Vergnügen und bestätigen das Leben Denkvermögen verschwindet; selbst der Wunsch dazu Monoton sich wiederholende Klänge/Rhythmen stimulieren bzw. beruhigen Der Mensch kann sich nur noch kurz und dabei auf nicht mehr als 1 Person / Sache konzentrieren Weiterer Rückzug in die Isolation / Selbststimulation Verbale Kommunikation sehr eingeschränkt Stadium IV Dieses ist gekennzeichnet durch: Vegetieren - Der Mensch lebt in seiner eigenen Welt; abgekapselt von der Umwelt Grundsätzlich besteht Antriebslosigkeit, die nicht einmal zum Überleben ausreichen würde Der Mensch braucht Berührung, Anerkennung, Fürsorge und eine Hand, die ihn hält Körperliche Symptome - Augen meist geschlossen; leerer Blick der durch einen hindurchzugehen scheint Schlaffe Muskeln bzw. Gefahr der Kontraktur Im Bett häufig Einnehmen einer embryonalen Position Kein Körperbewußtsein; kaum Bewegung Psychologische Charakteristika -8HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 -8- 6. Erkennen selbst nahestehende Angehörige nicht mehr Zeigen kaum Gefühlsregungen Keinerlei Aktivität; keie Reaktion auf Reize mehr Was der Mensch in dieser „Welt“ empfindet ist unklar; im Zweifel Ist er jedoch hochsensibel für seine Umwelt Abgrenzung Demenz / Depression Demenzen werden häufig von einer Depression begleitet oder überlagert. Die Depression als solche kann ihre Ursache wiederum in chronischen Schmerzzuständen haben. Wichtige Punkte, um ein wenig eingrenzen zu können, ob eher eine Demenz oder eine Depression vorliegt, sind: Faktor Demenz Beginn Unmerklich, schleichend Innerhalb von Std./Tagen Tagesschwankungen Oft abends schlechter Morgentief Stimmung Wechselnd, ablenkbar Gleichbleibend depressiv Angst Gering Versagensängste Schuldgefühle Nein, andere werden Beschuldigt Ja, bezieht alles auf sich Körperpflege Vernachlässigt Intakt Klagen Wenig Ausgeprägt Antwort auf Fragen „Tendenziell richtig“ Sagt oft „ich weiss nicht“ Auffassungsgabe Stark gestört Nicht gestört Leistungsfähigkeit Gleichbleibend schlecht Gut erhaltene praktische Schlaf Schlaf-Wachrhythmus gestört Häufig frühmorgendliches Erwachen Medikamente/Alkohol Selten Missbrauch Häufiger Missbrauch Verlauf Langsam schlechter werdend Rasche Verschlechterung Dauer Chronisch fortschreitend Akut und durchaus umkehrbar -9- HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 Depression -9- 7. Hilfsmöglichkeiten für die einzelnen Stadien Stadium I ROT ( = Realitätsorientierungstraining ) ist hier durchaus noch angezeigt; d.h. bewusstes Konfrontieren des Menschen mit der Realität in folgender Form: - Gezielte Frage-Antwortspiele Gemeinsames Erledigen von Haushaltsdingen Aufmunterung auszugehen („komm laß‘ uns doch mal dort hingehen...“) Diskutieren der Tageszeitung Gemeinsames Einkaufen – „Preisberatung“ Gemeinsames Aufarbeiten und Erhellen biographischer Hintergründe Spaziergänge auf vertrauten Wegen Usw. Stadium II Wenn das ROT den Menschen zunehmend überfordert ( erkennbar an zunehmender Aggression ), ist es an der Zeit validierend zu arbeiten. Das bedeutet: - - Einfache, offene Fragen verwenden ( wer, was, wann ) Biographische Gespräche auf das Jungerwachsenenalter (20-40) ausrichten Symbolik bestimmter Dinge, Bilder etc. ergründen ( z.B. dieses Bild hat meine Tochter gemalt; diese Katze hat mir mein Sohn