14 RELIGION AND RITUAL

Werbung
14 RELIGION AND RITUAL
-
-
-
-
-
-
Religion spielt große Rolle bei Völkern, die von klassischer Anthropologie behandelt
werden
Definitionsproblem: Begriffe wie Religion, Wirtschaft, Natur in eigener Gesellschaft
mit anderer Bedeutung als in beobachteter
Vor einem Jahrhundert:
o Unterscheidung zwischen Religion und Paganismus auf der einen, Religion
und Aberglaube (Superstition) auf der anderen Seite
 Aberglaube: Unsichtbare Beziehungen, die nicht erklärt werden können
(Glaube der Trobriand-Insulaner an böses Ausgabe)
 Paganismus: Nicht-christliche Religion mit öffentlichen Ritualen
(Vermischung von Islam mit afrikanischen Kulten)

Zeitgenössische Anthropologie:
o Unterscheidung zwischen Religion und Wissen:
 Religion: Sozialer Glaube an Übernatürliches + öffentliche Rituale
 Wissen: Glaube an Fakten, nach denen Menschen handeln, auch mit
sozialem Aspekt
Tylor: Religion ist Glaube an Übernatürliches
o Was ist übernatürlich? Was für uns natürlich = für andere übernatürlich
Durkheim: Unterscheidung zwischen geistlich & weltlich in jeder Gesellschaft
o Religion in primitiven Gesellschaften für Integration & Solidarität zuständig
o Weltliche Religion: Gesellschaft glaubt an sich selbst
Geertz:
o Hermeneutische, interpretative Sichtweise -> sehr einflussreich,
Untersuchungen von Evans-Pritchard
o Nicht soziales Phänomen Religion untersuchen, sondern Bedeutung der
Religion für Menschen: wie sie hilft, Welt eine Bedeutung & Existenz zu
geben
o Religion = System von Symbolen, generelle Ordnung der Existenz erklärend,
sehr überzeugend, deswegen Motive sehr realistisch klingend
Bis 60er: Untersuchung von Funktion, Struktur
Jetzt: Interpretation von Bedeutung, Symbolen, sozialem Prozess
ORAL AND WRITTEN RELIGIONS
-
Unterscheidung zwischen mündlichen & schriftlichen Religionen
1) Schriftliche Religionen des Buchs
o Islam, Judentum, Christentum
o Verbunden mit heiligem Text (Koran) oder mehreren Texten (Bibel)
o Gläubige sollten Inhalte kennen
o Religion an Text gebunden, nicht an Kultur
 Verbreitung deswegen weltweit gegeben
 Ursprung der monotheistischen Religionen im Nahen Osten

Religionen der Konversion (man kann zu spezifischer Religion
übertreten)
 Tendieren zur Einzigartigkeit (Vermischung von Christentum mit
Naturreligionen in Afrika wird z.B. abgelehnt)
 Asiatische Religionen des Buchs (Buddhismus und
Hinduismus) weniger streng ausgelegt, flexibler
2) Mündliche Religionen
o Eingebettet in soziale Traditionen und kulturelles Umfeld
o Glaube an lokale Gegebenheiten gebunden (Missionare glaubten, Animisten
gegenüberzustehen, weil gewisse Plätze (Bäume etc.) verehrt werden
o Integriert in nicht-religiöse Sphäre
o Schriftliche Religionen oft distanzierter, abstrakter (Unterschied zwischen
modernen und traditionellen Gesellschaften
-
Religionen, typisch untersucht von Anthropologie:
o Religionen, durchaus basierend auf Schriften, aber lokal verankert, mündlich
tradiert und definiert (kein Anspruch auf weltweite Verbreitung)
-
Interessant:
o Eine der ersten Entwicklungen in sich differenzierenden Gesellschaften ist Job
der Priester
o Schamane: Medium, das über Trance mit geistlicher Welt in Verbindung tritt
-
Unterscheidung zwischen großen & kleinen Traditionen:
o Große: Islam, Christentum usw.
