Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht

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Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Berlin – April 2002
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
Inhalt:
1. Die Erlebnisepisode „Spinnenangst“ – Wahrnehmungsschemata und Modelle der Psychologie
Exkurs I: Experimente, Demonstrationen und psychologische Theorien
2. Problemorientierte Einstiege in die Paradigmen der Psychologie
2.1 Einstieg in die Tiefenpsychologie: „Gedächtnislücken“
2.2 Einstiege in den Behaviorismus: „Worte und Gefühle“ und „Telepathie“
2.3 Einstiege in die Ganzheitspsychologie: „Scheinbewegung“, „Akustische Gestalten“,
„Unvollendete Rhythmen“, „Rasterbild“
2.4 Einstieg in die Psychobiologie: „Pupillenreakion“ und „Kindchenschema“
2.5 Einstieg in den Kognitivismus: „Tiefe der Verarbeitung und Wiedererinnern“, „Abwehrer und
Sensibilisierer“
3. Unterrichtsexperimente und Demonstrationen zur Sozialpsychologie
3.1 Unterrichtsexperiment: „Gruppendruck“
3.2 Unterrichtsdemonstration: „Gruppenbildung“
3.3 Unterrichtsdemonstration: „Nasa-Übung“
4. Klinische Psychologie: „Schizophrene Symptome“
5. Persönlichkeitspsychologie und –diagnostik
5.1 „Präsentation” im Rahmen eines Assessment-Centers
5.2 Der „Graphical Symbol Translation Test“
6. Polizeipsychologie: „Zeuge eines Verkehrsunfalls“
Exkurs II: Funktionen psychologischer Unterrichtsdemonstrationen und Experimente
Dr. Günter Sämmer
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Berlin – April 2002
1. Die Erlebnisepisode „Spinnenangst“ – Wahrnehmungsschemata und Modelle der
Psychologie
Demonstration „Spinnenangst“
Die Schüler(innen) werden gebeten, sich ruhig hinzusetzen und sich intensiv das vorzustellen, was nun langsam
und eindringlich beschrieben wird:
„Stellen Sie sich vor, unter Ihrem Tisch, vor Ihrem Fuß sitzt eine dicke schwarze Spinne ...
(abwarten, bist wieder Ruhe eingekehrt ist!)
Sie beginnt sich zu bewegen ...
und nähert sich langsam dem Schuh ...
nun krabbelt sie auf den Schuh und gleich von außen aufs Hosenbein ...
Sie klettert immer weiter nach oben ... jetzt hat sie schon den Pullover erreicht ...
und sie klettert immer höher ... nun spüren Sie sie zum ersten Mal am Hals kribbeln ...
Sie klettert weiter über das Kinn ...
und nun sollten Sie besser den Mund schließen!“
Wenn sich der Tumult gelegt hat, dürfen diejenigen Schüler, die von alledem unberührt geblieben sind, weil sie
keine Spinnenangst haben (oder dies vorgeben), ihren „Mut“ beweisen und die „dicke schwarze Spinne“ mit der
flachen Hand zerquetschen!
Aufgabe (für eine Partnerarbeit):
Beschreiben und erklären Sie das demonstrierte Phänomen!
Mögliche wissenschaftliche Erklärungen
1. Die psychobiologische Erklärung: Die Konfrontation mit bestimmten Tieren (darunter Spinnen) löst als
angeborener Auslösemechanismus (AAM) Angst- oder Fluchtreaktionen aus. Diese sind im Verlauf der
menschlichen Evolution (in den Urwäldern der Vorzeit) entstanden und hatten eine adaptive Funktion; d.h. sie
sicherten den frühen Menschen eine höhere Fortpflanzungswahrscheinlichkeit (reproduktive Fitness) , da sie sie
vor gefährlichen Lebewesen schützten.
2. Die behavioristische Erklärung: Die Ekel- und Angstreaktionen sind gelernte Verhaltensformen: In
bestimmten sozialen Situationen wurde die Spinnenangst konditioniert, z.B. durch Beobachtung heftiger
Angstreaktionen bei einem Erwachsenen (stellvertretendes Klassisches Konditionieren). Als Auslöser kommen
neben dem eigentlichen Reiz „Spinne“ auch deren Vorstellungen in Frage.
3. Die kognitivistische Erklärung: Die Angst entsteht durch einen Prozess der Informationsverarbeitung: Neben
der allgemein anerkannten Information „Spinnen sind (in Europa) harmlos“ müssen „irrationale
Überzeugungen“ („irrational believes“)vorhanden sein, die die Angst erzeugen, z.B. „Spinnen können durchaus
auch gefährlich sein, vgl. die ‚Schwarze Witwe’!“ - „Spinnen können Krankheiten übertragen“.
4. Die tiefenpsychologische Erklärung: Die „Spinne“ ist ein Symbol, das verdrängte, frühkindliche Ängste
aktiviert. So könnte die Assoziationskette „Spinne - Spinnennetz - gefangen sein - gefressen werden“ unbewusst
an die ödipale Situation in der Familie erinnern, wo auch eine Lebensbedrohung aus dem engsten Familienkreis
unbewusst phantasiert wurde.
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Exkurs I zur Didaktik psychologischer Unterrichtsdemonstrationen
Experimente, Demonstrationen und psychologische Theorien
1. Um ein psychisches Phänomen zu beschreiben und zu erklären sind psychologische Wahrnehmungsschemata
oder Modelle erforderlich. Dies können sein
 Alltagspsychologische Grundmuster, die man der kulturellen Umgebung entnimmt oder
 Wissenschaftliche psychologische Theorien und Modelle
2. Ein wissenschaftliches oder alltagspsychologisches Modell legt fest
 welche konkreten psychischen „Gegenstände“ (Aspekte) man wahrnimmt
 welche typischen Zusammenhänge, Hintergründe, Ursachen man annimmt?
3. Es gibt (mindestens) fünf wissenschaftliche psychologische Wahrnehmungs- und Erklärungsgrundmuster
(psychologische Paradigmen):
 Tiefenpsychologie
 Behaviorismus
 Ganzheitspsychologie
 Psychobiologie
 Kognitivismus
Die fünf Paradigmen der Psychologie
Perspektive /
Paradigma
betrachtete
Grundelemente
wichtige
Theorien
Unbewußte Prozesse:
Umgang mit elementaren Bedürfnissen und Antrieben
verdrängte Kindheitserlebnisse (Bedürfniskonflikte)
Abwehrmechanismen, Übertragungsprozesse
Instanzenmodell
(Ich/Es/Überich)
Traumdeutung
Neuroselehre
Ganzheitspsychologie
Ganzheiten, die sich selbst organisieren:
Miteinander in sozialen Systemen
Selbstverwirklichung der Person
ganzheitliches Wahrnehmen, Denken, Handeln
Gestaltgesetze
WERTHEIMER
nichtdirektives Gespräch
ROGERS
Systemtheorie
WATZLAWICK
Behaviorismus
beobachtbares Verhalten:
als Reaktion auf auslösende äußere Reize (Reizkontrolle)
Verhaltensänderung durch Lernprozesse
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Modellernen
Psychobiologie
biologisches Verhalten mit Anpassungsfunktion:
Sicherung des Überlebens und der Fortpflanzung,
genetische und stammesgeschichtliche Bedingtheit
Humanethologie
Bindung
biologische Signale
LORENZ
BOWLBY
MORRIS
Kognitivismus
Informationsverarbeitungsprozesse:
Interpretation von Vorgängen, Erwartungen, Einstellungen
Organisation von Wissen, Problemlösen
zielgerichtetes Handeln, selbsttätige Handlungssteuerung
Speichermodelle
Hypothesentheorie
Attributionstheorie
MILLER
BRUNER
WEINER
Tiefenpsychologie
wichtige
Vertreter
FREUD
ADLER
JUNG
WATSON
SKINNER
BANDURA
Abb. 1: Die fünf Paradigmen der Psychologie, die von Ihnen betrachteten psychischen Grundelemente und einige
zugehörige Theorien.
Fazit für den Einsatz von Demonstrationen und Experimenten im Unterricht:
Jede Demonstration und jedes Experiment im Psychologieunterricht steht immer im Kontext mit einem oder
mehreren theoretischen Erklärungsmodellen. Daraus folgt:
Ohne den Hintergrund eines wissenschaftlichen theoretischen Modells sind Experimente und
Demonstrationen im Psychologieunterricht sinnlos!
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2. Problemorientierte Einstiege in die Paradigmen der Psychologie
2.1
Einstieg in die Tiefenpsychologie: „Gedächtnislücken“
Der Einstieg in die Tiefenpsychologie, ihre typischen Wahrnehmungs- und Erklärungsschemata und ihre Methodik
kann mit Hilfe einer Didaktischen Erlebnisepisode zum Phänomen des „motivierten Vergessens“ erfolgen. Sie
macht Vorgänge erlebbar, die z.B. aus tiefenpsychologischer Sicht von großem Interesse sind:
- die „Verdrängung“ peinlicher oder unangenehmer Vorstellungen, die mit dem Aufruf von bestimmten
gefühlsbezogenen Begriffen einhergehen,
- die „Introspektion“ zur Bewusstmachung emotionaler und kognitiver Begleitprozesse,
- die „Analyse“ und „Deutung“ von Material, das der Introspektion sowie dem Verdrängungsprozess entstammt.
Damit lassen sich durch diese Erlebnisepisode im nicht-pathologischen Bereich sowohl die „unbewusste Dynamik“
von „Abwehrmechanismen“ als auch die methodisch bedeutsamen Prozesse der „Introspektion“, der „Analyse“
und der „Deutung“ erlebnisorientiert erfassen.
(Übrigens ist das Phänomen des „motivierten Vergessens“ durchaus auch aus kognitivistischer Perspektive
interpretierbar, denn es macht einige Bedingungen für den „Abruf gespeicherter Informationen“ erlebbar.)
a) Einstieg
Demonstration: „Gedächtnislücken“ (Didaktische Erlebnisepisode)
Jeder Kursteilnehmer soll innerhalb der nächsten 5 Minuten alle Begriffe für Gefühle auf ein leeres Blatt schreiben,
die ihm einfallen. Dabei ist es weder erlaubt zu sprechen, noch „abzugucken“.
(In der Regel beginnen die Vpn flüssig zu schreiben. Bei den ersten „versiegt“ der Strom der Begriffe aber bald,
und es gibt die ersten Pausen. Schon nach 2-3 Minuten schreibt kaum noch jemand. Diese Phase des erfolglosen
„Nachdenkens“ sollte auf jeden Fall abgewartet werden, damit jeder Teilnehmer diese Erfahrung machen kann.
Erst dann bricht der Vl ab.)
b) Nachgespräch, Festhalten der Eindrücke und unbeeinflusste Deutungen
Um die Didaktische Erlebnisepisode auszuwerten, muss, wie oben gezeigt, in der nachfolgenden Reflexion ihr
„Erlebnisgehalt“ bewusst gemacht werden:
Ein aufgezeichnetes Unterrichtsgespräch:
Lehrer: Was haben Sie erlebt?
Sch 1: Anfangs ging es ja ganz gut, aber dann fiel mir nichts mehr ein - und ich war ziemlich verwirrt, weil
ich wusste dass das noch nicht alles sein kann.
Sch 2: Ja, ich dachte immer, das ist bestimmt noch nicht alles.
Sch 3: Ich dachte, ich hätte ein Brett vor dem Kopf. Ich hab ganz fest nachgedacht, aber da kam nichts mehr.
Sch 1: Ich habe dann noch mal durchgelesen, was ich schon hatte, aber das half auch nichts.
Sch 4: Ich hab´ nur ganz wenige Begriffe - das find´ ich ganz schön peinlich.
Sch 5: Das liegt aber daran, dass manche Begriffe nicht so bekannt sind.
Sch 4: Quatsch! Du kannst mir doch nicht erzählen, ich wüsste nur 7 Wörter für Gefühle!
Sch 6: Die sind einem bestimmt peinlich, darum vergisst man die.
Sch 7: Ja genau! Ich glaub´ man traut sich nicht, die hinzuschreiben.
Sch 8: Wie soll das gehen, ´sich nicht trauen´, wenn sie einem doch gar nicht einfallen?
c) Systematische Auswertung - Einführung von Elementen tiefenpsychologischer Methodik
Jede Erlebnisepisode ist zwar ein selektives Ereignis, dennoch ist sie zunächst grundsätzlich „paradigmenfrei“. (Sie
enthält schließlich keinerlei Erklärungsvorgänge, sondern ist „reines“ Erleben.)
Die ersten spontanen Schüleräußerungen lassen aber schon implizite Erklärungsschemata erkennen, allerdings mit
unterschiedlicher „paradigmatischer Färbung“:
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- „Die (vergessenen Begriffe) sind einem bestimmt peinlich ... „ (tiefenpsychologisch)
- „... manche Begriffe (sind) nicht so bekannt...“ (kognitivistisch)
- „... man traut sich nicht, sie hinzuschreiben.“ (behavioristisch)
Damit muss nun im nächsten Schritt die weiterführende Reflexion auf die gewünschte paradigmatische Perspektive
hin akzentuiert und kanalisiert werden. Dies geschieht nun im Hinblick auf die tiefenpsychologische Deutung und
die tiefenpsychologische Methodik durch implizite Lenkung der Aufmerksamkeit in Form weiterführender
Nachfragen:
1. „Introspektion“:
Einige Aspekte, die schon in der „Spontanphase“ geäußert wurden, werden selektiv vertieft, und zwar durch
folgende Fragestellungen:
- Glauben Sie, dass Ihre Liste von Gefühlen vollständig ist?
- Welches Gefühl hatten Sie in der letzten Phase, als Ihnen nichts mehr einfiel?
- Was haben Sie gedacht oder gefürchtet?
- Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen während des Nachdenkens?
Fast alle Teilnehmer wissen natürlich, dass ihre Listen nicht vollständig sind. Manche berichten von einem
„Gefühl der Leere im Kopf“, als einem nichts mehr einfiel, obwohl man wusste, dass es noch viel mehr Gefühle
gibt. Manche fühlten sich irritiert, weil sie sahen, dass andere „soviel schrieben“, sie selber aber keine Idee mehr
hatten.
2. „Analyse“ der Lücken:
Nun soll jeder Teilnehmer feststellen, welche Gefühlsbereiche in seiner Aufzeichnung fehlen.
Zwei mögliche Methoden:
- Mehrere Vpn lesen (freiwillig!) ihre Aufstellungen langsam und laut vor; alle anderen Vpn sollen bei jedem
vorgelesenen Begriff feststellen, ob sie dieses oder ein ähnliches Gefühl notiert haben. Fehlt es, so wird es an
eine besondere Stelle auf dem Blatt (als „Lücke“) notiert. Nachdem mehrere Aufstellungen verlesen sind,
versucht jeder Teilnehmer für sich, die gesammelten „Lücken“ zu Gefühlsbereichen zusammenzufassen.
(Empfehlenswert bei vertrauensvoller Atmosphäre im Kurs)
- Der Vl bittet die Vpn, ihre Liste mit der folgenden zu vergleichen (es sind dies Gefühlsbereiche, die bei
Oberstufenschülern erfahrungsgemäß häufig ausgelassen werden):
 Überlegenheit, Überheblichkeit
 Lust, Begierde
 Scham, Schuld
 Rache
 Schadenfreude
 Aggression
3. „Deutung“ der Lücken:
- Zunächst sollen alle Teilnehmer sich auf die Liste ihrer persönlichen „Lücken“ konzentrieren, sich
Situationen vorstellen, in denen die betreffenden Gefühle entstehen und sich die typischen Reaktionen ihrer
sozialen Umgebung vergegenwärtigen. Sie sollen ihre emotionalen inneren Vorgänge bei diesen
Vorstellungen festhalten.
- Nun soll jeder für sich versuchen herauszufinden, ob es Zusammenhänge gibt zwischen den eigenen Lücken
und den bisherigen individuellen Erfahrungen (z. B. in Familie, Schule oder Freundeskreis). (5 Minuten
Bedenkzeit, in der nicht gesprochen wird.)
Anschließend wird gefragt, wer sich dazu äußern möchte.
Die Diskussion im Kurs ergibt meist, dass es sich bei den „Lücken“ häufig um Gefühle oder Gefühlsbereiche
handelt,
- die gesellschaftlich negativ bewertet werden, also „verpönt“ sind,
- deren Eingestehen in der Öffentlichkeit mit Scham und Peinlichkeit verbunden ist,
- die in der persönlichen Vergangenheit sanktioniert wurden.
