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Sozialpsychologie II
- Kleingruppenforschung I.
1.
2.
3.
4.
5.
II.
1.
2.
3.
4.
5.
III.
1.
2.
3.
4.
IV.
1.
2.
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4.
5.
V.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Interpersonale Attraktion (Sympathie)
DAS KONSTRUKT INTERPERSONALE ATTRAKTION
ATTRAKTIONSFÖRDERNDE VARIABLEN
VIER VORAUSSETZUNGEN FÜR SYMPATHIE
ERKLÄRUNGEN FÜR ENTSTEHUNG VON SYMPATHIE
AUSSEHEN
Kommunikation
WAS IST KOMMUNIKATION?
VIER KOMMUNIKATIONSMODELLE
NONVERBALE KOMMUNIKATION
INTERAKTIONS-PROZESS-ANALYSE
KOMMUNIKATIONSNETZWERKE
Gruppen
MERKMALE VON GRUPPEN
ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN UND FUNKTIONEN VON GRUPPEN
BEZUGSGRUPPEN
SOZIOMETRISCHE STRUKTUR VON GRUPPEN
Soziale Macht / Einfluss, Status
SOZIALE MACHT UND IHRE AUSWIRKUNGEN
MACHTQUELLEN UND STRATEGIEN DER MACHTAUSÜBUNG
VERÄNDERUNG VON MACHTRELATIONEN (EMERSONSCHE MACHTTHEORIE)
SOZIALE AUSTAUSCHTHEORIE NACH THIBAUT UND KELLEY
STATUS
Führung
FORSCHUNGSANSÄTZE
VERHALTENSERWARTUNGEN AN TRÄGER EINER LEITERROLLE
ROLLENDIFFERENZIERUNG IN GRUPPEN
STABILITÄT VON FÜHRERROLLEN UND KONFORMITÄT DES LEITERS
FÜHRUNGSSTIL
LPC-MODELL VON FIEDLER
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
VI.
1.
2.
3.
4.
5.
Soziale Normen und Rollen
BEGRIFFSKLÄRUNGEN
FUNKTIONEN SOZIALER NORMEN
SOZIALE ROLLEN
ROLLENKATEGORIEN UND ROLLENKONFLIKTE
ROLLENLERNEN
VII.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Konformität
ZUM BEGRIFF DER KONFORMITÄT
TECHNIKEN SOZIALER EINFLUSSNAHME
KONFORMITÄTSKONTINUUM
PROZESSE DER SOZIALEN ANSTECKUNG
NONKONFORMITÄT
EINFLUSS VON MINORITÄTEN
VIII. Autoritätsgehorsam
1.
2.
3.
4.
5.
6.
IX.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
X.
1.
2.
3.
4.
5.
XI.
DAS MILGRAM-EXPERIMENT
WEITERE EXPERIMENTE ZUM MILGRAM-PARADIGMA
GROUPTHINK (JANIS)
KOLLEKTIVDENKEN: BEDINGUNGEN, CHARAKTER UND SYMPTOME
MÄNGEL DES ENTSCHEIDUNGSPROZESSES BEI KOLLEKTIVDENKEN
MASSNAHMEN GEGEN KOLLEKTIVDENKEN (JANIS)
Aggression
WAS IST AGGRESSION?
AGGRESSIONSTHEORIEN
GEWALTDARSTELLUNG IN MEDIEN
INDIVIDUELLE FAKTOREN BEI AGGRESSION
SOZIALE KONSTRUKTION VON GEWALT UND KOLLEKTIVE GEWALT
WIE KANN MAN AGGRESSIONSBEREITSCHAFT VERMINDERN?
Einzelleistung und Gruppenleistung
TYPEN VON GRUPPENLEISTUNGEN
MODELLVORSTELLUNGEN FÜR GRUPPENLEISTUNGEN
SOZIALE LEISTUNGSAKTIVIERUNG
ERKLÄRUNGEN FÜR ERREGUNG IN ANWESENHEIT ANDERER
ANSTRENGUNGSVERMINDERUNG (SOZIALE FAULHEIT)
Soziale Konflikte
1. ARTEN SOZIALER KONFLIKTE
2. EXPERIMENTELLE SPIELE
2
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
3. PD-SPIEL
4. EINFLUSSVARIABLEN ZUR KOOPERATIONSBEREITSCHAFT
5. LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN SOZIALER DILEMMATA
XII.
1.
2.
3.
4.
5.
Soziale Motivation
WAS IST HILFEVERHALTEN?
BEREITSCHAFT ZUR INTERVENTION BEI «NOTFÄLLEN»
EINFLUSSFAKTOREN FÜR HILFEHANDELN
THEORIEN ALTRUISTISCHEN VERHALTENS
GESELLUNGSSTREBEN (AFFILIATION)
Literatur:
ARONSON, E. (1994): Sozialpsychologie
HERKNER, W. (1991): Sozialpsychologie
MYERS, D. G. (1999): Social Psychology
I.
Interpersonale Attraktion (Sympathie)
1. DAS KONSTRUKT INTERPERSONALE ATTRAKTION
beinhaltet:
 Verhaltensdispositionen (Einstellung, Gefühle gegenüber anderen etc.)
 tatsächliche Verhaltensweisen (Zuwendungsreaktionen, z. B. Blickkontakt; manifeste
Wahlen, z. B. Einladungen)
 bestehende Sozialbeziehungen (z. B. Ehe)
 externe Merkmale (z. B. Aussehen, sozialer Status)
2. ATTRAKTIONSFÖRDERNDE VARIABLEN
a) räumliche Erreichbarkeit
b) soziale Erreichbarkeit (gemeinsame Herkunft, Religion, Alter, ...)
c) körperliches Aussehen (Schönheit)
3. VIER VORAUSSETZUNGEN FÜR SYMPATHIE
a) Räumliche Nähe
 Untersuchung von FESTINGER: Wie entwickeln sich Freundschaften in einem
Studentenwohnheim?
 je größer die räumliche Nähe, desto höher die Wahrscheinlichkeit
(vgl. auch MYERS, S. 429)
b) Kompetenz
 als kompetent eingeschätzte Personen erscheinen i. a. attraktiver
 ARONSON, WILLERMAN & FLOYD (1966):
 Vpn. wurde Tonbandaufzeichnung von 4 Personen vorgespielt:
(A) nahezu vollkommene Person
(B) nahezu vollkommene Person, der ein Missgeschick passiert
3
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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(C) durchschnittliche Person
(D) durchschnittliche Person, der ein Missgeschick passiert
 Sympathiebeurteilungen: B > A > C > D  «Missgeschickeffekt»
 DEAUX (1972): Effekt am stärksten bei Männern  Konkurrenzdruck?
 ARONSON, HELMREICH & LEFAN (1970): Männer mit mittlerem Selbstwertgefühl
bevorzugen B, Männer mit geringem SWG (kein Konkurrenzdruck) A
(vgl. ARONSON, S. 360 f.)
c) Gelegenheit zur Interaktion
 MONGE & KIRSTE (?) (1980): Studien in Betrieben
 häufigere Unterhaltung mit Menschen, die man häufiger trifft  Gelegenheit,
gemeinsame Einstellungen kennenzulernen
(vgl. auch MYERS, S. 430)
d) Antizipation von Interaktion
 DARLEY & BERSCHEID (1967):
 Vpn. wurden uneindeutige Informationen über 2 verschiedene Frauen gegeben, von
denen mit einer ein persönliches Gespräch erwartet wurde  letztere sympathischer
eingeschätzt
(vgl. MYERS, S. 430)
e) Vertrautheit, Häufigkeit der Darbietung
 ZAJONC (1968, 1970): ließ angebliche türkische Wörter danach einschätzen, wie positiv
ihre Bedeutung sei
 am häufigsten dargebotene sympathischer eingeschätzt
 zahlreiche Belege dafür aus ähnlichen Experimenten (vgl. MYERS, S. 431 ff.)
 aber:
 bei unaufhörlicher Wiederholung ohne Unterbrechung durch andere Reize
gegenteiliger Effekt
 ebenso, wenn Reiz ursprünglich negativ statt neutral besetzt war
4. ERKLÄRUNGEN FÜR ENTSTEHUNG VON SYMPATHIE
4.1. ÄHNLICHKEIT DER EINSTELLUNGEN
 bei Freunden und Partnern Ähnlichkeit der Einstellung r = .20 bis .30
 Feldstudie von NEWCOMB (1961) in einem Studentenwohnheim  nach 13 Wochen des
Zusammenlebens war die Wahrscheinlichkeit von Freundschaften am höchsten bei
ähnlichen Einstellungen (MYERS, S. 443)
 BYRNE & NELSON (1965):
 Sympathieeinschätzungen von fiktiven Personen  um so positiver, je größer die
(manipulierte) Übereinstimmung der Einstellungen
 Wechselbeziehung Ähnlichkeit/Vertrautheit – Sympathie  jemand ist sympathisch, weil
ähnlich, dadurch wird er noch sympathischer, also noch ähnlicher etc.
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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Vertrautheit
wahrgenommene Vertrautheit
Sympathie
Ähnlichkeit
wahrgenommene Ähnlichkeit
Erklärungsansätze:
a) balancetheoretisch (HEIDER, NEWCOMB)
ähnliche Einstellung
A
B
+

