Dipl. Ing. agr Gerd Ostermann Agrarreferent NABU Rheinland-Pfalz ___________________________________________________ Umweltdienstleister – wie können ökologische Leistungen der Landwirtschaft entlohnt werden? Europäische Agrarpolitik und deren Folgen „Es ist nicht zu erwarten, dass wachsende Teile der Gesellschaft dauerhaft bereit sein werden, Gelder an die Landwirtschaft ohne für sie erkennbare Gegenleistungen zu zahlen. Deshalb müssen die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft besser honoriert werden. Dies ist langfristig die einzige Maßnahme, mit der ein Finanztransfers in die Landwirtschaft weiterhin begründet werden kann.“ Zitat aus der Position der Bundesregierung zur Zwischenbewertung der Agenda 2000 (Mid-Term-Review) vom 27. Februar 2002 Nach Auffassung des NABU ist ein Politikwechsel im Bereich der Landwirtschaft seit langem überfällig. So verursacht die EU-Agrarpolitik Kosten in Höhe von jährlich etwa 45 Mrd. €, ohne dabei die gesellschaftlichen Zielvorstellungen einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Landbewirtschaftung zu erfüllen. Die Gemeinsame 1 Agrarpolitik der Europäischen Union ist dafür verantwortlich, dass die Subventionen innerhalb der Landwirtschaft ungerecht verteilt sind und im Minutentakt landwirtschaftliche Betriebe aufgeben. Aus der Sicht des Umwelt- und Naturschutzes ergibt sich der Handlungsbedarf vor allem, weil die auf Höchsterträge ausgerichtete Landwirtschaft in Europa mittlerweile eine der Hauptursachen des Rückgangs der biologischen Vielfalt ist und weil sie auf verschiedene Weise zur Belastung von Boden, Wasser und Luft beiträgt. Intensiv genutzte Agrarflächen fallen als Lebensraum für die meisten bedrohten Tier- und Pflanzenarten aus. Gleichzeitig wird die Fortsetzung der Nutzung eher extensiv genutzter, naturschützerisch wertvoller Flächen ökonomisch immer uninteressanter. Aus Naturschutzsicht ist somit sowohl die Intensivierung der Agrarproduktion als auch die Aufgabe extensiver Nutzungsformen als Problem zu sehen. Die 2. Säule der EU-Agrarpolitik und deren Bedeutung für Rheinland-Pfalz Im Rahmen der Agenda 2000 wurde die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 verabschiedet. Sie ist die entscheidende Rechtsgrundlage für das, was in der politischen Diskussion als zweite Säule der Agrarpolitik bekannt wurde. Hier wurden alle landwirtschaftsnahen strukturpolitischen Maßnahmen für den ländlichen Raum zusammengefasst. Der NABU hat die Agenda 2000 u.a. wegen dieser Verordnung als einen "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet. Etwa 39 Mrd. € (90 %) fließen in der EU jährlich in die sog. „1. Säule“ der gemeinsamem Agrarpolitik (Marktinterventionen, Exportsubventionen, Flächen- und Tierprämien). Nur ca. 4,5 Mrd. € 2 (10 %) fließt in die Entwicklung des ländlichen Raumes – die sog. „2. Säule“. Dabei können die Länder die Gestaltungsspielräume der Verordnung nutzen und Schwerpunkte setzen. Spitzenreiter in Europa sind dabei Österreich und die Bundesländer Bayern und BadenWürttemberg. Mit der "Zukunftsinitiative für den ländlichen Raum" (ZIL) hat das Land Rheinland-Pfalz ein in sich geschlossenes Programm zur Umsetzung der Verordnung vorgelegt. Ein Bestandteil des Programmes sind die Agrarumweltprogramme (in Rheinland-Pfalz das „Förderprogramm Umweltschonende Landwirtschaft – FUL). Sie machen in Rheinland-Pfalz inklusive der Landesmittel etwa 21,5 % der Mittel für den ländlichen Raum aus. Damit ist das Bundesland zusammen mit Schleswig-Holstein (15 %) Schlusslicht in Deutschland (Bundesdurchschnitt 35 %). Weitere Förderschwerpunkte sind Aufforstung und forstliche Maßnahmen, Flurbereinigung, Wegebau und wasserwirtschaftliche Maßnahmen, betriebliche Investitionen, Dorferneuerung und Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete. Anstehende Reform der Agrarpolitik (Mid-term review, Agenda 2007) Gravierende Verschiebungen sind bei den anstehenden Reformen zu erwarten. Dabei ist insbesondere ein Abbau der Förderung aus der 1. Säule (produktionsbezogene Beihilfen) zugunsten der Förderung des ländlichen Raumes (2. Säule) zu erwarten und zwar v.a. aus drei Gründen: - Osterweiterung der EU macht die derzeitige Agrarpolitik unbezahlbar 3 - WTO-Verhandlungen erzwingen einen Abbau der Subventionen - Fehlende Akzeptanz bei Bürgern und Politik für leistungsfreie Zahlungen. ... eine Perspektive für Rheinland-Pfalz und die landwirtschaftlich