geschenkt) Gefühle und Werte, die dem Menschen wichtig sind, annehmen und ihm positiven Rückhalt bieten Gemeinsam weiterhin lebenspraktische Fähigkeiten üben, den Grat zur Überforderung jedoch nicht überschreiten ( nichts einfordern wie z:B. in der Form „Sie können doch“ oder „sie müssen“) = Alles kann, nichts muß; man ist nie Lehrer, sondern kann immer nur Begleiter auf dem Weg in und durch die Demenz sein! Was bedeutet ( Integrative ) Validation (IVA)? a) Bei der Kontaktaufnahme bzw. zu Gesprächsbeginn vermeidet man: - Die Orientierung auf der Inhaltsebene Fragetechniken Interpretationen b) Die IVA nutzt bewusst - 10 - HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 - 10 - die Kraft und die Vertrautheit von Allgemeinplätzen und Sprichwörtern die Orientierung am aktuell gezeigten Gefühl bzw. Antrieb den Rückgriff auf früh gelernte / eingeprägte Inhalte c) Durch IVA kann so eine persönliche Gefühlsbeziehung zum dementen Menschen entstehen, die folgende Räume öffnen kann: - Erweiterung biographischer Kenntnisse Kennenlernen wichtiger persönlicher Rituale und Gewohnheiten Ziellosen Energien eine Richtung zu geben und so den Menschen zu beruhigen Stadium III Hier ist der Zugang zum Menschen fast nur noch mittels IVA möglich; die Handlungskompetenz ist im Regelfall so stark eingeschränkt, daß selbst einfache Verrichtungen des Alltags nicht mehr möglich sind. Ergänzend hierzu tritt die sog. „Basale Stimulation“. Hierbei geht es v.a. darum, gezielt noch die Sinne zu reizen, denn hierüber ist der Mensch in diesem Stadium durchaus noch erreichbar. Also z.B.: - Sanfte Musik hören, die idealerweise auch einen hohen Anteil an sich wiederholenden Rhythmen hat Speisen zubereiten, die viel + guten Duft verbreiten Tees / Säfte mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen anbieten In die Natur gehen, an Blumen riechen lassen, die Düfte verbreiten Duftkerzen oder Duftöle verwenden ( im Pflegeheim problematisch.. ) Lichtreize / Farben verwenden Daneben gilt: - Berührung schafft Nähe Vertrauen schaffen und auch vermeintlich Sinnloses zulassen Stadium IV Der Mensch kann kaum noch erreicht werden; er liegt / sitzt oft teilnahmslos, als ob er hinter einer Wand steht. Auch starke Reize bringen häufig kaum noch Anzeichen einer Regung. In dieser Zeit gilt: - 11 HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 - 11 - Urvertrauen schaffen + erhalten ( fast wie im Mutterleib ) Zuwendung und Nähe in Form von sanftem Streicheln, Hand auflegen / Hand halten ( je nach Beziehung ) Grundbedürfnisse befriedigen ( so gut als möglich ) Brücken bauen / noch vorhandene Ängste nehmen Ehemalige Bezugspersonen wenn mgl. kommen lassen Dem Menschen helfen, Frieden zu machen mit sich und seiner Welt; ihn unterstützen; ihn „gehen lassen“ Daneben gibt es noch folgende Ansätze: a) 10 min. Aktivierung Diese Methode soll es Menschen erleichtern, sich an Begebenheiten aus ihrer „gesunden“ Zeit zu erinnern, um dadurch Wohlbefinden zu schaffen. Wichtigste Ansatzpunkte sind hierbei frühere Interessen und Hobbies und alle Dinge, die zu deren Ausübung gehörten, also z.B. Briefmarken, Pinzette, Alben, Kataloge, Länder etc. b) Basale Stimulation / SET Die Sinnesstimulierungs- und Entspannungstherapie (=SET) fusst auf der sog. Basalen Stimulation. Bei beiden wird