4. Reflexion der vergangenen Erlebnisse:
Hier werden nun diejenigen Erlebnisse festgehalten (verbalisiert), die im Verlauf der „Analyse“ entstanden sind;
z.B. durch die folgenden Fragestellungen:
- Was empfindet man, wenn man seine „Lücken“ erkennt? Was denkt man?
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- Kann man die Deutung („persönliche oder gesellschaftliche Tabus“) nachvollziehen? Oder möchte man
davon lieber „nichts wissen“?
- Wie empfindet man die „Vorstellungsübung“ zu den „Lücken“
d) Einführung des tiefenpsychologischen Sprachspiels
Die tiefenpsychologische Erklärung
Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen lassen sich nun die zentralen paradigmatischen Elemente des
tiefenpsychologischen Paradigmas verdeutlichen:
Das „Vergessen“ bestimmter Gefühlsbegriffe, die spontanen „Erinnerungslücken“, sind Ausdruck unbewusster
Prozesse.
In der Kindheit gab es konflikthafte Situationen, in denen von starken Triebregungen ausgehende Gefühlszustände
(z.B. „Lust, Begierde“, „Rache“, „Aggression“) auf Sanktionen der sozialen Umwelt stießen oder peinliche und
beschämende Konsequenzen nach sich zogen. (Man wurde etwa für eine solche Gefühlsäußerung betraft oder
ausgelacht, wenn man davon sprach.) Jede bewusste Erinnerung an einen solchen Gefühlszustand war von nun an
von negativen Affekten (hervorgerufen durch Strafe oder Peinlichkeit) begleitet.
Um diese nicht mehr erleben zu müssen, wurden die damit zusammenhängenden Erlebnisse ins Unbewusste
verdrängt. So werden in aktuellen Situationen alle Prozesse gehemmt, zensiert, also abgewehrt, die eine
Assoziation mit diesem negativen Affekt erzeugen können (also z.B. die Erinnerungen an den sanktionierten
Gefühlszustand oder auch nur die Nennung des Begriffs). Es kommt zu Störungen in den bewussten Prozessen,
deren Ursache dem Bewussten unbekannt bleibt: Man „vergisst“ den Begriff.
Das psychische System erhält also durch die Verdrängung sein Gleichgewicht zurück und passt sich so an die
Forderungen der sozialen Umwelt an: Das Individuum lernt (unbewusst) welches kritische und welches unkritische
Gefühle sind (welche „sich gehören“ und welche nicht), es lernt völlig automatisiert, bedrohlichen Situationen (z.B.
spontanen Äußerungen sanktionierter Gefühle) auszuweichen. In seinem Erleben und Verhalten entstehen
„Lücken“ (verdrängte Bereiche), die Bestandteil seiner Persönlichkeit werden.
Bei „Analyse“ und „Deutung“ sind typische „Abwehrmechanismen“ zu erkennen.
- Man fühlt sich „ertappt“ bei der Einsicht in bestimmte Zusammenhänge und leugnet diese.
- Gegen bestimmte Deutungen, aber auch gegen bestimmte Erinnerungen stellt sich „Widerstand“ ein.
Übrigens: Auch die Kenntnisnahme der obigen tiefenpsychologischen Erklärung bedroht ebenfalls die
Verdrängung! Sie wird deshalb häufig geleugnet. Man sucht Ersatzerklärungen (z.B. „Vergessen aus Zufall“ oder
„Vergessen, weil diese Begriffe im Alltag so selten vorkommen“).
Widerstände geben aber wichtige Hinweise auf verdrängte Konflikte, so dass eine Widerstandsanalyse an diese
Konflikte heranführt.
Dr. Günter Sämmer
2.2
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Einstiege in den Behaviorismus: „Worte und Gefühle“ und „Telepathie“
Demonstration „Worte und Gefühle“ (Didaktische Erlebnisepisode)
Welche Gefühle kommen auf, wenn man folgende Worte hört (nach jedem Stichwort Antwort einzelner Schüler
erbitten):
- „Weihnachten“
- „Sonnenschein“
- „Tod“
- „Nazi“
Leitfrage: Wie kommt es dazu, dass wir auf bestimmte Signale (hier: Vorstellungsbilder, Wörter) mit bestimmten
Gefühlen reagieren?
Das Unterrichtsexperiment: „Telepathie“
Verlauf:
Mit der Ankündigung eines Experiments zur „Telepathie“ nimm der Vl hinter einem Tisch Platz. Die Vpn sitzen
möglichst nah davor, und zwar so, dass sie den Oberkörper des Vl vollständig sehen können. Der Vl nimmt nun
von einem vor ihm liegenden „gemischten” Skatblatt (32 Karten in zwei Farben: rot und schwarz) nacheinander
jede Karte einzeln auf, betrachtet sie einige Sekunden sorgfältig und legt sie auf einem anderen Stapel wieder ab,
ohne dass die Vpn hineinschauen konnten.
Die Vpn sollen bei jeder aufgehobenen Karte „die Gedanken des Vl lesen“, also raten, ob diese schwarz ist.
Glauben sie, dies sei der Fall, so notieren sie ein „s“, sonst nur einen Strich („-“). Nachdem der Vl die Karte
weggelegt hat, sagt er das richtige Ergebnis („schwarz“ oder „nicht schwarz“), und die Vpn notieren hinter ihren
Tip, ob dieser richtig („r“) oder falsch („f“) war. Nun hebt der Vl die nächste Karte auf.
Der Vl macht nun immer bei jeder schwarzen (also „richtigen“) Karte eine bestimmte, für ihn charakteristische
winzige Bewegung (z.B.: Schlucken und über die Lippen lecken; einmal kurz und hörbar durch die Nase Luft
einziehen; sich auf dem Stuhl zurechtrücken). Bei roten (also „falschen“) Karten lässt er die Bewegung weg (was
sorgfältig zu kontrollieren ist!). Wichtig ist nur, dass die Bewegung im alltäglichen Verhalten des Vl häufig
vorkommt, zwar für alle deutlich erkennbar ist, aber nicht besonders auffällt. (Das Gelingen des Experimentes
hängt entscheidend von dieser Bedingung ab!)
Einige wichtige Zusatzmaßnahmen:
- Die erste Karte sollte schwarz („richtig“) sein und bei den folgenden vier sollten sich dann rot und schwarz
abwechseln. Dann erst kann zu einer lockereren Zufallsordnung übergegangen werden.
- Die Vpn müssen vorher deutlich darauf hingewiesen werden, absolute Stille zu halten: niemand darf spontan
etwas rufen, lachen oder sich gestisch und mimisch äußern (Scheinbegründung: dies zerstöre die „medialen
Kräfte“)
- Niemand darf beim Nachbarn abgucken (Scheinbegründung: sonst werde man keinen Aufschluss über seine
eigenen „telepathischen Fähigkeiten“ bekommen)
Auswertung:
Sind alle 32 Skatkarten auf diese Weise einzeln abgehoben, geraten und weggelegt, dann sollen alle Vpn jede für
sich die Zahl ihrer richtigen Rateversuche feststellen. (Achtung: immer noch ohne Spontanäußerungen!) Da von 32
Karten eines Skatspiels die Hälfte schwarz sind, sind alle Ergebnisse, die deutlich über 16 liegen, oberhalb der
einfachen Ratewahrscheinlichkeit. (In der Regel streuen die Ergebnisse im unteren 20er-Bereich!)
Nachdem alle ihre „medialen Leistungen“ festgestellt haben, nun die Frage:
„(Bitte nicht in die Klasse rufen, nur die Hand heben!): Wer hat eine Erklärung für die guten Leistungen?“
Vpn, die das nonverbale Signal des Vl bewusst wahrgenommen haben, melden sich hier meist sehr spontan. Ihr
Anteil ist aber, wenn der Vl das Signal diskret eingesetzt hat, selten höher als 15 Prozent ! Der Vl klärt nun die
Tatsache des von ihm eingesetzten nonverbalen Signals auf, ohne es zu nennen, und alle Vpn sollen nun
aufschreiben, worin ihrer Meinung nach das Signal bestand.
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Aufgabe:
Erklären Sie die Ergebnisse des Experiments mit Hilfe der Theorie des Operanten Konditionierens.
Mögliche Lösung:
Im „Telepathie“-Experiment wird gelernt, beim Erscheinen eines diskriminativen Reizes (des nonverbalen Signals)
ein operantes Verhalten zu zeigen: „ ´s´ hinschreiben“. Die Bestätigung der richtigen Reaktion durch den Vl erfolgt
kontingent, wodurch die Auftretensrate des operanten Verhaltens (in Anwesenheit des diskriminativen Reizes)
deutlich ansteigt:
In der ersten Hälfte des Experiments liegt die Trefferquote (mit MW1 = 9,4) nur geringfügig über der
Ratewahrscheinlichkeit von 8 Treffern, während sie in der zweiten Hälfte deutlich darüber liegt (MW2 = 11,3).
Damit ist die Versuchsleiterbestätigung ein positiver Verstärker für die operante Reaktion.
Hinweis: operantes Verhalten, insbesondere die Reizdiskrimination, wird (auch) gelernt, ohne dass dieser Vorgang
bewusst wahrgenommen wird. Die Mehrheit der Vpn im obigen Experiment kann den diskriminativen Reiz nicht
nennen.
(Dieser Hinweis ist für einen orthodoxen Behavioristen natürlich überflüssig, da dieser ohnehin nicht zwischen
bewussten von unbewussten Prozessen unterscheidet!)
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2.3
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Einstiege in die Ganzheitspsychologie: „Scheinbewegung“, „Akustische Gestalten“,
„Unvollendete Rhythmen“, „Rasterbild“
Demonstration : „Scheinbewegung“ nach WERTHEIMER
Auf einem Schirm erscheint kurz ein schräg nach links liegender schwarzer Balken (a); dieser verschwindet, und es
erscheint unmittelbar danach ein zweiter Balken (b) schräg nach rechts liegend; darauf erscheint wieder Balken (a)
usw. .
Die Wechselfrequenz wird nun mehrmals variiert, und die Versuchspersonen (hier: Schüler) werden jeweils
gefragt: Welcher Eindruck entsteht?
Sie sollen diesen Wahrnehmungseindruck stets verbal beschreiben.
Phase 1:
Es wird ganz langsam, mit großen Pausen, von links nach rechts gewechselt und umgekehrt. Es entsteht der
Eindruck von zwei verschiedenen Balken, die im Wechsel erscheinen.
Phase 2:
Die Vpn werden nun aufgefordert, ein Handzeichen zu geben, wenn sich an ihrem Eindruck etwas ändert:
Wird nun sukzessive die Wechselfrequenz erhöht, so tritt bald ein neues Phänomen (ein neuer „Eindruck“) auf: Es
scheint, als bewege sich ein Balken pendelförmig von links nach rechts und zurück (das „Phi-Phänomen“, die
Scheinbewegung).
In der Computersimulation wird diese Übergangsfrequenz „Einzelbalken → Scheinbewegung“ )Entstehung der
Scheinbewegung) quantitativ festgehalten. Führt man die Demonstration in der Gesamtgruppe durch, so wird die
Frequenz bestimmt, bei der die Hälfte der Vpn ihr Zeichen gegeben haben.
Phase 3:
Die Wechselfrequenz wird nun stetig wieder abgesenkt. Dies führt schließlich wieder zum Verschwinden der
Scheinbewegung, und man „sieht“ wieder einzelne Balken nacheinander erscheinen.
(In der Computersimulation wird die Übergangsfrequenz „Scheinbewegung → Einzelbalken“ registriert)
Der Vergleich der Übergangsfrequenzen ergibt in der Regel einen deutlichen Unterschied: Die Übergangsfrequenz
„Einzelbalken → Scheinbewegung“ (Entstehung der Scheinbewegung) ist höher als die Übergangsfrequenz
„Scheinbewegung → Einzelbalken“ (Verschwinden der Scheinbewegung); kurz gesagt: damit die Scheinbewegung
wieder verschwindet, müssen die Balkenwechsel viel langsamer werden als beim ihrem Entstehen.
Demonstration: „Akustische Gestalten“
Ein völlig gleichförmiges (!) Ticken ertönt, erzeugt z.B. durch ein verdecktes Metronom oder durch einen
Computer. Die Vpn werden aber in Unkenntnis darüber gelassen, dass es sich um ein gleichförmiges Ticken
handelt!
a) Suggestion eines nicht vorhandenen Phänomens: Der Vl setzt eine Wahrnehmungsnorm
Der Vl „dirigiert” nun mit der Hand in der Luft einen Viervierteltakt, indem er jeweils ein Tickgeräusch „betont”
und die drei nächsten nur andeutet. Die Vpn werden gebeten, durch Handzeichen anzuzeigen, wenn sie den
vordirigierten „Viervierteltakt“ hören!
(Schon nach wenigen Sekunden melden sich fast alle Vpn, obwohl das Ticken in Wirklichkeit völlig gleichförmig
ist! Diese Suggestion ist sehr stark. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass der Takt wirklich „existiert”!)
Der Vl stoppt das Ticken und gibt vor, das Gerät „umzustellen”. Dann setzt er das weiterhin völlig gleichförmige
Ticken fort und dirigiert nun einen „Dreivierteltakt“.
(Mit demselben Ergebnis !)
b) Gruppensuggestion: Die Gruppe bildet eine Gruppennorm
Nach einem zweiten vorgetäuschten „Umstellen“ des Gerätes werden die Vpn dann gebeten, ohne Hilfe den ”kaum
merklichen Takt” (Dreiviertel oder Vierviertel) aufzuspüren und ganz leise auf dem Tisch nachzuklopfen.
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(Nach kurzer Zeit beginnen die ersten Vpn „etwas zu hören” und entsprechend leise zu klopfen; bald klopft die
gesamte Gruppe denselben Takt! Es wurde von der Gruppe suggestiv eine gemeinsame WahrnehmungsWirklichkeit „konstruiert”. Erst danach wird die Tatsache der Gleichförmigkeit der Tickgeräusche aufgeklärt.)
Demonstration: „Unvollendete Rhythmen“
Der Vl klopft einen bekannte Rhythmus und wiederholt ihn einige Male. Beim letzten Mal allerdings lässt er den
letzten Schlag weg.
Z.B. das bekannte: Tam Ta da daa da, Tam Tam!
Es wird beim letzten Versuch zu: Tam Ta da daa da, Tam ...
Die Vpn werden nach ihrem „Eindruck“ gefragt.
(Meist wird von einer „Spannung“ berichtet, einem Bedürfnis, den Rhythmus zu beenden.)
Demonstration: „Rasterbild“
Ein gerastertes und stark vergrößertes Foto (Rasterbild, vgl Abb. 5.2) wird mit der Rückseite nach oben im
normalen Leseabstand den einzelnen Vpn vorgelegt. Auf Kommando des Vl soll es nun umgedreht und auf
dieselbe Stelle wieder auf den Tisch zurückgelegt werden (von sich weghalten oder auf andere Weise die
Leseentfernung ändern, ist nicht gestattet).
Phase 1:
Die Vpn sollen zunächst eine Minute lang versuchen festzustellen, was auf dem Bild dargestellt ist (ohne
miteinander zu sprechen!). Sie sollen versuchen, ihre Eindrücke während dieser Phase zu registrieren und sich zu
merken.
(Die überwiegende Mehrheit der Vpn ist zunächst nicht in der Lage, auf dem Bild irgend etwas zu erkennen.
Manche haben das Bild auf dem Kopf stehend vor sich liegen, ohne dies zu bemerken, was der Vl durch verkehrtes
Vorlegen schon provozieren kann.)
Phase 2:
Nun wird vom Vl ein Bild angehoben (mit der Bitte um Aufmerksamkeit!) und ganz langsam von den Betrachtern
entfernt... (von der letzten Sitzreihe ausgehend langsam nach vorne).
In der Regel äußern die Vpn hier deutlich ihr Erstaunen, das mit dem zunehmenden Erkennen des
Bildgegenstandes einhergeht.
Dann wird das Bild in einiger Entfernung aufgestellt und beschrieben.
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Berlin – April 2002
Abb.: „Rasterbild“ (aus: KRECH & CRUTCHFIELD, 1971; S. 44)
Die Schüler erhalten nun die Aufgabe (z.B. in Partnerarbeit), nach den Familienähnlichkeiten zu suchen:
Aufgabe:
„Finden Sie Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen vorgestellten Phänomenen“.
