Das Wormser Konkordat.Literatur - Uni

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VL WS 2005/2006
Das 11. Jahrhundert
Schlotheuber
XII. Der Investiturstreit in Frankreich und England
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1086
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1090
1091
1092
1093
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1094
1095
schwache Stellung der Gregorianer nach dem Tod des Papstes im normannischen Exil in
Palermo 1084
Ein Jahr Vakanz, am 24. Mai 1086 Wahl des Desiderius von Montecassino durch eine
Minderheit (Viktor III. → Name Verhandlungsbereitschaft gegenüber dem Salier?); Weihe Mai
1087, Flucht nach Benevent.
Gegenpapst Clemens III., selbst ein strenger Reformer
† Viktors III. in Montecassino, Neuwahl in Terracina Odo von Châtillon (Urban II.)
mühsame Eroberung Roms von den „Clementinern“. Einzug in den Lateranpalast und die
Engelsburg nur durch Geldzahlungen möglich → diskriminierende Wirkung
Beginn eines Italienzugs Heinrichs IV., der Clemens III. zum Durchbruch verhelfen sollte,
politischer Zweck: Störung der Verbindung Welfen/Tuszien
zunächst glücklicher Verlauf, Verhandlungsbereitschaft von Mathilde; Clemens III. kann in
Rom eine Reformsynode abhalten.
negative Wendung, Folge: Rückzug Heinrichs nach Verona
Rebellion des Sohnes Konrad (†1101)
Krönung zum italienischen König durch Anselm, Erzbischof von Mailand.
Treffen mit Papst Urban II. (Anerkennung Konrads durch Urban, Treueeid), Heirat mit
Maximilla, Tochter Rogers I., sehr eingeschränkter Aktionsradius († Konrad 1101 in Florenz).
Rebellion des Sohnes hat bittere Auswirkungen auf den Kaiser: Bildung eines ersten
lombardischen Städtebunds
Flucht der Eupraxia/Praxedis/Adelheid
Synode von Piacenza (Urban II.), ein Tiefpunkt für Heinrich IV.
Gab es einen Investiturstreit in Frankreich und England ?
Unterschiede deutsches Reich / Frankreich+England:
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hegemoniale Stellung des deutschen Königs in der 1. Hälfte des 11. Jh.
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Anspruch auf Kaiserwürde
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Überschneidung der päpstlich/königlichen Interessensphären in Italien
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päpstlich/französische „Allianz“ Ende des 11. Jh.
XII.1
Frankreich
Literatur
Hartmut HOFFMANN, Der König und seine Bischöfe in Frankreich und im Deutschen Reich 936-1060,
in: Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. von Wilfried Hartmann (Quellen und
Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 100, 2000) S. 79–127.
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1078
die meisten Bistümer nicht abhängig vom König (schwache Zentralgewalt in Frankreich),
weniger Herrschaftsrechte
die französ. Bischöfe besaßen insgesamt weniger Herrschaftsrechte als im Salierreich, waren
seltener im Besitz von Regalien und anderen öffentlichen Rechten. Deshalb war der französ.
König auch nicht in dem Maße auf die loyale Haltung des Episkopats angewiesen, die
Mitwirkung der König an der Erhebung erschien weniger wichtig (grundlegend andere Rolle
der Bischöfe in der französ. Gesellschaft).
erstes Investiturverbot auf einer Synode in Poitiers, durch Hugo von Die „dass kein Bischof,
Abt, Priester oder sonstiger Kleriker aus der Hand des Königs, eines Grafen ider eines anderen Laien
ein Bistum, eine Abtei, eine Kirche oder Kirchengüter empfangen dürfe“ (Jan. 1078, Synode von
Poitiers). Durch den passiven Widerstand des franz. Adels praktisch folgenlos.
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1092
1095
1107
Gespannte Beziehungen des Papstes zu König Philipp I. von Frankreich (1060–1108)
Eheskandal Philipps I., Bertha, Tochter Graf Florenz' I. von Holland 1091 verstoßen,
Entführung der Gemahlin Graf Fulcos IV. von Anjou, 1092 → mehrmalige Bannung des
Königs durch Papst Urban II.
