Tempelkonstruktion der Europäischen Union Warum Tempelstruktur? → Der Text des derzeit in Geltung befindlichen EU-Vertrags ist eine schwierig nachzuvollziehende Zusammenstellung mehrerer Bestandteile unterschiedlich rechtlicher Natur. Zum besseren Verständnis werden diese Bestandteile mit einem Tempel, der aus 3 Säulen besteht verglichen. 1. Pfeiler: Europäische Gemeinschaft 2. Pfeiler: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) 3. Pfeiler: polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen → alle Pfeiler der gegenwärtigen Union haben die Gemeinsamkeit des „einheitlichen institutionellen Rahmens (Art. 3 EUV), sie bedienen sich also der Institutionen, die sich im Laufe der Integrationsentwicklung im Rahmen der Gemeinschaften herausgebildet haben → wesentliche Elemente des Unionsvertrages (Amsterdam) sind: - Gemeinsame Bestimmungen - Bestimmungen zur Änderung der Gemeinschaftsverträge - Bestimmungen über die GASP - Bestimmungen über die PJZ - Bestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit - Schlussbestimmungen - Erklärungen und Protokolle (!!! Protokoll über die Erweiterung der EU und Erklärung über die Zukunft der EU!!!) die Gemeinsamen Bestimmungen stellen das „Dach“ dar, in welchen Aufgaben-, Zielund Prinzipienkatalog der EU zu finden sind von besonderem Gewicht ist der Verweis auf die Grundsätze der Demokratie, der Freiheit, der Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten sowie Rechtstaatlichkeit auf denen die EU beruht gemeinsames Organ der 3 Säulen ist der Europäische Rat 1. Säule: EG stellt die Grundlage der Union dar, deren Recht das Kernstück des Europarechts im engeren Sinn darstellt sie hat supranationalen Charakter, bildet eine eigene Rechtsgemeinschaft aus und ihre Organe setzten für die Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht (Europarecht gilt über nationalem Recht) → Verordnungen gelten unmittelbar und sind verbindlich Unabhängigkeit ihrer Organe (Ministerrat, Europäische Kommission, EuGH, EP) und Möglichkeit zur Mehrheitsentscheidung - Kernbereiche sind der Binnenmarkt und weitere Politikfelder wie die Wirtschafts- und Währungsunion, Agrarpolitik, Handelspolitik, Sozial- und Beschäftigungspolitik, Bildung und Kultur - Kann sich zwar mit allen Themen der öffentlichen Politik befassen, verfügt jedoch nicht über generelle Allzuständigkeit; Grad der Kompetenzzuordnung ist unterschiedlich geregelt - Charakteristisch ist „Gemeinschaftsmethode“, idealtypisch für Entscheidungsfindung 1.1 Agrarpolitik: einer der ältesten und, gemessen an den Kosten, einer wichtigsten Politikbereiche der EU im EU-Haushalt 2005 waren mit 51 Milliarden Euro 46 Prozent der gesamten Haushaltsmittel für die GAP vorgesehen gilt als gemeinsame Agrarpolitik (GAP) traditionelle Ziele der GAP: - Versorgungssicherheit für die Bevölkerung zu angemessenen Preisen - Erhöhung der Produktivität der Landwirtschaft - Gewährleistung eines angemessenen, landwirtschaftlichen Einkommens - Sicherung von Entwicklung und Beschäftigung in ländlichen Gebieten GAP unterliegt allerdings ständigem Reformdruck, der alle Dimensionen der Nachhaltigkeit betrifft Marktordnungen haben mit ihren Preisgarantien zeitweilig zu hohen Überschussproduktionen auf Kosten der Steuerzahler geführt Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kein angemessenes Einkommen für kleine und mittlere Betriebe gewährleistet Soziale Ungerechtigkeit: Landwirte, die Spitzenbetriebe bewirtschaften (4%) erhalten ca. 40 % der Subventionen während kleine Bauern, die ums Überleben kämpfen leer ausgehen … noch einiges mehr, aber aufgrund der Zeit nur ein paar Beispiele 2. Säule: GASP Intergouvernemental; Ist nicht vergemeinschaftet → Entscheidungen bleiben bei den Mitgliedsstaaten beruht auf einer zwischenstaatlichen Kooperation der Mitgliedstaaten, die konsensorientiert ist - als Leitliniengeber und Beschlussinstanz für gemeinsame Strategien in der GASP fungiert der Europäische Rat - Rat kann also Entscheidungen zur Festlegung und Durchführung der GASP treffen - Rat der Minister setzt die Grundsätze der GASP nach Vorgabe des europäischen Rates um - In internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen koordinieren die Mitgliedstaaten ihr Handeln - Bei gemeinsamen Aktionen gelten die Entscheidungsregeln der qualifizierten Mehrheit - Bei wichtigen Gründen der nationalen Politik besteht ein Veto-Recht jedes Mitgliedsstaates gegen Mehrheitsabstimmungen Ziele der GASP: Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen und der Unabhängigkeit der Union Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedsstaaten in allen ihren Formen Wahrung des Friedens und Stärkung der internationalen Sicherheit auf Basis der UNCharta, der Akte von Helsinki und der Charta von Paris Förderung der internationalen Zusammenarbeit Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit sowie Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten Kritikpunkte: Schwache Stellung des Europäischen Parlaments in der Außenpolitik Fehlende Möglichkeit, rechtliche Fragen durch den EuGH prüfen zu lassen 3. Säule: Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Innenpolitik (ZBJI) Widmet sich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen Ebenfalls nicht supranational, sondern intergouvernemental Ziele sind: - Verhütung und Bekämpfung der – organisierten oder nichtorganisierten – Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, des Menschenhandels und der Straftaten gegenüber Kindern, des illegalen Drogen- und Waffenhandels, der Bestechung und Bestechlichkeit sowie des Betrugs - Eine engere Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll- und anderer zuständiger Behörden in den Mitgliedsstaaten, sowohl unmittelbar als auch unter Einschaltung des Europäischen Polizeiamtes (gemeinsame europäische Polizei) → Europol: Ziel ist, die Effektivität der mitgliedstaatlichen Kriminalämter zu verbessern und ihre Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung schwerwiegender internationaler Kriminalität zu fördern - engere Zusammenarbeit der Justizbehörden sowie anderer zuständiger Behörden der Mitgliedstaaten, auch unter Einschaltung der Europäischen Stelle für justizielle Zusammenarbeit - Eurojust → Eurojust: Aufgabe ist die Koordinierung der Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden unterschiedlicher Mitgliedstaaten der Union zu fördern, die Zusammenarbeit der Rechtshilfe zu verbessern sowie Unterstützung nationaler Behörden bei grenzüberschreitenden Strafverfolgungsmaßnahmen Entscheidungsverfahren In der ersten Säule gibt es Bereiche, die laut EG-Vertrag in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen (Agrarpolitik, Handelspolitik, Währungsunion). In den anderen Bereichen der ersten Säule sowie in der kompletten 2. und 3. Säule zählt das Prinzip der Subsidiarität. besagt, dass in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, die Gemeinschaft nur tätig wird, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ Gemeinschaftsmethode Mitgliedsregierungen unterstützen die Gemeinschaft Regierungen erkennen die Kommission als legitimen Verhandlungspartner und Sprecher ihrer kollektiven Interessen an Verhandlungen im Sinne lösungsorientierter Verhandlungen Alle Regierungen gehen auf Bedürfnisse und Interessen der anderen ein Regierungen und Kommission sind kompromissbereit Findung eines Konsens in allen strittigen Fragen und Verhandlungen so lange bis Übereinkommen erreicht