Ergebnisse
Die zusammengetragenen Ergebnisse enthalten in großer Häufigkeit die folgenden Aspekte (hier in üblicherweise
vorkommenden Schülerformulierungen):
- Aus verschiedenen einzelnen Bestandteilen entsteht etwas völlig Neues:
 aus dem Wechsel zweier Balken die Bewegung eines Balkens
 aus einzelnen Tickgeräuschen ein Takt
 aus den Takten einzelner Personen wird ein gemeinsamer Gruppen-Takt
 aus einzelnen Klopfgeräuschen ein Rhythmus
 aus einzelnen Rasterpunkten ein Gegenstand.
- Dies geschieht meist „automatisch“, man kann sich nicht „dagegen wehren“.
- Wenn das Neue einmal da ist, „geht es schwer wieder weg“; es „will sich halten“; es „will zusammenbleiben“.
Damit sind umgangssprachlich (!) die wesentlichen Prinzipien der Ganzheitspsychologie erfasst.
Das Emergenzprinzip: Aus der wechselseitigen Beziehung von Teilen zueinander entsteht ein prinzipiell neues
emergentes Phänomen. dessen Eigenschaften die Teile nicht haben, eine Ganzheit (oder „Gestalt“).
Bei den Scheinbewegungen tritt z.B. ein einzelner Reiz (Balken (a) in wechselseitige Beziehung (Lagebeziehung
und abwechselndes Erscheinen) zu einem anderen, dem Balken (b). Es entsteht daraus ein emergentes Phänomen,
die „Bewegung“ eines Balkens. Die beiden Balken haben in der Summe nichts, was einer Bewegung ähnlich ist.
Deshalb gilt:
Ganzheiten sind stets etwas anderes als die Summe ihrer Teile
(„Gesetz der Übersummation“)
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Ganzheiten in den obigen Demonstrationen:
Demonstration:
Teile
wechselseitige
Beziehung
„Scheinbewegungen“
Balken (a)
Balken (b)
Lage, abwechselndes „Scheinbewegung“
Erscheinen
Einzeltöne
in gleichmäßigen
Abständen ertönen
„Takt“
Einzeltakt bei jeder Vp
(Einzelnorm)
gleichzeitiges
Klopfen
gemeinsamer „Takt“
(Gruppennorm)
„Unvollendete
Rhythmen“
einzelnes
Klopfgeräusch
zeitliche Anordnung
„Rhythmus“
„Rasterbild“
einzelne Rasterpunkte
räumliche Lage
„Bild“
„Akustische Gestalten“
2.4
Ganzheit, emergentes
Phänomen
Einstieg in die Psychobiologie: „Pupillenreaktion“ und „Kindchenschema“
Demonstration 1: Die Pupillenreaktion
Betrachten Sie die beiden obigen Zeichnungen! Auf welcher erscheint Ihnen das Mädchengesicht sympathischer?
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Grundsätzliches zur Pupillenreaktion
Eine Vergrößerung des Pupillendurchmessers findet statt
- bei geringerem Lichteinfall
- bei erhöhter emotionaler Erregung (freudiger Erwartung, „Spannung“ ...)
eine Verkleinerung findet statt bei
- Zunahme des Lichteinfalls
- beim Einsetzen negativer Affekte (Abscheu, Ekel, Hass ...)
(vgl. ARGYLE & COOK 1976)
Beispiele:
a) Männliche (m) und weibliche (w) Versuchspersonen bekamen verschiedene Fotos nackter Männer und Frauen
(Modelle) gezeigt, wobei die Lichtmenge jeweils genau konstant gehalten wurde (HESS 1972 u. 1975). Gemessen
wurde die Veränderung der Pupillengröße beim Anschauen der Fotos (Dias) im Vergleich zu einer homogenen
Fläche gleicher Helligkeit.
Modell m
Modell w
Vers.pers. m
7%
18%
Vers.pers. w
20%
5%
Mittlere Veränderung der Pupillengröße beim Betrachten nackter menschlicher Modelle
b) Wird Vpn (wieder unter genauer Kontrolle der Lichtmenge) eine der vier schematischen Augenmuster A, B, C,
D gezeigt, dann öffnen sich ihre Pupillen am weitesten bei der Betrachtung des Schemas A mit den größten
Innenkreisen („Pupillen“), während die Schemata mit kleineren Pupillen C, einem oder drei Augensymbolen (B
oder D) die geringste Pupillenreaktion hervorruft.
A
B
C
D
Folgerung: Die Wahrnehmung geöffneter Pupillen anderer erzeugt eine Reaktion, die zur Pupillenöffnung beim
Betrachter selber führt. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung sich schließender Pupillen.
Zusammenfassung zur Pupillenreaktion:
- Die eigene Pupillenreaktion ist nicht wahrnehmbar.
- Wahrnehmbar sind nur die mit steigender eigener Erregung oder zunehmender Ablehnung einhergehenden
physiologischen Korrelate.
- In den allermeisten sozialen Situationen nehmen wir weder die Pupillenreaktionen unserer Mitmenschen noch
unsere eigenen physiologischen Korrelate bewusst wahr.
- Nehmen wir über die Pupillenreaktion eines anderen dessen Erregungssteigerung (meist unbewusst) wahr, so
führt dies zu einer Erregungssteigerung bei uns selbst. Das gleiche gilt entsprechend für affektive Ablehnung.
- Affektive Erregungssteigerung wie auch Ablehnung können bei Menschen, die sich gegenseitig anschauen, zu
einem Aufschaukelungsprozess (positive Rückkopplung) mit dem Ergebnis erhöhter gegenseitiger Anziehung
oder Abstoßung führen.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
Berlin – April 2002
- Seite 14 -
Demonstration 2: „Kindchenschema „
A
B
C
D
E
F
G
H
Die obigen Köpfe von Kindern und Schafen werden vorgelegt (oder mit Lichtschreiber projiziert) mit der Aufgabe,
das Alter zu schätzen und in eine Rangreihe zu bringen („1“ für das Jüngste, „4“ für das Älteste):
Kinder:
A
B
C
D
Platz Nr.:
(Richtige Lösung: Kinder: A: 3; B: 2; C: 1; D: 4;
Schafe:
E
F
G
Platz Nr.:
Schafe: E: 4; F: 1; G: 3; H: 2)
H
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 15 -
Demonstration 3: „Kindchenschema“
Aufgabe
a) Beschreiben Sie den ersten emotionalen Eindruck beim Anblick der obigen Figuren.
b) Wie verhalten sich Menschen in der Regel kleinen Kindern und jungen Tieren gegenüber?
Beschreiben Sie und geben Sie Beispiele an.
Berlin – April 2002
Dr. Günter Sämmer
2.5
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 16 -
Berlin – April 2002
Einstieg in den Kognitivismus: „Tiefe der Verarbeitung und Wiedererinnern“, „Abwehrer und
Sensibilisierer“
Unterrichtsexperiment: „Tiefe der Verarbeitung und Wiedererinnern“
1. Überblick: In Konkurrenz zum Multi-Speicher-Modell des Gedächtnisses trat das Modell der
Verarbeitungsebenen von CRAIG und TULVING (1972/1975). Es geht davon aus, dass eingehende Informationen in
Stufen analysiert werden, die von der Analyse physikalischer Merkmale ausgehen und über eine mittlere phonemische Analyse zu einer tiefen semantischen Verarbeitung (Verarbeitung nach Bedeutung) reichen. Mit zunehmender
Tiefe der Verarbeitung, so die These, soll das Behaltensniveau steigen. Der Verarbeitungsebenenansatz wurde jedoch auch mit einigen Problemen konfrontiert. So erwies sich zum einen die Rekonstruktion einer festen Abfolge
von Stufen als zu starr; zum anderen ergaben sich Schwierigkeiten, die Verarbeitungsebenen zu operationalisieren.
CRAIK und TULVING revidierten ihr Modell dahingehend, dass die Behaltensleistung nicht von der Tiefe, sondern
von der Elaboriertheit und Reichhaltigkeit der Enkodierung abhängt. Dabei bezieht sich die Elaboriertheit des Enkodierens auf das Ausmaß, in dem Items mit anderen verbunden oder organisiert werden. Im allgemeinen sind
Informationen, die in der Form einer reichhaltigen und detaillierten Darstellung der Umwelt verschlüsselt werden,
in einem späteren Zeitpunkt besser zugänglich als ein Inhalt, der nach einem einfacheren oder kargeren Schema
verarbeitet wird. Ein Kode lässt sich also umso besser entschlüsseln, je vielfältiger und reichhaltiger er eingegeben
wurde. Daher kann jemand, der aufgefordert wird zu entscheiden, ob ein optisch kurzzeitig dargebotenes Wort
sinnvoll ist oder nicht, das Wort später besser erinnern, als wenn nur danach gefragt wird, ob das betreffende Wort
klein oder groß geschrieben erscheint.
2. Thematische Schwerpunkte: Lern- und Gedächtnispsychologie, Kodierung, Elaboration, Mnemotechnik,
Schema
3. Dauer: 25 min
4. Material/Raumbedingungen:
- Klassenraum
- OH-Projektor
- Folie mit 30 Worten (s. Anlage)
- Fragenkatalog (s. Anlage)
5.Durchführung:
Alle Schüler des Kurses nehmen an dem Experiment teil. Unabhängige Variable ist die Verarbeitungstiefe bzw.
Reichhaltigkeit der Enkodierung, die in 3 Ausprägungsstufen vorliegt, operationalisiert durch verschiedene Frageformen (Formfrage - geringe Verarbeitungstiefe; Reimfrage-mittlere Verarbeitungstiefe; Sinnfrage - hohe
Verarbeitungstiefe). Die abhängige Variable ist die Behaltensleistung der mit den Fragen gekoppelten Worte in
einem anschließenden Reproduktionstest.
Der Ablauf ist folgendermaßen: Der Vl liest zunächst die Frage vor (s. Anlage) und deckt anschließend für 2 sec
das Wort auf, das auf einer Folie vorbereitet wurde. In derselben Art und Weise wird bei allen 30 Worten
verfahren. Im Anschluss daran sollen alle Teilnehmer eine umfangreichere Additionsaufgabe, die ihnen der Vl
vorgibt, im Kopf rechnen. Anschließend fordert der Vl die Teilnehmer auf, möglichst viele der gesehenen Worte zu
erinnern, wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt.
6. Auswertung und Interpretation: In der Auswertungsphase legt der Vl eine nach den drei Fragekategorien
geordnete Wortliste auf den OH-Projektor und die Teilnehmer ermitteln die Anzahl ihrer richtig wiedergegebenen
Worte. Sodann wird für alle drei Kategorien der Mittelwert gebildet und miteinander verglichen. Die Teilnehmer
äußern sich zu den Ergebnissen. Die Worte, die mit Fragen verbunden sind, die eine reichhaltigere Enkodierung
indizieren, werden deutlich besser behalten als Worte, die lediglich auf einer physikalischen Ebene verarbeitet
werden. Als Fazit der Untersuchungen lässt sich festhalten, dass eine reichhaltigere Verschlüsselung zu einer
besseren Erinnerung führt. Eingehende theoretische Diskussion bei KINTSCH(1982) und WELLSESS(1984).
7. Arbeitsaufträge: Arbeitsblatt mit Originaluntersuchung: Erläutern der Untersuchung und Diskussion der
Ergebnisse; Methodenkritik; Konsequenzen der Befunde für die Lernpraxis
8.Variationen: Neben der Reproduktionsmethode kann auch die Methode des Wiedererkennens angewandt
werden. Dazu gibt der Vl neben den 30 zu erinnernden Wörtern noch 30 weitere auf Folie vor (gemischt), und die
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
Berlin – April 2002
- Seite 17 -
Vpn sollen aus diesem Pool die richtigen auswählen. Diese Methode ist ein empfindlicheres Maß für die
Behaltensleistung als die Reproduktionsmethode.
9. Literatur:
Michael G. WESSELLS: Kognitive Psychologie, New York 1984;
W. KINTSCH: Gedächtnis und Kognition, Berlin 1982;
CRAIG, F. I. & TULVING, E., 1975. Depth of processing and the retention of words in episodic memory. Journal of
Experimental Psychology: General, 104: 268-294.
A. BADDELEY: So denkt der Mensch; München 1988
Blatt 1
Versuchen Sie bitte die nachfolgenden Wörter zu klassifizieren, indem Sie, je nachdem, „Ja“ oder „Nein“
ankreuzen. Gehen Sie dabei in der vorgegebenen Reihenfolge vor und arbeiten Sie bitte zügig.
Sobald Sie damit fertig sind, lösen Sie bitte die Additionsaufgabe und bearbeiten Sie dann Blatt 2.
Ja
Nein
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit Hund?
Ist es der Name eines Tieres?
Reimt sich das Wort mit Pille?
Ist es der Name einer Frucht?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit Reise?
Ist es der Name eines Spiels?
Reimt sich das Wort mit Stumpf?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Ist es der Name eines Möbelstücks?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit Mutter?
Ist es der Name einer Zeiteinheit?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Ist es der Name eines Gemüses?
Ist es der Name eines Bauwerks?
Reimt sich das Wort mit Stock?
Ist es der Name eines Insekts?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit Bier?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit heiß?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit Brot?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Ist es der Name einer Krankheit?
Ist es der Name eines Landes?
Ist das Wort in Großbuchstaben gedruckt?
Reimt sich das Wort mit simpel?
Prinz
MUND
Tiger
STIL
FLASCHE
SCHERE
Rose
KORRIDOR
Skunk
Lampe
Sessel
TISCH
BUTTER
Statue
Eiche
Karotte
Berg
Bock
KAKERLAKE
Gewehr
BÄR
Buch
Reis
GRAB
BRETT
Sekretärin
Masern
SCHUH
KUTSCHE
Tempel
Additionsaufgabe: 4+6+3+7+9+1+5+8+3+2-3-5-2+9=
Blatt 2:
Versuchen Sie bitte alle klassifizierten Begriffe zu erinnern. Die Reihenfolge ist beliebig.
...
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Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Berlin – April 2002
Unterrichtsexperiment: „Abwehrer und Sensibilisierer“ (nach Bruner u. Postman)
Nachweis der Wahrnehmungsschwelle für tabuisierte Begriffe nach BRUNER UND POSTMAN
1. Überblick:
- Gibt es Unterschiede in der Geschwindigkeit, mit der neutrale bzw. tabuisierte Begriffe erkannt werden?
- Gibt es interindividuelle Unterschiede in den Wahrnehmungsstilen („Abwehrer“ / „Sensibilisierer“)?
- Welche strukturierenden Prozesse laufen vor der bewussten Wahrnehmungab?
Vier verschiedene (sexuelle) „Tabuwörter“ und vier „neutrale“ Wörter werden den Schülern des Kurses
tachistoskopisch dargeboten, anfangs mit sehrkurzen, dann mit immer länger werdenden Darbietungszeiten.
Es wird erwartet, dass manche Vpn die Tabuwörter deutlich später erkennen als die neutralen („Abwehrer“), dass
aber andere Vpn („Sensibilisierer“) umgekehrt die Tabuwörter früher und die neutralen Wörter später erkennen.
2. Inhaltliche Orientierung
2.1 Themen: Selektivität der Wahrnehmung, Wahrnehmunsschwellen, Abwehrmechanismen (Wahrnehmungsabwehr), „Manifestationen des Unbewussten“, Persönlichkeitsmerkmale und Konstruktbildung.