gezielt versucht, den Menschen über seine Sinne ( z.B. durch Licht, Musik, Geräusche, Düfte, Geschmack ) anzuregen. Für die Dauer der therapeutischen Einheit soll der Mensch von anderen, störenden Einflüssen ferngehalten werden, damit er sich ganz auf seine Sinne und die damit verbundenen Sinneswahrnehmungen konzentrieren kann c) Erinnerungspflege Die Erinnerungspflege gründet ganz stark auf der Biografie des einzelnen Menschen. Dem zunehmenden Verlust der Persönlichkeit, der Erinnerungen und letztlich der Identität soll mit gezielten Aktivitäten punktuell entgegengewirkt werden, die dazu geeignet sind, Wohlbefinden in dem Menschen auszulösen. Dies können positive Erlebnisse aus Kindheit / Jugend / Karriere / Familie sein; aber auch Momente wie sie z.B. auf Fotos festgehalten sind wie Feiern, Uralube, Reisen, Vereinstätigkeiten etc.. Erinnerungspflege kann sowohl in der Gruppe als auch in Form einer Einzelaktivierung geschehen 8. Grundregeln der Kommunikation - Wertschätzend kommunizieren Blickkontakt aufnehmen Vertraute Gesten nutzen ( z.B. Hand entgegen strecken zum Gruß ) Körperkontakt aufnehmen ( wenn geduldet; z.B. Hand auf die Schulter legen Den Menschen leicht anlächeln – dies entkrampft und hilft dem Demenzkranken seine grundsätzliche Angst zu überwinden Frontal ansprechen ( wenn nicht Schwerhörigkeit o.ä. vorliegt ) Klar moduliert sprechen HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413 - Freundlich im verbalen Ausdruck und entspannt in der Körperhaltung bleiben Hektische Bewegungen und Angst einflössende Gesten vermeiden ( also nicht den Finger heben, sich vor jemandem aufbauen etc. ) Nicht die Stimme erheben – in emotional gleichmässiger und stabiler Lage sprechen Sich immer nur auf die Person konzentrieren, mit der ich gerade spreche Bei Demenzkranken mit Bewegungsdrang die Bewegung „aufnehmen“, sich anpassen und ggf. mit dem Menschen Seite an Seite / Arm in Arm laufen, um so Kommunikationsbereitschaft zu erreichen Für alle Zeiten und Phasen gilt: a) Versuchen, soweit als möglich die Biographie zu kennen; je besser man den Weg eines Menschen kennt und je mehr man über seine Wertvorstellungen weiß, desto besser kann man ihn begleiten. b) Versuchen, nie zuviel von einem dementen Menschen zu fordern und sich dabei von seinen eigenen Wünschen + Hoffnungen frei machen c) Ihm auch in geistig / seelisch / religiösen Belangen die Hilfen geben, die er sich von Ihnen wünscht und die er Ihnen ggf. signalisiert c) Ihm angstfrei und unvoreingenommen begegnen, denn nur so kann es gelingen, ihm die Ängste zu nehmen, von denen er beherrscht wird d) Lachen Sie mit ihm, aber weinen sie auch mit ihm, denn: Man vergisst viele, mit denen man gelacht hat, aber nie jemanden, mit dem man geweint hat e) Auf sich selbst als Pflegeperson achten und reflektieren. Geben ist gut, geben ist schön, doch man muß sich in Acht nehmen, nicht selbst in die Überforderung zu geraten Demenz Ist Am Ende eines Lebenslaufs In der Gegenwart zu kämpfen Jetzt bewältigen Was man früher nicht bewältigt hatte Jetzt herausweinen Worüber man früher nicht geweint hatte Jetzt aussprechen Worüber man früher nicht gesprochen hatte Ein großes Psychodrama Mit Dir als Hauptperson ( Frans Meulmeesters ) HandreichungzumUmgangmitdementenMenschen.doc/cf/Vers3 0413