+
X
Sympathie
A
+
B
+
+
X
b) Bestätigung durch Übereinstimmung
???
c) Antizipation von Sympathie
 andere Person sympathisch, wenn man glaubt, sie würde einen selbst mögen
d) soziale Austauschtheorie
 Ähnlichkeit in Einstellung bedeutet hohe Belohnungen bei gleichzeitig geringen Kosten
für die Interaktionspartner
e) dissonanztheoretisch
 Einstellung ändern, um Dissonanzen zwischen Bewertung der Person und deren
Einstellung zu vermeiden
f) lerntheoretisch (assoziationistisch)
 Behauptung von BERSCHEID & WALSTER (1978): andere Person sympathisch, wenn ihr
Verhalten belohnend ist und ihre Anwesenheit mit Belohnung assoziiert wird (auch wenn
diese Anwesenheit nur zufällig ist)
 GRIFFITT (1970): Vpn. treffen Fremde in angenehmer vs. unangenehmer Umgebung
 Urteil sympathischer, wenn angenehme Umgebung
 LEWICKI (1985):
 ließ zwei Bilder von Personen nach Freundlichkeit einschätzen  Ergebnis 50 : 50
 Vl. in folgendem versuch ähnelt einer der beiden Personen
 wenn Vl. freundlich
 diese Person sympathischer
 wenn Vl. unfreundlich
 unsympathischer
(vgl. MYERS, S. 450)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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4.2. UNÄHNLICHKEIT
 WINCH (1958): Komplementäre Bedürfnisse von Partnern (z. B. extra- + introvertiert) 
ergänzen sich („Gegensätze ziehen sich an.“)
 sagt nichts darüber aus, welche Bedürfnisse zueinander komplementär sind
 konnte empirisch kaum bestätigt werden
(vgl. Myers, S. 445)
5. AUSSEHEN
 die Rolle des Aussehens für Sympathie wird oft geleugnet
 aber: viele gegensätzliche Befunde
 WALSTER: Experiment
 nach einer Einführungswoche für Neustudierende sollte ein Tanzball veranstaltet
werden
 Studierende mussten angeben, nach welchen Kriterien sie ihren Tanzpartner
auswählen würden
 Ergebnis: nur eine Variable stellte sich als wichtig heraus: das Aussehen
 ANDERSON & BEM (1982): Frauen legen genauso viel Wert auf das Aussehen bei Männern
wie Männer bei Frauen (geben dies aber meist nicht zu)
 EAGLY et al. (1991): HALO-Effekt: attraktiv  intelligent, erfolgreich etc.
 Korrelationen zwischen Aussehen und erwünschten Charaktereigenschaften, denn
 attraktive Kinder werden besser behandelt  Rückkopplungseffekt: höheres
Selbstbewusstsein etc.
 Stereotype schon in früher Kindheit: gute Märchenfiguren sind immer schön
 Karen DION (1972): Experiment im Kindergarten
 Ergebnis: «Bart-Simpson-Effekt» (MYERS, S. 436): unscheinbare Kinder werden nicht
so warm und entgegenkommend behandelt wie attraktive
  self-fulfilling prophecies
 FRIEZE, OLSON & RUSSELL (1991): linearer Zusammenhang zwischen Jahresverdienst und
Attraktivität (bei Männern und Frauen)
Attraktivität und Gerichtsverhandlungen:
 EFRAN (1974): simulierte Gerichtsverhandlungen  je attraktiver, desto weniger häufig
schuldig gesprochen (vgl. MYERS, S. 613)
 bei Sexualdelikten: Täter für gefährlicher gehalten, wenn sie weniger attraktiv sind
 DOWNS & LYONS (1991): Untersuchung von Richtersprüchen in Texas
 ließen zuvor Polizeieskorten Attraktivität der Angeklagten einschätzen
 Ergebnis: linearer Zusammenhang: je attraktiver, desto niedriger Geldstrafe (!)
(vgl. MYERS, S. 614 f.)
 MACK & RAINEY (1990): wenn Bewerber / Prüflinge attraktiver  Qualifikation als höher
bewertet
(vgl. MYERS, S. 434 – 438)
Das Matching-Phänomen: (MYERS, S. 435 f.)
 Partner haben oft etwa gleiches Niveau an Attraktivität
 auch zwischen Hundehaltern und ihren Hunden
Die soziale Austauschtheorie:
 länger andauernde Sozialbeziehungen haben ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis für
beide Partner, da sie von gleicher Attraktivität sind
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 wenn ein Partner deutlich attraktiver: Status und Geld können kompensatorisch wirken
(MYERS, S. 435 f.)
Bedeutsamkeit biologischer Faktoren für die Wirkung körperlicher Attraktivität:
 LANGLOIS et al. (1987): bereits 2-3 Monate alte Säuglinge haben Präferenz für attraktive
Gesichter (längere looking-time)
(MYERS, S. 436)
Interindividuelle Schönheitsideale:
 LONGLOIS & ROGGMAN (1990): Kompositgesicher (zusammengesetzt aus vielen
verschiedenen Einzelgesichtern) gelten als attraktiver als der größte Teil der einzelnen
Gesichter, aus denen sie zusammengesetzt sind
 kulturvergleichende Studien: schönstes weibliches Gesicht in Asien und Europa fast
gleich, doch nicht männliches Durchschnittsgesicht [habe ich in dieser Form leider
nirgends gefunden...]
(MYERS, S. 438 f.)
«Soziobiologische» Schönheitsideale:
Frauen:
 Gesundheit, Fruchtbarkeit
Männer:
 Status, Einfluss, Stärke; Fleiß und Ehrgeiz
II.
 Reproduktionsfähigkeit garantiert
 Überleben der Familie garantiert
Kommunikation
1. WAS IST KOMMUNIKATION?
 Kommunikation ist der Austausch von Informationen mit Hilfe eines Zeichensystems (z.
B. Sprache, aber auch nonverbale Zeichensysteme). Sie stellt die wichtigste Form
menschlicher Interaktion dar.
 Auffassung von WATZLAWICK:
 jegliches Verhalten ist Kommunikation, also alle Wechselbeziehungen zwischen
Organismen
  Gleichsetzung von Kommunikation und Verhalten; jede Kommunikation
beeinflusst Verhalten
2. VIER KOMMUNIKATIONSMODELLE
a) Traditionelles Kommunikationsmodell nach SHANNON & WEAVER (1949)
Signal
Informationsquelle
Transmitter
Empfänger
 aus Nachrichtentechnik
Rauschquelle
Bestimmungsort
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Sender und Empfänger müssen nach den gleichen Kodierungsregeln (semantisch und
syntaktisch) vorgehen, um sich zu verstehen
b) Sprachmodell von K. BÜHLER
(modifizierte Fassung)
 3 Funktionen von Sprache:
 Ausdrucksfunktion
 Sender gibt Auskunft über momentane Befindlichkeit («Es ist so heiß hier...»)
 Darstellungsfunktion
 Sachverhalt wird dargestellt. («Die Temperatur ist 25 °C.»)
 Appellfunktion
 implizite Aufforderung an den Empfänger («Machen Sie doch mal das Fenster auf.»)
 alle drei Funktionen sind in jeder Mitteilung enthalten, wenn auch in unterschiedlichem
Maße
 Rückkopplungsschleife (Feedback): Sender achtet darauf, wie seine Mitteilung vom
Empfänger verstanden wurde
 Kommunikation ist immer vom jeweiligen Kontext abhängig, dessen sich Sender und
Empfänger bewusst sein müssen
 Kommunikationsprobleme könnten dadurch zustande kommen, dass beide sich in
unterschiedlichem Kontext bewegen...
c) Eine pragmatische Theorie der Kommunikation nach WATZLAWICK
5 Axiome:
 Man kann nicht nicht kommunizieren!
 Verhalten = Kommunikation (also auch Schweigen)
 Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
 knüpft an Bühler an
Inhaltsaspekt
Beziehungsaspekt
 Mitteilungen und Infos über einen
 drückt aus, wie der Sender eine bestimmte
Sachverhalt
Mitteilung verstanden wissen möchte
 wahre oder falsche, gültige oder ungültige  hier Missverständnisse möglich 
Infos
persönliche Stellungnahme des Senders
 entscheidbar oder unentscheidbar
nötig, wie er seine Mitteilung interpretiert
wissen möchte
 Interpretation des Empfängers abhängig von:
 Beziehung Sender – Empfänger
 Merkmalen der Stimme (Tonfall)
 nonverbalen Merkmalen (Mimik, Gestik)
 sozialem Kontext (Pragmatik etc.)
 In der Kommunikationsbeziehung zweier Partner nimmt jeder Partner seine
Interpunktion des Kommunikationsablaufs vor.
 Interpunktion = subjektive Ursachenzuschreibung
 Strukturierung des Kommunikationsprozesses: jede Äußerung eines Partners führt
zu einer Gegenäußerung des anderen
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Interpunktionsprobleme auflösen durch Metakommunikation
 Menschliche Kommunikation bedient sich sowohl digitaler als auch analoger
Modalitäten
digitale Modalität
 willkürliche Zeichen, die man per
Übereinkunft für bestimmte Inhalte
festsetzt (z. B. Wörter in verschiedenen
Sprachen, die aber beliebig gesetzt werden
können)
 Bsp. PC: Programmiersprache wählen, die
sowohl ich also auch Computer versteht
 repräsentiert den Inhaltsaspekt
analoge Modalität
 betrifft Beziehungsaspekt
 Beziehung über Analogien (Gesten etc.)
ausdrücken
 nicht willkürlich
 Ähnlichkeitsrelation Geste (auf den Tisch
hauen) – Stimmung (Wut, Ärger)
 Geltungsbereich weitgehend universell
 Bsp.: Piktogramme
 Kommunikation ist entweder symmetrisch oder komplementär
 Kernanliegen von Watzlawicks Theorie: Kommunikationsstörungen
 entstehen, wenn Inhalts- und Beziehungsaspekt inkongruent
 Spezifische Doppelbindung:
 «Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.»
 kann zu Schizophrenie führen
 Paradoxien
 z. B. Aufforderung: «Sei spontan!»
 Kommunikationsregeln: in Kursen aufgestellt
 Kritik an WATZLAWICK: Vernachlässigung des sozialen Kontexts
d) Das kooperative Prinzip nach GRICE (1975)
 als allgemeine Grundlage der Unterredung
 Konversationsbeitrag so gestalten, wie Zweck und Richtung der Unterredung es erfordern
 beide Kommunikationspartner sollen wissen, welche Richtung Unterredung hat und
welchen Kontext
4 Maximen:
 Maxime der Quantität
 Sage nichts, was der Partner schon weiß!
 Maxime der Qualität
 Sage nichts, wofür dir ausreichende Belege fehlen!
 Sage nichts, von dem du glaubst, dass es falsch ist!
 Maxime der Relevanz
 Sage nur für das gemeinsam vereinbarte Thema relevante Dinge!
 Maxime der Klarheit
 Sage es einfach, kurz und verständlich!
3. NONVERBALE KOMMUNIKATION
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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= nichtsemantische Sprachaspekte
= paralinguistische Sprachmerkmale (z. B. Tonfall, Höhe, Lautstärke etc.)
 ca. 70% der Kommunikation nonverbal
a) Funktion nonverbaler Aspekte bei der Kommunikation
 als diagnostischer Hinweis auf Persönlichkeitsmerkmale und Grundlage für die
Personenbeschreibung
 zur Steuerung des Kommunikationsprozesses
 Eröffnung: Blickzuwendung etc.
 Aufrechterhaltung: Anblicken, Kopfnicken etc.
 Beendigung: Abwenden des Blickes etc.
 als Ausdruck / Indikator emotionaler Zustände (z. B. vor Angst zittern)
 als Beziehungsinformation an den Kommunikationspartner (z. B. ob man ihn
respektiert)
b) Beispiele für nonverbale Hinweisreize (cues)
 stimmliche Merkmale (Tonlage, Lautstärke etc.)
 Körperkontakt (auch kulturell verschieden)
 Sprech- und Sitzabstand
 Sitzrichtung:
 gegenüber:
Indikator für Disput
 nebeneinander:
Kooperation
 in rechtem Winkel: sachliche Kommunikationssituation, Gespräche
 Körperhaltung (Ausdruck von Status, momentanem Gefühlszustand etc.)
 Kopfnicken / -schütteln
 Blickrichtung / -kontakt
 Geruch (sexueller Signalreiz, Pheromone, unbewusst), Heben der Augenbrauen, ...
 Inkonsistenzen zwischen Inhalt und nonverbalen Aspekten führen zur Verunsicherung des
Partners
4. INTERAKTIONS-PROZESS-ANALYSE
 BALES (1956)
 Versuch, den Kommunikationsprozess in Gruppen zu analysieren (live)
 Beobachtungsverfahren mit Kategoriesystem (kein Rating mit verschiedenen
Ausprägungen)
 methodische Problematik:
 genaue Abgrenzung der Kategorien muss realisiert werden
 wenn jeder Beobachter einen Teil der Kategorien übernimmt: Vl-Effekte nicht
auszuschließen
Probleme:
a) Auswahl und Anzahl der Kategorien (decken sie ohne Überschneidungen den ganzen
Bereich ab?)  nonverbaler Bereich fehlt bei BATES völlig!
b) Umfang der Kategorien (nicht zu global oder zu eng)
Typische Ergebnisse zur Verteilung der kommunikativen Akte auf einzelne
Gruppenmitglieder:
 Individuen, von denen am häufigsten Kommunikation ausgeht,
a) sind am häufigsten Adressaten einer Kommunikation
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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b) wenden sich mehr an die Gruppe
c) haben die meisten Äußerungen in den Kategorien «Informationen geben»,
«Meinungen äußern» etc.
 Individuen, von denen am seltensten Kommunikation ausgeht,
a) erhalten wenig Kommunikation
b) wenden sich mehr an Einzelne
c) haben die meisten Äußerungen in den Kategorien «Zustimmung / Widerspruch»,
«Ersuchen um Informationen» etc.
 bei wachsenden Gruppengrößen:
 Gefälle zwischen beiden nimmt zu
  [...]
5. KOMMUNIKATIONSNETZWERKE
 LEAVITT, BAVELAS UND FOLGEEXPERIMENTE (1950 ff.)
 bestimmte künstlich vorgegebene Kommunikationswege
 Kommunikationsstrukturen unterscheiden sich im Zentralitätsgrad
verschiedene Netzwerke (Beispiele):
Kreisstruktur
dezentralisiert
 alle Mitglieder haben in gleicher Weise Zugang zu
allen anderen und zu Informationen
 Vollkreis
direkte Kommunikation zwischen allen Mitgl.
8.0
4.6
4.6
 Stern (bzw. Rad)
alle anderen Mitglieder müssen über eines
gehen, um an Info zu kommen
 total zentralisiert
4.6
4.6
 Zahlen: Zentralitätsindices (alle möglichen Wege / Anzahl der Wege, um alle anderen zu
erreichen)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
Ergebnisse der Untersuchung:
 Auswirkungen auf Gruppenleistung (Zeit, die Gruppe braucht, um Aufgabe zu lösen):
 einfache Aufgaben
 zentrale Gruppen besser
 schwere Aufgaben
 dezentralere Gruppen besser
 Erklärung: Theorie der Sättigung  bei schweren Aufgaben ist zentrales Mitglied
überfordert
 Auswirkungen auf Zufriedenheit:
 im Schnitt Mitglieder der dezentralen Gruppen zufriedener
 zentrale Mitglieder zufriedener als andere
 Erklärung: zentrales Mitglied ist unabhängiger, hat meiste Anerkennung etc.
(vgl. HERKNER, S. 481 f.)
III.
Gruppen
1. MERKMALE VON GRUPPEN
a) Wir-Gefühl Gefühl von der eigenen Identität als Gruppe, empirisch umschreibbar
(durch Bezugsgruppen)
b) (unmittelbare) Interaktion zwischen den Mitgliedern (im weiteren Sinne, vgl. auch
WATZLAWICK)
c) Rollenverteilung  spezifische Erwartungen an andere Personen, die sich spezifisch in
Gruppe bewegen
d) gemeinsame Normen  Erwartungen, die spezifisch sind für die Gruppe und die für alle
Gruppenmitglieder gelten
e) Gruppe als Prozess (?)
2. ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN UND FUNKTIONEN VON GRUPPEN
a) äußere Einflüsse (z. B. Bedrohung von außen)
b) Erreichung externer Ziele durch gemeinsame Gruppenaktivitäten
c) Schutz nach außen, Sicherheit (soziale Sicherheit)
nur bei menschlichen Gruppen:
d) Gruppenaktivitäten als solche attraktiv (z. B. Freizeit-, Sportgruppen)
e) Interaktionsprozess mit anderen in sich selbst befriedigend
f) Bestätigung durch andere (soziale Vergleichsprozesse)
3. BEZUGSGRUPPEN
 Bsp.: Gruppe von Anhängern einer bestimmten Musikrichtung
 in der Regel keine formelle Mitgliedschaft (Mitglieder wissen oft nichts voneinander),
aber Identifikation
 Funktionen:
 Vergleichs- und Bewertungsfunktion (Selbsteinschätzung im Vergleich mit anderen
Mitgliedern der Bezugsgruppe)
 normative Funktion (Übernahme von Normen der Bezugsgruppe)
 «negative Bezugsgruppen»: Gruppen, denen man nicht angehören will und von denen
man sich abgrenzt  Übernahme von Einstellungen, die zu jenen konträr sind
 multiple Bezugsgruppen: Zugehörigkeit zu mehreren Bezugsgruppen möglich
12
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
13
 bei unvereinbaren Normen derer Konflikte (z. B. 2. Generation von Einwanderern 
Normen der eigenen Kultur gegensätzlich zu denen derer, der man jetzt angehört)
 Bezugsgruppenproblem – Untersuchung FRINDLE & FUNKE (1995):
 «politische Landkarte» von Jugendkulturen  Ausmaß extremer Orientierungen
korreliert mit Gruppenzugehörigkeit
4. SOZIOMETRISCHE STRUKTUR VON GRUPPEN
4.1. WAS IST SOZIOMETRIE?
 soziometrische Struktur = Affektstruktur  Verteilung der Zu- und Abneigungen
zwischen den Gruppenmitgliedern
 Soziometrie: Verfahren, um die Affektstruktur in Gruppen zu erfassen (Sympathie-,
Kommunikations-, Machtstruktur)
 Begründer: MORENO (1934): «Who shall survive?»
4.2. DURCHFÜHRUNG EINER SOZIOMETRISCHEN ERHEBUNG
 (gut durchführbar in Klassen, Kindergärten, Arbeitsgruppen etc.)
 in der Regel Fragebogenerhebung
 Bsp., um Sympathiestruktur zu erfassen: «Nenne diejenigen 5 Mitglieder, mit denen
du am liebsten zusammen bist.»
 anschließend:
a) Wahlkriterien (Was will man erfassen?)
b) begrenzte oder unbegrenzte Wahlen
c) nur positive oder auch negative Wahlen
d) Wahlen innerhalb einer Gruppe oder auch nach außen
e) Erhebungstechnik:
 Partnerwahlverfahren (Fragen nach dem Typ wie obiges Bsp.)
 Rangfolge / Gewichtung (geht nur bei kleineren Gruppen)
 Paarvergleich
 Ratingverfahren
4.3. AUSWERTUNG
(bezogen auf Partnerwahlverfahren)
a) graphische Darstellung: Soziogramm
Beispiel:
B