2.2 Einbau in verschiedene Unterrichtsreihen
a) Unterrichtsreihe: Wahrnehmungpsychologie
Wahrnehmungsselektion:
- Notwendigkeit der Auswahl von Informationen
- Selektion der Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit erregende Bedingungen: Reizeigenschaften, Interessen und
Motive
- Wahrnehmungsschwellen: emotionale Faktoren, die die Wahrnehmung beeinflussen
Wahrnehmungsverzerrungen
Hypothesentheorie der Wahrnehmung
b) Unterrichtsreihe: Gedächtnispsychologie
Speichermodell:
- Informationsverarbeitungsprozesse im sensorischen Speicher vor der bewussten Verarbeitung
- „unterschwellige“ Prozesse
c) Unterrichtsreihe: Tiefenpsychologie
Einführung: Das Unbewusste
- Fehlleistungen
- empirische Hinweise auf unbewusste Prozesse:
* Wahrnehmungschwellen
* Reaktionsverzögerungen im Wort-Assoziations-Test
- Freuds Schichtenmodell (Bewusstes, Vorbewusstes, Unbewusstes)
d) Unterrichtsreihe: Persönlichkeitspsychologie
Persönlichkeitseigenschaften als Konstrukte der empirischen Persönlichkeitsforschung
Konstrukt: Abwehrer / Sensibilisierer
- verschiedene Wahrnehmungsschwellen bei Abwehrern (A) und Sensibilisierern (S)
- Korrelationsstudien (Auswahl):
* A haben höhere Werte auf Lügenskalen in Persönlichkeitstests (MMPI)
* A geben eher Antworten sozialer Erwünschtheit
* A klagen mehr über hysteroide Beschwerden (MMPI)
* S beurteilen sich und ander strenger negativer, sind selbstkritischer
* S haben höhere Werte in Kreativitätstests, sind weniger rigide
- intuitive Erfassung der Abwehrer- Sensibilisierer-“Persönlichkeit“:
Formulierung von Hypothesen über das Verhalten von A / S in Alltagssituationen
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Berlin – April 2002
3. Dauer: 1 Doppelstunde (für Durchführung, Auswertung, Interpretation)
4. Material/Raumbedingungen: Ein IBM-kompatibler Personal-Computer (Schulcomputer) in einem verdunkelbaren Raum, 2 Lösungsblätter (vgl. Anlage) für jeden Schüler.
Das Programm ist zu beziehen beim Verband der Psychologielehrerinnen und -lehrer
5. Durchführung:
5.1 Versuchsdesign
Versuchspersonen: alle Schüler des Kurses.
Der gesamte Kurs sitzt vor einem Computer-Monitor, möglichst nah, und so, dass jeder das Bild gut erkennen
kann.
Auf dem Computer-Monitor erscheinen nacheinander tachistoskopisch acht verschiedene Wörter etwa in der Größe
der Monitorbreite. Vier der acht Wörter sind obszöne/sexuelle Begriffe, „Tabuwörter“: Bumsen, Pimmel, Ficken,
Pissen, die vier anderen können als „neutral“ angesehen werden: Himmel, Backen, Bremse, Wissen.
Für Einzelheiten der Durchführung vgl. Anlage: „Anleitung zum Einsatz des Computer-Tachistoskops“
Unabhängige Variable: Begriffsgattung („Tabuwörter“, „Neutralwörter“)
Abhängige Variable: Erfassungsschwelle bei der tachistoskopischen Darbietung
Anweisung an die Vpn:
„Auf dem Bildschirm werden nun sehr kurz nacheinander acht verschiedene Wörter erscheinen. Zunächst ist die
Projektionszeit so kurz, dass Sie kaum etwas erkennen werden. Sie wird dann jedoch immer länger, und Sie sollten
versuchen, so früh wie möglich die projizierten Wörter zu erkennen und auf das Lösungsblatt zu schreiben. Sind
Sie noch unsicher, dann sollten Sie raten, um jede Chance zu nutzen.
Damit Sie aus dem Experiment auch etwas über sich erfahren können, sollten Sie es vermeiden, wenn auch nur
flüchtig, auf das Lösungsblatt des Nachbarn zu schauen. Außerdem sollte die gesamte Gruppe auf sämtliche
verbale oder nonverbale Reaktionen verzichten. (Dies ist besonders wichtig!)“
Im ersten Durchgang (Nr. 1. bis Nr. 8. auf dem Lösungsblatt) beträgt die Projektionsdauer ca. eine Hundertstel
Sekunden; in der Regel wird keines der Wörter erkannt. Bei jedem Durchgang wird die Darbietungsdauer
automatisch um eine Hundertstel Sekunde verlängert, wobei die Reihenfolge der Wörter sich ändert (vgl. Anlage
„Sequenzen“). Die ersten „Schätzungen“ finden bei ca. 3-4 Hundertstel Sekunden statt (etwa ab Nr. 25). (Die
Darbietungsdauer und die -Reihenfolge wird vom Computer automatisch gesteuert, der Vl tippt immer nur auf die
„Enter“-Taste).
Der Versuch wird fortgeführt, bis alle Vpn alle Wörter richtig erkannt haben.
5.2 Besondere Schwierigkeiten:
Natürlich wissen wir von den Kollegen der Fachschaft Informatik, dass der Informatikraum jeder Schule der
einzige Schulraum ist, dessen Auslastung immer weit über 100 Prozent liegt, und dass Computer natürlich absolut
intransportabel sind. (Hinweis: Computer, Tastatur und Monitor sind mit je einem Kabel verbunden, zwei
„SchülerInnen“ brauchen für Ab- und Aufbau ca. 5 Minuten.)
Einige methodische Probleme des Experiments sind allerdings schwerwiegender:
- Spontane Reaktionen aus der Gruppe (häufig sogar vor (!) dem eigentlichen Erkennen der obszönen Begriffe)
sind schwierig zu unterdrücken, wiederholte Appelle des Vl werden nötig sein.
- Manche Vpn erkennen manche Begriffe nie (!) (auch nicht bei sehr langen Darbietungszeiten), und, was noch
schwieriger ist: sie bemerken nicht, dass sie immer dasselbe falsche Wort notieren.
- Manche Vpn kommen bei den Tabuwörtern auf extrem lange Erkennungszeiten. Voreiligen und oberflächlichen
Interpretationen der übrigen Schüler („verklemmt“) sollte der Lehrer zuvorkommen.
6. Auswertung und Interpretation der Daten
6.1 Datensammlung
a) Bestimmung der individuellen Erfassungsschwellen
Dr. Günter Sämmer
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Haben alle Vpn alle Begriffe richtig erfasst, (Kriterium: „acht verschiedene Begriffe müssen bei den letzten 16
Darbietungen jeweils zweimal identisch aufgeschrieben worden sein.“) dann stellt jede Vp mit Hilfe des Blattes
„Sequenzen“ (vgl Anlage) für jedes der acht Wörter die Zeit für das erste richtige Erfassen fest. Diese gilt als Maß
für die Erfassungsschwelle dieses Wortes. Die jeweiligen Zeiten werden in den Auswertebogen (vgl.Anlage)
eingetragen.
Anschließend werden die Erfassungsschwellen für alle vier Tabuwörter und die für die vier neutralen Wörter
addiert. Um nun systemimmanente Störungen wie Sehschärfe oder Abstand zum Monitor zu eliminieren, wird die
Gesamtzeit N für die neutralen von der Gesamtzeit T für die Tabuwörter subtrahiert: T - N .
Ist nun dieser Wert positiv, so hat die jeweilige Vp für das Erfassen der Tabuwörter länger gebraucht („repressor“/“Abwehrer“), ist der Wert negativ, dann war die Erfassungsschwelle für Tabuwörter niedriger
(„sensitizer“/“Sensibilisierer“.
b) Strukturierungsprozesse vor dem richtigen bewussten Erfassen
Mit Hilfe des Blattes „Sequenzen“ bestimmt nun jede Vp für jedes Wort die geratenen Vorgänger.
6.2 Beispiel
Beispiel aus einem Grundkurs 12.1 („Einführung in die Tiefenpsychologie“) 1990:
zu a)
T - N (geordnet):
-4, -3, -1, +1, +2, +3, +3, +3, +3, +4, +4, +5, +7, +8, +8, +9, +11, 17, +23
Zwei Vpn hatten je ein Tabuwort bis zuletzt nicht erfasst, und es jeweils immer auf dieselbe Weise falsch
interpretiert; gewertet wurde als Schätzwert die der insgesamt höchsten Darbietungszeit folgende Zeit.
Eine Vp hatte kein Tabuwort richtig erkannt und bis zuletzt alle „neutral“ gedeutet, seine Ergebnisse wurden nicht
gewertet.
zu b)
Die folgende Tabelle zeigt für 6 Vpn von oben nach unten die Vorgänger (Hypothesen) des jeweils in der unteren
Zeile befindlichen Tabuwortes:
Versuchsperson:
Geschlecht:
m
m
w
w
w
w
T - N:
-4
-4
+11
+11
+1
-1
Vorgänger:
Frühling
Vorgänger:
Blau
Floh
Hut
Himmel
Vorgänger:
Felix
Bluse
Vorgänger:
Flirt
Busen Impfung Puma Dummer Immer
richtiger
Begriff:
Pinie
Hammer Pflanze
Ficken Bumsen Ficken Pimmel Bumsen Pimmel
6.3 Interpretation
zu a) Die Ergebnisse zeigen deutliche interindividuelle Unterschiede bei den Erfassungsschwellen von Neutral- und
Tabuwörtern. Erkennbar ist ein deutlicher Überhang bei den verlängerten Erkennungszeiten für Tabuwörter.
zu b) In den wiedergegebenen Beispielen werden verschiedene Strategien beim „Aufbau“ des jeweiligen
Tabuwortes deutlich, die vor der bewussten Wahrnehmung vorgenommen werden:
„Sensibilisierer“ bereiten den endgültigen Begriff vor, indem sie sich inhaltlich dem Begriffsfeld nähern (vgl. Flirt,
Ficken). „Abwehrer“ meiden das Begriffsfeld so lange wie möglich, assoziieren oft angstbesetzte Begriffe (Puma,
Impfung); die Erkenntnis kommt ihnen jäh.
6.4 Diskussion
a) Methodische Gesichtspunkte
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 21 -
Berlin – April 2002
Ist die verlängerte Erfassungszeit für Tabuwörter (allein) durch den möglicherweise geringeren Gewohnheitsgrad
dieser Wörter zu erklären?
Drücken die Werte vielleicht nur eine Scheu beim Hinschreiben der Begriffe aus?
Haben die Vpn die Begriffe zwar erkannt, dann jedoch „ihren Augen nicht getraut“ und sie nicht aufgeschrieben?
b) Beispiele für Weitere Untersuchungen:
- BRUNER U. POSTMAN (1952) manipulierten einen Leistungstest so, dass eine Gruppe von Vpn ihn erfolgreich,
eine zweite Gruppe ohne Erfolg absolvieren konnte. Danach wurde eine Reihe von Begriffen tachistoskopisch
dargeboten: vier erfolgsbezogene und vier misserfolgsbezogene. Es zeigte sich, dass die Vpn der „erfolgreichen“
Gruppe die erfolgsbezogenen, die der „nicht erfolgreichen“ Gruppe die misserfolgsbezogenen Wörter zuerst erkannten.
- MC GUINNIES bot, ähnlich wie Bruner u. Postman (s.o.) seinen Vpn angstauslösende Wörter dar. Er konnte dabei
beobachten, dass der psychogalvanische Reflex seiner Vpn bei „unangenehmen“ Begriffen bereits einsetzte, bevor
diese den Begriff erkennen und wiedergeben konnten. Bei angstauslösenden Begriffen war der psychogalvanische
Reflex deutlich höher als bei neutralen Begriffen.
c) Alltagsrelevanz
Erhöhte / herabgesetzte Wahrnehumngsschwellen z.B. für:
- kritische, angstmachende konfliktauslösende soziale Situationen:
* Armut, Obdachlosigkeit
* Suchtphänomene (Drogen, Alkohol) im sozialen Umfeld
* psychische Probleme in der Familie / Gesellschaft
* familiäre / Partnerschaftskonflikte und -probleme
- eigene Fehler / Probleme / Schwächen, z.B.:
* eigene Ängste, auch soziale Ängste,
* eigene Leistungsgrenzen (Schulprobleme)
* unangenehme Gedächtnisinhalte / „Erinnerungen“.
Diese Phänomene werden von Abwehrern später (erst bei stärkerer Ausprägung) bewusst wahrgenommen als von
Sensibilisierern. Diese neigen dazu solche Situationen sehr früh zu erkennen.
7. Arbeitsaufträge für Schüler im Anschluss des Experimentes
a) Welche Vorgänge im menschlichen Alltag lassen sich durch „erhöhte/gesenkte Erfassungsschwellen“ bei der
Wahrnehmung erklären?
(Hilfe: denke z.B. an folgende Bereiche: eigene Schulleistung, eigene menschliche Schwächen,
Partnerschaftsprobleme, die „schlechte“ Jugend, sexuelle Darstellungen in der Werbung ... )
b) Welche zwischenmenschlichen Probleme können entstehen, wenn man von der Tatsache der verschiedenen
Wahrnehmungschwellen nichts weiß? (Hilfe: z.B. Fehlinterpretation bestimmter „unsensibler“ Verhaltensweisen
als „boshaft“)
c) Konstruiere ein Beispiel aus dem Schulalltag, in dem die erhöhte Erfassungsschwelle eine wichtige Rolle spielt.
(Hilfe: z.B. Wahrnehmung des eigenen Leistungsstandes, Wahrnehmung von Schülerleistungen durch Lehrer)
d) Thema: „Lügen“
Wie unterscheiden sich Abwehrer und Sensibilisierer im Bereich der alltäglichen Lüge? Mit welchem
Einschränkungen kann man nur noch von „Lügen“ reden?
9. Literatur:
BRUNER, J.S. & POSTMAN, L.: Emotional selectivity in perception and reaction. Journal Personality. 16, 1947,
S.69-77.
GRAUMANN, C.F.: Social Perception. Die Motivation der Wahrnehmung in neueren amerikanischen
Untersuchungen. Sammelreferat. Zeitschr. f. angew. Psych. 3, 1956, S. 605 -661.
HERRMANN, T.: Lehrbuch der empirischen Persönlichkeitsforschung. 1976, Göttingen: Hogrefe.
SÄMMER, G.: Wahrnehmungspsychologie: Einführung nach dem exemplarischen Prinzip. in Kowal, S. (Hrg):
Schüler lernen Psychologie. 1987, Bonn: Deutscher Psychologen Verlag.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
Berlin – April 2002
- Seite 22 -
Anlage: Auswertebogen Auswertebogen Bruner u. Postman
I.
Erkennungszeiten: Tragen Sie bitte zu jedem Wort diejenige Zeit (in Hundertstel) ein, die Sie gebraucht
haben, um dieses Wort zum ersten Mal völlig richtig zu erkennen; nehmen Sie den Bogen „Sequenzen“ zu
Hilfe.
Tabuwörter: Zeit in Hundertstel
Neutralwörter:
BUMSEN
BREMSEN
PISSEN
WISSEN
PIMMEL
HIMMEL
FICKEN
Zeit in Hundertstel
BACKEN
Summe: T =
Summe: N =
Ihr Wert:
T-N=
II. Rateversuche: Suchen Sie nun zu jedem Wort die vorangegangenen Rateversuche heraus. Schreiben Sie
direkt über das Wort dessen unmittelbaren „Vorgänger“, dann darüber dessen „Vorgänger“ usw.:
BUMSEN
III.
PISSEN
PIMMEL
FICKEN
Ergebnisse des Kurses:
Vp Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
T-N
Vp Nr.
T-N
Vp Nr.
