Päpstliche Kommission „Pro Russia“ unseres Heiligen Vaters

Werbung
Päpstliche Kommission „Pro Russia“
unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
durch göttliche Vorsehung Papst
Allgemeine Prinzipien und praktische Normen
für die Koordinierung der Evangelisierung
und des ökumenischen Engagement der
Katholischen Kirche in Russland und in anderen
Ländern der GUS
1.6.1992
Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz,
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 109; S. 15-26.
Entnommen bei: www.kathtube.com
Inhaltsübersicht
Einführung
I. Allgemeine Prinzipien
II. Praktische Normen
Einführung
Die Kirche hat von Christus den Auftrag erhalten, allen Menschen die Heilsbotschaft zu
verkünden; sie ist ein messianisches Volk, „von Christus als Gemeinschaft des Lebens, der Liebe
und der Wahrheit gestiftet," und wird „von ihm auch als Werkzeug der Erlösung angenommen
und als Licht der Welt und Salz der Erde (vgl. Mt 5,13-16) in alle Welt gesandt" (Dogmatische
Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium, Nr. 9).
Als Sakrament der Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen ist die Kirche Zeichen und
Sauerteig der Einheit des Menschengeschlechts. Sie lädt alle dazu ein, aus der Fülle der Gaben
Gottes zu schöpfen, die uns durch das Erlösungsopfer Jesu Christi und die Ausgießung des
Heiligen Geistes, der das Antlitz der Erde erneuert, zuteil werden. In Erfüllung der ihr von Christus
anvertrauten Mission begegnet die Katholische Kirche anderen Gemeinschaften, die sich auch
auf Christus berufen, vor allem den orthodoxen Kirchen, mit denen sie einen Großteil des
kirchlichen Erbes teilt.
In ein und demselben Gebiet empfangen nicht alle, an die die Frohbotschaft gerichtet ist, diese
auch auf die gleiche Weise; es gibt sowohl Gläubige, die der Katholischen Kirche angehören,
Brüder und Schwestern anderer Konfessionen und christlicher Traditionen als auch solche, die
diese Botschaft zwar erhalten, sie sich aber nicht zu eigen gemacht haben und Nichtgläubige
bzw. Atheisten geworden sind. Das Anliegen der Kirche richtet sich an alle und jeden einzelnen entsprechend seiner jeweiligen Lage.
Die in dem vorliegenden Dokument enthaltenen Richtlinien betreffen die besondere Situation der
Gebiete der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropas unter Berücksichtigung der
jahrhundertealten Präsenz der orthodoxen Kirche sowie der leidvollen Geschichte dieser Völker
unter dem kommunistischen Regime. Die nationalen Regelungen bezüglich der Religionsfreiheit
ermöglichen den Kirchen heute, ihren Auftrag mit einem erneuerten Verantwortungsbewusstsein
zu erfüllen, nicht nur gegenüber denjenigen, die verfolgt wurden, sondern auch gegenüber
denjenigen, die auf der Suche nach der Wahrheit und den Mitteln des Heils sind. Nicht im
Wettstreit miteinander, sondern in dem gemeinsamen Bemühen um die von Christus gewollte
Einheit sind die Katholische und die orthodoxe Kirche dazu aufgerufen, ihren Sendungsauftrag so
zu erfüllen, dass ihr Zeugnis sowohl in dem, was jede Kirche für sich tut, als auch im
gemeinsamen Handeln voll und ganz dem Willen Christi entspricht, der der Weg, die Wahrheit
und das Leben ist. Weiterhin soll ihr Zeugnis das Gewissen jedes einzelnen sowie die freie
Verbreitung der Gnadengaben des Heiligen Geistes achten.
I. Allgemeine Prinzipien
1 Nach sechzig Jahren offiziellen Atheismus in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion
bedürfen die katholischen Gemeinschaften des lateinischen, byzantinischen und armenischen
Ritus vor allem einer Neu-Evangelisierung.
Dies ist der Grund für die sofortige Reorganisation der Ortshierarchie gewesen, und zwar durch
die Ernennung von Bischöfen und Apostolischen Administratoren für die Gemeinschaften des
lateinischen Ritus in Weißrussland, Russland, Kasachstan und der Ukraine, durch die
Anerkennung und die „missio canonica" der bzw. für die Bischöfe der Katholischen Kirche des
byzantinisch-ukrainischen Ritus, die heimlich geweiht worden waren, sowie durch die Errichtung
des Ordinariats für die katholischen Armenier.