F


C
A

G
H

D

E
 Buchstaben: Gruppenmitglieder
 gerichtete Pfeile: Wahlbeziehung, Doppelpfeile: gegenseitige Wahlen, gestrichelte Pfeile:
Ablehnung
 im Bsp.: D, E und H  soziometrische Clique (wählen sich alle gegenseitig)
 C: isoliert; G: «soziometrischer Star»
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Probleme:
 Anordnung der Personen völlig willkürlich
 durch bestimmte Anordnung kann man bestimmte Gruppenstruktur suggerieren
b) Matrixdarstellung: Soziomatrix
 äquivalent zu a)
 Zeilen: Wähler, Spalten: Gewählte
 1  gewählt; 0  nicht gewählt; ggf. – 1: Ablehnung
obiges Beispiel:
A
B
C
D
E
F
G
H

A
1
B
1
-
C
D
E
-
1
1
1
-
1
1
2
0
F
1
1
3
1
1
2
2
G
1
1
1
1
H

1
1
2
2
2
3
2
2
2
2
1
5
2
 Anwendung mathematischer Verfahren (FA, MDS, CA) zur Identifikation informeller
Gruppierungen
 Nachteil: Cliquenstrukturen nicht so gut sichtbar
c) Zielscheibensoziogramm
 zielscheibenartige Anordnung; nach innen hin nimmt Häufigkeit der Wahlen zu
Ergänzungen:
 vgl. auch Experiment von SHERIF: 2 Gruppen von Jugendlichen im Ferienlager  anhand
von Soziogrammdarstellung 2 verschieden zentralisierte Gruppen feststellbar
 Indices = Kennwerte von Personen / Gruppen / Teilgruppen
Anzahl erhaltener Wahlen
z. B. mittlerer Wahlstatus von A = –––––––––––––––––––––––
N–1
Anzahl gegenseitiger Wahlen
Gruppenkohäsion (Zusammenhalt) = –––––––––––––––––––––––––––––––––
½N(N – 1)
 Wahlverteilung wird statistisch mit Zufallsverteilungen verglichen
4.4. RELIABILITÄT UND VALIDITÄT
a) Reliabilität
 = Stabilität über die Zeit
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Korrelationen zwischen .45 und .90
 abhängig von Zeitraum, Alter, Dauer des Bestehens von Gruppen (z. B. Schulklassen),
Konsequenzen für Befragte (!)
b) Validität
 geringe oder Nullkorrelationen zwischen soziometrischen Wahlen (Kontaktwünschen)
und tatsächlichem Verhalten (Freunschaften)
  zu nicht unbeträchtlichem Teil Verzerrungen
4.5. WOMIT HÄNGT DER WAHLSTATUS ZUSAMMEN?
hoher soziometrischer Wahlstatus hängt unter anderem zusammen mit:
 Schul- und Studienerfolg
 sozioökonomischem Status
 Kommunikationshäufigkeit
 emotionaler Stabilität
 Selbstvertrauen
 höheren Werten in Intelligenztests
 Aussehen
IV.
Soziale Macht / Einfluss, Status
1. SOZIALE MACHT UND IHRE AUSWIRKUNGEN
1.1. WAS IST SOZIALE MACHT?
 Relation zwischen zwei Personen A und B (keine Eigenschaft einer Person)
 Macht von A über B = PAB: Möglichkeit von A, das Verhalten von B zu beinflussen / zu
kontrollieren
 Einfluss: tatsächlich ausgeübte Macht (beobachtbar)
 Machtrelationen sind komplementär (PAB und PBA)  beide haben Macht über den
jeweils anderen
Ausmaß der Macht in einer Beziehung hängt ab von:
a) Verfügbarkeit von Machtmitteln / -quellen
b) der Abhängigkeit des Partners von diesen Machtquellen (A ist abhängig von den
Machtquellen von B  B hat Macht über A)
c) den Handlungsalternativen des Partners
1.2. AUSWIRKUNGEN SOZIALER MACHT
a) Imitationslernen (Mächtige häufig imitiert, weil beliebt und respektiert)
b) Einstellungsänderung (mächtige Kommunikatoren erzeugen eher eine
Einstellungsänderung)
c) in einer Gruppe: stärkere Beteiligung an der Kommunikation  höhere Beliebtheit
(werden auch häufiger gewählt)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
16
2. MACHTQUELLEN UND STRATEGIEN DER MACHTAUSÜBUNG
2.1. EINTEILUNG DER MACHTQUELLEN NACH FRENCH UND RAVEN
(in Zweierkonstellationen: Paare mit ungleichen Machverhältnissen)
5 Machtquellen:
a) Belohnungsmacht
 A spricht positiven Verstärker (Lob, Anerkennung) aus  B nimmt A dementsprechend
wahr (also keine objektive Verhaltensmöglichkeit von A, lediglich Wahrnehmung von B,
dass A dazu in der Lage wäre)
b) Bestrafungsmacht
 bewirkt äußere Anpassung, aber keine Dauerhafte Verhaltensänderung
c) Identifikationsmacht (Bezugspersonenmacht)
 B nimmt A als ähnlich bzw. attraktiv wahr  will sich mit A identifizieren
 funktioniert ohne Verstärker
 fragile, temporäre Machtwirkung (wirkt, solange A attraktiv ist)
d) Expertenmacht
 A wird als mit bestimmten Fähigkeiten / Kenntnissen ausgestattet wahrgenommen
 B sieht sich als abhängig von A
 Bsp. Frau kocht, Mann kann nicht kochen  abhängig
e) «Legitime» Macht (Legitimierte Macht)
 B ist aufgrund seines Normen- und Wertesystems von A abhängig
 beide (A und B) erkennen an, dass A Macht hat und sie verwendet
 Bsp. Schüler und Lehrer
2.2. ALLTAGSSTRATEGIEN DER MACHTAUSÜBUNG
a) direkte Machtausübung
 übliche Strategien im Alltag
 entsprechend obigen Machtquellen: Versprechungen, Drohungen, moralische Appelle,
Erhöhung der eigenen Attraktivität etc.
b) indirekte Machtausübung
 «legitime» Macht (bezieht sich auf soziale Rollen und Normen)
 jemanden in bestimmte Rolle drängen («Du als Psychologe musst das doch
verstehen!»)
 sich selbst in eine Rolle werfen («Ich als dein Partner habe doch ein Recht darauf.»)
 Appell an Normen («Ich habe so gehandelt; nun handle du entsprechend...»)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
17
 unabhängig davon: verschiedene Techniken der sozialen Einflussnahme (z. B. «foot-inthe-door»)
3. VERÄNDERUNG VON MACHTRELATIONEN (EMERSONSCHE MACHTTHEORIE)
Abhängigkeit:
 DBA := PAB (dependency – power)
 ist abhängig von der Wichtigkeit der entsprechenden Machtquellen für B, über die A
verfügt
 wenn B eine Drittperson kennt, die A’s Machtquellen (z. B. Fähigkeiten) auch hat 
DBA
(Un-)Gleichgewicht von Machtrelationen: (Balance-Theorie)
 Gleichgewicht: PAB = DBA = PBA = DAB  soziales System
 Ungleichgewicht: z. B. PAB < PBA  DBA < DAB  A versucht, durch Strategien
Gleichgewicht herzustellen
Strategien zum Abbau von Machtgefällen:
a) teilweise Lockerung der Beziehung («Ich muss nicht im Internet surfen, ich kann auch
lesen.»)
b) Aufnahme alternativer Beziehungen («Ich gehe zum Nachbarn, der kann das sowieso
besser als Du.»)
c) Erhöhung der Abhängigkeit des Mächtigen
d) Koalitionsbildung («Mama hat gesagt...»  Koalition gegen Papa)
 aber: Theorie von EMERSON schwierig empirisch zu überprüfen
4. SOZIALE AUSTAUSCHTHEORIE NACH THIBAUT UND KELLEY
 universell anwendbar (auf jede Interaktion)
 Interaktion = Austausch von sozialen «Kosten» und «Belohnungen»
 soziale Kosten: Angst in Partnerschaft (Gefühl, dass man vom Partner abhängig ist,
dass einem Belohnungen entgangen sind, direkte Sanktionen des Partners, ...)
 soziale Belohnungen: Bekräftigung eigener Einstellungen, Befriedigung eigener
Bedürfnisse, Dissonanzreduktion (feststellen, dass man ähnliche Meinung hat)
 Ertrag = Belohnung – Kosten
 Ertrag verglichen mit 2 Komponenten:
a) mit dem subjektiven Standard (comparison level, CL) = Vergleichsniveau
b) mit dem Vergleichsniveau für Alternativen (CLAlt) (Ertrag anderer sozialer
Beziehungen)
 Ertrag entscheidet, ob man sich trennt oder nicht
Anwendung des Modells von THIBAUT und KELLEY (1959):
Auszahlungsmatrix:
 Beispiel: beide Partner A und B mögen Musik, aber Tanz nicht so sehr; sie sind
verheiratet und wollen den Abend gemeinsam verbringen
 Zahlen: Wert, den das eigene Verhalten für den einen Partner hat, wenn der andere Partner
ein bestimmtes Verhalten wählt
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
Konzert
Konzert
B
+3
+3
18
Tanzen
-2
+1
A
Tanzen
+1
-2
0
0
Typen sozialer Machtrelationen:
a) Schicksalskontrolle (Ergebniskontrolle)
 A hat Schicksalskontrolle über B  B ist vollständig von A abhängig, egal was B macht
B1
A1
B
B2
+
+
–
–
A
A2
b) Verhaltenskontrolle
 A hat Verhaltenskontrolle über B  wenn A eine Alternative wählt, bleibt B nur noch
eine bestimmte andere
B1
A1
B
B2
+
–
–
+
A
A2
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
19
Problem der Theorie:
 es ist von vornherein nicht offensichtlich, in welchem Ausmaß das Ergebnis positiv oder
negativ für welchen Partner ist
 Zuordnung von Werten ist von subjektiven Bewertungen abhängig
 theoretisch: Möglichkeit der gegenseitigen Ergebniskontrolle, so dass für beide positiver
Ertrag entsteht
(vgl. HERKNER, S. 396 ff.)
5. STATUS
 = Ansehen einer Person in einer Gruppe auf Grund geteilter Wertvorstellungen
 d. h.: den Status gibt es nicht; immer abhängig von Gruppennormen
abgeleitet von:
a) sozialer Kategorie (z. B. Alter, Geschlecht)
 ältere und weibliche Personen in unserer Gesellschaft niedrigerer Status
b) eingenommener Position (Beruf, Rolle)
c) Ausstattung, Fähigkeiten und Fertigkeiten (materiell und immateriell)
 Statusmerkmale: abhängig von Werten und Bedürfnissen einer Gruppe
 Statussymbole: Merkmale, die häufig mit hohem Status zusammen auftreten
Status in Gruppen:
 Statusstruktur: Verteilung des individuellen Status der Mitglieder einer Gruppe
(Statushierarchie, -gefälle)
 Status und Konformität: bei hohem Status geringste Konformität von Nöten, bei
niedrigem vice versa
 Status und Kommunikation: hoher Status  häufigerer Empfang von Kommunikation
 Personen mit gleich hohem Status kommunizieren häufiger untereinander als mit
Personen mit anderem Status
 Vermeidung von Kommunikation bei Statusunsicherheit
