Fünf „Jungfrauen“ fordern bei einer Parade in Jerusalem 5000 christliche Zionisten heraus An der diesjährigen Jerusalem-Parade beteiligte sich inmitten israelischer Truppen auch eine farbenprächtige und stimmgewaltige Gruppe internationaler christlicher Zionisten. In ihrer Nationalkleidung, Landesflaggen schwenkend und mit Plakaten in mehreren Sprachen, auch hebräisch, überschütteten sie die israelischen Zuschauer mit Segensgrüssen und beklatschten besonders die schwer bewaffneten Polizisten und Soldaten, die die Parade säumten. Mit Rufen wie „Gott segne die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) und „Wir lieben die IDF!“ gaben sie ihrer Liebe zu Israel besonderen Ausdruck. Wie schon in früheren Jahren versuchten auch bei der diesjährigen Parade palästinensische Christen mit kreativen Mitteln das Bewusstsein derer zu erreichen, die oft in blinder Weise Israel unterstützen, indem sie die Sicht der Palästinenser ignorieren oder verzerren, die für ihr Volk Freiheit und Menschenrechte nach internationalem Recht fordern. Mitglieder von Sabeel, einem palästinensischen christlichen Zentrum für Befreiungstheologie, mobilisierten lokale und internationale Aktivisten, die in ihrer eigenen Landeskleidung an die durch West-Jerusalem laufenden christlichen Zionisten „Geschenke“ verteilten. Als Bräute gekleidet verteilten fünf „Jungfrauen“ tausende Handzettel, in denen die exklusive Theologie der Demonstranten hinterfragt wird. Dieser kreative Aktivismus wurde durch die Bibelstelle im Matthäus-Evangelium 25,1-13 inspiriert, die vom Exekutiv-Direktor der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ), Dr. Jürgen Bühler, als diesjähriges Thema des Laubhüttenfestes reflektiert wurde. Die ICEJ organisiert die jährliche Jerusalem-Parade. Die „Jungfrauen“ trugen auch Öllampen mit sich und verteilten 531 kleine Flaschen mit Olivenöl von Olivenbäumen in Bethlehem, die durch die illegale Trennmauer nun außerhalb der Stadt liegen. Die 531 kleinen Ölflaschen symbolisieren die Anzahl der palästinensischen Dörfer, die 1948 während der Nakba und nach der Gründung des Staates Israel entvölkert wurden. Auf den Handzetteln stand folgender, in mehr als 25 Sprachen übersetzter Text: „Die Lampe leuchtet heller, wenn das Öl sauber ist; reinigt den Glauben durch Miteinbeziehung und Gerechtigkeit für beide Völker dieses Landes.“ In Matthäus 25,1-13 fordert Jesus die Kirche auf, sich mit gefüllten Öllampen bereit zu halten. Das Öl war Sinnbild für gute Werke, Glauben, Liebe und andere christliche Tugenden. Deshalb forderten die „Jungfrauen“ die christlichen Zionisten auf, sich auf Inklusivität und Glauben einzulassen und das gute Werk der Gerechtigkeit und des Friedens an beiden Völkern dieses Landes zu vollbringen. Ein palästinensischer Christ erklärte, „Wir wollten ihnen ein Geschenk machen, durch das jegliche Theologie, in der die Hälfte der Bevölkerung dieses Landes ausgeschlossen und erniedrigt ist, in Frage gestellt wird. Christliche Zionisten sind eine der stärksten politischen Kräfte, die die internationale Politik gegenüber Israel und Palästina prägen. Stark beeinflusst von apokalyptischer Theologie, die im modernen Staat Israel die Erfüllung biblischer Prophezeiung sieht, unterstützen sie alle militärischen Aktionen und die Ausdehnung der Siedlungen als Beweis für Gottes Plan, der die Wiederkehr Jesu auf die Erde beschleunigen wird. Viele Juden, in Israel und anderswo, haben Schwierigkeiten mit den Überzeugungen einiger christlicher Zionisten, die Israel wie eine Marionette in einem Endzeit-Schlachtplan sehen, nachdem einige Juden in Scharen konvertieren, während andere vernichtet werden. Die bei der Parade von Sabeel verteilten Handzettel weisen auf einen neutestamentlichen Text in der Apostelgeschichte 1,6-7 hin, wo Jesus von der Frage seiner Jünger enttäuscht ist: „Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?“ Jesus antwortete, die Wiederherstellung des Reiches sei für Israel nicht wesentlich; er habe andere Pläne für die Kirche. Der Plan Jesu betraf nicht eine bestimmte Nation, sondern die ganze Welt. Es war ein Plan für Wiedergutmachung, Gerechtigkeit, Gleichheit und nicht für Ausschluss. In anderen Worten, die Antwort auf „Sind wir bald dort?“ heißt „Nein, wir gehen dort überhaupt nicht hin.“ Obwohl der christliche Zionismus durch Bestseller-Bücher populär geworden ist, findet er keinen Widerhall in den meisten Lehrmeinungen der wichtigsten christlichen Konfessionen. Diese einst randständige Theologie hat jedoch den politischen Bereich einer bestimmten Interessengruppe, die wichtige Wählerschaften und Spendengelder mobilisieren konnte, besonders beeinflusst. Meinungsumfragen zufolge wählen nur sehr wenige Christen (oder auch Juden) in den USA Gruppierungen, die Israel unterstützen. Solche Gruppen können aber die Wahrnehmung von Kandidaten festigen, dass Kritik an Israel sich in ihrem Wahlerfolg niederschlagen könnte, wohingegen aus der Zustimmung zu den Rechten der Palästinenser nur wenig politisches Kapital zu schlagen sei. Die Handzettel wiesen auch auf drei Webseiten hin: www.sabeel.org, www.kairospalestine.ps (eine Vereinigung palästinensischer Christen, die der israelischen Besatzung widerstehen und zu Boykott, Rückzug von Investitionen und Sanktionen aufrufen) und www.christianzionism.org, eine Seite, auf der die Theologie des christlichen Zionismus hinterfragt wird. Obwohl es ungewiss ist, in wieweit diese symbolische Aktion die Herzen und Sinne der Teilnehmer an der diesjährigen Jerusalem-Parade beeinflussen wird, machten die Aktivisten doch eine wichtige öffentliche Erklärung, die weit über die Straßen West-Jerusalems hinaus wirken wird, denn sie wiesen darauf hin, dass es in Palästina Kirchen gibt, die unter der Realität einer Besatzung leben und kämpfen, die viele ihrer internationalen christlichen Schwestern und Brüder so noch nie erfahren haben.