2 Die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren haben somit das Recht und die Pflicht, sich
der spirituellen Bedürfnisse der ihrer Seelsorge anvertrauten Katholiken anzunehmen. Ihre
Aufgabe ist es, die Präsenz eines Priesters in den verschiedenen Gemeinden sicherzustellen,
und zwar so, dass selbst die kleineren Gemeinden zumindest gelegentlich für die Feier der
Eucharistie und anderer Sakramente priesterliche Hilfe erhalten und ihre Mitglieder die
erforderliche religiöse Unterweisung bekommen können.
Denn das Wort des heiligen Paulus in seinem Brief an die Römer gilt auch heute noch: ,;Wie
sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand
verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? ...So gründet der
Glaube in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi" (Röm 10,14-17).
Um dieses Werk der Evangelisierung erfolgreich durchzuführen, sollen sich die Bischöfe und die
Apostolischen Administratoren, solange es noch keinen entsprechend ausgebildeten Ortsklerus
gibt, um die notwendige Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen und
Ordensgemeinschaften anderer Länder bemühen. Sie sollten ebenso die sprachlichen
Erfordernisse ihrer Gemeinschaften berücksichtigen, um auch auf religiöser Ebene die Rechte
der ethnischen Minderheiten in den Ländern der GUS zu achten.
Bezüglich der Gemeinschaften des orientalischen Ritus könnte man, falls es nicht genügend
Priester eines bestimmten Ritus gibt, die Möglichkeit in Erwägung ziehen, auf Biritualisten
zurückzugreifen. Diese sollten nicht nur die Liturgie, sondern auch die Traditionen und die
Eigenheiten der Kirche kennen, zu deren Dienst sie bestellt werden.
3 Ziel der apostolischen Strukturen, die von den Bischöfen und den Apostolischen
Administratoren in den ihnen anvertrauten Gebieten errichtet werden, ist es, den Bedürfnissen
der katholischen Gemeinschaften in diesen Gebieten gerecht zu werden. Hierdurch soll die
Katholische Kirche keinesfalls mit der russisch-orthodoxen Kirche oder mit anderen christlichen
Kirchen dieser Gebiete in Konkurrenz treten. Die sogenannte Proselytenmacherei - d. h.
jedweder Druck, der auf das Gewissen von Menschen ausgeübt wird, ungeachtet dessen, wie
und durch wen dies geschieht - ist etwas völlig anderes als das Apostolat und sicherlich nicht die
Methode, die von den Hirten der Katholischen Kirche angewandt wird. In diesem Zusammenhang
erklärt das II. Vatikanische Konzil feierlich: "Die Kirche verbietet streng, dass jemand zur
Annahme des Glaubens gezwungen oder durch ungehörige Mittel beeinflusst oder angelockt
werde. .." (Dekret Ad gentes, Nr. 13).
4 Das apostolische Wirken in den Gebieten der GUS und Osteuropas verlangt von den
Katholiken, sowohl ihrem Auftrag treu zu sein als auch echte Sorge um ihre orthodoxen
Schwestern und Brüder zu zeigen und dabei deren Glauben zu achten, um gemeinsam mit ihnen
die von Christus gewollte kirchliche Einheit vorzubereiten. Es geht, genauer gesagt, um die
Verwirklichung der Einheit in der Wahrheit, für die Christus gebetet hat (vgl. Apostolisches
Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 54). Diese Vorbereitung der so sehr gewünschten Einheit wird
durch die Entfaltung eines brüderlichen Vertrauens zwischen Bischöfen, Priestern und Gläubigen
beider Kirchen erfolgen.
5 Unter voller Achtung der Religionsfreiheit, die ein unveräußerliches Recht jedes Menschen
darstellt, sollen die Bischöfe und Priester sehr sorgfältig die Beweggründe derer, die der
Katholischen Kirche beitreten möchten, abwägen und sie auch dazu bringen, sich ihrer
Verpflichtungen gegenüber ihrer Ursprungsgemeinschaft bewusst zu werden.