 Inhalt der Kommunikation: Gruppenführer gibt Informationen, Statusniedere suchen
diese (deren eigene Infos und Vorschläge weniger beachtet)
V.
Führung
1. FORSCHUNGSANSÄTZE
a) Führung als Persönlichkeitsmerkmal
 Suche nach Persönlichkeitsmerkmalen von «Führern» und «Geführten»
 Ergebnis: erfolglos  Idee, die nur im Alltag verbreitet ist
b) Führung als Rollenverhalten
 Führung = Übernahme einer Leiterrolle oder Zuschreibung einer solchen Rolle an ein
Gruppenmitglied
 per Wahl oder einfach durch Akzeptanz
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
20
 abhängig von jeweils zu bewältigenden Aufgaben und den Erwartungen an den Leiter
2. VERHALTENSERWARTUNGEN AN TRÄGER EINER LEITERROLLE
2 Gruppen von Erwartungen:
a) aufgabenbezogen
 Erreichung von Gruppenzielen
 z. B. Vorschläge unterbreiten, Zwischenziele bewerten, Lösungen anbieten etc.
b) sozial-emotional
 Wahrung des Gruppenzusammenhalts
 z. B. andere ermutigen, Spannungen abbauen, angenehmes soziales Klima schaffen etc.
 Zusammenhang mit Konzept der Kommunikation: Fähigkeit, sich verbal ausdrücken zu
können  Voraussetzung für Führerrolle
3. ROLLENDIFFERENZIERUNG IN GRUPPEN
a) Differenzierung zwischen Leiter und Nicht-Leiter
 graduelle Abstufung im Leiterverhalten: alle Menschen führen irgendwann
Leiterfunktionen aus, wenn auch in unterschiedlichem Maße
  Funktionsteilung, Verhaltensspezialisierung
b) Rollendifferenzierung von Leiterfunktionen
Divergenztheorem von BALES & SLATER (1955):
2 Leiterrollen
Der Tüchtige
(aufgabenorientiert)
Der Beliebte
(sozial-emotional)
 in vielen Kulturen und Gesellschaften getrennt ausgeübt, z. B. König + Premierminister
oder Häuptling + Medizinmann
 BALES & SLATER (1955): in jeder Gruppe kommt es zwangsläufig zu einer Divergenz von
Personen
 Experiment dazu:
 willkürlich gebildete Gruppe von Vpn soll Problem lösen (Ideen zur Senkung der
Arbeitslosigkeit)
 Herauskristallisierung von Mitgliedern, die tatkräftig sind, später von einem Mitglied,
das auf sozial-emotionale Bedürfnisse zielte
 aber: Trennung nicht zwangsläufig
 nur, wenn Leiter zu stark auf Lösungen drängt und sozial-emotionale Aspekte
vernachlässigt, ist zweiter Leiter nötig
 Divergenz tritt in bestimmten Situationen auf, aber nicht zwangsläufig
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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4. STABILITÄT VON FÜHRERROLLEN UND KONFORMITÄT DES LEITERS
 wenn Person Leiterrolle übernommen hat, behält sie diese auch längere Zeit
 Leiterrollen sind stabil.
 Indiz, dass Führung doch Persönlichkeitseigenschaft ist?
 andere Gründe:
a) Gewöhnung
b) Training von Leiterfunktionen durch Ausübung der Rolle (Rollenlernen)
c) Motivation, den Leiterstatus zu behalten, da dieser eine Reihe von Vorteilen bietet
(Statussymbole, Titel, Anerkennung)
d) Entstehung von Rollenerwartungen und Normen (Leiter wird legitimiert)
Konformität des Leiters mit Gruppennormen:
 unvereinbare Erwartungen werden an Leiter gerichtet:
a) einerseits größere Konformität  Zusammenhalt der Gruppe zur Erreichung des
Gruppenziels
b) andererseits geringere Konformität  Flexibilität, Finden neuer Ziele, also
Transzendenz bisheriger Gruppennormen
5. FÜHRUNGSSTIL
 LEWIN, LIPPITT & WHITE (1938, 1943): klassisches Führungsstilexperiment
 3 Bastelgruppen von Kindern, 3 Führungsstile der Vl: autokratisch, demokratisch und
laissez-faire
 Ergebnisse:
 autoritärer Stil: Kinder häufig entweder reizbar/aggressiv oder apathisch; große
Unzufriedenheit mit den Gruppenaktivitäten; Produkte von hoher Quantität, aber
geringer Originalität
 demokratischer Stil: kaum Reizbarkeit und Aggression; hohe Zufriedenheit mit
Gruppenaktivitäten; hohe Qualität und Originalität
 laissez-faire: hohe Reizbarkeit und Aggression; sehr große Unzufriedenheit mit
Gruppenaktivitäten; Leistung quantitativ am schlechtesten und von mittlerer
Qualität
 bei meisten derartigen Untersuchungen Zufriedenheit in demokratischem Stil am
höchsten, aber Leistung nicht immer am effizientesten
 Effizienz stark abhängig von situativen Faktoren (Gruppenstruktur, Zielsetzungen,
Notsituationen) und Eigenheiten der Gruppe (Erwartungen der Mitglieder;
demokratischer Stil scheitert z. B., wenn Mitglieder autoritäre Erwartungen haben)
 demokratischer Stil effizient, wenn:
a) Mitglieder die Entscheidung für wichtig halten
b) Entscheidungen in direktem Zusammenhang zu ihrer Arbeitsleistung stehen
c) wenn Entscheidungen für sie mit Konsequenzen verbunden sind
Kritik an Führungsstilforschung:
a) Führer eingesetzt
b) Gruppen ad hoc  keine gemeinsame Geschichte und Zukunft, Instruktionen haben keine
Konsequenzen über die Versuchssituation
c) keine Einflussnahme der Gruppe auf den Führer möglich (z. B. Führer möge sich doch
hilfreicher verhalten, mehr Lob und Tadel etc.)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
22
d) optimale Führung (wie von LEWIN angenommen) gibt es nicht, da viele modifizierende
Faktoren eine Rolle spielen (s. o.)
e) einseitige Orientierung an Effektivitätskriterien; bei anderen Zielsetzungen, wie
Selbstbestimmung, Solidarität oder Emanzipation  demokratischer Stil auf jeden Fall
vorzuziehen
6. LPC-MODELL VON FIEDLER (1964)
 Kontingenzmodell für die Effizienz von Führung: least-preferred co-worker
 3 binäre situative Variablen, die operationalisierbar sind:
a) Beliebtheit des Führers (beliebt – unbeliebt)
b) Strukturiertheit der Aufgabe (strukturiert – unstrukturiert)
c) Positionsmacht des Führers (stark – schwach)
Untersuchung dazu:
 Kombination ergibt 2x2x2 = 8 Gruppensituationen (günstige bzw. ungünstige
Bedingungen für den Führer)
Kontinuum der situativen Günstigkeit:
I
+
+
+
günstig
II
+
+
–
III
+
–
+
IV
+
–
–
V
–
+
+
VI
–
+
–
VII
–
–
+
VIII
– Beliebtheit
– Aufgabenstruktur
– Positionsmacht
ungünstig
 Kontingenzhypothese:
 aufgabenorientierte vs. mitgliederorientierte Führung (Analogie zu LEWIN und BALES
& SLATER)
 Operationalisierung:
 LPC-Skala: Fragebogen aus 20 Items wie den folgenden:
8 7 6 5 4 3 2 1
vertrauensvoll
selbstsicher
angenehm
nicht vertrauensvoll
nicht selbstsicher
nicht angenehm
 Führer soll aus seiner Gruppe dasjenige Mitglied auswählen, mit dem er am schlechtesten
zusammenarbeiten kann, und auf obiger Skala einschätzen
 Führer mit niedrigen LPC-Werten:
 aufgaben- und leistungsorientiert (schätzt schlechtestes Mitglied eher als nicht
vertrauensvoll etc. ein, also als für persönliche Beziehungen und Probleme ohne
Interesse)
 Führer mit hohen LPC-Werten:
 mitgliederorientiert (neigen eher zu quasi-therapeutischem Verhalten)
 aV: nicht die Gruppenleistung selbst, sondern Korrelation zwischen LPC-Wert und
Gruppenleistung
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
23
Welcher Stil ist der günstigste?
 Kontingenzhypothese deshalb, weil Günstigkeit des Führungsstils stark von von situativer
Bedingung (siehe Kontinuum, I bis VIII) abhängt:
Korrelationskoeffizient
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
 negative Korrelationen: (Gruppenleistung hoch + LPC-Wert niedrig) Überlegenheit des
aufgabenorientierten Stils
 positive Korrelationen: Überlegenheit des mitgliederorientierten Stils
 in extremen Bedingungen aufgabenorientiert besser, in mittleren Bereichen
mitgliederorientiert (bei IV und VII kein Einfluss)
Kritik / Probleme:
 Art der Konstruktion der Führungsorientierung (LPC-Wert gibt nicht tatsächliche
Orientierung des Führers wieder)
 niedrige Zuverlässigkeit, Schwankungen über die Zeit
 aV problematisch als Effizienzmaß (zu indirekt)  besser: direkte Erfassung der
Effizienz, z. B. durch Zeit, die die Gruppe braucht, oder Fehleranzahl etc.
VI.
Soziale Normen und Rollen
1. BEGRIFFSKLÄRUNGEN
Normen:
 geteilte Erwartungen von Mitgliedern einer Gruppe
 legen Verhalten, Einstellungen, Reaktionen in bestimmten Situationen fest
 beruhen auf gemeinsamen Wertvorstellungen; gelten für alle Gruppenmitglieder in
gleicher Weise
 formell (Gesetze, Regeln)  für größerer Gesellschaften, oder informell (durch indirekte
Kommunikation, durch positive oder negative Sanktionen vermittelt, nirgends fixiert)
 werden im Sozialisationsprozess vermittelt
Rollen:
 spezifische Erwartungen, gelten nur für den Inhaber einer bestimmten sozialen Position
innerhalb eines sozialen Systems
 können formell (Regeln) oder informell (Erwartungen) vermittelt werden
Sozialisation:
 Übernahme von Einstellungen, Werten, Fähigkeiten, Kenntnissen innerhalb eines sozialen
Systems durch Interaktion mit anderen Personen auf dem Wege sozialer Lernprozesse
 lebenslanger Prozess
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
 Teilbereiche: Übernahme sozialer Normen, Rollenlernen, Ausbildung sozialer Motive
(Leistungsstreben)
universelle soziale Normen:
 Norm der Gegenseitigkeit (Gefallen erweisen, Konzessionen machen, etc.)
 Norm der sozialen Verpflichtung (Versprechen einhalten)
 Norm des Gehorsams gegenüber Autoritäten
 Norm der Hilfsbereitschaft
2. FUNKTIONEN SOZIALER NORMEN