T-N
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- Seite 23 -
Berlin – April 2002
Anlage: Sequenzen
Experiment v. Bruner u. Postman: Sequenzen
7 Hundertstel
1. HIMMEL
2. BUMSEN
3. BACKEN
4. PISSEN
5. BREMSEN
6. PIMMEL
7. WISSEN
8. FICKEN
12 Hundertstel
41. PIMMEL
42. PISSEN
43. FICKEN
44. BUMSEN
45. WISSEN
46. HIMMEL
47. BREMSEN
48. BACKEN
17 Hundertstel
81. WISSEN
82. BREMSEN
83. FICKEN
84. BACKEN
85. PIMMEL
86. HIMMEL
87. PISSEN
88. BUMSEN
22 Hundertstel
121. HIMMEL
122. BACKEN
123. BUMSEN
124. BREMSEN
125. PISSEN
126. WISSEN
127. PIMMEL
128. FICKEN
27 Hundertstel
161. PISSEN
162. PIMMEL
163. BUMSEN
164. FICKEN
165. HIMMEL
166. WISSEN
167. BACKEN
168. BREMSEN
8 Hundertstel
9. BUMSEN
10. HIMMEL
11. PISSEN
12. BACKEN
13. PIMMEL
14. BREMSEN
15. FICKEN
16. WISSEN
13 Hundertstel
49. PIMMEL
50. FICKEN
51. PISSEN
52. WISSEN
53. BUMSEN
54. BREMSEN
55. HIMMEL
56. BACKEN
18 Hundertstel
89. BREMSEN
90. WISSEN
91. BACKEN
92. FICKEN
93. HIMMEL
94. PIMMEL
95. BUMSEN
96. PISSEN
23 Hundertstel
129. HIMMEL
130. BUMSEN
131. BACKEN
132. PISSEN
133. BREMSEN
134. PIMMEL
135. WISSEN
136. FICKEN
28 Hundertstel
169. PIMMEL
170. PISSEN
171. FICKEN
172. BUMSEN
173. WISSEN
174. HIMMEL
175. BREMSEN
176. BACKEN
9 Hundertstel
17. BUMSEN
18. PISSEN
19. HIMMEL
20. PIMMEL
21. BACKEN
22. FICKEN
23. BREMSEN
24. WISSEN
14 Hundertstel
57. FICKEN
58. PIMMEL
59. WISSEN
60. PISSEN
61. BREMSEN
62. BUMSEN
63. BACKEN
64. HIMMEL
19 Hundertstel
97. BREMSEN
98. BACKEN
99. WISSEN
100. HIMMEL
101. FICKEN
102. BUMSEN
103. PIMMEL
104. PISSEN
24 Hundertstel
137. BUMSEN
138. HIMMEL
139. PISSEN
140. BACKEN
141. PIMMEL
142. BREMSEN
143. FICKEN
144. WISSEN
29 Hundertstel
177. PIMMEL
178. FICKEN
179. PISSEN
180. WISSEN
181. BUMSEN
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26. BUMSEN
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32. BREMSEN
15 Hundertstel
65. FICKEN
66. WISSEN
67. PIMMEL
68. BREMSEN
69. PISSEN
70. BACKEN
71. BUMSEN
72. HIMMEL
20 Hundertstel
105. BACKEN
106. BREMSEN
107. HIMMEL
108. WISSEN
109. BUMSEN
110. FICKEN
111. PISSEN
112. PIMMEL
25 Hundertstel
145. BUMSEN
146. PISSEN
147. HIMMEL
148. PIMMEL
149. BACKEN
150. FICKEN
151. BREMSEN
152. WISSEN
30 Hundertstel
185. FICKEN
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190. BUMSEN
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192. HIMMEL
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33. PISSEN
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36. FICKEN
37. HIMMEL
38. WISSEN
39. BACKEN
40. BREMSEN
16 Hundertstel
73. WISSEN
74. FICKEN
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80. BUMSEN
21 Hundertstel
113. BACKEN
114. HIMMEL
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153. PISSEN
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31 Hundertstel
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Grundprinzipien des Kognitivismus
Allen psychischen Phänomenen liegen Prozesse der Informationsverarbeitung zugrunde wie z.B.:
unbemerkte Verarbeitung
bemerkte Verarbeitung: "Erkennen"
Begriffe
Wertungen
Lesetechnik
sensorischer
Speicher
sensorische
Verarbeitung
Entschlüsseln
Prüfen
Strukturieren
Lang-
Kurzzeitgedächtnis
inhaltliche
Weiterverarbeitung
Denkprozesse
organisierte
Wissenssysteme
zeitgedächtnis
Abb.: Ein Blockdiagramm für die Informationsverarbeitung bei der Wahrnehmung (nach BROADBENT, 1987 und
SPERLING, 1963)
Grundannahmen des Kognitivismus:
1. Zentrale Gegenstände und elementare Zusammenhänge
1.1 Informationsverarbeitung und kognitive Repräsentationen: Kognitivistische Psychologen nehmen an, dass alles
Erleben und Verhalten auf Prozessen der Informationsverarbeitung basiert. Dazu speichert das Individuum sein
Wissen über die Welt in organisierter Form als kognitiven Repräsentationen. Diese enthalten die Informationen
über konkrete Gegenstände und Situationen, über andere Menschen wie auch über das Individuum selber, über
Handlungen und problemlösende Verhaltensweisen, aber auch über Affekte und Emotionen.
1.2 Grundlegende kognitive Prozesse: Kognitiven Repräsentationen unterliegen bestimmten
Verarbeitungsprozessen.
a) Sie können im Gedächtnis abgespeichert und, wenn nötig, wieder daraus hervorgeholt werden.
b) Sie können miteinander verknüpft werden, so dass neue Kognitionen entstehen.
c) Sie können miteinander verglichen werden, und es können Übereinstimmungen oder Diskrepanzen
festgestellt werden.
1.3 Zielgerichtete und plangesteuerte Aktivitäten: Alle Aktivitäten eines Individuums sind zielgerichtet und
plangesteuert. Sie können sowohl völlig innerhalb des Individuums ablaufen als auch nach außen erkennbar sein,
sie können der bewussten Kontrolle unterliegen oder auch automatisch ablaufen. Im Bereich des äußeren
Verhaltens und des bewussten Denkens werden solche Aktivitäten Handlungen genannt. Zielgerichtete
Aktivitäten beginnen, wenn eine Diskrepanz zwischen einzelnen Kognitionen auftritt, und sie haben das Ziel
diese Diskrepanz zu beseitigen.
4. Das Individuum als autonomes, homöostatisches System: Alle Individuen werden als
informationsverarbeitende, plangesteuerte homöostatische Systeme angesehen, die ihre Ziele durch autonome
Aktivitäten absichtsvoll erreichen können.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Berlin – April 2002
3. Unterrichtsexperimente und Demonstrationen zur Sozialpsychologie
3. 1 Unterrichtsexperiment: „Gruppendruck“
Wirkung der sozialen Umgebung auf die Wahrnehmung
Variante des Experiments von ASCH
1. Überblick: Zwei Gruppen von Vpn schätzen eine große Zahl kleiner Objekte (Erbsen, Streichhölzer) unter
verschiedenen Bedingungen. Eine Gruppe ohne äußere Beeinflussung - die andere mit vorgegebenen,
manipulierten Zahlen, von denen die Vpn annehmen müssen, sie seien die Schätzergebnisse anderer Vpn vorher. Es
zeigt sich eine deutliche Anpassung an die vermeintlich vorgegebenen, manipulierten Schätzungen.
2. Inhaltliche Orientierung
2.1 Themen: Sozialpsychologie / Wahrnehmungspsychologie: Soziale Wahrnehmung. Längen schätzen unter
Gruppendruck; Wahrnehmungsanpassung durch sozialen Druck.
2.2 Einordnung in verschiedene Unterrichtsreihen
- Wahrnehmungspsychologie (Motivation der Wahrnehmung)
- Sozialpsychologie (Gruppendruck, Konformität)
3. Dauer: 1 Stunde
4. Material/Raumbedingungen:
kleines, verschließbares Marmeladenglas,
ca. 100 getrocknete Erbsen oder Streichhölzer
Klassenraum, Tafel, Kreide
5. Durchführung:
5.1. Versuchsdesign
Versuchspersonen: Bis auf einen Protokollführer alle Schüler des Kurses
Versuchsablauf: Die Vpn werden außer Hörweite aus dem Raum geschickt. Vor die Tafel wird ein Tisch mit dem
Erbsenglas so aufgestellt, dass jede Vp bei der Schätzung sofort auf die Tafel sehen kann, die Tafel hat zu Beginn
vollständig leer zu sein. Nun werden die Vpn einzeln hereingerufen.
Anweisung an die Vpn: „Vor Ihnen steht ein Glas mit Erbsen, deren Anzahl Sie schätzen sollen. Sie dürfen das
Glas anfassen, aber nicht öffnen. Ihr Schätzergebnis schreiben Sie bitte hierher zu den anderen an die Tafel.“
(Wichtig: deutliche Geste auf die an der Tafel stehenden Ergebnisse)
Der Protokollführer schreibt jedes Ergebnis auf in der Reihenfolge der Schätzungen.
Die erste Hälfte der Vpn schätzt, schreibt ihr Ergebnis jeweils zu den Vorgängern an die Tafel und setzt sich
dann. Von Vp zu Vp werden manchmal in ungleichmäßigen Abständen kurze Pausen eingelegt.
Hat nun ungefähr die Hälfte der Vpn geschätzt, dann werden in einer dieser Pausen die angeschriebenen Ergebnisse
drastisch um das Doppelte nach oben verändert. (Bei 100 Objekten genügt es, jede Zahl um 100 zu erhöhen.) Die
zweite Gruppe schätzt nun unter diesen Bedingungen. Liegen die folgenden Ergebnisse einzelner Vpn dennoch in
der Nähe des richtigen Ergebnisses (weniger als ca. 50% darüber), dann wird dieses neue Ergebnis nach Festhalten
durch den Protokollführer ebenfalls weiter erhöht.
Unabhängige Variable: Schätzbedingung: ohne / mit Vorgabe manipulierter Ergebnisse „der anderen“
Abhängige Variable: geschätzte Zahl
5.2. Besondere Schwierigkeiten:
- Manche Vpn beginnen, sich mit dem Glas zu beschäftigen, ohne auf die Tafel zu sehen; hier sind deutliche
nonverbale Hinweise nötig.
- Die anwesenden „fertigen“ Vpn müssen deutlich darauf hingewiesen werden, unter keinen Umständen
irgendwelche verbalen oder nonverbalen Kommentare abzugeben: nicht kichern, grinsen oder den „Neuen“
etwas erklären (für manche Schüler unter diesen Umständen sehr schwierig!) Auch die jeweils neu
hinzukommenden „fertigen“ Vpn müssen immerwieder auf ihr Stillschweigen hingewiesen werden.
- Einige Vpn der zweiten Gruppe sind empört, wenn ihre Ergebnisse nachträglich verändert werden; wichtig
ist ein strenger Hinweis des Versuchsleiters, sich ruhig zu verhalten und das Versprechen, nachher alles zu
erklären.
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Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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- Zum Abschluß muss allen Vpn die Art der Manipulation noch einmal zusammenfassend deutlich erklärt
werden. Vor allem die letzten Vpn haben häufig das Ziel dieser Maßnahme noch nicht verstanden.
6. Auswertung und Interpretation der Daten:
6.1 Datensammlung
Die vom Protokollführer festgehaltenen echten Schätzwerte werden in zwei Listen (eine für jede der
Versuchsgruppen) an die Tafel geschrieben.
Die Mittelwerte werden verglichen.
Es empfiehlt sich, eine offene Nachbefragung der zweiten Gruppe durchzuführen: Was haben Sie
gedacht/empfunden angesichts der vorgegebenen Ergebnisse? Waren Sie in Ihrem Urteil sicher? Hatten Sie einen
Verdacht?
6.2 Beispiel aus einem Psychologiekurs Klasse 11:
Tatsächliche Zahl Erbsen in einem (relativ breiten!) Glas: 80
Gruppe 1 (mit echten Schätzwerten als Vorgaben):
Vp Nr
geschätzte Zahl:
1
75
2
110
3
130
4
85
5
120
6
117
7
100
8
90
9
135
10
100
14
210
15
255
16
220
17
195
18
120
19
275
20
230
Mittelwert Gruppe 1: MW1 = 106,2
Gruppe 2 (mit nach oben manipulierten Vorgaben)
Vp Nr
geschätzte Zahl:
11
195
12
180
13
200
Mittelwert Gruppe 2: MW2 = 208
6.3 Interpretation
Der üblicherweise große Mittelwertunterschied lässt keine Zweifel an der Signifikanz aufkommen, sodass dieses
Problem hier kaum thematisiert werden kann.
6.4 Diskussion
a) Methodische Gesichtspunkte
- Einflüsse des Settings auf die Ergebnisse: Breite, Höhe des Glases, Zahl der Erbsen; Anordnung von Tisch und
Tafel; Höhe der Manipulation; Einfluss der anwesenden „fertigen“ Vpn.
- Unterschiede zwischen offener und verdeckter Schätzung (vgl. Experimente „Offene und verdeckte
Urteilsbildung“ und „Autokinetischer Effekt“)
b) Beispiele für Weitere Untersuchungen:
- Nachstellung des Originalexperimentes von Asch im Videofilm (vgl. Experimente auf Videofilm)
c) Alltagsrelevanz:
- Anpassungsphänomene in verschiedenen Gruppen: Cliquen, Klassen, Vereinen, Berufsgruppen.
- Politische Relevanz des Phänomens: Urteilsanpassung an die Mehrheit, die Angst, eine Außenseitermeinung
zu vertreten.
7. Arbeitsaufträge für Schüler im Anschluss an das Experiment
- Beschreibe das durchgeführte Experiment (unabhängige, abhängige Variable, Ergebnis)
- Welche (innerpsychischen) Ursachen können Anpassungsverhalten oder erfolgreicher Widerstand gegen
Gruppendruck haben? (psychoanalytische und lernpsychologische Aspekte)
- Welche aktuellen soziale Einflüsse (Gruppe, Unterrichtssituation, Lehrer) können dazu führen? (Aspekte der
Gruppen- und Systemtheorie)
- Wie wird im Augenblick der Entscheidung „Anpassung“ erlebt? (kognitivistische und psychoanalytische
Phänomene)
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8. Variationen:
- Erste Gruppe schätzt „verdeckt“: die Gruppenmitglieder erhalten nicht die Ergebnisse der anderen. Diese
werden erst für die zweite Gruppe (in manipulierter Form) angeschrieben.
- Eine dritte Gruppe erhält nur eine vorgetäuschte (überhöhte) Schätzung des Versuchsleiters. Vergleich der
drei Gruppen.
9. Literatur:
ASCH, S.E. (1955). Opinions and social pressure. Scientific American, 193 (5) S. 31-35.
3.2 Unterrichtsdemonstration: „Gruppenbildung“
Unterrichts-Demonstration mit Mikroanalyse zur Gruppenbildung
1. Überblick
Anleitungen und Spielverlauf
(1)
Versuchspersonen: ca. 15 Schüler(innen) oder mehr
(2)
Material: 1 Tisch, 3 Stühle, Papier, Stift,
1 Glas mit Erbsen, 10 Groschen, Videorekorder und -Kamera
(3)
Versuchsgruppen: 9 Schüler auslosen, die Übrigen sind Beobachter.
(4)
Versuchsablauf:
Die 9 ausgelosten Schüler verlassen den Raum; dann werden sie (ohne ihr Wissen) durch Los in 3 Gruppen zu je 3
Vpn eingeteilt (wer zur jeweiligen Gruppe gehört, wird erst bekannt gegeben, wenn diese hereingerufen wird).
Instruktion der im Klassenraum verbliebenen Beobachter:
Die 3 Gruppen werden nun nacheinander hereingerufen und sollen die folgende Aufgabe erfüllen:
In dem Glas auf dem Tisch befinden sich Erbsen. Die Gruppe soll schätzen wie viele. Das Glas darf angefasst, aber
nicht geöffnet werden. Allerdings muss die Gruppe zu einem einstimmigen Ergebnis kommen, dass auf dem Zettel
zu notieren ist.
Die drei Vpn der jeweiligen Gruppe werden sich dabei aber nicht alle gleich verhalten. Der eine wird häufiger die
Initiative ergreifen als ein anderer, Vorschläge des einen werden eher akzeptiert als die eines anderen, kurz: der
eine wird vielleicht versuchen, eine etwas übergeordnetere Position einzunehmen, ein anderer wird sich eher unterordnen.
Die Beobachter sollen nun versuchen festzustellen, welches Gruppenmitglied welche Position einnimmt.
 Durchführung des ersten Spiels:
Starten der Videokamera, dann wird die Gruppe 1 hereingerufen.
Instruktion der Spieler durch den Versuchsleiter (s.o.) Ist das Schätzergebnis auf den Zettel geschrieben, verlässt
die Gruppe den Raum wieder.
Urteil der Beobachter:
Jeder Beobachter schreibt (ohne Aussprache nach seiner Einschätzung die Namen des Ranghöchsten und des
Rangniedrigsten auf ein Blatt. (Dies empfiehlt sich, um „Konvergenzphänomenen“ in der Gruppe der Beobachter
vorzubeugen.)
Die Beobachter nennen nun laut ihre Ergebnisse, wonach eine kurze(!) Diskussion über die Kriterien folgen kann.
Dann werden durch Mehrheitsentscheid der Ranghöchste und der Rangniedrigste der Gruppe festgelegt.
 Durchführung des zweiten und dritten Spiels in gleicher Weise (incl. Beurteilung).
Neubildung von Spielgruppen:
Aus den (immer noch außerhalb des Klassenraums befindlichen) Vpn werden nun 3 neue gruppen gebildet: „die
Rangniedrigsten“, „die Mittleren“ und „die Ranghöchsten“.