geprägten Mittelgebirgsregionen Für Rheinland-Pfalz bedeutet die Agrarwende und die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik eine neue Chance. Denn statt Massenprodukte zu erzeugen, liegt die Stärke der hiesigen Landwirtschaft und des Weinbaus in der Erzeugung von Qualitätsprodukten und deren Verknüpfung mit alternativen Einkommensquellen, z.B. im Bereich der Direktvermarktung oder dem Tourismus. Der Ökolandbau sowie die Landschaftspflege und der Vertragsnaturschutz sind weitere Einkommensquellen, die eine neue Perspektive schaffen und gleichzeitig zur Schonung von Umwelt und Natur beitragen. Die Frage dabei ist, ob die Landesregierung diese Chance ebenfalls sieht und im Rahmen ihrer Möglichkeiten entsprechend handelt. Was können Umweltdienstleistungen sein? Dass die Agrarumweltmaßnahmen dazu beitragen sollen, eine umweltverträgliche Landbewirtschaftung zu fördern, liegt auf der Hand. Aber auch mit Investitionsbeihilfen (z.B. Installation einer Solaranlage zur Energieeinsparung, Umstellung auf Festmistverfahren in der Tierhaltung), mit Fördermaßnahmen zur beruflichen Weiterbildung (z.B. Einführung in die Landschafts- und Biotoppflege) oder mit der 4 Unterstützung der Verarbeitung und Vermarktung (z.B. von ökologisch oder regional erzeugten Produkten) läßt sich eine naturverträglichere Landwirtschaft aktiv begleiten. Wichtig sind in dem Zusammenhang auch die Ausbildung und Weiterqualifizierung von Landwirten auf dem Gebiet des Arten- und Biotopschutzes, des Ressourcenschutzes, des Grünlandschutzes, den Anforderungen der Gesellschaft an eine multifunktionale Landwirtschaft und die Ausweitung der Einkommensmöglichkeiten (Energiewirt, Tourismus, Vermarktung, Landschaftspflege, Kommunalarbeiten etc.) Grundlage der Bewertung ist die Erkenntnis, das Umweltdienstleistungen produzierte „Güter“ der Landwirtschaft sind – ähnlich wie Getreide, Milch und Fleisch. Vorteile der Landwirtschaft bei den Umweltdienstleistungen liegen in der Nachhaltigkeit von Verfahren durch Integration in Produktions- und Nährstoffkreisläufe. Bei der Erfassung der Umweltdienstleistungen durch die Landwirtschaft ergeben sich folgende Fragen: - Was gehört zur „guten fachlichen Praxis“ der Landwirtschaft und muß nicht zusätzlich honoriert werden? - Was sind zu honorierende ökologische Leistungen? - Wie sieht es mit Ausgleichszulagen für Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkungen (z.B. FFH-Gebiete) aus? 5 Welche Rolle spielen sie für eine nachhaltige Entwicklung von Regionen? Durch Änderungen in den agrarpolitischen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit und die Entwicklung auf den Märkten landwirtschaftlicher Produkte ist gebietsweise ein spürbarer Rückzug der Landwirtschaft aus den sogenannten „Grenzertragsregionen“ zu beobachten. Dies trifft vor allem Regionen, die hinsichtlich des Landschaftsbildes und der Artenausstattung besonders vielfältig sind und neben der Nahrungsmittelproduktion weitere wichtige Funktionen für die angrenzenden Ballungsräume leisten (z.B. Trinkwasserversorgung und Erholung). Die Eifel steht als typische Mittelgebirgsregion in Deutschland hier am Scheideweg über die Ausgestaltung des ländlichen Raumes in der Zukunft: Erhalt und Weiterentwicklung historisch gewachsener Kulturlandschaft mit hohem Naturschutz- und Erholungspotenzial mit der Landwirtschaft oder Rückzug der Landwirtschaft aus großen Teilen der Region mit Aufforstung und Nutzungsaufgabe als Folge bzw. Nutzungsintensivierung auf günstigeren Standorten. Die Verteilung von Wald- und Offenlandanteilen in der Region - mit örtlichen Schwerpunkten- ergibt eine abwechslungs- und strukturreiche Landschaft mit hohem Natur- und Erlebnispotenzial. Sie stellt eine Grundlage für die Attraktivität und Spitzenposition als Tourismusregion dar. Die Wende in der Agrarpolitik und die Erkenntnis der multifunktionalen Bedeutung der Landwirtschaft machen deutlich, dass Landnutzung mehr 6 bedeutet als die preiswerte Produktion von Lebensmitteln. Regionen wie die Eifel, in denen der landwirtschaftliche Strukturwandel und die Intensivierung der Landnutzung erst verspätet Einzug gehalten haben, sind heute hervorragend positioniert für die sogenannte „zweite Säule“ der gemeinsamen Agrarpolitik: Die bisherige „Ungunstlage“ wird zum „Standortvorteil“. Neben der Menge an Produkten sind deren Qualität und die Art der Produktion ausschlaggebende