Die vom II. Vatikanischen Konzil verabschiedete Erklärung über die Religionsfreiheit ist für die
Katholische Kirche ein in dieser Hinsicht grundlegendes Dokument. Es wäre gut, bei Gelegenheit
an diese Prinzipien zu erinnern und alle aufzufordern, die Wahl der Religion eines jeden
Gläubigen zu respektieren.
6 Jeder Katholik weiß sehr wohl, dass „die Kirche ihrem Wesen nach ,missionarisch' ist" (vgl.
Dekret Ad gentes, Nr. 2). Doch jeder Katholik weiß auch, dass das Bemühen, die Einheit der
Christen zu fördern, zu jenem Auftrag gehört, der Welt die Heilsbotschaft Christi in der Einheit des
einen Leibes, der einen Taufe und des einen Glaubens zu verkünden.
Deshalb muss das apostolische Wirken der Katholischen Kirche in den Gebieten der GUS heute
mehr als jemals zuvor eine ökumenische Dimension aufweisen. Sie muss auf jede nur mögliche
Art und Weise den Dialog zwischen den Christen im Lichte der vom II. Vatikanischen Konzil und
den nachkonziliaren Dokumenten festgehaltenen Prinzipien fordern. Dies muss für die
Institutionen der Katholischen Kirche in den Gebieten der GUS eine der pastoralen Prioritäten
sein. Denn der Weg zur Einheit der Christen führt keineswegs über Proselytenmacherei, sondern
über den brüderlichen Dialog zwischen den Jüngern Christi, einen vom Gebet getragenen und in
der Nächstenliebe verwirklichten Dialog, um zwischen der byzantinischen Kirche und der Kirche
von Rom die volle Gemeinschaft (communio), die im ersten Jahrtausend bestanden hat,
wiederherzustellen. Dieser Dialog muss sich sowohl auf lokaler als auch auf regionaler und
internationaler Ebene entfalten; sein Ziel ist es, das gegenseitige Vertrauen zu fordern, so dass
alle Christen verschiedener Konfessionen bei bestimmten apostolischen, sozialen und kulturellen
Aktivitäten zusammenarbeiten können, damit "das Wort des Herrn sich ausbreitet und
verherrlicht wird" (2 Thess 3,1).
Indem sie einander als Mitglieder von Kirchen anerkennen, die ein Großteil des gemeinsamen
-sakramentalen, liturgischen, spirituellen und theologischen - Erbes bewahren, können
Katholiken und Orthodoxe ein gemeinsames Zeugnis für Christus vor einer Welt ablegen, die
nach ihrer eigenen Einheit strebt. Das gemeinsame Erbe ist dergestalt, dass es gemeinsames
Handeln unter Achtung der jeweiligen Traditionen fordert.
7 Sicherlich muss das Vorgehen der Katholischen Kirche in den Gebieten der GUS, die stark von
der Präsenz und dem Wirken der orthodoxen und armenischen Traditionen geprägt sind, in einer
Art und Weise erfolgen, die sich wesentlich von der in Ad gentes genannten Missionstätigkeit
unterscheidet.
Vor allem dürfen die lateinischen Katholiken die besonderen Umstände der Geburt und des
Wachsens der Kirchen des Orients, die liturgische und spirituelle Tradition der Orientalen sowie
ihre große Liebe zur Gottesmutter nicht vergessen. So sagte der Heilige Vater in seiner Botschaft
Magnum baptismi donum am 14. Februar 1988 an die ukrainischen Katholiken anlässlich der
Tausendjahrfeier der Taufe der Rus' von Kiew: „Dasselbe Konzil unterstreicht die großen Werte
der liturgischen, geistlichen, rechtlichen und theologischen Traditionen, die sich in diesen Kirchen
finden, wie auch ihr Recht und ihre Pflicht, diese Traditionen zu leben, die zur vollen Katholizität
und Apostolizität der Kirche gehören" (Nr. 6; AAS 80 [1988], S. 993-994) (A.d.Ü.: deutscher Text
in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls. Heft 83A, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz 1988, S. 8.)
Die Katholische Kirche des lateinischen Ritus in diesen Gebieten muss daher die dort tief
verwurzelten orientalischen Traditionen hochschätzen, vor allem die der orthodoxen Kirche. Die
orthodoxe Kirche hat selbst eine lange Zeit der Verfolgung, der Schwierigkeiten und Zwänge
jedweder Art durchlebt und steht heute vor der schweren Aufgabe der Neu-Evangelisierung zwar
traditionell orthodoxer Völker, die jedoch im Atheismus aufgewachsen und erzogen worden sind.