Kreuzzugsaufruf Urbans II. in Clermont, und verschärftes Investiturverbot.
Lösung: Verzicht des Königs auf “Handgang”,
Treueid des Bischofs beibehalten,
königl. Regalienrecht (Zwischennutzung bei Vakanz) beibehalten
→ in Frankreich kein “Investiturstreit”, keine vertragliche Lösung,
sondern unspektakuläre pragmatische Beilegung
XII. 1. 2. Ivo von Chartres: Die gedankliche Lösung des Investiturstreits
Literatur
Hartmut HOFFMANN, Ivo von Chartres und die Lösung des Investiturproblems, in: DA 15 (1959) S.
393–440.
Klaus-Gunther WESSELING, Art.: Ivo von Chartres, Bischof und Kanonist, Heiliger (um 1040-1116), in:
Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 18 (2001) Sp. 704–710.
Bischof Ivo von Chartres (*1040–1116), einflussreicher Kanonist. Durch die gedankliche Trennung von
Regalien/Temporalien und Spiritualien arbeitete entscheidend die Richtlinien für eine mögliche Einigung
im Streit zwischen weltlicher und geistlicher Macht aus.
→ am Beginn eines neuen Verhältnisses beider Mächte stand somit eine schärfere Trennung ihrer
Zuständigkeiten.
XII.2. England
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Dekadenz der angelsächsischen Kirche??
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Austausch des hohen Klerus, Etablierung der normannischen Schulen in England,
die einen hohen Standard hatten.
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strenge Kirchenherrschaft des Königs, rigorose Handhabung des “Regalienrechts”
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schriftliche Appelationen an die Kurie oder persönliche Reisen der englischen Kleriker nach
Rom wurden als Treuelosigkeit gegenüber dem König angerechnet.
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zwei wichtige Erzbischöfe von Canterbury, beide aus Oberitalien:
Lanfrank (1070–1089) und Anselm (1093–1109)
Lanfrank: bedeutender Kirchenlehrer, enge Verbindung zu Wilhelm dem Eroberer
Anselm: frühscholastischer Theologe und Philosoph (Cur Deus homo)
1093 Erzbischof von Canterbury (trotz der vierjährigen Hinhaltetaktik des Wilhelm Rufus)
1097 Anselm reist gegen den Willen König Wilhelm Rufus nach Rom, und wird vom König gebannt.
Aufenthalt in der Normandie.
1101 Der Bruder des Wilhelm Rufus, Heinrich I., ruft Anselm auf den Erzbistumsstuhl von
Canterbury zurück, aber Anselm verweigert dem Normannenkönig den Lehnseid (nach den
Vorgaben der Synode von Clermont 1095): Ausbruch des englischen Investiturstreit (englischer
„Investiturstreit” = Auseinandersetzungen Anselms mit den Königen!).
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Die englischen Könige beanspruchen ebenfalls die Zwischenutzung der Einfünfte der
Diözesanvorsteher bei Vakanz (Regalienrechte); Herauszögern von Wiederbesetzungen.
1103 Reise Anselms von Canterbury nach Rom;
1106 Vertrag von Bec: Der König verzichtete auf sein Investiturrecht und versprach dem Erzbischof
Wiedereinsetzung und Entschädigung; Paschalis II. begnadigte die gebannten Räte und
Erzbischöfe
1107 Zustimmung des englischen Hoftages nach kontroversen Diskussionen (→ Londoner Konkordat)
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Lehnshuldigung von Bischöfen abgeschafft, jedoch nicht bestraft
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Einsetzungsvorgang der Bischöfe wird getrennt in akzeptable und
→
abzuschaffende Teile
möglicherweise Vorbild für die Lösung des Investiturstreits im
Deutschen Reich
XIII. Die letzten Jahre Heinrichs IV. (1098–1106)
Literatur
Eva HAVERKAMP, "Persecutio" und "Gezerah" in Trier während des Ersten Kreuzzuges, in: Juden und
Christen zur Zeit der Kreuzzüge, hg. von Alfred Haverkamp (1999) S. 35–71.