Richtschnur für die Lösung sozialer Konflikte
erleichtern Orientierung in sozialer Umwelt
ermöglichen Vorhersage des Verhaltens anderer Personen
dienen der Demonstration der Gruppenzugehörigkeit (Statussymbole etc.)
liefern Leitlinien für eigenes Verhalten  Reduktion von Entscheidungs- und
Handlungsunsicherheit
 ermöglichen Validierung eigener Meinungen und Einstellungen
 sichern Zusammenhalt und Kontinuität von Gruppen
3. SOZIALE ROLLEN
 legen mehr oder weniger explizit fest,
 wie sich Inhaber bestimmter sozialer Positionen verhalten sollen,
 wie sie denken und empfinden sollen,
 welche Rechte und Verpflichtungen sie haben
 verschiedene Erwartungen an Rollenträger (festgelegt durch Rollenvorschriften von der
Gruppe)
 soziale Rollen immer bezogen auf Partnerrollen
 Erwartungen an Rollenträger hängen stets davon ab, mit welchem Partner er
konfrontiert ist (z. B. Lehrer – Schüler oder Lehrer – Eltern)
 Erwartungen teilweise unvereinbar
4. ROLLENKATEGORIEN UND ROLLENKONFLIKTE
Beispiele für Rollenkategorien:
 Rolle der Mutter in der Familie
 Rolle des alten Mannes (informelle Rolle)
 aus beruflicher Position abgeleitete Rollen (z. B. Arzt)
 Rollen, die sich aufgrund einer Funktionsteilung innerhalb einer Gruppe ergeben
(Schwester kann z. B. Rolle der Mutter innerhalb der Familie übernehmen)
Rollenkonflikte können entstehen,
a) wenn Person mehrere Rollen ausführen muss (z. B. Lehrer muss eigene Kinder
unterrichten)
b) wenn Rollenvorschriften / -erwartungen nicht klar definiert sind (z. B. Rolle des alten
Mannes)
c) wenn man von einer alten in eine neue Rolle übergeht (Heranwachsende Jugendliche)
d) wenn Charakteristika einer Person mit den Rollenerwartungen unvereinbar sind
24
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
5. ROLLENLERNEN
5.1. INHALT
(wenn man in neue Rolle hineinwächst)
a) Erwartungen bezüglich eigener Rolle
b) Erwartungen an Inhaber von Partnerrollen
c) zu erwartende positive oder negative Sanktionen
d) Fertigkeiten und Techniken für die Rollenausübung
e) Übernahme von Einstellungen und Werten etablierter Rolleninhaber
f) Identifikation mit der Rolle (Bestandteil des Selbstkonzepts)
5.2. ABLAUF
a)
b)
c)
d)
positive und negative Sanktionen der Rollenpartner
Nachahmung etablierter Rollenpartner (Modell-Lernen)
Praktizieren / Einüben der Rolle
individuelle Spielart der Rolle aushandeln mit Rollenpartnern
5.3. FÖRDERNDE BEDINGUNGEN
(um Rollenwechsel zu erleichtern)
a) Übergangsriten bei Rollenwechsel (Polterabende)
b) Vorwegnahme der Rollenausübung (Rollenspiele, Phantasie, ...)
c) Maßnahmen der Desozialisation (z. B. Isolation)
d) Initiationsriten (Demütigungen, Prüfungen, Schmerzen ertragen, Mutproben etc.)
e) öffentliche Distanzierung von bisheriger Rolle (Ablegen von Kleidung, Haare
abschneiden etc.)
f) öffentliche Festlegung auf neue Rolle (Eid, Gelübde etc.)
VII.
Konformität
1. ZUM BEGRIFF DER KONFORMITÄT
 Form des sozialen Einflusses: Nachgeben gegenüber sozialem Einfluss
 sich anpassen / ausrichten von Personen an die Normen einer Gruppe (SHERIF & ASCH)
 Einwilligung (compliance): dem Ansinnen einer oder mehrerer anderer Personen
nachzukommen (bestimmte Aktivitäten auszuführen, Einstellungen zu übernehmen);
Bereitschaft dazu erhöht durch Techniken sozialer Einflussnahme (vgl. unten)
 Gehorsam, Unterwerfung: sich einem Befehl / einer Anordnung einer tatsächlichen oder
wahrgenommenen Autorität beugen (MILGRAM)
 Unterscheidung: Konformität als
 Prozess (Wie kommt es, dass Personen sich einer Mehrheitsmeinung anschließen?)
 Zustand (dass Mitglieder einer Gruppe alle mit Gruppennormen übereinstimmen)
25
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
26
2. TECHNIKEN SOZIALER EINFLUSSNAHME
Technik
foot-in-the-door
door-in-the-face
Verknappung / rar machen
low-ball (sehr fies)
Beschreibung
 erst harmlose Bitte (z. B. nach Uhrzeit),
dann weitergehende Bitte (z. B. nach
Geld)
 erst weitgehende, unverschämte Bitte, die
abgelehnt
wird,
dann
sehr
viel
geringfügigere Bitte  wird dann oft
gewährt
 den Adressaten davon überzeugen, dass
das unterbreitete Angebot «nicht billig»
zu haben sei (sehr verbreitet)
 erst gut klingende, aber falsche
Zusicherung, mit der man Zustimmung zu
einem Geschäft erreicht, dann wird aber
Zusicherung
zurückgenommen
(angeblicher Irrtum)  Partner bleibt
meist dennoch bei Geschäft
3. KONFORMITÄTSKONTINUUM
2 Endpunkte des Komformitätskontinuums:
a) normative Konformität
 Bedürfnis, von den anderen Gruppenmitgliedern respektiert zu werden  meist äußere
Anpassung, später eventuell dauerhafte Einstellungsänderung (vgl.
Linienschätzexperiment von ASCH)
b) informationsbezogene Konformität
 Bedürfnis, von anderen Informationen über deren Sichtweise der Realität zu erhalten; sich
orientieren in unsicheren Situationen  oft bei metaphysischen Fragen, moralischen
Werturteilen etc (vgl. autokinetisches Phänomen von SHERIF)
 beide Formen spielen in verschiedenen Ausprägungen in allen Paradigmen eine Rolle
(schließen sich also keineswegs aus)
4. PROZESSE DER SOZIALEN ANSTECKUNG
 Handlungen der anderen «stecken an»
 einfaches Beispiel: in Gruppe schauen alle nach oben  Vpn machen dies nach
(MILGRAM 1969)
a) Autokinetisches Phänomen (SHERIF 1935)
 Vp in abgedunkeltem Raum + stillstehender Lichtpunkt
 Vp sollen angebliche Bewegung des Lichtpunktes abschätzen
 Wie ändert sich Schätzverhalten in der Gruppe?
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
27
Phase I
Vp allein (1. Tag)
Phase II
Phase III
Vp in Gruppe (folgende Tage) Vp wieder allein (1 Jahr
später)
Schätzungen sehr verschieden Schätzungen gleichen sich
Schätzungen wie Phase II
mehr und mehr an
Konformität 
 Phänomen relativ stabil
Gruppenphänomen
 Erklärungsversuche:
 soziale Verlgeichsprozesse (FESTINGER): Unsicherheit, da keine objektiven
Messungen  Grundbedürfnis, die eigene Meinung anhand derer anderer zu
überprüfen
 individuelle Lerngeschichte (MAUSNER 1954) ist verantwortlich für individuelle
Konformitätsneigung
 wenn Vp in ihrer Schätzung bestärkt werden, ändern sie diese nicht, sondern nur
die nichtbestärkte passt sich an
 wenn beide unabhängig bestärkt  gar keine Anpassung
b) Linienschätzexperiment (ASCH 1956)
a




1 2 3
Aufgabe: Vergleich (Ergebnisse eindeutig)
Durchführung in Gruppe zu 6 Personen, nur die 6. ist richtige Vp
die ersten 5 schätzen systematisch falsch
Ergebnis: 37% aller Antworten konform (also falsch) (Quelle: MYERS, S. 215)
 74% geben mindestens einmal nach
(vgl. MYERS, S. 211 ff.)
situative Bedingungen im ASCH-Experiment:
 Größe der Majorität (mind. 3 Personen)
 mit / ohne Partner (anderer echter Vp)  mit Partner Fehlerzahl nur ca. 10%
 Partner verlässt Raum / gleicht sein Urteil Majorität an  Vp fühlt sich «verraten» 
reagiert konform
 Urteile anonym  Konformität sinkt
 Eindeutigkeit der Urteilssituation – vgl. Flächenschätzurteile (CRUTCHFIELD 1955)
 Interkulturelle Unterschiede  sehr gering, Ausnahme: Bantus (dort: Konformität =
Gruppennorm)
 vermutlich auch individuelle Lerngeschichte
 keine Geschlechtsunterschiede, aber Einfluss des Status (z. B., wenn Vp weiblich und Vl
männlich)
nur äußerliche Anpassung oder tatsächliche Meinungsänderung?
Methoden zur Beantwortung der Frage:
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 post-hoc-Befragung der Vpn: Haben Sie Meinung wirklich angepasst?  sehr
fragwürdige Methode
 anschließende Einzelversuche (wie bei SHERIF): Vpn passen sich nur äußerlich an
 Verfahren aus der SDT: verschiebt sich Kriterium oder Wahrnehmung der Person?  nur
Kriterium, nicht aber der sensorische Parameter d’ wird geändert (UPMEYER)
5. NONKONFORMITÄT
Unterscheidung:
 echte Nonkonformität
 Unabhängigkeit von Mehrheismeinung
 Antikonformität
 Opposition zur Mehrheitsmeinung (letztendlich genauso
abhängig von Mehrheit)
 völlig verschieden voneinander
um Konformität entgegenzuwirken:
a) Anwesenheit von Dissidenten (Gruppenkonsensus schwächen, abweichende, aber
wichtige Meinungen unterstützen, Sachverhalte beurteilen)
b) Urteile anonym
c) Personen für unabhängige Meinung bestärken
 Konformität als Persönlichkeitseigenschaft?  konnte nicht bestätigt werden
 Geschlechtsunterschiede?  fast keine, nur bei typisch männlichen oder weiblichen
Themen
 kulturelle Unterschiede?  BRONFENBRENNER (1976) ???
 Metaanalyse: SMITH & BANA (1993): abendländische «individualistische» Kulturen
vs. «kollektivistische» (S-Amerika, Afrika, Asien, Ozeanien)  Unterschiede aber
sehr gering
6. EINFLUSS VON MINORITÄTEN (MOSCOVICI)
Wann kann eine Minderheit die Mehrheit beeinflussen?
2 Bedingungen:
a) Minderheit vertritt abweichenden Standpunkt konsequent
b) es kommt zu echten Einstellungs- und Urteilsänderungen
 MOSCOVICI et al. (1969): Farbwahrnehmungsaufgabe:
 Blau- bzw. Grün-Urteile
 Verhalten der Minorität konsequent vs. inkonsistent
 Ergebnisse: konsistente Bedingung  Minorität beeinflusst Farbwahrnehmung
 Farbschwelle verändert (!)
 ASCH: Effekte bei einstimmiger Majorität viel schwächer
Erklärung der Ergebnisse:
a) attributionstheoretisch (HERKNER) Einfluss von Minorität nur, weil sie hohe Konsistenz
über die Zeit und hohen Konsensus (Eistimmigkeit) aufweist
b) dissonanztheoretisch  Majorität passt sich zunächst verhaltensmäßig Minorität an 
Dissonanz zu ihrer Wahrnehmung  Reduktion der Dissonanz durch Anpassung der
Wahrnehmung
 aber: konsistentes Verhalten führt bei Mehrheit zum Eindruck der Rigidität
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 NEMETH, SWEDLUND & KANKI (1974): wie MOSCOVICI et al. (1969), aber Bedingungen
des Verhaltens der Minderheit:
 konsistent grün  rigide
 konsistent grün-blau  kompromissbereit
 zufällig (mit gleicher Häufigkeit grün und grün-blau)
 systematisch (hellere Dias: grün; dunklere: grün-blau)
 Ergebnisse: Einfluss systematisch > kompromissbereit > rigide > zufällig
(vgl. HERKNER, S. 463 – 468; MYERS, S. 325 – 330)
weitere Einflussfaktoren:
a) Doppelminoritäten (zahlenmäßig und sozial)  weniger Einfluss als rein zahlenmäßig
b) Unterscheidung Verhaltensstil (konsistent / inkonsistent) vs. Verhandlungsstil (rigide /
flexibel  kompromissbereit  größerer Einfluss)
c) Konversionstheorie (MOSCOVICI 1980) (vgl. HERKNER, S. 466): Majoritäts- vs.
Minoritätseinfluss  beide lösen jeweils unterschiedliche Konflikte aus
 Majorität (ASCH)  nur äußere Anpassung
 interpersonaler Konflikt  soziale Vergleichsprozesse (ohne tieferes Nachdenken
über das sachliche Problem)  oberflächliche Verhaltensanpassung
 Minorität (MOSCOVICI)  echte Einstellungsänderungen
 kognitiver Konflikt  vertiefte Auseinandersetzung mit Problem, keine
Vergleichs-, sondern Validierungsprozesse  Einstellungsänderung
 Gegenmeinung anderer Autoren: Unterschiede rein quantitativ  auch bei Majorität tiefe,
grundlegende Informationsverarbeitung möglich, wenn Info ich-bezogen und relevant ist
 bei Minorität: Selbstaufmerksamkeit erhöht  Konformitätsprozesse (HERKNER, S. 467)
VIII. Autoritätsgehorsam
1. DAS MILGRAM-EXPERIMENT
 «Vl» (eigentliche Vp) soll «Vp» (Gehilfe des Vl) bestrafen, falls gelerntes Wort falsch 
immer höhere Elektroschocks (in 15-V-Schritten), zuletzt lebensgefährlich
 Wie weit geht Vp?
 Ergebnisse:
 bis 150 V alle Vp
 62% bis zum Schluss (450 V !)
 Selbst- und Fremdeinschätzungen viel geringer (befragte Psychiater: 0,1% gehen bis zum
Schluss)
 Probleme: hoher psychischer Druck für Vpn  führte zu Standard-Ethik-Kodex in USA
(vgl. MYERS, S. 216 – 220)
situative Faktoren:
a) Nähe zum Opfer und Gehorsam
 Gehorsamsrate 30%, wenn Arm des «Schülers» auf Elektrode gedrückt werden muss
b) Legitimität / Anwesenheit der Autorität
 wenn Vl nicht Wissenschaftler, sondern Doktorand  Gehorsamsrate 
c) Prestige der Institution
 wenn keine Legitimation als wissenschaftliche Institution: Gehorsamsrate 48%
d) Modelle für Ungehorsam
 wenn 2 andere sich weigern: Gehorsamsrate 10%
e) Uneinigkeit von zwei Autoritäten
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Gehorsamsrate 0%
2. WEITERE EXPERIMENTE ZUM MILGRAM-PARADIGMA
 HOFLING et al. (1966): Medikament soll von Schwester verabreicht werden – aber
unzulässige Dosierung auf Geheiß des Arztes  95% der Schwestern befolgen dies (vgl.
MYERS, S. 222)
 MEEUS & RAAIJMAKERS (1986): administrativer Gehorsam (vgl. MYERS, S. 242)
 angeblicher Bewerber für eine Stelle wurde grausamen Tests unterzogen und fiel am
Ende durch
 angebliches Ziel: Stresserzeugung durch negative Rückmeldungen  harte
Auswahlkriterien, denen sich Bewerber unterziehen muss
 Ergebnis: 90% gehorchen
3. GROUPTHINK (JANIS)
 JANIS (1971, 1982): untersucht Reihe politischer Fehlentscheidungen, z. B.
 Pearl Harbor
 Invasion in der Schweinebucht
 Vietnamkrieg
 Fazit: Fehlentscheidungen beruhten auf «groupthink» (Kollektivdenken)
(vgl. MYERS, S. 316 – 325)
Risikoschub bei Gruppenentscheidungen:
 einzelne Vpn mit 2 Entscheidungsalternativen konfrontiert (z. B. sicherer Job mit wenig
Bezahlung vs. Job bei neugegründeter Firma mit guter Bezahlung)
 Vpn sollen angeben, wie groß die Erfolgschance für riskantere Alternative sein muss, um
sich dafür zu entscheiden
 nach Gruppendiskussion und anschließendem Konsens  Risikobereitschaft deutlich
größer als durchschnittliche Risikobereitschaft der Einzelurteile (= Risikoschub, risky
shift)
 Erklärungen:
 Risiko wird in Gruppe auf viele Personen aufgeteilt  Verantwortung für den
Einzelnen sinkt
 Risikofreudige sind einflussreicher (extravertierter, überzeugender)  aber: auch in
homogener Gruppe Risikoschub
 größere Vertrautheit mit dem Problem (durch Gruppendiskussion)  Eindruck
geringerer Gefährlichkeit – aber: es gibt auch das Phänomen des cautious shift
(genaues Gegenteil), wenn mögliche Folgen der riskanten Alternative besonders stark
 wird dadurch nicht erklärt
 durch Diskussion gegensätzliche soziale Normen aktiviert  Vorsicht oder Risiko
aktiviert oder verstärkt (normativer Einfluss)
 Informationseinfluss: wie normativer, aber mit Argumenten  ist stärker als
normativer Einfluss
 Gruppenpolarisierung: ursprünglich vorherrschende Position wird durch die
Diskussion verstärkt (gilt für jede Art von Einstellung)
 Bsp.: MOSCOVICI & ZUVALLONI (1969)  Einstellungen zu bestimmten
Gegenständen / Personen werden nach Diskussion extremer
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
4. KOLLEKTIVDENKEN: BEDINGUNGEN, CHARAKTER UND SYMPTOME
Vorbedingungen:
a) Gruppe mit hohem Zusammenhalt
b) Gruppe nach außen hin isoliert
c) keine systematischen Verfahrensweisen, das Pro und Contra der verschiedenen
Handlungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen
d) ein direktiver Führer, der eine Handlungsmöglichkeit ausdrücklich favorisiert
e) starker Stress
 Kollektivdenken:
 Bedürfnis, unbedingt einen Konsensus zu erzielen und Meinungsunterschiede zu
vermeiden
Symptome:
a) Illusion der Unverwundbarkeit, Moralität, Einmütigkeit
falls abweichende Meinungen:
b) Druck auf Andersdenkende
Folgen des Drucks:
c) Selbstzensur bei Nichtübereinstimmung
d) kollektive Rationalisierungen
e) selbsternannte «Meinungshüter»
f) stereotype Sicht von Gegnern
5. MÄNGEL DES ENTSCHEIDUNGSPROZESSES BEI KOLLEKTIVDENKEN
a) unvollständige Untersuchung der Ziele der Gruppe und der alternativen
Handlungsmöglichkeiten
b) fehlende Abschätzung der Risiken der bevorzugten Wahlentscheidung
c) schlechte und unvollständige Suche nach relevanten Infos
d) selektive Voreingenommenheit bei der Verarbeitung der vorliegenden Info
e) fehlende Neubewertung verworfener Alternativen
f) fehlende Aufstellung von Alternativen für den Fall des Scheiterns
6. MASSNAHMEN GEGEN KOLLEKTIVDENKEN (VON JANIS SELBST)
a) Aufklären der Teilnehmer über das Phänomen des Kollektivdenkens
b) Einführung einer «offenen Debatte» (Pro und Contra)
c) Institution des «advocatus diaboli» (einer muss immer gegen alles sein und gute
Argumente dafür liefern)
d) Bewertung der Entscheidung durch externe Experten
e) zwei unabhängige Teilgruppen bilden
f) nochmaliges Treffen mit Nachvollzug des gesamten Entscheidungswegs
IX.
Aggression
1. WAS IST AGGRESSION?
 physisches oder verbales Verhalten mit der Absicht, einer anderen Person zu schaden
31
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
32
Operationalisierung im Experiment:
 Schatten einer «anderen Vp»  elektrische Schläge verabreichen (z. B. MILGRAM)
 Schlagen, treten einer aufgeblasenen Gummipuppe (z. B. BANDURA)
 verbale Bereitschaft zur Aggression (Fragebogen)
 Fremdeinschätzung der Aggressionsbereitschaft (peers, Lehrer)
 Selbstauskunft über früheres eigenes aggressives Verhalten
2 Formen von Aggression:
a) Feindselige Aggression
 Aggression als Selbstzweck
b) Instrumentelle Aggression
 (z. B. zwischen Kindern) Handlung zur Erreichung
eines Ziels
 Theorien zur Entstehung von Aggression gehen auf diese beiden Formen zurück, beziehen
aber nicht immer beide Formen ein
2. AGGRESSIONSTHEORIEN
2.1. TRIEBTHEORIE VON FREUD