Somit sollen die Hirten der lateinischen Kirche in einem brüderlichen Dialog mit den
Ortsbischöfen der orthodoxen Kirche und unter voller Achtung der religiösen Überzeugung der
Bürger sich darum bemühen, die Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche in allen Bereichen,
wo dies möglich ist, zu fördern, damit die Einheit in der Nächstenliebe, die zwischen den beiden
Kirchen als Präludium zur vollen kirchlichen Gemeinschaft (communio) herrschen soll, vor den
Augen aller aufleuchte.
Die mit dem Römischen Apostolischen Stuhl in Gemeinschaft stehenden Ostkirchen,
insbesondere die katholische Kirche des ukrainischen byzantinischen Ritus, werden vom II.
Vatikanischen Konzil daran erinnert, dass sie die besondere Aufgabe haben, „gemäß den
Grundsätzen des von diesem heiligen Konzil erlassenen Dekretes über den Ökumenismus die
Einheit aller Christen, besonders der ostkirchlichen, zu fördern. Dieser Aufgabe dienen vor allem
ihre Gebete, das Beispiel ihres Lebens, die ehrfürchtige Treue gegenüber den alten
ostkirchlichen Überlieferungen, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Zusammenarbeit sowie
brüderliche Wertschätzung des äußeren und inneren Lebens der anderen" (Dekret Orientalium
Ecclesiarnm, Nr. 24).
8 Leider ist der Prozess der Reorganisation der Katholischen Kirche in den Ländern der GUS von
Spannungen mit der orthodoxen Kirche begleitet gewesen.
Diese traten in der Ukraine auf, vor allem im Zusammenhang mit der Zuteilung von
Gotteshäusern nach der Anerkennung der Glaubensfreiheit durch die Zivilbehörden der
ehemaligen UdSSR und der darauffolgenden Anerkennung der Katholischen Kirche des
byzantinischen Ritus, die 1946 aufgehoben worden war.
Man kann es sicherlich nicht als "Proselytenmacherei" bezeichnen, wenn ganze Gemeinschaften
einschließlich der ihnen vorstehenden Priester, die sich in den Jahren der Unterdrückung und
Verfolgung der "griechisch-katholischen" Kirche - um zu überleben - für orthodox erklären
mussten, heute nun nach Wiederlangung der Freiheit ihre Zugehörigkeit zur
"griechisch-katholischen" Kirche bekunden. Es handelt sich hier um einen freien Entschluss von
Völkern, die sich vor 1946 offen zu ihrem katholischen Glauben bekannten. Dennoch sind die
Streitigkeiten um Gotteshäuser ein schmerzlicher Vorfall auf dem Weg zur Ökumene gewesen.
Im Einverständnis mit dem Moskauer Patriarchat hatte der Heilige Stuhl dies zu verhindern
versucht, und zwar durch die Aufstellung von Richtlinien im Januar 1990, die eine friedliche
Verteilung der Gotteshäuser hätten garantieren sollen. Leider hat diese gute Absicht aufgrund
der durch die jüngste Vergangenheit dort entstandenen Situation nicht den gewünschten Erfolg
gehabt. Doch kann nicht nur eine Partei für das Scheitern der von der" Viererkommission"
unternommenen Arbeit verantwortlich gemacht werden.
Auch heute noch gibt es unangenehme und spannungsgeladene Situationen, und so gilt nach
wie vor, was der Heilige Vater am 31. Mai 1991 an die Bischöfe Europas schrieb: „Alle müssen
davon überzeugt sein, dass auch in solchen Fällen sich eher gelegentlich ergebender und
praktischer Streitfragen der Dialog immer noch das geeignetste Mittel ist, einen brüderlichen
Austausch anzustreben, der zum Ziel hat, den Streit im Geiste der Gerechtigkeit und der Liebe zu
beseitigen" (Brief des Heiligen Vaters Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe des europäischen
Kontinentes über die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen in der neuen Lage
Mittel- und Osteuropas, Nr. 2).