Eva HAVERKAMP, Hebräische Berichte ueber die Judenverfolgungen waehrend des Ersten Kreuzzugs.
(Monumenta Germaniae Historica. Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland 1,
2005).
1095
1098
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1099 Jan. 6
1099
1103
1104–1106
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1106
Scheitern der Ehe Welf V./Mathilde → neue Bewegungsfreiheit für Heinrich IV.
Aussöhnung Heinrichs mit den Welfen
Absetzung Konrads und Wahl Heinrichs V.; dessen Sicherheitseid
Prozess gegen Erzbf. Ruthard von Mainz, weil er im Zuge des ersten Kreuzzuges die
Übergriffe gegenüber den Juden nicht verhindert und diese nicht geschützt hatte,
obwohl er zuvor Sicherheitszahlungen angenommen hatte.
Krönung und Salbung Heinrichs V.
† Papst Urbans II., Neuwahl der Gregorianer Paschalis II. (Rainer von S. Clemente,
Kardinalpriester)
erfolgreicher Reichstag in Mainz (allgemeiner Landfriede)
Empörung Heinrichs V.
Motive: Kränkung fürstlichen Standesbewusstseins + Sorge um polit. Zukunft
Verlauf der Auseinandersetzung:
Strafexpedition Heinrichs IV. nach Sachsen
Verrat im Heer Heinrichs IV. vor Regensburg → Flucht ins Rheinland
erzwungene Abdankung Heinrichs IV. in Ingelheim (1106)
† Heinrichs IV. in Lüttich; Begräbnis in Speyer (1106/1111)
Brief Heinrichs IV. an Abt Hugo von Cluny, 1106 (hg. von Carl ERDMANN, wie S. 22, Nr. 37 S. 48ff.)
Sic venimus Coloniam. Proinde cum ipse in proxima nativitate domini disposuisset colloquium apud
Mogontiam, congregatis fidelibus nostris cepimus illuc ascendere. Quo audito occurrit nobis obviam in locum
qui dicitur Confluentia; ibi cum nichil vi contra nos posset agere, cepit laborare astutia dolo et omni arte.
...obsecrabat nos, ut ...non dubitaremus cum eo ad prefatum colloquium ire Mogontiam ... Cum autem essemus
in media via, nuntiatum est nobis privatim, quod traderemur. ... Deinde in sequenti die circa noctem
pervenimus in locum qui dicitur Binga. Mane autem facto circumvenit nos armorum strepitu et omni genere
terroris, dicens se nos nolle ducere Mogontiam, sed ad castrum quoddam. ... Quid plura? Contra omnem
voluntatem nostram captivos nos duxerunt, ibique in artissima custodia traditi sumus mortalibus nostris
inimicis ... Ubi etiam afflicti sumus fame et siti et omni genere contumelie et terroris usque ad ipsum articulum
mortis ... Interea mandatum est nobis, quod liberationis nostre nullum esset consilium, nisi extemplo daretur ei
crux et lancea ceteraque regalia insignia. ... eduxerunt nos de horribili carcere in locum qui dicitur Ingilheim
iuxta Mogontiam. ... Quid plura? Postquam a nobis omnia pro voluntate et imperio extorserunt, abeuntes
Magontiam in eodem loco nos sine honore reliquerunt: cum ecce mandatum est nobis, quod, nisi eternam
captivitatem subire vellemus, quantocius discederemus. Quapropter locum ipsum detestantes navim
conscendimus, Coloniam festinanter venimus ...