angeborener Todestrieb, Gegenspieler zum Eros
«Triebstau», der nach Abfuhr verlangt
Konzept der Katharsis  Abfuhr auf nicht-destruktive, sozial akzeptierte Weise
Probleme: emipirisch nicht prüfbar, nur post-hoc-Erklärungen; Katharsis zweifelhaft
2.2. ETHOLOGIE
 K. LORENZ, I. EIBL-EIBESFELD
 Aggression dient der Arterhaltung
 hydraulisches Energiemodell  Triebenergie staut sich auf  Schlüsselreize 
Triebabfuhr
 ist auch auf menschliches Verhalten übertragen worden
 vergleichbar Katharsis  kontrollierte Abfuhr der aggressiven Energie, z. B. durch
Holzhacken, Sport treiben
 Probleme: zu simpel, kann viele psychologische Befunde nicht erklären; Tierreich: nach
Kampf sind Tiere noch aggressiver
2.3. FRUSTRATIONS-AGGRESSIONS-THEORIE
 DOLLARD & MILLER (1939)
 Frustration: Blockierung zielgerichteten Verhaltens  enttäuschte Erwartung,
Zielobjekte zu erlangen
 Deprivation: Mangel an Zielobjekten
 vorausgegangene Frustration  Aggression
 3 Erscheinungsformen der Aggression:
 nach innen gerichtet
 verschoben auf Sündenböcke
 direkt gegen Furstrator gerichtet
 Probleme:
 Ursachen von Aggression können vielfältige andere Faktoren sein
 Frustration kann auch andere Reaktionen auslösen (z. B. Apathie, Regression)
 MILLER reagiert mit abgeschwächter Theorie:
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
33
 Frustration erhöht Bereitschaft zu Aggression; Aggression = dominante Reaktion auf
Frustration
2.4. REVIDIERTE FRUSTRATIONS-AGGRESSIONS-HYPOTHESE
 BERKOWITZ (1969, 1982)
 Zusätze zur Theorie:
 vermittelnde Funktion von Ärger  Bereitschaft zur Aggression
 Ärger: wenn jemand als Frustrator auftritt, obwohl er hätte anders reagieren
können
 Vorraussetzung für Aggression: situative Faktoren, die mit aggressivem Verhalten
assoziiert sind (z. B. Waffen, Vorhandensein geeigneter Opfer, auch bestimmte
Kleidung etc.)
 Experiment von BERKOWITZ (wann?): «Ärger, Film und Aggression»
 3-Personen-Situation: Vp, Vl, Vertrauter des Vl (Pseudo-Vp)
 Auswirkung bestimmter Filme auf den Blutdruck, danach Aufgabe ausführen
 Pseudo-Vp beschimpft Vp  Ärger  Vorbedingung für Aggression vs. keine
Beschimpfung
 dann aggressiver vs. neutraler Film
 anschließend: Vp kann Pseudo-Vp elektrische Schläge geben
 Ergebnis: geärgert + aggressiven Film gesehen  meiste Schläge
 ohne Ärger  Aggression generell niedrig
 weiteres Experiment von BERKOWITZ (auch kein Jahr; vielleicht BERKOWITZ & LEPAGE
1967?):
 geärgert vs. nicht geärgert
 neutrale Objekte (Badminton-Schläger) in Umgebung vs. Raum mit
aggressionsfördernden cues (Gewehr)
 Ergebnisse: ohne Ärger generell niedrige Aggression
 mit Ärger: höhere Aggression mit Waffen
 sogar Namen aggressiver Personen können als cues wirken
 Ärger ist Voraussetzung für Aggression; aggressionsfördernde cues erhöhen Aggression
(vgl. ARONSON, S. 282, MYERS, S. 390)
2.5. AGGRESSION ALS GELERNTE VERHALTENSWEISE
a) operante Konditionierung aggressiven Verhaltens: Lernen am Erfolg
b) Lernen durch Beobachtung aggressiver Verhaltensmodelle (BANDURA, ROSS & ROSS
1961, BANDURA 1997)
 BANDURA, ROSS & ROSS (1961, 1963a,b): erwachsenes Modell traktiert Puppe  Kinder
imitieren dies anschließend
 kopierten nicht nur Verhalten, sondern zeigten gegenüber der Puppe auch noch andere
Formen aggressiven Verhaltens
(vgl. MYERS, S. 397, ARONSON, S. 267)
 Kritik: nur Laborsituationen, im Alltag nie einfach Kopie von Verhaltensweisen
  BANDURA: soziale Lerntheorie  Einwirkung vieler Faktoren, wie antizipierte
Konsequenzen des Verhaltens, Kosten + Belohnung etc.
2.6. AGGRESSION ALS REAKTION AUF AVERSIVE ERREGUNG
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
Aggression
 Formen der aversiven Erregung: Lärm, räumliche Enge, Hitze
 ANDERSON & ANDERSON (1994): mehr Unfälle, wenn keine Klimaanlage (hab ich nicht
gefunden...)
 Ausschreitungen in 79 US-Städten zwischen 1967 und 1971 untersucht  höhere
Wahrscheinlichkeit an heißen Tagen
 Umgebungstemperatur und Gewalt:
bei Überschreiten bestimmter
Grenze  Fluchtreaktion
Umgebungstemperatur
 Lärm und Ärgerinduktion:
 wenn Vpn geärgert wurden  Bereitschaft zu Aggression schon bei geringem Lärm
hoch, besonders intensiv aber bei starkem
(vgl. MYERS, S. 399 – 403)
2.7. WIRKUNG UNSPEZIFISCHER ERREGUNG
a) Theorie der Erregungsübertragung (ZILLMANN 1971, 1979)
 unspezifische Resterregung von verschiedenen Ursachen (Hitze, Lärm, spannender Film
etc.) kann übertragen werden auf neue Erregungssituation
 Erhöhung der Aggressionsbereitschaft, wenn
 Person ohnehin aggressionsbereit
 zuvor Ärger induziert
(vgl. MYERS, S. 403 f.)
b) kognitiv-neoassozianistischer Ansatz (BERKOWITZ 1993)
 = verallgemeinerte BERKOWITZ-Theorie
 aversive Stimuli (Lärm, Hitze etc.)  direkter Effekt (ohne Vermittlung durch Ärger)
 Empfindungen von Furcht, Angst, Ärger  nur Begleiterscheinungen (haben keinen
vermittelnden Einfluss)
3. GEWALTDARSTELLUNG IN MEDIEN
 Korrelationsstudien: positiver Zusammenhang zwischen Konsum von Gewaltsendungen
und Häufigkeit aggressiver Verhaltensweisen  meist aber kurzfristige Effekte
 Katharsishypothese: Nimmt Aggressionsbereitschaft ab, wenn man Gewaltsendungen
konsumiert?  keine Belege
34
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
35
 Längsschnittstudien: bedeutende positive Korrelationen zwischen Konsum von
Gewaltdarstellungen und aggressiven Verhaltenstendenzen
 ERON & HUESMANN (1984): doppelt so hohe Kriminalitätsbelastung als 30-jährige, wenn
als Kind häufig Gewaltsendungen
 Feldexperiment: schauen von Filmen, danach Aggressionsniveau erhoben
 neutraler Film  Aggressionsniveau niedrig
 Gewaltfilm  Aggressionsniveau steigt bedeutsam an
 aber: Gewaltfilme werden auch vorrangig von gewaltbereiten Menschen
konsumiert
  selektive Vorliebe für Gewaltsendungen + Wirkung der Sendungen an sich 
Einfluss auf Aggresssionsniveau
(vgl. MYERS, S. 411 – 418)
Faktoren für erhöhte Gewaltbereitschaft:
 Effektivität (Aggression erscheint wirksam für Zielerreichung)
 Normativität (Aggression als legitim dargestellt)
 Empfänglichkeit (emotionale Erregung des Zuschauers)
 weiterer Effekt häufig konsumierter Gewaltdarstellungen:
 veränderte Einstellung gegenüber Aggression und Gewalt  Personen fürchten sich
mehr vor Überfällen; Boom von Bodyguards etc.; Ruf nach härterem Durchgreifen der
Behörden etc.
 Kinder beurteilen später aggressive Vergeltungshandlungen positiver
4. INDIVIDUELLE FAKTOREN BEI AGGRESSION
 Zusammenhänge zwischen antisozialen Persönlichkeitsstörungen und Psychopathie 
erhöhte Neigung zu krimineller Gewalt, verstärkt durch ungünstige Lebensbedingungen
 erhöhter Testosteronspiegel  erhöhte Aggressionsbereitschaft
 Typ-A-Persönlichkeit  erhöhte Aggressionsbereitschaft
5. SOZIALE KONSTRUKTION VON GEWALT UND KOLLEKTIVE GEWALT
Soziale Konstruktion von Gewalt:
 Einschätzung von Handlungen als aggressiv hängt ab von Bewertung
 Beispiele:
 bewaffneter Wiederstand = Freiheitskampf vs. Terrorismus
 persönliche Gewalt = brutaler Angriff vs. legitime Notwehr
 Bewertung als Aggression abhängig von:
 eigener Einstellung
 sozialer Rollenzugehörigkeit
 Perspektive (Beobachter vs. Akteur)
 etc.
Attribution eines Verhaltens als «aggressiv» hängt ab von:
a) Verantwortungszuschreibung für aversive Konsequenzen
b) Diskrepanz des Verhaltens zur Verhaltensnorm (Überreaktion, Vergeltungshandlung?)
c) Motiven der Person, die Macht durch Zwang ausübt:
 Kontrolle anderer
 Gerechtigkeit wieder herstellen
 Notwehr / Selbstschutz
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
36
d) ergänzenden, erläuternden Informationen zum Verhalten (Entschuldigungen, Erklärungen,
Rechtfertigungen)
Kollektive Gewalt:
= stärker als Gewalt von Einzelpersonen (klassisch: LEBON)
Erklärungsversuche:
a) Deindividuation in Gruppen (ZIMBARDO)
 nachlassende Verhaltenskontrolle (Wegfall von Hemmungen etc.)
 Bedingungen: Anonymität, Verantwortungsdiffusion
 Ergebnisse widersprüchlich
b) emergente-Norm-Theorie (TURNER et al. 1972)
 in Gruppensituationen entstehen neue, situationsspezifische Normen, u. a. auch für
aggressives Verhalten
  stärker nonkonformes Verhalten in Gruppen
c) Norm-Verstärkungs-Hypothese
 aggressives Verhalten hängt von den in der Gruppe dominierenden Normen ab 
Gruppe verstärkt vorherrschende Norm
6. WIE KANN MAN AGGRESSIONSBEREITSCHAFT VERMINDERN?
 BANDURA: Beobachten nicht-aggressiver Modelle
 Auslösen inkompatibler Verhaltensreaktionen (Empathie, Humor etc.)
 kognitive Kontrollstrategien (Gedankenstopp, Ärgerkontrolle)  verstärkt Wahl
alternativer Verhaltensweisen
 ZIMBARDO: Bewusstmachen der eigenen Identität als Mensch senkt Deindividuation
 Bewusstmachen der Gründe für Verhalten des anderen  Reduktion von Ärger und
Frustration
X.
Einzelleistung und Gruppenleistung
1. TYPEN VON GRUPPENLEISTUNGEN
Gruppenleistungen können sein vom Typ des
a) Hebens und Tragens (gemeinsame Kraftanstrengung)
 Walter MOEDE (1920): Tauziehen-Experiment
 je mehr Leute, desto geringer die Kraftanstrengung des Einzelnen
 MINTZ (1951): Vpn. ziehen an Fäden befestigte Metallstücke aus Flasche, aber nur durch
Koordination möglich (vgl. Herkner, S. 415)
b) Suchens (Problemlösen) und Findens (Entscheidungsfindung)
 HOFSTÄTTER (1971): Figuren verschiedenen Flächeninhalts der Größe nach ordnen
 allein arbeiten  individuelle Rangfolge; bestes Ergebnis: .67
 Arbeit in synthetischer Gruppe unterschiedlicher Größe
 bei Gruppengröße 20 Ergebnis (.92) besser als bei Größe 7
 in natürlichen Gruppen Ergebnisse schlechter (zu viele Meinungen)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
37
c) Bestimmens (Normenbildung, Konformität)
2. MODELLVORSTELLUNGEN FÜR GRUPPENLEISTUNGEN
LORGE & SOLOMON (1955):
a) best-man-Modell
 Gruppe leistet höchstens soviel wie bestes Mitglied
 Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein Mitglied Aufgabe löst, ist höher, als dass eine
Vp. allein dies tut
 Bsp. für Gruppe aus 2 Personen; Lösungswahrscheinlichkeit Person A = p, Person B = q
 A löst, B nicht:
p(1 – q)
 B löst, A nicht:
q(1 – p)
 beide lösen:
pq
 Summe:
p(1 – q) + q(1 – p) + pq
>
p (Behauptung)