II. Praktische Normen
Im Lichte der oben genannten Prinzipien gelten die folgenden praktischen Normen, um die
Befürchtungen, die in der orthodoxen Kirche aufgekommen sind, zu zerstreuen und das
gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen, das für einen echten ökumenischen Dialog zwischen
den beiden Kirchen sowohl auf lokaler als auch internationaler Ebene unerlässlich ist:
1 Die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren sollen sich in ihrem jeweiligen
Zuständigkeitsgebiet um die Förderung einer soliden ökumenischen Ausbildung aller
Pastoralträger (Priester, Ordensleute und Laien) bemühen, damit alle zu einer "ökumenischen
Mentalität" gelangen, gemäß den Prinzipien des II. Vatikanischen Konzils sowie den Richtlinien
des Heiligen Stuhls und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Erfahrungen (Vgl. CCEO, can.
904).
Darüber hinaus sollen sie auf jede nur erdenkliche Art und Weise das gute Einvernehmen mit den
örtlichen Autoritäten der orthodoxen Kirche unter Berücksichtigung der momentanen
Schwierigkeiten dieser Kirche fördern und so dazu beitragen, dass ein von Vertrauen und
friedlicher Zusammenarbeit geprägtes Klima geschaffen wird. Selbst wenn es in der
Vergangenheit
Gründe für einen Gegensatz gegeben hat, sollen sie die Gläubigen daran erinnern, dass nur die
Umkehr der Herzen und die aufrichtige Vergebung gegenüber ihren Schuldigem es ihnen erlaubt,
sich selbst wahre Jünger Christi zu nennen.
In Fällen, in denen sich dieses Einvernehmen möglicherweise als schwierig herausstellt, sollen
die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren dafür Sorge tragen, den päpstlichen
Vertreter und den Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen sowie die anderen
Dikasterien der römischen Kurie, sofern es in deren Zuständigkeitsbereich fällt, zu informieren.
Die Zusammenarbeit mit diesen höheren Instanzen kann in der Tat erheblich dazu beitragen,
Sonderfalle, die dann eventuell mit dem Moskauer Patriarchat oder mit den zentralen Autoritäten
anderer Kirchen erörtert werden können, zu lösen.
2 Die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren als Verantwortliche und Garanten für alle
pastoralen Initiativen, die die Förderung des religiösen Lebens in den katholischen
Gemeinschaften zum Ziel haben, müssen dafür Sorge tragen, dass keine Aktivität innerhalb ihres
kirchlichen Jurisdiktionsbereiches Gefahr läuft, als eine "parallele Evangelisierungsstruktur"
ausgelegt zu werden. Diesbezüglich heißt es in can. 905 des Codex Canonum Ecclesiarum
Orientalium (CCEO), dass sowohl falscher Ökumenismus als auch "übermäßiger Eifer"
vermieden werden sollen.
Gemäß den Bestimmungen des Kirchenrechts (CIC, can. 394 §1; CCEO, can. 203) müssen
Priester, Ordensleute und Mitglieder von Laienbewegungen, die in den Ländern der GUS ein
Apostolat ausüben möchten, eng mit den Ortsordinarien zusammenarbeiten und sind ihnen
unterstellt; dabei dürfen sie keine Initiative ergreifen, die nicht zuvor von diesen Ordinarien
genehmigt wurde, und sie müssen die Richtlinien gewissenhaft beachten, die die Ordinarien
-natürlich im Rahmen ihrer jeweiligen Jurisdiktion – aufgestellt haben.
Wenn ernsthafte Probleme auftreten, sollen die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren
den päpstlichen Vertreter und den Apostolischen Stuhl umgehend davon in Kenntnis setzen.
3 Zur Förderung eines harmonischen Zusammenlebens mit der orthodoxen Kirche und als
Beweis für die Transparenz, die bei allen pastoralen Initiativen der Katholischen Kirche herrschen
muss, sollen die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren die Ordinarien der orthodoxen
Kirche über alle wichtigen pastoralen Initativen informieren, insbesondere wenn es um die
Errichtung neuer Pfarrgemeinden zur Befriedigung der Bedürfnisse der örtlichen katholischen
Gemeinschaften geht.