„So kamen wir nach Köln. Da er selbst zum nächsten Weihnachtsfest eine Unterredung in Mainz
angesetzt hatte, versammelten wir unsere Getreuen und begannen, dorthin zu ziehen. Als er dies
hörte, kam er uns bei einem Ort namens Koblenz entgegen; da er dort nichts mit Gewalt gegen uns
tun konnte, fing er an, mit Schläue, List und allen Tricks zu arbeiten... Er beschwor uns, dass wir ...
ohne Furcht mit ihm zu besagter Unterredung nach Mainz gehen sollten ... Unterwegs aber wurde uns
insgeheim gemeldet, wir seien verraten ... Dann kamen wir am folgenden Tag gegen Abend an den
Bingen genannten Ort. Am Morgen aber umzingelte er uns mit Waffenlärm und allerlei
Einschüchterung und sagte, er wolle uns nicht nach Mainz, sondern in ein Kastell bringen ... Was
weiter? Völlig wider unseren Willen nahmen sie uns gefangen, und dort wurden wir unseren
Todfeinden zu schärfster Haft übergeben ... Dort wurden wir auch Hunger, Durst und allerlei
Verleumdungen und Schrecken ausgesetzt bis zur Todesdrohung ... Unterdessen wurde uns
gemeldet, dass es keinen Beschluss unserer Freilassung gäbe, wenn ihm nicht sogleich Kreuz, Lanze
und die übrigen königlichen Insignien ausgeliefert würden. ... sie führten uns aus dem schrecklichen
Kerker an den Ingelheim genannten Ort bei Mainz ... Was weiter? Nachdem sie von uns alles nach
ihrem Willen und Befehl erpresst hatten, gingen sie nach Mainz und ließen uns ohne Ehre an eben
dem Ort zurück ... Deshalb haben wir, den Ort verabscheuend, ein Schiff bestiegen und sind eilends
nach Köln gefahren ...“
XIII. 2 Würdigung Heinrichs IV.
Tilman STRUVE, Heinrich IV. Die Behauptung einer Persönlichkeit im Zeichen der Krise, in:
Frühmittelalterlíche Studien 21 (1987) S. 318-345
Gerd TELLENBACH, Der Charakter Heinrichs IV., in: Person und Gemeinschaft im Mittelalter.
Festschrift für Karl Schmid (1988) S. 345-367
Claudia ZEY, Scheidung zu Recht? Die Trennungsabsucht Heinrichs IV. im Jahr 1069, in: Von Sachsen
bis Jerusalem. Festschrift für W. Giese, hg. von H. SEIBERT und G. THOMA (2004) S. 163-183
 die äußere Erscheinung Heinrichs IV. (Grab in Speyer)
 die Bildung Heinrichs IV. (eigenhändige Unterschriften)
 wichtige Quelle: Vita Heinrichs IV. von einem anonymen Autor,
nur in einer einzigen Handschrift überliefert;
Verfasserschaft/Entstehungsort umstritten (Erlung v. Würzburg?)
 Darstellung der Vita: Stil stark von Sallust beeinflußt;
Heinrich IV. als Opfer der Fortuna;
seine positiven Eigenschaften (königliche Haltung,
Fürsorge für die Armen, Ritterlichkeit, Frömmigkeit)
seine Gegner: eigennützige Rebellen und Unterdrücker
Vita Heinrici IV. Imperatoris, 3. Aufl. hg. von W. EBERHARD
(Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rer. germ., 1899), S.9ff., S. 43f.
Quis dabit aquam capiti meo et fontem lacrimarum oculis meis, ut lugeam, non excidia captae urbis, non
captivitatem vilis vulgi, non damna rerum mearum, sed mortem Heinrici imperatoris augusti, qui spes mea et
unicum solatium fuit, immo ut de me taceam, qui gloria Romae, decus imperii, lucerna mundi extitit? ... Non
ego solus mortem eius lamentor ... Monasteria patronum suum, claustra patrem amiserunt, quibus quid
commodi, quid honoris ipse conferret, nunc demum agnoscitur, cum extinctus non habetur. ... Vobis quoque,
o pauperes, vel maxima causa dolendi est; nam nunc demum pauperes facti estis, cum paupertatis vestrae
consolatorem amisistis. ... Iter eius pauperes praecedebant, comitabantur, sequebantur; quorum curam tametsi
suis intimis commendasset, ipsemet tamen eos tamquam nulli commendatos curabat. Sed et per curtes suas
usquequaque stipendia pauperibus disposuerat, quorum numerum et obitum ipse scire voluit, ut et defuncti
memoriam ageret et in eius locum alterum subrogatum nosset...