p(1 – q) + q(1 – p) + pq – p >
0

p(1 – q + q – 1) + q(1 – p) >
0

q(1 – p)
>
0
da 0 < p, q < 1, gilt:
1–p
>
0

p
<
1 (ist per def. wahr)
 Gruppenwahrscheinlichkeit > Einzelwahrscheinlichkeit, q. e. d.
 nur bei disjunkten, einstufigen Aufgaben mit eindeutigen Lösungen
(vgl. HERKNER, S. 479)
b) pooling-Modell
 Gruppe leistet mehr als bestes Mitglied
 bei konjunkten, mehrstufigen Aufgaben
 aber: tatsächliche Gruppenleistung unterhalb der optimalen
 z. B. wird richtige Lösung zwar gefunden, aber nicht als Gruppenlösung akzeptiert
LAUGHLIN et al. (1975): Effekt der Gruppengröße auf Gruppenleistung bei komplementären
Aufgaben (d. h. einer allein kann Lösung nicht erreichen):
 wenn Leistungsniveau des Einzelnen gering: kaum Leistungsvorteil bei größerer Gruppe
 wenn Leistungsniveau über Durchschnitt: Leistungsvorteil (flacht ab bestimmter Größe
ab)
3. SOZIALE LEISTUNGSAKTIVIERUNG
 F. W. ALLPORT (1920): social facilitation
 Anwesenheit anderer hat fördernde Wirkung auf die Leistung einer Person
 egal, ob «Publikumseffekt» (andere schauen nur zu) oder«Koaktionseffekt» (machen
mit  Konkurrenzsituation)
bis ca. 1940:
 Effekte bei vielen Aufgaben (physische Kraftanstrengung, Buchstaben durchstreichen
etc.) gefunden
 auch bei Tieren
 aber auch Reihe von Gegenbefunden (vgl. MYERS, S. 293)
  Verwirrung; Theorie der social facilitation wird 25 Jahre lang unbeachtet gelassen
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
38
Robert ZAJONC (1965): verknüpft experimentalpsychologische Befunde zu arousal mit
Theorie der social facilitation
 Experimentalpsychologie: je höher arousal, desto größer Erleichterung für dominante
Reaktion auf eine Aufgabe
 dominant: auch, wenn Aufgabe einfach ist, d. h. automatisiert abläuft
 bei Anwesenheit anderer: arousal ,  Erleichterung für einfache Aufgaben + Hemmung
schwierigerer
  erklärt gegensätzliche Befunde
ZAJONC & SALES (1966):
 Vpn. mussten Pseudowörter 1 bis 16 Mal wiederholen
 erschienen dann angeblich unterschwellig auf einem Monitor und sollten erkannt werden
(in Wirklichkeit nur zufällige schwarze Linien)
 Vpn. «erkannten» v. a. häufigste Wörter  waren dominant geworden
 bei Anwesenheit von anderen (social facilitation)  Effekt noch größer
(vgl. MYERS, S. 292 ff.)
4. ERKLÄRUNGEN FÜR ERREGUNG IN ANWESENHEIT ANDERER
a) Bewertungs-Besorgnis-Hypothese
 COTTRELL (1972):
 Anwesenheit anderer führt zur Antizipation einer Bewertung der eigenen Leistung
 positive Bewertungserwartung:
Antriebsniveau 
 negative Bewertungserwartung:
löst zusätzlich Angst aus
 führte Experiment durch wie ZAJONC & SALES (1966), aber mit 3. Bedingung:
Beobachter tragen Augenbinden (können nicht bewerten)
 Ergebnis: mit Augenbinde wesentlich geringerer Einfluss
(vgl. MYERS, S. 297)
 DASHIELL (1930) (?):
 Vpn. mussten verschiedene Aufgaben lösen (z. B. Multiplizieren, Analogien bilden)
 aV: Geschwindigkeit und Richtigkeit
 allein vs. nebeneinander ohne Konkurrenz vs. mit Konkurrenzsituation  keinerlei
Effekte
 aber: Effekte, wenn Zuschauer, die bewerten konnten
 MARKUS (1978): [ausgelassen]
b) Ablenkungs-Konflikt-Hypothese
 SANDERS, BARON & MOORE (1978):
 durch Anwesenheit anderer Menschen Ablenkung der Aufmerksamkeit von der
jeweiligen Aufgabe
 Konflikt zwischen Verteilung der Aufmerksamkeit auf die Aufgabe und auf das
Publikum  Überlastung des kognitiven Systems  arousal
 SANDERS (1981):
 «social facilitation» nicht nur durch Anwesenheit anderer Menschen, sondern auch bei
nichtmenschlicher Ablenkung, z. B. durch Lichtblitze
(vgl. MYERS, S. 298)
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
39
c) ZAJONC-Hypothese
 bloße Anwesenheit anderer löst den Effekt aus
 ließ z. B. Farbpräferenzen äußern  Material, das keiner Bewertung unterzogen werden
kann
 ebenso Effekt bei Tieren gefunden
  bloße Anwesenheit genügt
(vgl. MYERS, S. 298)
d) Selbstaufmerksamkeitstheorie
 DUVAL & WICKLUND (1972):
 Anwesenheit anderer löst Selbstaufmerksamkeit aus
 Selbstaufmerksamkeit: Aufmerksamkeit ist auf eigenen Körper und eigenes Verhalten
gerichtet; Vergleichsprozesse mit Idealselbst, ...
 Anwesenheit anderer  Wahrnehmung von Diskrepanz zwischen Ideal und
tatsächlicher Leistung  mehr Anstrengungen
  Leistungsverbesserung
 bei schwierigen Aufgaben: Diskrepanz zu groß
  Motivation   Leistung 
e) Selbstdarstellungstheorie
 C. F. BOND (1982):
 Anwesenheit anderer: Bedürfnis nach Selbstdarstellung
  mehr Anstrengung und Konzentration bei leichten Aufgaben
 bei schwierigen Aufgaben: Frustration, Angst
f) Automatische vs. kontrollierte Prozesse
 MANSTEAD & SEMIN (1980):
 Publikum zieht Aufmerksamkeit auf sich
 leichte Aufgaben: automatische Verarbeitung  wenig Aufmerksamkeit
 schwierige Aufgaben: kontrollierte Verarbeitung  viel Aufmerksamkeit  Leistung

 entspricht Theorie b)
5. ANSTRENGUNGSVERMINDERUNG (SOZIALE FAULHEIT)
 relativer Einzelbeitrag bei bestimmten Gruppenleistungen lässt nach (z. B. beim
Tauziehen)
 vgl. MOEDE (s. o.), desgleichen Max RINGELMANN bereits vor fast 100 Jahren
 LATANÉ et al. (1979): «social loafing» (soziale Faulheit)
 ließen Vpn. so laut wie möglich applaudieren  mit zunehmender Gruppengröße
sinkt Einzelleistung
 Metaanalyse über 50 Studien: Phänomen unabhängig von Aufgabe
Bedingungen:
 Anteil der eigenen Leistung nicht eindeutig feststellbar
 Aktivität geht nur auf Veranlassung des Vl zurück
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
40
Verhindern sozialer Faulheit:
 Vorhandensein von Selbstdarstellungsmotiven
 Möglichkeit zur Bewertung der Gruppenleistung reduziert soziale Faulheit
 Aufgabe ist für Person selbst wichtig
 persönliche Wichtigkeit der Gruppe (Kohäsion)
Erklärungshypothese:
 Selbstaufmerksamkeitstheorie (MULLEN, 1987):
 je mehr Vpn. dem Vl. gegenüberstehen, desto geringer Selbstüberwachung
(vgl. MYERS, S. 299 – 303)
XI.
Soziale Konflikte
1. ARTEN SOZIALER KONFLIKTE