Faktoren. Gesellschaftlich geforderte Dienstleistungen zur Erhaltung der Arten- und Biotopvielfalt und des Landschaftsbildes sind nicht mehr lästige produktionshemmende Faktoren, sondern honorierte Leistungen der Landwirte, die im gesamtgesellschaftlichen Kontext stehen. Wie können solche Leistungen finanziert werden? Aufstockung der Mittel aus der 2. Säule der EU-Agrarpolitik zu Lasten der produktionsbezogenen Beihilfen. Reform der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) des Bundes zu einer „Gemeinschaftsaufgabe zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums“. Streichung von kontraproduktiven oder sektoralen Förderungen (z.B. Silomaisprämie, Beregnung). Programme der Länder für den ländlichen Raum müssen stärker auf den Umwelt- und Naturschutz ausgerichtet werden. Reform der Agrarumweltprogramme der Länder durch Streichung von Programmteilen, die der guten fachlichen Praxis entsprechen. Orientierung der Förderung an den Vollkosten und der ökologischen Effizienz. 7 Förderung regionaler Ansätze (z.B. Modellregionen, Kulturlandschaftsprogramme der Kreise). Die Sicherung landwirtschaftlicher Einkommen wird u.a. bewerkstelligt durch faire Preise (Qualitätsprodukte, ökologischer Landbau, Direktvermarktung), Investitionsbeihilfen (z.B. tiergerechte Stallhaltungssysteme, Dünge- und Ausbringungstechnik, Balkenmäher, Festmist, Biogasanlagen) und die Honorierung erbrachter ökologischer Leistungen. Modelle zur Honorierung ökologischer Leistungen Es werden das Förderprogramm „Ländlicher Raum“ in NRW und das MEKA-Programm (Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich) in Baden-Württemberg sowie deren Reform („Öko-MEKA“) dargestellt. Resümee Landwirtschaft erstellt nicht nur Nahrungsmittel, sondern erhält auch Kulturlandschaften, „produziert“ Artenvielfalt und schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Ökologische Leistungen sind honorierte „Produkte“ der Landwirtschaft. Agrarumweltmaßnahmen und andere Instrumente für eine nachhaltige ländliche Entwicklung dürfen keine Marginalie der Agrarpolitik bleiben, sondern müssen zu ihrem Kernstück ausgebaut werden. Die politischen und ökonomischen Weichenstellungen dazu erfolgen auf verschiedenen Ebenen: 8 Region (z.B. Modellregionen, LEADER +), Länder (z.B. ZIL, FUL), Bund (z.B. GAK), EU (GAP, Agenda 2000/2007) und Weltmarkt (WTO) Mittelgebirgsregionen wie die Eifel stehen vor Weichenstellung und sind gut positioniert für neue Agrarpolitik Lit.: BRONNER, G., R. OPPERMANN und S. RÖSLER (1997): Umweltleistungen als Grundlage der landwirtschaftlichen Förderung. In: Naturschutz und Landschaftsplanung. Heft 12/97, S. 357-365. BUNDESREGIERUNG (2002): Position der Bundesregierung zur Zwischenbewertung der Agenda 2000 (Mid-Term-Review). Berlin. DEUTSCHER RAT FÜR LANDESPFLEGE (2000): Honorierung von Leistungen der Landwirtschaft für Naturschutz und Landschaftspflege. Ergebnisse eines Symposiums vom 9. bis 10. November 1998 in Bonn. Heft 71 Schriftenreihe des Deutschen Rates für Landespflege. INSTITUT FÜR LANDSCHAFTSÖKOLOGIE UND NATURSCHUTZ (2002): Naturschutz, Landwirtschaft und Agrarumweltprogramme. Projektstudie im Auftrag der Stiftung Europäisches Naturerbe – EURONATUR, Rheinbach. ISERMEYER, F. (2001): Die Agrarwende – was kann die Politik tun ? Arbeitsbericht 2/2001 des Instituts für Betriebswirtschaft, Agrarstruktur und ländliche Räume, FAL Braunschweig. MUNLV (2001): Das NRW-Programm Ländlicher Raum. Düsseldorf. MWVLW & MUF (2000): ZIL – Zukunftsinitiative für den ländlichen Raum. Mainz. NABU (1998): Agrarumweltprogramme in Deutschland. Positionspapier. NABUBundesgeschäftsstelle Bonn. NABU (2002): Anforderungen des NABU an eine neue Verbraucher- und Agrarpolitik der Bundesregierung. NABU-Bundesgeschäftsstelle Bonn. OSTERBURG, B. und NIEBERG, H. (2001): Agrarumweltprogramme - Konzepte, Entwicklungen, künftige Ausgestaltung. Tagungsband der FAL-Tagung am 27.28. November 2000. Sonderheft 231. ISBN 3-933140-48. 9 WEINS, C. (2000): Honorierung von Leistungen der Landwirtschaft für Naturschutz und Landschaftspflege – Stand und Perspektiven aus der Sicht des NABU. In: Schriftenreihe des Deutschen Rates für Landespflege (Hrsg.). Heft 71, S. 8589. ISSN 0930-5165. WEINS, C. (2001): Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 in Rheinland-Pfalz – Chancen, Defizite und Forderungen aus der Sicht des Naturschutzes. Stellungnahme des NABU Rheinland-Pfalz, Mainz. 10