Felix es, imperator Heinrice, ... turbolentum regnum pro tranquillo, defectivum pro aeterno, terrenum pro
celesti mutasti. Nunc demum regnas, nunc diadema portas, quod tibi nec heres tuus praeripiat, nec
adversarius invideat.
„Wer gibt meinem Haupt Wasser und meinen Augen eine Quelle der Tränen, dass ich betrauere, nicht
den Untergang der eingenommenen Stadt, nicht die Gefangenschaft des niederen Volkes, nicht den
Verlust meiner Habe, sondern den Tod des erhabenen Kaisers Heinrich, der meine Hoffnung und
einziger Trost war, ja, um von mir zu schweigen, der ein Ruhm Roms, eine Zierde des Reichs, eine
Leuchte der Welt war? ... Nicht ich allein beklage seinen Tod ... Die Klöster haben ihren Patron, die
Konvente ihren Vater verloren, von dem nun, da er verstorben nicht mehr da ist, erst erkannt wird,
was er ihnen an Vorteil, welche Ehre er ihnen verschaffte ... Auch ihr, oh Arme, habt sogar den
größten Grund zu trauern; denn jetzt erst seid ihr arm geworden, da ihr den Tröster eurer Armut
verloren habt ... Auf seinem Weg zogen ihm die Armen voran, sie begleiteten ihn, folgten ihm; obwohl
er die Fürsorge für sie seinen Vertrauten empfohlen hatte, sorgte er sich doch selbst um sie, als ob er
sie niemandem empfohlen hätte. Aber auch auf seinen Höfen hatte er überall den Unterhalt von
Armen angeordnet, deren Zahl und Tod er wissen wollte, damit er dem Verstorbenen eine *memoria
stifte und ihn durch einen anderen ersetze ...
Glücklich bist du, Kaiser Heinrich ... ein unruhiges Reich hast du für ein ruhiges, ein endliches für ein
ewiges, ein irdisches für ein himmlisches vertauscht. Nun endlich herrschst du, nun trägst du ein
Diadem, das weder dein Erbe dir raubt, noch ein Gegner dir neidet.“
 gegnerische Darstellungen: moralisch gefärbt, Neigung zu negativen Anekdoten
(Haltlosigkeit, Hinterhältigkeit Heinrichs etc.)
 positive Seiten der Herrschaft Heinrichs IV. aus heutiger Sicht:
- Stärkung der Ministerialen
- Bevorzugung der Städte
- Förderung des Landfriedens
XIV. Die Lösung des Investiturproblems im Deutschen Reich und in Italien
Vgl. außer St. WEINFURTER, Das Jahrhundert der Salier, und den Publikationen zum
Investiturstreit (wie S. 1):
Gerd ALTHOFF, Heinrich V. (1106-1125), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. von
Bernd SCHNEIDMÜLLER (2003) S. 181-200
Peter CLASSEN, Das Wormser Konkordat in der deutschen Verfassungsgeschichte, in:
Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. von Josef FLECKENSTEIN (1973) S. 411–460
Beate SCHILLING, Guido von Vienne – Papst Calixt II. (Schriften der MGH 45, 1998)
Beate SCHILLING, Ist das Wormser Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden? Ein Beitrag
zur hochmittelalterlichen Vertragstechnik, in: Deutsches Archiv 58 (2002) S. 123-191; dieser
Aufsatz widerspricht dem Beitrag von:
Claudia ZEY, Der Romzugsplan Heinrichs V. für 1122/23, in: Deutsches Archiv 56 (2000)
S. 447–504.
XIII. 1 Eskalation des Streits unter Heinrich V.
1106
1107
Verhandlungen Paschalis II. mit dem deutschen Episkopat
Synode von Guastalla: Einschärfung des Investiturverbots
Châlons: Verhandlungen der Gesandten Heinrichs V. mit Paschalis II.
Synode in Troyes: Erneuerung des Investiturverbots
Suger [Abt von Saint-Denis], Vie de Louis VI le Gros, hg. von Henri WAQUET (1964) S. 56ff.