o Kleine: Glaube an lokale Heilige, Magie (z.B. das böse Auge), Hexerei
 Treten gleichzeitig auf, Interrelation
-
Bsp.:
o Kaguru-Volk (Afrika)
 Mulungu = Gott, erschuf Welt
 Ahnengeister werden bei Problemen gerufen
 Jährliche Rituale für Fruchtbarkeit der Felder
 Ahnen teilten Land unter sich auf, Land darf nicht verkauft werden
AFTERLIFE
-
-
Konfliktfreie Vorstellung des Lebens im Paradies
o Wikinger: Walhalla für tapferen Heldentod der Männer (Feuer brennt Tag und
Nacht)
Schriftliche Tradition: Eher abstrakte Beschreibungen
Mündlich: Eher konkret, Glaube soll Tod entmystifizieren
Menschen, die oft nicht an Leben nach dem Tod glauben:
o Jäger & Sammler
o Industrielle Gesellschaften
ANCESTRAL CULTS
-
Ahnenverehrung als Kontinuität der Existenz auf Erde
-
-
Je älter der Mensch, desto weiser (Ahnen extrem weise und allwissend)
Politischer Aspekt:
o Alte führen Junge und haben Macht
o Respekt der Alten gegenüber = Pflicht
Marx: Religion ist Opium für das Volk
o Lenkt von Missständen ab und gaukelt heile Welt vor, Konzentration auf
schönes Leben nach dem Tod bei Einhaltung aller vorgegebenen Regeln
RITUAL
-
-
Ausdruck für existenzielle Probleme oder Veränderungen (Todesangst, Geburt eines
Kindes)
Sozialer Aspekt der Religion
o Rituale geben einzelnen Punkten der religiösen Ideologie Gestalt
(Übernatürliches, Aberglaube, Heiliges)
Öffentliche Events, die Beziehung zwischen weltlicher und geistiger Sphäre darstellen
Synthese vieler Level der Gesellschaft (Individuum vs. Kollektiv, Symbol vs.
Soziales)
Löst Spannungen und Gegensätze (Olympische Spiele als Ritual der modernen Welt)
-
Max Gluckman:
-
-
o Neuguinea: Volk der Tsembaga Maring
 Nur Big Man und Schamane als Autoritäten
 Link zwischen kriegerischer Aktivität und Ritualjahr
 Kaiko-Festival wird gestartet, wenn Schweine mehr fressen als abgeben
 Festival dauert ein Jahr, Gesellschaft & Ökosystem werden reguliert
(Nachbarn werden angegriffen, Verlierer müssen wegziehen)
 Funktionale Erklärung:
 Tsembaga wissen, wann es Zeit ist, Gesellschaft zu regulieren
 Erklärt aber nicht, warum Ritual existiert
IDEOLOGICAL AMBIGUITIES
-
Edmund Leach: Monographie über Kachin
o Kein festes gesellschaftliches Gefüge, Führerschaft ändert sich zyklisch
o Kachin verehren eigene Götter und Geister, Nachbarn sind Buddhisten
o Geister sind Ahnen (nats), Unterscheidung zwischen normalen nats und
aristokratischen nats
o Zwei existente Weltanschauungen:
1) Gumlao: egalitär
2) Gumsa: hierarchisch
o Jedes Dort hat eigene Dorfpatronen und –geister
 Während Gumlao: Ahnen aller Dorfbewohner regieren
 Während Gumsa: Ahnen des Dorfchefs
o Geistige Welt Spiegelbild der weltlichen, Rituale abhängig vom Zustand der
Gesellschaft
o Beziehung zwischen Ritualen & Mythen (Rituale dramatisieren Mythen)
o Kachin:
 Beide Auffassungen der Welt (geistig und weltlich) existieren
gleichzeitig (keine Stabilität möglich) -> erzeugen Unruhen und Streit
o Ritual ist Ausdruck für komplexe Statements über Gesellschaft
o Beispiele:
 Bruce Kapferer: Exorzismus in Sri Lanka
 Geertz: Hahnenkämpfe in Bali
MULTIVOCALITY
-
-
-
Symbole als zentrales Element von Ritualen
o Christentum:
 Weiß = rein
 Schwarz = böse
 7 = heilige Konnotation
 Kommunion = gleichzeitig Brot und Teil Christis (Brücke zwischen
geistiger und materieller Welt, multivokal)
o Milchbaum bei Ndembu-Volk
 Symbolisiert Muttermilch & weibliche Brüste
 Wichtig für Initiierungsrituale der Mädchen (matrilineare Gesellschaft)
 Symbol auch für Mutter-Kind-Beziehung (biologisch und sozial)
 Women’s power (Gesang und Tanz gegen Männer)
 Dissonanz zwischen Individuum & Gesellschaft, Baum wird gesegnet,
wenn Mädchen reif ist (Trennung von Mutter)
Dominante Symboliken überall gegeben:
1) Ausdruck für verschiedenste Dinge vereint auf 1 Symbol
2) Verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bieten Möglichkeit, dass
möglichst viele Menschen sich mit Symbol solidarisieren (Nationalflagge)
3) Polarisierung der Meinungen
a. 1. Pol: Ideologie, Soziales, Politik
b. 2. Pol: Biologisches, Psychologisches
Victor Turner:
o Symbole & Rituale müssen multivokal sein, weil Menschen auch verschieden
sind, um Solidaritätsoption zu schaffen
o Müssen auch immer politischen Aspekt mit emotionalen, persönlichen
Aspekten vermischen
COMPLEXITY OF RITUALS
-
Beispiel:
o Maurice Bloch: Beschneidung in Madagaskar
 Volk namens Merina (stärkste und wichtigste Gruppe auf Madagaskar)
 Hierarchisch
 Beschneidung der Jungen mit 1-2 Jahren wichtigstes Ritual
 Ernennung von „Vätern“ und „Müttern“, die für Kind sorgen – „Vater“
führt Beschneidung durch. „Väter“ und „Mütter“ kommen aus
Kerngruppe (deme) der Merina, unterstützen biologische Eltern



-
Beschneider tötet Bullen, wird aufgegessen (Dissonanz: Leben & Tod,
Glückwunsch, Feier & Gewalt)
Teilnehmer des Rituals stellen mythische Gegner dar, andere die
Bezwinger
Während französischer Kolonialzeit nur in kleinem Rahmen
durchgeführt, ab 1960 wieder Normalzustand
Unterscheidung zwischen theatralischen Aufführungen & Ritualen schwierig:
o Theater: Spaß & Unterhaltung
o Ritual: Glaube
 Westliches Drama: Theater als Reflexion der Gesellschaft, politische
Darstellungen (Bert Brecht), Verbindung von Tanz & Ritual
-
Definition Ritual:
o Edmund Leach:
 Nicht nur rituelle Institutionen (Kirche), sondern ritueller Akt ist Teil
kulturell standardisierter Aktionen
 Jede Aktion, die nicht direkt „zielführend“ ist, sprich keine Intention
hat, zu einem gewissen Ziel zu kommen, ist Ritual (der expressive,
symbolische Aspekt eines konventionellen Handelns)
POLITICAL RITUAL
-
-
Ideologie vereinfacht und impliziert immer Hierarchie & soziale Herrschaftsgefüge
(Merina: Beschneidung als Mittel zum Zweck der Gewaltanwendung
Moderne Staaten haben ebenso Rituale/Symbole:
o Nationalflagge (Zweck der kollektiven Identifizierung der Bürger mit Staat)
Bei Machtübernahme eines neuen Herrschaftsgefüges wird oft versucht, aus
ungewohnter Situation eine gewohnte herzustellen & Kontinuität zu symbolisieren,
um Menschen nicht zu verunsichern bzw. sich selbst zu legitimieren (FPÖ -> BZÖ)
Bsp.: Russland
o Neujahrsfeiern seit paganischem Zeitalter
o Später: Einzug des Christentums (Vermischung mit Weihnachten)
o 1917: Bolschewismus wollte Fest abschaffen, unterstützte es später, jedoch
Entfernung der christlichen Elemente
MODERN RITUALS: SPORTS
-
Ritual meistens religiös konnotiert, jedoch auch säkular möglich (z.B. Hahnenkampf
in Bali oder Rockkonzert)
Wichtigste weltlich-moderne Feste: Sportliche Events
o Ein Drittel der Weltbevölkerung sah WM-Finale 1998
Oft untersucht: Fußball
o DaMatta: Aspekt des sozialen Dramas
o Archetti: Feier der Männlichkeit, Stars als religiöse Figuren
o Andere: Dimension der verschiedenen Klasen, nationale Identität,
generationsübergreifender Aspekt, globaler Charakter, Unvorhersehbarkeit der
Resultate (Hexerei? Fußballgott?), Verehrung der Teams
-
-
Wichtig bei Ritualforschung: Feldforschung unerlässlich, stellt theoretische
Grundlagen infrage
Religion von Menschen nur dann angewandt, wenn sie etwas von dieser erwarten
können, wenn Religion für etwas gebraucht werden kann -> Verbindung mit
persönlicher Erfahrung
Rituale dramatisieren Abstraktes an Religion, machen Religion erfahrbar, spürbar und
politischen Ordnungsaspekt legitim
Verschiedene Wissenssysteme werden bei verschiedenen Anlässen praktiziert
o Kein Widerspruch, an Bibel & Evolution zu glauben, solange Trennung
besteht
Herunterladen