Rollenkonflikte
intraindividuelle Konflikte
soziale Konflikte zwischen Gruppen (z. B. SHERIF)
interpersonelle Konflikte
hier: Interessenkonflikte
(siehe
oben)
2. EXPERIMENTELLE SPIELE
 Beispiel (konfliktfrei):
I
I
Spieler B
1
1
II
0
0
Spieler A
II
0
0
-1
-1
 Nullsummenspiel: was der eine gewinnt, verliert der andere
 Nicht-Nullsummenspiele:
 PD-Spiel: beide gewinnen oder beide verlieren
 «Feigling»-Spiel: beide wählen die Alternative, ein wenig zu gewinnen  stürzen sich
aber ins verderben und verlieren
3. PD-SPIEL
= Prisoner’s Dilemma
 2 Gefangene, kein Kontakt
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
41
 beide leugnen  beide geringe Haftstrafe
 genau einer gesteht  er selbst Freispruch, der andere sehr hohe Haftstrafe
 beide gestehen  beide mittlere Haftstrafen
 Dilemma: bei Kooperation Gefahr, ausgenutzt zu werden
 Was machen Partner in solchen Situationen?
 30% bis 40% der Spieler kooperativ
  die meisten egoistisch (!)
 um sich nicht ausbeuten zu lassen  lieber konkurrenzorientiert
Lösung zur Kooperation:
 tit-for-tat-Strategie: gleiches mit gleichem vergelten
 wenn Partner A egoistischer Zug  Partner B auch egoistisch; solange, bis A
kooperiert
 Gewinne und Verluste in Auszahlungsmatrix ändern
 Gewinn bei Kooperation erhöht  aber: auch hier spielen die meisten Spieler
egoistisch
 Machtungleichgewicht herstellen: A hat Ergebniskontrolle über B  wird am häufigsten
angewandt
 Bedingung für kooperatives Spiel: Kommunikation
(wenn Kommunikation möglich  Prozentsatz steigt von 30 – 40 auf 70% !)
4. EINFLUSSVARIABLEN ZUR KOOPERATIONSBEREITSCHAFT
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
Einstellungen der Partner zu Kooperation bzw. Wettbewerb
Kommunikationsmöglichkeit (soziale Vergleichsprozesse)
spezielle Motivation der Partner (masochistisch / sadistisch)
andere soziale Einstellungen (autoritäre vs. liberale etc.)
tatsächliches Partnerverhalten
erwartetes Partnerverhalten (gegenseitige Wahrnehmung der Partner)
Modelle (wenn man Vp sieht, die kooperativ spielt  erhöhte Wahrscheinlichkeit für
eigenes kooperatives Spiel)
h) Höhe des möglichen Gewinnes / Verlustes
i) unterschiedliche Machtverhältnisse
5. LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN SOZIALER DILEMMATA
a)
b)
c)
d)
e)
durch Verordnungen
kleinere Einheiten / Parteien bilden
Kommunikation
Kosten-Nutzen-Relation verändern
an soziale Normen appellieren
 generelles Problem: Laborsituation schwer übertragbar (Personen fassen Spiele tatsächlich
als Spiele auf)
 Lösung: tatsächlich um Geld spielen lassen, oder Sich-Hineinversetzen in Situation
erreichen
 da Spiele meist gespielt werden, um Spaß zu haben oder Langeweile zu vertreiben 
andere Modelle von Nöten
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
XII.
Soziale Motivation
1. WAS IST HILFEVERHALTEN?
 freiwilliges Verhalten (kein Helfen von Ärzten etc.)
 mit der Absicht, jemandem zu helfen
 oft mit persönlichen Nachteilen verbunden
2. BEREITSCHAFT ZUR INTERVENTION BEI «NOTFÄLLEN»
2.1. LATANÉ & DARLEY (1968)
 Eindringen von Rauch in Experimentalraum
 wenn Vp. allein: 75% schlagen Alarm nach 2 Minuten
 zu dritt: 13 % nach 6 Minuten
 Situation umgedeutet: kein Notfall (z. B. harmloser Wasserdampf)
 Angst, sich lächerlich zu machen
 aber: starke Aktivierung aller Beobachter (keine Apathie)
2.2. LATANÉ & RODIN (1969)




«Fall von der Leiter»
allein:
70% Hilfeleistung
zu zweit:
40%
Situation nicht umdeutbar (!)
2.3. DARLEY & LATANÉ (1968)
 simulierter epileptischer Anfall während einer Gruppendiskussion
 linearer Abfall der Hilfebereitschaft mit zunehmender Gruppengröße
 Ursachen: u. a. Aufteilen von Verantwortung
2.4. PILIAVIN ET AL. (1969)






U-Bahn in N. Y. City
«Opfer» mit Krückstock:
95% helfen innerhalb von 5 Sekunden
«Opfer» mit Alkoholfahne:
50% helfen innerhalb von 30 Sekunden
Situation kann nicht umgedeutet werden
kein Entrinnen aus Situation möglich  kein Abschieben der Verantwortung
Variierte Variablen:
 selbstverschuldet (keine Hilfebereitschaft) vs. nicht selbstverschuldet
 Opfer blutet oder nicht
 Geschlecht der Helfer: Frauen halfen weniger häufig
2.5. BRYAN & TEST (1967)
 Dame mit Autopanne, 1 km davor eine andere Autopanne
 wenn dort jemand half: 58 von 4000 halten
 wenn nicht:
35 von 4000 halten
42
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
43
2.6. STAUB (1971)
 simulierter Notfall im Nachbarraum
 Bedingungen: Nebenraum darf betreten werden vs. nicht vs. kein Hinweis auf Nebenraum
 bei Erlaubnis deutlich mehr Hilfeleistung; Verbot oder kein Hinweis: keine Unterschiede
2.7. DARLEY & BATESON (1973)
 Theologiestudenten
 2 Bedingungen:
 2 Seminarthemen (guter Samariter vs. neutral: berufliche Probleme)
 Zeitdruck variiert (Vortrag zum Thema vorbereiten)
 auf dem Weg über den Hof kauert jemand in der Ecke
 Ergebnisse: Thema kaum Einfluss
 aber: je höher Zeitdruck, desto weniger helfen
2.8. BEAMAN ET AL. (1978)
 Aufklärung über Hilfebereitschaft in Notfällen (Film, Vortrag) vs. nicht
 14 Tage später:
 Vgr: 43% Hilfe
 Kgr: 25% Hilfe
2.9. COHE ET AL. (1978)
 Bedeutung von Empathie
 erhoben über Fragebogen oder induziert durch Instruktionen
 angebliches Medikament verabreicht mit Information «entspannend» vs. «aktivierend»
 Radio: Kommilitonin kann sich nicht mehr um Studium kümmern, da Eltern bei Unfall
ums Leben gekommen seien und sie auf kleine Geschwister aufpassen müsste
 wenn Erregung durch Medikament erklärbar: nicht so viele Hilfsangebote
 Empathie-Effekt ???
3. EINFLUSSFAKTOREN FÜR HILFEHANDELN
 Entscheidungsbaum beim Hilfehandeln nach LATANÉ & DARLEY (1968):
Vp muss Vorfall bemerkt haben

Vp muss Vorfall als Notsituation interpretieren

Vp muss sich verantwortlich fühlen

Hilfe
Einflussfaktoren:
a) Merkmale des Opfers
 Ähnlichkeit mit Helfer wirkt sich positiv aus
 nicht, wenn Vp der Situation nicht entrinnen kann (Bsp. PILIAVIN et al. (1969))
 Blut, Verletzungen, Schwere des Notfalls  wenn psychische Kosten (z. B. Ekel,
eigene Bedrohung) zu hoch: Hilfsbereitschaft sinkt
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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 Beziehung Opfer – Helfer spielt große Rolle (z. B. ob Opfer vorher selbst geholfen hat)
 Erklärungen:
 abhängigen, hilfsbereiten Menschen hilft man eher  aktivieren Normen des sozialen
Hilfehandelns
b) Situationsabhängigkeit
 Zahl der Zuschauer (je mehr, desto niedriger Hilfebereitschaft)
 Erklärung: Aufteilung der Verantwortung; Passivität der anderen suggeriert
Interpretation als Nicht-Notfall
 Zeitdruck
c) Merkmale der «Zuschauer»
 Empathie
 emotionale Erregung
 wahrgenommene eigene Kompetenz
4. THEORIEN ALTRUISTISCHEN VERHALTENS
a) Aktivierung-Kosten-Nutzen-Theorie




PILIAVIN (1969, 1981)
Annahme: jede Notsituation führt zur unangenehmen Erhöhung der Aktivierung
 Bestrebung, diese Aktivierung so ökonomisch wie möglich zu reduzieren
Kosten-Nutzen-Überlegungen gegenseitig abwägen
erregunserhöhende situative Faktoren:
 Schwere des Notfalls
 Eindeutigkeit der Notsituation
 Ähnlichkeit Beobachter – Opfer
 keine selbstverschuldete Notlage
 physische Nähe zum Opfer
5-Stufen-Modell:
1) Situation als Notfall wahrgenommen?
 (ja)
2) Aktivierung empfunden?

3) Aktivierung dem Notfall zugeschrieben?

4) Berechnung von Kosten und Nutzen für Helfen oder Nichthelfen

5) Entscheidung und Handeln (Hilfe bzw. keine Hilfe)
 Kosten für Hilfeleistung: Zeit, Geld, Aufwand, Ekel, Befürchtung, sich lächerlich zu
machen
 Nutzen bei Hilfe: Lob, Anerkennung, Selbstwertsteigerung, Stolz, nach Norm gehandelt
zu haben
 Kosten bei Nichthilfe: Schuldgefühle, Vorwürfe, Strafen, Schaden für das Opfer,
Selbstwertminderung
 Nutzen bei Nichthilfe: ungestörte Fortführung eigener Aktivitäten, Vermeidung von
eventuellem Schaden
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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Abbau der Aktivierung:
 direkte Hilfe
 indirekte Hilfe (Arzt holen)
 Flucht
 Abwertung des Opfers
 Umdeutung der Situation
 Ignoranz der Situation
b) Empathie-Altruismus-Hypothese






BATSON (1987)
Grundannahme: echter Altruismus ist selten
am häufigsten: egoistische Motive (Belohnung, Lob, SWG stärken etc.)
oder: Motivation, das eigene Unbehagen / die Aktivierung abzubauen (auch Egoismus)
echter Altruismus = Hilfe als Selbstzweck
Empathie-bedingte Motivation = altruistische Motivation, dem Opfer zu helfen (Empathie
im Zentrum der Theorie)
 Kritk der Theorie: Empathie ungeignet experimentell simuliert
Alternativerklärung:
 CIALDINI et al. (1987): Modell der negativen-Stimmungsreduktion
 Empathie löst negative Stimmung aus  Abbau der negativen Stimmung durch Hilfe
 Hilfe für Opfer egoistisch motiviert
c) Soziologische Theorie: soziale Normen
 Wir helfen, wenn wir uns dazu verpflichtet fühlen, weil dies der Norm entspricht.
 Normen = soziale Erwartungen bestimmten Verhaltens in bestimmter Situation
 2 Normen:
 Norm der Reziprozität: Ich helfe denen, die mir geholfen haben.
 Norm der sozialen Verantwortung: Erwartung, dass Personen denjenigen helfen, die
von ihnen abhängig sind
 Kritik:
 situative, personelle, kognitive Faktoren nicht berücksichtigt
d) Soziobiologische Theorien
 Altruismus dient dem Erhalten der Art bzw. Sippe
 echten Altruismus (Empathie) gibt es nicht
 Belege:
 biologische Verwandtschaft: bei Katastrophen hilft man zuerst Familie, dann
Freunden etc.
 Reziprozität: Helfen nach dem Kooperationsprinzip hat selektive Vorteile; Betrüger
werden universell verachtet (Bsp.: Fledermäuse geben Beute an andere, die vorher sie
gefüttert haben)
5. GESELLUNGSSTREBEN (AFFILIATION)
 Stanley SCHACHTER (1959): need for affiliation
 = überdauerndes Motiv zur Gesellung, insbesondere in angstbesetzten Situationen
Sozialpsychologie II – Script von Tobias Elze, 1999
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Warum Gesellungsstreben?
 SCHACHTER (1959): 3 Experimente
 1. Experiment:
 2 Gruppen von Vpn; angebliche Elektroschocks angekündigt; schmerzhaft vs. harmlos
 Fragebogen nach Angst und ob lieber allein warten oder in Gesellschaft
 Ergebnis: bei Angst  lieber in Gesellschaft
 aber: Wessen Gesellschaft sucht man?  2. Experiment:
 lieber warten mit anderen Vpn oder mit Unbeteiligten?
 Ergebnis: lieber mit Personen mit dem gleichen Schicksal
 bestätigt durch ZIMBARDO & FORMICA: lieber mit Leuten, die Experiment noch vor
sich hatten
 aber: Warum Gesellungsstreben?  3. Experiment:
 Kommunikationsbedingungen in Wartezeit variiert: nicht über Experiment sprechen
vs. gar nicht sprechen
 Ergebnis: keine Unterschiede  nonverbale soziale Vergleichsprozesse Ursache
 bestätigt von WRIGHTSMAN (1960): Furchtreduktion durch Anwesenheit anderer Vpn
 durch Fragebogen erhoben
 auch Einfluss auf SCHACHTERs Gefühlstheorie
 GERARD & RABBIE (1961): Exp. wie SCHACHTER, aber mit angeblicher Aufzeichnung der
Hautleitfähigkeit
 nur eigene vs. auch die der anderen sichtbar
 in letzterer Bedingung: affiliation   soziale Vergleichsprozesse
Ergänzungen:
 Stress führt nicht immer zu Affiliation: bei mittlerer Angst Gesellschaft gesucht, bei
starker eher gemieden (NOLLEMAN et al. 1986)
 bei Angst als trait: bei Hochängstlichen (trait)  kein stärkeres Gesellungsstreben mit
Personen in ähnlichen Situationen (eher hingezogen zu Personen mit ähnlicher
Persönlichkeit oder hilfreichen Personen)
(vgl. HERKNER, S. 468-471)
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