.... Treverensis archiepiscopus, vir elegans et iocundus, eloquentiae et sapientiae copiosus, Gallicano coturno
exercitatus, facete peroravit ...: “Talis est”, inquit, “domini nostri imperatoris, pro qua mittimur, causa.
Temporibus antecessorum vestrorum, sanctorum et apostolicorum virorum, magni Gregorii et aliorum, hoc ad
ius imperii pertinere dinoscitur, ut in omni electione hic ordo servetur: antequam electio in palam proferatur, ad
aures domini imperatoris perferre et, si personam deceat, assensum ab eo ante factam electionem assumere,
deinde in conventu secundum canones proferre, consecratum libere nec simoniace ad dominum imperatorem pro
regalibus, ut anulo et virga investiatur, redire, fidelitatem et hominium facere. Nec mirum: civitates enim et
castella, marchias, thelonea et queque imperatoriae dignitatis nullo modo aliter debere occupare ...” Super his
igitur dominus papa consulte oratoris episcopi Placentini voce respondit, ecclesiam ... nullo modo iterato
ancillari oportere, ... si virga et anulo investiatur, cum ad altaria eiusmodi pertineant, contra Deum ipsum
usurpare; si sacratas Dominico corpori et sanguini manus laici gladio sanguinolentis obligando supponant,
ordini suo et sacrae unctioni derogare. Cumque hec ... cervicosi audissent legati, Teutonico impetu frendentes
tumultuabant ... “Non hic”, inquiunt, “sed Romae gladiis hec terminabitur querela.”
„... der Trierer Erzbischof, ein eleganter und witziger Mann, überfließend an Beredsamkeit und
Wissen, geübt im Französischen, redete angenehm ...: “Solches ist das Anliegen unseres Herrn
Kaisers, weswegen wir geschickt werden. Zu Zeiten eurer Vorgänger, heiliger und apostolischer
Männer, des großen Gregor und anderer, gehörte es bekanntlich zum Recht des Imperiums, dass bei
jeder Wahl dieses Vorgehen beachtet wurde: bevor die Wahl öffentlich vorgenommen wurde, wurde
sie den Ohren des Kaisers vorgetragen und seine Zustimmung vor geschehener Wahl eingeholt, ob sie
der Person gebühre; dann wurde die Wahl in der Versammlung gemäß den Kanones vorgenommen,
der frei und nicht simonistisch Geweihte ging zum Herrn Kaiser wegen der *Regalien zurück, damit
er mit Ring und Stab investiert werde, und leistete Treu- und Mannschaftseid. Kein Wunder: denn
Städte und Burgen, Markgrafschaften, Zölle und alles, was zur kaiserlichen Würde gehört, darf auf
keinen Fall anders eingenommen werden ...” Darauf antwortete der Herr Papst also nach Beratung
mit der Stimme des Bischofs von Piacenza, die Kirche ... dürfe auf keinen Fall wiederum zur Magd
gemacht werden ..., wenn mit Ring und Stab investiert würde, sei dies eine Anmaßung gegen Gott
selbst, da solches zu den Altären gehöre; wenn sie die durch Leib und Blut des Herrn geheiligten
Hände beim Eid in die vom Schwert blutigen Hände eines Laien legten, würden sie ihrem Stand und
der heiligen Salbung Eintrag tun. Als dies ... die hochmütigen Gesandten hörten, tobten sie lärmend in
teutonischem Ungestüm ... “Nicht hier”, sagen sie, “sondern in Rom soll dieser Streit mit Schwertern
entschieden werden.“
1111 Italienzug Heinrichs V.
~ 4.- 9. Februar Vertrag: Verzicht auf Investitur gegen Verzicht auf Regalien
Versprechen seitens des Papstes (4. Febr. 1111) , hg. von Ludwig WEILAND, in: Monumenta Germaniae
Historica. Legum sectio 4, Constitutiones et acta publica 1 (1893) Nr. 85 S. 138.