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Erstes Spiel des zweiten Durchgangs:
Wie die Spiele im ersten Durchgang mit Videoaufzeichnung, nur mit veränderter Instruktion der Spieler:
Spielinstruktion:
„Vor Ihnen liegen 10 Groschen zu einem Dreieck angeordnet. Die Spitze des Dreiecks soll nun in entgegengesetzte
Richtung zu liegen kommen. Es dürfen dabei aber nur 3 Münzen berührt und verschoben werden.“
Lösung:
Nach gefundener Lösung kann die Gruppe im Raum bleiben. - Die beiden anderen Gruppen folgen nach gleichem
Schema. Eine „Beurteilung“ durch die Beobachter kann entfallen.
2. Ein Spielbeispiel
(vgl. Anlage)
3. Auswertung auf vorwissenschaftlicher Ebene
3.1. Analyse eines konkreten Gruppenprozesses
Die gesamte Videoaufzeichnung wird wiederholt und ein Gruppenprozess ausgewählt, der genauer analysiert
werden soll.
(1) Erste intuitive Beschreibung
Die Beobachter berichten über ihre Aufgabe und ihre Beobachtungsergebnisse, wobei die Vpn zum ersten Mal vom
„Zweck“ des Spiels erfahren. In einer ersten Diskussion wird die entstehende Dominanzstruktur der beobachteten
Gruppe umgangssprachlich beschrieben.
(Beispiel s.o.): „B ergreift schnell die Initiative, wobei C sich zunächst wortlos auf die Aufgabe konzentriert, und
auch A zunächst zurückhaltend ist. Nach einem vergeblichen Lösungsversuch von B greift a ein, ebenfalls vergeblich. Erst nach einer Weile versucht C eine Lösung, die B sofort aufgreift und voreilig positiv bewertet. C stellt
aber den Misserfolg selbst fest und zieht sich wieder zurück. Am Ende erreicht B die Lösung, indem verwertet.
Interpretation:
- B erreicht eine dominantere Position, die sich aber mehr auf den Gruppenprozess bezieht als auf das Erreichen
der Lösung. B dominiert den Gruppenprozess
- C wird als „Experte“ sofort (von B) anerkannt, verhält sich im Gruppenprozess aber eher passiv.
- A ist zurückhaltend,' bestätigt aber B in ihrer Führungsposition.“
(2)
Detailanalyse der Gruppeninteraktion
Die Videoaufzeichnung des in a) beschriebenen Gruppenprozesses wird nun einer detaillierteren „Bild-für-Bild“Analyse unterzogen. Dies geschieht zunächst unter der
1. Leitfrage: „Welche konkreten Einzelheiten im Verhalten von A, B und C belegen den (oben geschilderten)
Eindruck von der Positionsverteilung in der Gruppe?“
Mögliche Ergebnisse aus der Anfangsphase (Beispiel s.o.), die ersten 15 Sekunden:
- Reihenfolge beim Betreten des Raumes: B,C,A
- B sitzt gleich, die Ellbogen breit auf dem Tisch (mögliche Interpretation: B „ergreift Besitz“)
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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- A hat den längeren Weg, stößt an den Tisch (A hat zunächst mehr mit sich zu tun,' kann dadurch erst später im
Prozess aktiv werden)
- B nimmt sofort Kontakt mit dem Vl auf: „Kann ich die haben?“
(Der Inhalt der Frage erscheint eher unwesentlich, ihre Bedeutung liegt im Bereich des Gruppenprozesses und
in der Beziehung nach außen und unterstreicht dort die entstehende Position von B.)
- C schaut sofort unverwandt auf die Münzen
(demonstriert hohe Konzentration, deutet mögliche Einsatzbereitschaft für das Gruppenziel und Kompetenz an.)
In der zweiten Phase der Detailanalyse soll erörtert werden, wie es zu der sehr unterschiedlichen Aufteilung der
Positionen kommt. Konkret heißt also die
2. Leitfrage: „Welche Faktoren sind für das unterschiedliche Verhalten der Personen in der Gruppe
verantwortlich?“
In einer ersten spontanen Reaktion neigen Schüler dazu, die beobachteten Vorgänge bei der Ausprägung einer
Dominanzstruktur ausschließlich den Persönlichkeitseigenschaften der beteiligten Vpn zuzuschreiben.
Eine weitere, noch detailliertere Analyse kann hier Aufklärung verschaffen (wieder aus der Anfangsphase Beispiel
s.o.):
- Warum betreten die Vpn den Raum in der beobachteten Reihenfolge?
- Wie war also die Situation vor Betreten des Raumes, als noch niemand wissen konnte, wer und mit wem er
wann hineinmusste? Konkret:
* Wer stand gerade wo, als die Namen der nächsten Gruppenmitglieder genannt wurden; warum stand er dort?
* Wer bewegte sich dann schneller zur Tür und warum? (Mehr Mut? Schnellere Reaktionsfähigkeit? Oder
stand nur von den 8 anderen jemand im Weg?)
* Warum stößt A an den Tisch (und schwächt damit seine Position in den ersten Sekunden, weil sie nicht aktiv
ins Geschehen eingreifen kann) ? (War es Ungeschick? Zufall?)
Bei intensiver Erörterung oben angedeuteter Fragen schälen sich drei Faktorengruppen heraus, die den Gruppenbildungsprozess beeinflussen:
- Faktoren der Situation
- Persönlichkeitsmerkmale
- Zufall
3. Leitfrage: „Inwiefern ist die Einnahme einer Position vom Verhalten der anderen Gruppenmitglieder abhängig?“
(Beispiel s.o.):
- B „ergreift“ nicht nur die Initiative, sie wird ihr von den anderen überlassen: C sitzt ruhig, konzentriert sich, A
ist zunächst noch mit sich selbst beschäftigt.
- C kann sich in Ruhe hinsetzen, weil A als letzte hereinkommt und B schon sitzt.
- A „muss nehmen,' was übrig bleibt“.
Folgerung: Jede Position entsteht nur, wenn die anderen sich „komplementär“ verhalten.
3.2. Vergleich verschiedener Gruppenprozesse
Die absolvierten sechs Spiele bieten nun die Möglichkeit, einen Vergleich verschiedener Gruppenprozesse
anzustellen.
Beispiele für vergleichende Aspekte:
- In den Anfangsphasen sind die Unterschiede zwischen den Gruppen besonders deutlich:
* Manche beginnen sehr zögerlich; es dauert lange, bis jemand in der Gruppe die Initiative ergreift (so in der
Gruppe der „Rangniedrigsten“ aus der 1. Runde); das Tempo bei der Ausbildung der Positionen beschleunigt
sich dann aber stark, analog zur Geschwindigkeit der Problemlösung.
* Andere Gruppen beginnen recht aktiv (hier die Gruppe der „Ranghöchsten“); die Positionen sind schnell
ausdifferenziert,' die Problemlösung der Gruppe dauert aber länger.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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- Obwohl der Gruppenbildungsprozess stark von den Eigenschaften der Mitglieder abhängt, gibt es in allen
Gruppen wichtige Übereinstimmungen:
* Auch die Gruppe der „Ranghöchsten“ der 1. Runde erzeugt wieder eine untergeordnete Position und
* auch die Gruppe der „Rangniedrigsten“ erhält wieder einen „Ranghöchsten“.
Es scheint also im Gruppenbildungsprozess Vorgänge zu geben, die sowohl von der Zusammensetzung der Gruppe
als auch von den individuellen Eigenschaften ihrer Mitglieder unabhängig sind.
(aus: SÄMMER, G. (1988). Kleingruppenprozesse im Sozialpsychologieunterricht der gymnasialen Oberstufe. In
KOWAL, S., Sozialpsychologie als Unterrichtsfach, (S.125-143). Bonn: Deutscher Psychologen Verlag.)
4. Die „Gruppendynamik“: Interpretation aus ganzheitpsychologischer Sicht
Die spontane Bildung der Gruppenstruktur durch direkte Interaktion: Treten Personen miteinander in direkte
Interaktion, so bildet sich spontan eine Dominanzstruktur heraus: Die Aktivitäten der einzelnen Gruppenmitglieder,
ihre Reaktionen aufeinander führen dazu, dass einzelne Gruppenmitglieder immer deutlicher in ihre Positionen
„hineinwachsen“. (B wird dominant, wird von A unterstützt, C
Einer muss anfangen: Zum Erreichen des Gruppenzieles ist es unerlässlich, dass gehandelt werden muss. (Ein
Mitglied muss als erstes zum Glas greifen.) Man kann nicht nichts tun! Manche Dinge können aber nur von einem
Mitglied getan werden (als erstes durch eine enge Tür gehen, einen kleinen Gegenstand ergreifen usw.), und die
Tatsache, dass ein Mitglied dies als erstes tut, ist für die anderen ein Signal. (Sogar die Aufforderung, „demokratisch“ zu entscheiden, ist eine solche Initiative, die den Initiator in einen höheren Rang befördert: er „leitet“ die
Abstimmung.)
Jede Handlung hat Bedeutung für die Gruppenbeziehung: Es wird deutlich, dass jeder „Handgriff“ („schiebt eine
Münze“), jede Bewegung („reckt sich über die Münzen“, „trommelt mit den Fingern“), jedes Wort („Kann ich die
haben?“, „Du hast Kreide am Kinn?“) und jedes „Stillhalten“ eine Bedeutung hat in Bezug auf die Verteilung der
Dominanzpositionen.
Wer gewähren lässt, stimmt zu: Nun können die Anderen ein aktives Mitglied „gewähren lassen“, was Bestätigung
der Aktivität (und den Beginn einer gewissen Dominanz) bedeuten kann, oder aber ein anderes Mitglied wird
seinerseits aktiv, was zu einem regelrechten „Machtkampf“ führen kann, wenn ersteres mit stärkeren Aktionen
antwortet. Dabei ist für die Verteilung der Positionen die Reaktion jedes Gruppenmitglieds von Bedeutung: Nicht
Widersprechen (z.B. durch eigene Aktionen) heißt Zustimmen. Stillhalten bestätigt den Akteur in der Berechtigung
seiner Initiative.
Jedes Mitglied interagiert unausgesetzt mit jedem anderen: Jedes noch so minimale Verhaltenselement ist für jedes
Mitglied sichtbar, hörbar, spürbar und wir (meist unbewusst) registriert und auf seine gruppendynamischen
Konsequenzen hin ausgewertet.
Folgerungen:
1. Eine „Gruppe“ mit ihrer Dominanzstruktur ist etwas anderes als die Summe ihrer Mitglieder. Die Gruppe ist
eine Ganzheit, denn jedes Gruppenmitglied steht zu jedem anderen in unaufhörlicher Beziehung.
2. Die „Dominanzstruktur“ ist ein Phänomen der Emergenz: Es ist eine Eigenschaft, die es ohne die Gruppenbeziehung nicht geben kann. Ein „dominantes Gruppenmitglied“ ist dies nur in der Gruppe.
3. Eine soziale Gruppe ist selbstorganisiert. Sie bildet ihre Struktur von selbst aus und erhält diese. Auf Störungen
reagiert sie unmittelbar mit der Wiederherstellung des Gleichgewichts.
4. Die Ausbildung einer Dominanzstruktur kann ohne Kenntnis der Gruppenmitglieder vorhergesagt werden.
Anlage: Ein Spielbeispiel
Die Gruppenmitglieder werden namentlich aufgerufen und betreten den Raum in der Reihenfolge: B C A.
Dr. Günter Sämmer
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Zeit
0:00
A
geht um den Tisch
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B
C
setzt sich auf den Tür-nächsten Stuhl;
Ellbogen auf den Tisch
setzt sich
sieht B an, steht immer noch
sieht A an
sieht auf Münzen
stößt an den Tisch: „Au!“
lächelt in die Runde, sieht auf Münzen:
„Kann ich die haben?“
sieht schweigend auf Münzen
setzt sich, rückt sich auf Stuhl zurecht
Ellbogen auf dem Tisch
sieht zu Vl
sieht auf Münzen
Anleitung durch Vl
0:35
sieht auf Münzen
sieht zu Vl
sieht zu Vl
Ende der Anleitung
verzieht den Mund; Ellbogen auf dem Tisch
alle sehen konzentriert auf Münzen
„Ich weiß es, glaub ich.“ Hebt Hand vom
Tisch; zu Vl: „Kann ich mal?“ Sieht auf
Münzen, bewegt Finger auf Münzen zu, hält
an, sieht zu A;
0:52
zu B: „Du hast Kreide am Kinn.“
wischt sich übers Kinn
sieht weiter auf Münzen
schiebt Münze: Den nach da.“; zieht Münze
zurück; „Doch nicht!“ Nimmt Hand zurück Seitenblick auf B
1:09
1:25
alle sehen wieder unbeweglich auf Münzen
schiebt Münze
sieht A zu
zieht Hand zurück
„Doch nicht!“
1:09
2:13
streckt sich über den Tisch
schiebt Münze, lacht zu A;
lächelt für sich
schiebt wieder zurück: „Wie war das?“
trommelt mit den Finger auf dem eigenen
Ärmel
alle sehen unbeweglich auf die Münzen
zu Vl: „Kann man eine anpacken und damit
andere verschieben?
sieht zu Vl
sieht auf Münzen, lächelt
Vl: „Nein“
lächelt A an; zu Vl: „Kann man das Ganze
nicht ein bisschen rumdrehen? Deutet mit
der Hand auf die Münzen
rückt auf dem Stuhl
schiebt eine Münze
„Ja! Gut! ...“
„Ja, Moment!“
„Wir haben's!“
2:25
„Nein!“
lächelt A an
schiebt Münze zurück: „Das geht nicht.“
lächelt B an
rückt Münze
sitzt still, Ellbogen auf dem Tisch, sieht
wieder auf Münzen;
reckt sich über die Münzen, schiebt
„Ja, so!“
sieht weiter auf Münzen
„Richtig!“ lehnt sich zurück;
sieht Vl an
2:40
sieht Vl an
Dr. Günter Sämmer
Zeit
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
A
Berlin – April 2002
- Seite 33 -
B
:47
Vl: „Ja, richtig!“
:50
„Das spiel ich morgen mit den anderen“
C
3.3 Unterrichtsdemonstration: Nasa-Übung
Verlaufsplan:
1. Vorlage Blatt 1: Die Aufgabe allen Tn zur individuellen Bearbeitung vorlegen (Dauer ca. 10 min; nicht
abgucken!); warten bis alle fertig sind.
2. Gruppenbildung durch Leiter/in: Zufallsverfahren; Richtgröße: 4 Personen
3. Instruktion der Beobachter/innen (außerhalb des Raumes):
Jede Beobachterin erhält Blatt 2: Anleitung für die Beobachter/innen; kurz besprechen; alle B. sollen während
der Beobachtung Notizen machen, insbesondere:
Stoppen der Arbeitszeit der beobachteten Gruppe
4. Jede Gruppe erhält Blatt 3 Lösung der Gruppe Nr. ...
Anleitung (durch Leiter/in):
Versuchen Sie nun bitte in der Gruppe eine möglichst optimale Lösung der Aufgabe zu erzielen. Die Lösung soll
von allen Gruppenmitgliedern getragen werden. Stellen Sie also auf jeden Fall Einigkeit her. (Hinweis:
Lösungen durch Mittelwertbildung oder Mehrheitsbeschluss sind nicht erlaubt. Diskutieren Sie die gemeinsame
Lösung!
5. Gruppenarbeitsphase: Diskussion in den Gruppen, Beobachter stoppen Zeit, notieren das Verhalten.
Zeit: solange, bis die letzte Gruppe fertig ist.
6. Jede fertige Gruppe bekommt zur Auswertung Blatt 4 Expertenlösung der Nasa. Es wird für jeden Gegenstand
die Differenz zwischen dem Rangplatz der Lösung und dem der „Expertenlösung“ berechnet (immer größere
Zahl minus kleinerer)
a) Jedes Gruppenmitglied stellt die Fehlersumme für die eigene, individuelle Lösung, und
b) die Gruppe stellt die Fehlersumme ihrer gemeinsamen Lösung fest.
Warten, bis alle Gruppen fertig sind (kann in einzelnen Fällen, bei extrem lange dauern!)