Der Heilige Stuhl ist überzeugt, dass die orthodoxen Bischöfe, die ja im Hinblick auf ihre
Gläubigen auch um deren Evangelisierung bemüht sind, gerne den spirituellen Beistand für die
katholischen Gemeinschaften innerhalb ihrer Diözesen fördern werden, u. a. durch die Rückgabe
von Kirchengebäuden an die katholischen Gemeinschaften des orientalischen oder lateinischen
Ritus, dort wo diese sie noch immer entbehren müssen.
Ergeben sich jedoch auf grund besonderer Umstände gegensätzliche Meinungen über die
Zweckmäßigkeit einer pastoralen Initiative, die ein Bischof oder ein Apostolischer Administrator
für das spirituelle Wohl selbst einer kleinen Gruppe von katholischen Gläubigen als notwendig
erachtet, kann der Bischof oder der Apostolische Administrator, nachdem er alle oben genannten
Mittel des Dialogs ausgeschöpft hat, nach seinem Gewissen handeln, insofern als er für das
spirituelle Leben aller Mitglieder der Katholischen Kirche vor Gott verantwortlich ist. Bei ernsteren
Problemen soll er den päpstlichen Vertreter und die zuständigen Dikasterien der römischen Kurie
konsultieren.
4 Wenn es die Umstände erlauben, sollen sich die Hirten der Katholischen Kirche - erfüllt von
missionarischem Eifer und in dem Bemühen um die Evangelisierung von Millionen Menschen, die
Christus noch nicht kennen - für eine Zusammenarbeit mit den orthodoxen Bischöfen bei der
Entwicklung von pastoralen Initiativen der orthodoxen Kirche einsetzen und sich freuen, so zur
Heranbildung guter Christen beitragen zu dürfen.
5 Es empfiehlt sich, die Autoritäten der orthodoxen Kirche von den Initiativen sozialer Art (u. a. im
Bildungs- und caritativen Bereich) in Kenntnis zu setzen, zu denen Institutionen der Katholischen
Kirche in westlichen Ländern eventuell aufgefordert werden, um einen Beitrag zum Gemeinwohl
der Länder der GUS oder Osteuropas zu leisten.
Wenn der Staat oder eine zivile Behörde um die Mitwirkung von Ordensgemeinschaften oder
anderen der katholischen Hierarchie juristisch unterstellten Einrichtungen bittet, ist es für die
Verantwortlichen dieser katholischen kirchlichen Einrichtungen ein Gebot der Nächstenliebe, die
zuständigen Autoritäten der orthodoxen Gemeinschaften darüber zu informieren, auch wenn man
davon ausgehen kann, dass die oben genannten zivilen Behörden dies bereits ihrerseits getan
haben.
6 Sollten Priester oder Bischöfe aus anderen Ländern von staatlichen Stellen (u. a. aus dem
kulturellen und wissenschaftlichen Bereich) zur Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen
eingeladen werden, ist es ein Gebot der Höflichkeit, das orthodoxe oder armenische Patriarchat
davon zu unterrichten.
Schluss
Bei der Verkündigung des Evangeliums, die allen Geschöpfen gilt, darf das große Gebot der
Liebe nicht außer acht gelassen werden, denn Jesus sagt: „Daran werden alle erkennen, dass ihr
meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt" (loh 13,35). Die hierfür die katholischen
Gemeinschaften vorgeschlagenen Mittel, Wege und Methoden sollen diesen helfen, voller
Bereitschaft auf diese Berufung und Gnade, Zeuge für die von Christus gewollte Einheit zu sein,
zu antworten.
Alle sind dazu aufgerufen, den vom II. Vatikanischen Konzil geförderten Geist der Gemeinschaft
zu erneuern, damit die brüderlichen Beziehungen, die zwischen den Jüngern Christi herrschen
sollen, zur vollen Gemeinschaft (communio) im Glauben und in der Nächstenliebe führen können.
Auf diese Weise wird ,jeglicher Geist streitsüchtiger Eifersucht" ausgeschlossen (Vgl. „Dekret
Unitatis redintegratio, Nr.18); und ist die Wand, die die abendländische und die orientalische
Kirche trennt, erst einmal hinweggenommen, so wird es schließlich nur eine einzige Wohnung
geben, deren fester Eckstein Jesus Christus ist, der aus beidem eines machen wird.
Vatikan, 1. Juni 1992
Päpstliche Kommission "Pro Russia"
Herunterladen