... domnus papa precipiet aepiscopis ... ut dimittant regalia regi et regno quae ad regnum pertinebant tempore
Karoli, Lodoici, Heinrici et aliorum prae- decessorum eius. Et scripto firmabit ..., ne quis eorum ... vel
successores eorum intromittant se vel invadant eadem regalia, id est civitates, ducatus, marchias, comitatus,
monetas, teloneum, mercatum, advocatias regni, iura centurionum et curtes quae manifeste regni erant, cum
pertinentiis suis, militiam et castra regni.
... der Herr Papst wird den Bischöfen vorschreiben ..., dass sie dem König und Königreich die
Regalien überlassen, die zur Zeit Karls, Ludwigs, Heinrichs und seiner anderen Vorgänger zum Reich
gehörten. ... Und schriftlich wird er festsetzen ..., dass keiner von ihnen ... oder ihren Nachfolgern sich
in diese Regalien einmische oder sie überfalle, d. h. Städte, Herzogtümer, Markgrafschaften,
Grafschaften, Münzstätten, Zoll, Marktrecht, Reichsvogteien, Heerbann und Höfe, die offenkundig
zum Reich gehörten, mit ihrem Zubehör, Ritter und Burgen des Reichs.
~ 12. Februar: Scheitern der Krönung in der Peterskirche, Entführung Paschals II.
~ 11. April: Investitur durch Papst erlaubt (Pravileg, erpresst durch Heinrich V.)
1112
römische Synode erklärt Pravileg für ungültig
1115
Bannung Heinrichs V. → Schismen in vielen Diözesen; zweiter Italienzug
Papstschisma 1118-1121: Gelasius II. ↔ „Gregor VIII.” (Mauritius Burdinus)
Neuansatz unter Calixt II. (1119-1124):
~ 1119 Scheitern erster Verständigungsversuche (Mouzon)
~ 1121 Fürstentag in Würzburg; Friedensbedingungen
XIII.2. Das Wormser Konkordat (1122)




Austausch von Urkunden (Frage nach deren Gültigkeit?)
eingeschränktes Mitwirkungsrecht des Königs an kirchlichen Wahlen
unterschiedliche Regelung für die Teile des Reichs (deutsch/ital./burgund.)
Symbole Ring und Stab (geistlich!) durch Szepter (weltlich!) ersetzt
Urkunde Calixts II., hg. von Adolf HOFMEISTER, Das Wormser Konkordat (Libelli 89, ²1979) S. 84
(1) Ego Calixtus episcopus servus servorum Dei tibi dilecto filio H. Dei gratia Romanorum imperatori augusto
concedo electiones episcoporum et abbatum Teutonici regni, qui ad regnum pertinent, in praesentia tua fieri,
absque simonia et aliqua violentia;
(2) ut si qua inter partes discordia emerserit, metropolitani et comprovincialium consilio vel iudicio saniori parti
assensum et auxilium praebeas.
(3) Electus autem regalia per sceptrum a te recipiat et, quae ex his iure tibi debet, faciat.
(4) Ex aliis vero partibus imperii consecratus infra sex menses regalia per sceptrum a te recipiat et, quae ex his
iure tibi debet, faciat.
(5) De quibus vero mihi querimoniam feceris et auxilium postulaveris, secundum officii mei debitum auxilium
tibi prestabo.
(6) Do tibi veram pacem et omnibus, qui in parte tua sunt vel fuerunt tempore huius discordiae.
(1) Ich, Bischof Calixt, Knecht der Knechte Gottes, gestehe dir, dem geliebten Sohn H., von Gottes
Gnaden erhabener Kaiser der Römer, zu, dass die Wahlen der Bischöfe und Äbte des deutschen
Reichs, die zum Reich gehören, in deiner Gegenwart stattfinden, ohne Simonie und irgendeine
Gewalt;
(2) so dass du, wenn unter den Parteien irgendeine Zwietracht auftaucht, auf Rat oder Urteil des
Metropoliten und der Komprovinzialen dem vernünfti- geren Teil Zustimmung und Hilfe gewähren
mögest.
(3) Der Erwählte aber soll die Regalien mit dem Szepter von dir empfangen und leisten, was er dir
aufgrund dieser von Rechts wegen schuldet.