Mögliche Auswertungen:
a) Zusammenfassung aller Ergebnisse an der Tafel (OHP) (kann schon begonnen werden, wenn die erste Gruppe
fertig ist); Beispiel Übersicht:
Gruppe 1:
Zeit, Gruppenfehler, Fehler Mitglied Nr.: 1, 2, 3, 4
Gruppe 2: (ebenso)
b) Bericht der Beobachter zu den einzelnen Punkten ihrer „Anleitung“ und Diskussion
Mögliche Aspekte der Auswertung:
- Gibt es Zusammenhänge zwischen Lösungszeit und -güte?
- Ist die Gruppenlösung besser/schlechter als die beste Einzellösung?
- Frage an Beobachter: Was spielte sich in einer Gruppe ab, die schlechter geworden ist als ihr bester „Experte“,
was in einer Gruppe, die sich verbessert hat?
- Was geschah Besonderes in den langsamen, was in den schnellen Gruppen? Womit wurde die Zeit verbraucht?
- Gab es Kontakte (verbale oder nonverbale) zwischen den Gruppen, wurde das Verhalten der anderen registriert?
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 34 -
Berlin – April 2002
Einige Hauptergebnisse in Thesen; Beispiele (sind nicht immer alle zu beobachten):
- In gut harmonisierenden Gruppen (wenig Rangkämpfe, schnelle Einigung über die Dominanzstruktur) ist die
Gruppenleistung besser als die beste Einzelleistung.
- Die Güte des Ergebnisses hängt kaum von der Arbeitszeit ab: es gibt sehr gute „schnelle“ und sehr schlechte
„langsame“ Gruppen.
- Gruppen mit sehr langer Arbeitszeit haben häufig große Schwierigkeiten, sich zu organisieren: die gruppendynamische Rangverteilung funktioniert nicht reibungslos und kostet immer wieder Zeit; inhaltliches
Einverständnis ist schwierig zu erzielen.
- Dominante Gruppenmitglieder können u.U. den Experten (bestes Einzelergebnis) der Gruppe „ausschalten“ und
das Gruppenergebnis damit verschlechtern.
Weitere Diskussionspunkte:
- Welche Interventionsmöglichkeiten hat ein Moderator bzw. eine Moderatorin bei problematischen Entwicklungen; z.B.:
 eine Gruppe `verzetteltA sich in Positionskämpfe und kommt inhaltlich kaum weiter
 ein Gruppenmitglied verhält sich dominant und destruktiv
 die Gruppe
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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- Seite 35 -
Nasa-Übung Blatt 1 (für alle Tn)
Die Aufgabe:
Sie gehören einer Raumfahrergruppe an. Sie hatten den Auftrag, sich mit dem Mutterschiff auf der beleuchteten
Mondoberfläche zu treffen. Wegen technischer Schwierigkeiten musste Ihr Raumschiff 300 km entfernt vom
Mutterschiff landen. Während der Landung ist viel von der Bordausrüstung zerstört worden. Ihr Überleben hängt
davon ab, ob Sie das Mutterschiff zu Fuß erreichen.
Sie dürfen nur das Allernotwendigste mitnehmen, um diese Strecke bewältigen zu können. Nachstehend ist eine
Aufzählung von 12 unzerstört gebliebenen Dingen. Ihre Aufgabe besteht nun darin, eine Rangordnung der
aufgezählten Gegenstände zu machen, die für die Mitnahme durch die Besatzung mehr oder weniger wichtig sind.
Ordnen Sie „1“ dem allerwichtigsten Gegenstand zu, „2“ dem nächstwichtigsten usw. bis alle Gegenstände
entsprechen ihrer Wichtigkeit in eine Reihenfolge (Rangordnung) gebracht sind.
Ihre Lösung:
Gegenstände
Ihre Lösung:
(Rangplatz)
1 Schachtel Streichhölzer
1 Dose Lebensmittelkonzentrat
20 Meter Nylonseil
30 Quadratmeter Fallschirmseide
1 tragbarer Kocher, auch als Heizgerät
brauchbar
2 Sauerstofftanks zu je 50 l
1 Sternkarte (Mondkonstellation)
1 Magnetkompass
20 l Wasser
Signalpatronen (brennen auch im luftleeren Raum)
1 Erste-Hilfe-Koffer mit Injektionsspritze
1 FM-(UKW)-Empfänger und Sender, mit
Sonnenenergie betrieben
Summe:
Differenz zur
Expertenlösung
Dr. Günter Sämmer
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- Seite 36 -
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Nasa-Übung Blatt 2 (für jede Gruppe; hier: Beobachter/innen)
Anleitung für die Beobachter/innen
1. Anfangssituation
a) Wie verhielten sich die Teilnehmer/innen zu Beginn?
b) Wer wurde als erster aktiv?
c) Worin äußerte sich die Aktivität (nonverbale / verbale Signale)?
2. Verhalten einer Führungsperson
a)
b)
c)
d)
Gab es eine Führungsperson? Wenn ja, wer?
Wie kam es dazu?
Wie äußerte sich ihre Rolle in ihrem Verhalten?
Versuchte jemand, ihr die Position streitig zu machen?
3. Beziehungen der Gruppenteilnehmer untereinander
a) Gab es deutliche Konflikte zwischen Gruppenteilnehmern? Welche?
b) Gab es Auseinandersetzungen wegen der Sache? Oder waren die Auseinandersetzungen mehr persönlicher bzw.
gruppendynamischer Art? Beispiele?
c) Wurden die Konflikte gelöst? Auf welche Art und Weise? Beispiele?
4. Beziehungen zu anderen Gruppen
a) Wurde das Vorhandensein der anderen Gruppen erwähnt? Was wurde gesagt? Beispiele?
b) Haben Sie (der Beobachter) etwas von anderen Gruppen gemerkt? Was?
Hinweis: Um in der späteren Auswertung `ohne Nennung von NamenA sprechen zu können, geben Sie bitte jedem
Gruppenmitglied eine Nummer (z.B. im Uhrzeigersinn 1, 2, ...); machen Sie ihre Notizen unter Verwendung dieser
Nummern.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Nasa-Übung Blatt 3 (für jede Gruppe)
Lösung der Gruppe Nr. .........
Lösung der
Gruppe
(Rangplatz):
Gegenstände
Differenz
zur Expertenlösung
1 Schachtel Streichhölzer
1 Dose Lebensmittelkonzentrat
20 Meter Nylonseil
30 Quadratmeter Fallschirmseide
1 tragbarer Kocher, auch als
Heizgerät brauchbar
2 Sauerstofftanks zu je 50 l
1 Sternkarte (Mondkonstellation)
1 Magnetkompass
20 l Wasser
Signalpatronen (brennen auch
im luftleeren Raum)
1 Erste-Hilfe-Koffer mit
Injektionsspritze
1 FM-(UKW)-Empfänger und
Sender, mit Sonnenenergie betrieben
Summe:
Zusammenfassung der Ergebnisse in Gruppe Nr. ........
Gruppenmitglied:
Fehlerpunkte:
Nr.
1
Nr.
2
Nr.
3
Nr.
4
Nr.
5
Gruppe
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 38 -
Nasa-Übung Blatt 4 (für jede Gruppe)
Expertenlösung der NASA:
Gegenstände
Expertenlösung
der Nasa
(Rangplatz):
Begründung
Streichhölzer
12
unnötig, da nichts Brennbares vorhanden
Lebensmittelkonzentrat
4
notwendige Nahrung
Nylonseil
6
zum Klettern, Anlegen von Notverbänden
Fallschirmseide
8
Sonnen- /Kälteschutz
Kocher
10
nur auf dunkler Mondseite nützlich
Sauerstofftanks
1
Atmung
Sternkarte
3
Mittel zur Orientierung
Magnetkompass
11
wertlos, da keine Magnetpole vorhanden
Wasser
2
Aufrechterhaltung der Lebensfunktion
Signalpatronen
9
Notsignale an Mutterschiff
Erste-Hilfe-Koffer
7
Medizin bei Unfällen und Schwächezuständen
Empfänger und Sender
5
Kommunikation mit Mutterschiff
Berlin – April 2002
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 39 -
Berlin – April 2002
4. Klinische Psychologie: „Schizophrene Symptome“
Übung 1: „Inhaltliche Denkstörung“: Verlust von Bedeutungen
Die Vpn werden aufgefordert, sich einen möglichst konkreten, mehrsilbigen Begriff (Tischkante, Türklinke,
Rosenstock ... ) vorzunehmen und sich auf diesen intensiv zu konzentrieren. Der Begriff soll nun 5 Minuten lang in
Gedanken immer wiederholt werden, während es im Raum völlig still sein muss.
Nach wenigen Minuten des inneren Wiederholens verliert der Begriff seinen Inhalt: Die damit normalerweise
verbundenen bildlichen Assoziationen verschwinden. Man bekommt das Gefühl, der Begriff habe seine Bedeutung
verloren.
Übung 2: „Derealisation/Depersonalisation der Körperwahrnehmung“ (nach WATZLAWICK)
Die Gruppe konzentriert sich auf die Stimme der Vl', und jede Vp versucht nun sich selbst folgendes zu
suggerieren:
- Ich konzentriere mich auf meine Füße. Ich spüre den Druck der Füße auf den Boden. Ich spüre meine Schuhe.
Ich spüre genau, wo Druckstellen im Schuh sind. Die Füße beginnen zu kribbeln, zu zucken, es drückt im Schuh
von unten, von der Seite ...
- Ich konzentriere mich auf mein Gesäß und meinen Rücken. Ich spüre den Druck des Stuhls von unten und von
hinten ...
- Ich konzentriere mich auf meinen Nacken. Ich spüre die Spannung in meinem Nacken. Sie zieht bis in den
Kopf. Ich spüre einen leichten Schmerz im Kopf ...
Auswertemöglichkeit: Die körperlichen Beschwerden werden umso schlimmer, je konzentrierter die Selbstwahrnehmung wird. Und die Selbstwahrnehmung wird umso konzentrierte, je stärker die Beschwerden werden. Dies
kann soweit führen, das Symptome „aus dem Nichts“ auftauchen und „sich selbständig machen“.
Übung 3: „Verfolgungswahn“ (NACH WATZLAWICK)
Übung Nr. 3a : Erinnern Sie sich, wie es ist, wenn Sie im Supermarkt an der Kasse warten. Ist nicht immer
diejenige Warteschlange langsamer, in der Sie stehen? Und wie ist es, wenn Sie auf eine Ampel zufahren? Sie
zeigt doch fast immer rot, und wenn sie es nicht schon tut, so springt sie sicher gerade um. Sollte das Zufall sein?
Beobachten Sie diese Phänomene, suchen Sie andere Beispiele und denken Sie sorgfältig über mögliche Ursachen
nach!
Übung Nr. 3b : Untersuchen Sie regelmäßig an Ihrer Haus- oder Wohnungstür von außen den Bereich des
Schlosses und des Türknopfes. Registrieren Sie genau die Kratzspuren und Beschädigungen. Merken Sie sich diese
genau und vergleichen Sie sie täglich.
Übung Nr. 3c : Wiederholen Sie Übung Nr.3a und denken Sie darüber nach, ob es zwischen den Beobachtungen
von Nr.3a und denen von Nr. 3b Zusammenhänge gibt.
Übung Nr. 3d : Vergleichen Sie das Wetter der letzten Jahre mit dem in Ihrer Kindheit. Vergleichen Sie das
Wetter ihres Wohnortes mit dem anderer Orte und Länder. Finden Sie Zusammenhänge zu den Ergebnissen von 3a
bis 3c.
Demonstration: „Drei Patienten“
Fall 1: Der Patient befindet sich in relativ starrer, sehr ungewöhnlicher Körperhaltung. Sein Blick ist auf einen
hölzernen Gegenstand geheftet. Auch wenn andere Personen den Raum betreten, wendet er den Blick nicht von
diesem Gegenstand ab.
Manchmal bewegen sich seine Lippen, als ob er spräche, manchmal schließt er auch die Augen. Dann beginnt er
mit dem Gegenstand vor sich zu reden. Er stellt ihm Fragen, richtet Aufforderungen an den Gegenstand, und
manche seiner Sätze lassen erkennen, dass er von dem Gegenstand eine Antwort erhalten hat.
Fall 2: Eine Patientin geht auf eine andere zu, zieht ein Stück Papier aus der Tasche und übergibt es dieser. Die
zweite Patientin sieht die erste mit großer Freude an, küsst das Stück Papier und schwenkt es durch die Luft. Sie
geht auf eine dritte Patientin zu, umarmt diese und hat nun Tränen in den Augen.
Fall 3: Ein Patient lebt in ungewöhnlich hoher Aktivität. er ist kaum in der Lage, sich auf die alltäglichen Dinge zu
konzentrieren. Seine Mahlzeiten nimmt er in größter Eile ein. Spricht man ihn auf seine Hyperaktivität an, dann
begründet er diese damit, dass er „es ihnen zeigen müsse“, dass er es nicht zulassen könne, „untergebuttert“ zu
werden. In solchen Gesprächen ist der Patient aber sehr unkonzentriert. Er macht den Eindruck, abwesend zu sein
und weicht häufig vom Thema ab, schaut auf die Uhr und behauptet, er müsse weg.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 40 -
Berlin – April 2002
Aufgabe:
1. Analysieren Sie die drei Fälle mit Hilfe des Diagnosesystems DSM III und der Unterkategorien der
Schizophrenie von Kräplin.
2. Setzen Sie an die Stelle des Begriffs Patient/in ein:
in Fall 1: „frommer Christ“
in Fall 2: „Lehrerin“ und „Schülerin“
in Fall 3: „leitender Angestellter“
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 41 -
Berlin – April 2002
5. Persönlichkeitspsychologie und –diagnostik
5.1 „Präsentation” im Rahmen eines Assessment-Centers
1. Aufgabe und Übungsphase (für Gruppen von 3 bis 4 Teilnehmern):
Stellen Sie sich vor: Bisher wurde in allen Klassen aller Schulen des Landes von den Lehrern ausschließlich mit
Filzschreibern auf großen Papierbögen geschrieben (Tafel und Kreide sind bisher unbekannt!). Ihre Firma hat
nun etwas Neues erfunden, das von der Marketingabteilung „Schulkreide” genannt wird. Sie sollen nun als
Vertreter/in der Marketingabteilung Ihrer Firma vor einer Versammlung von Lehrern einer Schule das neue
Produkt „Schulkreide” präsentieren; und zwar möglichst so, dass diese Schule sich für die Anschaffung von
Tafeln und Schulkreide (und für die Abschaffung der alten Papierbögen und Filzstifte) entscheidet.
Ihre Präsentation besteht aus einem kurzen, möglichst effektvollen Vortrag (max. 5 Minuten) und einem
nachfolgenden offenen Gespräch mit den „Lehrern” (ebenfalls max. 5 Minuten)




Bereiten Sie hierzu in der Gruppe einen Präsentationsvortrag vor und durchdenken Sie Ihr Verhalten in der
anschließenden Gesprächsphase.
Üben Sie die einzelnen Elemente innerhalb ihrer Gruppe. Simulieren Sie den Vortrag und das Gespräch.
Wechseln Sie sich in den Rollen so ab, dass jedes Mitglied mindestens einmal drangekommen ist.
Wenden Sie sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Übung die Beobachtungskriterien (s.u.) an.
Bestimmen Sie ein Gruppenmitglied für die Präsentation im Plenum.
Beobachtungskriterien für die Präsentation:
1. Gesamteindruck des Auftretens (GA): sicher, offen, freundlich, gewinnend ...
2. Sprache (SP): klar, angemessen laut, zusammenhängend, gute, verständliche Formulierungen ...
3. Nonverbale Kommunikation (NK): Körpersprache, Bewegung in Raum, Blickverhalten, Mimik
...
4. Argumentation (AR): logisch aufgebaut, nachvollziehbar, zielgerichtet, kreativ, witzig ...
5. Reaktionsfähigkeit im Gespräch (RG): Eingehen auf Einwände, Argumentieren, Schlagfertigkeit
...
2. Durchführung und Bewertung der Präsentationen
 Die Gruppen werden aufgelöst; alle „Präsentierer” verlassen den Raum, alle anderen werden von nun an
Zuhörer und Beurteiler.
 Allen Zuhörern/Beurteilern liegen die Beobachtungskriterien vor.
 Sie sollen jedem einzelnen „Präsentierer” bezüglich jedes Kriteriums eine Note geben (1 ... 6).
 Die Noten der einzelnen Präsentierer werden systematisch zusammengestellt (Mittelwerte!) und miteinander
verglichen. Die Betroffenen können sich zu ihren Ergebnissen äußern.
3. Auswertung und Interpretation im Psychologieunterricht
Aufgaben:

Welche der Grundfähigkeiten aus dem „Anforderungsprofil für Bewerber auf Stellen mit Führungsaufgaben”
können hier beobachtet werden?
Dr. Günter Sämmer



Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 42 -
Berlin – April 2002
Beurteilen Sie das gesamte „Messinstrument” Präsentation mit Hilfe der Testgütekriterien (Validität,
Objektivität, Reliabilität)
- Welche Schlüsse ergeben sich hierzu aus der systemischen Kommunikationstheorie?
- Welche aus tiefenpsychologischer Perspektive?
Wie lassen sich diese Grundfähigkeiten von den einzelnen Bewerbern weiter verbessern? Schlagen Sie
Maßnahmen vor; z.B. aus der Sicht der behavioristischen Lerntheorien (klassisches und operantes
Konditionieren).
Vergleichen Sie dieses Instrument des Assessments mit
- dem Einsatz von standardisierten und projektiven Testverfahren
- einem Einstellungsgespräch
Die Validität von Assessment-Seminaren einschränkende Faktoren:
Ganzheitspsychologie:
Perspektive: Systemtheorie/Gruppendynamik
Die Gruppe der Pd ist eine Zufallsgruppe; in verschiedenen Übungen (Gruppendiskussion, Redaktion,
Personalkonferenz) hängen die Ergebnisse des Einzelnen
- von prinzipiell unvorhersehbaren gruppendynamischen Phänomenen (hier z.B. Ausbildung der
Dominanzstruktur) sowie vom
- vom gruppendynamischen „Funktionieren” der Gruppe ab.
Perspektive: Halo-Effekt
Vorwissen / - informationen der Trainer z.B. aus Bewerbungsunterlagen oder Personalakten
Behaviorismus:
Perspektive: Klassisches Konditionieren (syst. Desensibilisieren)
Angstreduktion und Übungseffekte durch wiederholte Teilnahme; Löschung sozialer Ängste
Tiefenpsychologie:
Perspektive: Unbewusste Prozesse
Übertragungsvorgänge bei den meist nicht psychoanalytisch ausgebildeten Trainern
Erläuterungen: Personalentwicklung und -auslese durch Assessment-Seminare
In großen Unternehmen werden Bewerber auf Stellen mit Führungsaufgaben (alle akademischen Mitarbeiter in
Forschung, Produktion, Marketing, Verwaltung - Gruppenleiter, Laborleiter) häufig dadurch beurteilt, dass sie an
einem Assessment-Seminar teilnehmen müssen (assessment: Einschätzung).
Diese Assessment-Seminare werden von Psychologen und Mitarbeitern der Personalabteilung über mehrere Tage
hinweg veranstaltet, und es nehmen stets mehrere Bewerber gleichzeitig teil. Hier sollen wesentliche
Grundfähigkeiten überprüft werden, die für die zukünftigen Aufgaben der Bewerber erforderlich sind. Das
Gesamtergebnis des Assessments hat starken Einfluss auf die Einstellungs- bzw. Karrierechancen des jeweiligen
Bewerbers.
Anforderungsprofil für Bewerber auf Stellen mit „Führungsaufgaben”
Grundfähigkeiten:
 flexibles Umgehen
- mit sich, also mit der eigenen Person, den eigenen Fähigkeiten, Schwächen und Ängsten
- mit anderen, also mit Vorgesetzten, Kollegen und insbesondere untergeordneten Mitarbeitern
- mit „der Sache”, also mit den Gegenständen der Arbeit
 Kooperationsfähigkeit; Fähigkeit zur kooperativen Leitung
 Umgang mit Projektstrukturen: Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen in dezentralisierten,
hierarchisch „flachen” Strukturen
 projektorientiertes, fächerübergreifendes, vernetztes Denken
Kriterienliste:
1.
Soziale Kompetenz
kommuniziert konstruktiv und effektiv
-
gibt / besorgt sich Feedback über die eigene Arbeit
verhält sich zuverlässig und berechenbar
Dr. Günter Sämmer
2.
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
schafft und übt wechselseitiges Vertrauen
fördert Kooperation im Team
schafft mündige Mitarbeiter
gibt Mitarbeitern Rückendeckung
Denken und Handeln
Kreativität, hat eigene, originelle Ideen
analytisches Denken, kann Sachverhalte durchdenken
- kontrolliert Ergebnisse seiner Arbeit und der Arbeit anderer
arbeitet ökonomisch, also effizient
- Seite 43 -
Berlin – April 2002
3. Präsentation und Auftreten
kann sicher auftreten
schafft effektive Kommunikation
kommt „auf den Kern”
begründet plausibel
schafft Akzeptanz
4. Konfliktbereitschaft, Standfestigkeit
beherrscht konstruktive Konfliktstrategien
ist flexibel im Umgang mit eigenen Standpunkten
ist kompromissfähig
B. Standardisierte Simulationssituationen in Assessment-Seminaren
Während des Seminars werden „Standardsituationen” in Form von Rollenspiele durchgespielt. Sie werden von den
Psychologen beobachtet und bewertet; jeder Teilnehmer erhält über sein persönliches Abschneiden Rückmeldung.
1. „Gruppendiskussion” (ohne spezifische Rollenzuweisung an einzelne Mitglieder über ein fachspezifisches oder
betriebsspezifisches Thema)
2. „Präsentation” (Jeder Teilnehmer soll ein fiktives Gruppenarbeitsergebnis oder ein fiktives Produkt vorstellen.)
3. „Redaktion einer Zeitung” (mit systematisch wechselnden Rollen: „Redakteur”, „Chefredakteur” ...)
4. „Personalkonferenz” (Leitung einer fiktiven Personal- oder Arbeitsgruppenkonferenz über ein fiktives
konflikthaftes Thema)
5. „Interview” (Gespräch mit einem Mitarbeiter, der ein Problem vorträgt)
6. „Sehnsucht” (Darstellung der eigenen Motive und Ziele in bezug auf Arbeit und Karriere)
5.2 Der „Graphical Symbol Translation Test“
Durchführung:
(a) Die Schülerinnen werden gebeten, ein „bewährtes Kurz-Testverfahren aus dem Bereich der
Persönlichkeitsdiagnostik“, den „GSTT“, nach Anleitung durchzuführen (vgl. Anlage).
Es handelt sich hier um eine Täuschung. Der „Test“ besitzt keinerlei Validität und damit keine wissenschaftliche
Relevanz. Um dies möglichst wirksam zu vertuschen, werden die Arbeitsanleitungen in ähnlicher Weise
„standardisiert“ vorgetragen, wie die Schülerinnen dies von anderen standardisierten Tests her kennen. Die
Maßnahmen der Geheimhaltung sollen ebenso sorgfältig wie dort eingehalten werden: Jeder Teilnehmer soll dafür
sorgen, dass keine andere Person, auch nicht der Lehrer, Kenntnis von den Ergebnissen erhält. (Bearbeitung des
„Tests“ in Stillarbeit)
b) Die Lehrerin teilt die „Lösungsblätter“ (vgl. Anlage) aus, fordert die Schülerinnen auf, diese auszufüllen und
erläutert die „Auswertung“:
Es bedeuten: Kreis: „Gefühl“; Rechteck: „Verstand“; Dreieck: „ Sex“
Die Schülerinnen tragen ihre Ergebnisse ein.
Zum Abschluss soll jede Schülerin in einer „Schulnote“ (von 1 bis 6) zum Ausdruck bringen, wie gut sie ihre
Persönlichkeit durch das Testergebnis beschrieben findet. Die „Note“ (Güteschätzung) ist aufzuschreiben.
Die „Noten“ werden vom Lösungsblatt abgetrennt und anonym eingesammelt.
Hinweis: Nach KÖHLER beruht die überraschend empfundene Plausibilität und Stimmigkeit der Zuordnung von
Symbolen zu Erlebnisbereichen auf Gestalttransformation. Die „physiognomischen Eigenschaften“ (KÖHLER) der
Wahrnehmung, die durch die Gestaltähnlichkeit in verschiedenen Wahrnehmungsmodi entstehen, täuschen
inhaltliche „Stimmigkeit“ vor (unwissenschaftlicher Analogieschluss). KÖHLER demonstriert dies an einem
Beispiel aus der optischen Wahrnehmung. Die überwiegende Mehrheit der Menschen stimmt überein bei der
Zuordnung der unten stehenden Figuren zu den Bezeichnungen „TAKETE“ und „MALUMA“:
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
- Seite 44 -
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Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
GSTT
- Seite 45 -
Berlin – April 2002
Graphical Symbol Translation Test
Testanweisung:
Durch alleinige Verwendung der drei Symbole
Kreis
Rechteck
Dreieck
soll aus der freien Hand ein Mensch schematisch skizziert werden.
Sie müssen genau 10 dieser Symbole verwenden! Weitere Ausschmückungen (Schraffuren,
Schattierungen, andere Linien oder Punkte usw.) sind nicht gestattet. Allerdings dürfen Sie die Kreise
zu Ellipsen „langziehen“, ebenso die Rechtecke lang und schmal sowie die Dreieck flach und stumpf
oder spitz und lang zeichnen. Die geometrische Grundfigur soll aber in jedem Fall erhalten bleiben.
Arbeiten Sie möglichst zügig; entscheiden Sie spontan, ohne nachzudenken.
Ihre Skizze:
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
GSTT Graphical Symbol Translation Test
Lösungsblatt
verwendete
Symbole:
Anzahl:
Prozent:
Bedeutung:
Wie treffend finden Sie Ihre Persönlichkeit beschrieben?
Geben Sie eine Schulnote: sehr gut (1) ... ungenügend (6)
Ihre Note:
- Seite 46 -
Berlin – April 2002
Dr. Günter Sämmer
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Berlin – April 2002
- Seite 47 -
6. Persönlichkeitspsychologie und –diagnostik
„Zeuge eines Verkehrsunfalls“
Durchführung:
1. Sie sind Zeugen des nun folgenden Autounfalls.
(Vorführung des Films „Autounfall“).
2. Bitte beantworten Sie für eine polizeilichen Vernehmung schriftlich die folgenden Fragen (vgl. Fragebogen)
Die Hälfte der Vpn erhält Fragebogen Version A die andere Hälfte Version B verdeckt ausgeteilt.
Anweisung:
Zur Aufklärung der Unfallschuld beantworten Sie bitte möglichst sorgfältig die ihnen vorliegenden Fragen. Um
eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen, sehen Sie bitte nicht zu Ihrem Nachbarn hinüber.
Zusammenstellung der Ergebnisse:
Fragen:
Gruppe 1: „Verkehrsunfall“
Zahl der Teilnehmer:
Gruppe 2:„Frontalzusammenstoß“
Zahl der Teilnehmer:
1. Geschwindigkeit (Mittelwerte)
........ km/h
........ km/h
2. Windschutzscheibe
zerbrochen?
Anzahl „Ja“:
in %:
Anzahl „Ja“:
in %:
3. Insassen angeschnallt?
Anzahl „Ja“:
in %:
Anzahl „Ja“:
in %:
4. Airbags funktioniert?
Anzahl „Ja“:
in %:
Anzahl „Ja“:
in %:
5. Feuer an der Unfallstelle?
Anzahl „Ja“:
in %:
Anzahl „Ja“:
in %:
6. Etwas auf dem Straßenbelag?
Anzahl „Ja“:
in %:
Anzahl „Ja“:
in %:
7. Wie viele Insassen?
(Mittelwerte)
..... Insassen
..... Insassen
Deutung des Experiments (Quelle: Hell, W. u.a. (1993). Kognitive Täuschungen. Spektrum-Verlag)
„Man geht hierbei davon aus, dass bei dem Abrufprozess zur Rekonstruktion des zu Erinnernden mehr als die
Gedächtnisspur benutzt wird. (...)
Alle die hier aufgeführten Befunde sind mit der Theorie des konstruktiven Gedächtnisses erklärbar. Menschen
konstruieren ihre Erinnerung aus
 Gedächtnisinhalten
 Abfragekontext
 Zusatzinformationen
 ihrem Wissen um die Welt
 ihrem Selbstbild.“
Inhaltliche Fortführung – Fragestellungen:
Welche Konsequenzen haben die Versuchsergebnisse in Bezug folgende Bereiche:
 Die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen in Kriminalverfahren: Welche Maßnahmen kann man
ergreifen, um diese zu erhöhen?
 Die Verlässlichkeit von Aussagen eines Patienten in der Psychotherapie: Vergleiche die
Gesprächsverfahren bei der Nicht-direktiven Gesprächstherapie und der Psychoanalyse.
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
Berlin – April 2002
- Seite 48 -
Fragebogen zum Autounfall
Bitte lesen Sie zunächst sorgfältig und beantworten dann die folgenden Fragen:
Sie wurden soeben Augenzeuge eines Verkehrsunfalls.
Ihre Antwort: (ausfüllen bzw.
ankreuzen)
1. Wie schnell fuhren nach Ihrer Schätzung die beiden Autos,
bevor sie zusammenstießen?
Jedes der Autos fuhr
ca. ....... km/h
2. Ist dabei eine (oder beide) Windschutzscheiben zerbrochen?
□ Ja
□ Nein
3. Waren Insassen angeschnallt?
□ Ja
□ Nein
4. Hat eines (oder beide) Airbags der Autos funktioniert?
□ Ja
□ Nein
5. Gab es Feuer an der Unfallstelle?
□ Ja
□ Nein
6. War auf der Straße etwas, was das Bremsen der Autos behindert
hätte (Feuchtigkeit, Schmutz, Öl ...) ?
□ Ja
□ Nein
7. Wie viele Insassen waren zusammen genommen in beiden
Autos?
Es waren etwa ........ Insassen
Fragebogen zum Autounfall:
Bitte lesen Sie zunächst sorgfältig und beantworten dann die folgenden Fragen:
Sie wurden soeben Augenzeuge eines Frontalzusammenstoßes,
bei dem 1 Insasse getötet und 3 schwer verletzt wurden.
Ihre Antwort: (ausfüllen bzw.
ankreuzen)
1. Wie schnell fuhren nach Ihrer Schätzung die beiden Autos,
bevor sie ineinander krachten?
Jedes der Autos fuhr ca. .......
km/h
2. Ist dabei eine (oder beide) Windschutzscheiben zerbrochen?
□ Ja
□ Nein
3. Waren Insassen angeschnallt?
□ Ja
□ Nein
4. Hat eines (oder beide) Airbags der Autos funktioniert?
□ Ja
□ Nein
5. Gab es Feuer an der Unfallstelle?
□ Ja
□ Nein
6. War auf der Straße etwas, was das Bremsen der Autos behindert
hätte (Feuchtigkeit, Schmutz, Öl ...) ?
□ Ja
□ Nein
7. Wie viele Insassen waren zusammen genommen in beiden
Autos?
Es waren etwa ........ Insassen
Dr. Günter Sämmer
Demonstrationen und Experimente im Psychologieunterricht
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Berlin – April 2002
Exkurs II zur Didaktik psychologischer Unterrichtsdemonstrationen und Experimente
Funktionen psychologischer Unterrichtsdemonstrationen und Experimente
Unterrichtsdemonstrationen und Experimente können im induktiven Einsatz
wissenschaftliche
Theorie
Demonstration
Experiment
 Ausgangsbasis für entdeckendes Lernen sein
 als „Musterbeispiele“ für paradigmatische wissenschaftliche Wahrnehmungs- und
Erklärungsformen dienen
 Anschauungsmaterial sein zur Entwicklung von psychologischen Theorien
Unterrichtsdemonstrationen und Experimente können im deduktiven Einsatz
wissenschaftliche
Theorie
 theoretische Sachverhalte veranschaulichen
 Beispiele sein für die Reichweite und „Gültigkeit“ eines theoretischen Modells
Demonstration
Experiment
Quellen:
Sie können alle hier besprochenen Hilfsmittel aus dem Internet laden unter
www.psychologielehrer.de dort unter „Psychologieunterricht“, und zwar:

diesen Text als WORD-Datei

alle oben angesprochenen Computer-Experimente mit Anleitungen

den Film zum Experiment von Loftus

die auf der Tagung verwendete PowerPoint-Datei
Herunterladen