(4) Ein aus anderen Teilen des Reichs Geweihter aber soll innerhalb von sechs Monaten die Regalien
mit dem Szepter von dir empfangen und leisten, was er aufgrund dieser dir von Rechts wegen
schuldet.
(5) In den Angelegenheiten, über die du dich bei mir beklagst und Hilfe forderst, werde ich gemäß der
Pflicht meines Amts dir Hilfe leisten.
(6) Ich gebe dir wahren Frieden und allen, die auf deiner Seite stehen oder standen in der Zeit dieser
Zwietracht.
12.3 Die geistige Lösung des Investiturproblems

Vgl. als besten Überblick Wilfried HARTMANN außerdem:
C. MIRBT, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. (1894) – als Gesamtdarstellung immer
noch nützlich
I. St. ROBINSON, Authority and Resistance in the Investiture Contest. The Polemical
Literature of the Late Eleventh Century (1978)
Monika SUCHAN, Königsherrschaft im Streit. Konfliktaustragung in der Regierungszeit
Heinrichs IV. (1997)
Monika SUCHAN, Fürstliche Oppostion gegen das Königtum im 11. und 12. Jahrhundert als Gestalterin
mittelalterlicher Staatlichkeit, in: Frühmittelalterliche Studien





Der größte Teil der Streitschriften ist gedruckt in:
Monumenta Germaniae Historica: Libelli de lite, 3 Bände, hg. von E. DÜMMLER u. a. (1891-97)
Eine Auswahl (vgl. Deutsches Archiv 41, 1985, S. 578f.) ist übersetzt bei:
Quellen zum Investiturstreit, 2. Teil: Schriften über den Streit zwischen Regnum und Sacerdotium. hg. und übersetzt von Irene SCHMALE-OTT (Ausgewählte Quellen zur deutschen
Geschichte des Mittelalters 12 b, 1984)
Von einigen Texten gibt es jüngere kritische Ausgaben:
E. FRAUENKNECHT (Hg.), Die Verteidigung der Priesterehe in der Reformzeit (1997)
H. SEYFFERT (Hg.), Benzo von Alba. Ad Heinricum IV imperatorem. Sieben Bücher an Kaiser
Heinrich IV. (1996) – mit deutscher Übersetzung
D. STÖCKLY (Hg.), Bernold von Konstanz. De excommunicatis vitandis, de reconciliatione
lapsorum et de fontibus iuris ecclesiasticis (libellus X) (2000)
Zum Kirchenrecht vgl. zuletzt:
Canonical Collections of the Early Middle Ages, ca. 400-1140. A Bibliographical Guide to the
Manuscripts and Literature, ed. by Lotte KÉRY (1999)
Ein wissenschaftsgeschichtlich wichtiger Aufsatz:
C. ERDMANN, Die Anfänge der staatlichen Propaganda im Investiturstreit, in: Historische
Zeitschrift 154 (1936) S. 491–512
● Kommunikation:
Entstehung “staatlicher Propaganda” (C. Erdmann)?
–
Lesen, Hören, Abschreiben: die Verbreitung königlicher und päpstlicher Schreiben
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die Streitschriften des Investiturstreits: Schulprodukte und Schullektüre?
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Stil und Inhalt:
~ negative Wirkungsabsicht: Invektive und Verunglimpfung des Gegners
~ positive Wirkungsabsichten: Überzeugung durch autoritative Zitate, Interpretation,
(Ver-)Fälschung
● Reaktionen von Laien:
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Diskussion, eigenmächtige Übernahme klerikaler Funktionen, Gewalt
 Literate Herangehensweisen:
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suchen, systematisieren, gewichten, differenzieren
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von den historischen zu den systematischen Sammlungen des Kirchenrechts
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Bernold von Konstanz: Aufstellung einer “Quellenhierarchie”,
Forderung nach Einordnung in den Gesamtzusammenhang
Investiturstreit = ausschlaggebend oder zumindest fördernd
für Entstehung der Scholastik
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