stellungnahme eines konvertiten (ehemals

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Der Angriff auf das Herz der Kirche, sein Priestertum
oder: Erwägungen zum Mißbrauch des Mißbrauchs
Die Welt hat der Kirche den Krieg erklärt. Heerscharen von Kollaborateuren in Kirche und Universität stimmen nun ein, um die sexuellen Mißbrauchsfälle als das Argument wider Priestertum und
Zölibat zu mißbrauchen. Warum geht es eigentlich?
1.Vordergründig:
Die Welt will Pfarrerinnen sehen. Kein ökumenisches Gespräch, wo nicht Protestanten von der
Überlegenheit ihrer Kirche überzeugt sind, weil sie, nicht wie die in mittelalterlichen Vorstellungen
verharrende, ja geradezu einbetonierte katholische Kirche Pfarrerinnen und gar Bischöfinnen aufzuweisen hat. Verheiratete Pfarrer sind bei ihnen schon seit geraumer Zeit eine Selbstverständlichkeit.
Ein großer Reformwille erhebt sich nun parallel in der katholischen Kirche: Gebt uns Frauen als
Diakoninnen, Pfarrerinnen und als Zukunftstraum Päpstinnen. Verheiratete Männer als Pfarrer wäre
da schon der erste eingeschlagene Pflock in das Bollwerk des katholischen Amtsverständnisses. Der
verheiratete zum Priester Geweihte wäre so das trojanische Pferd unserer progressiven Reformer,
endlich die Kirche der Welt gleich zu machen, um den Status der Frauenemanzipation, der in der
bürgerlichen Gesellschaft und im Protestantismus erreicht worden ist, auch in der katholischen
Kirche zur Norm zu machen. Schon phantasieren (selbst ernannte) Mißbrauchsexperten, daß, wenn
der Klerus aus Männern und Frauen bestünde, im Idealfall gar paritätisch, es keinen sexuellen
Mißbrauch mehr gebe in der Kirche.
Daß über 90 Prozent der Fälle sexuellen Mißbrauchs in den Familien und durch nicht zölibatär
Lebenden verübt werden, interessiert die Missbrauchsexperten nicht. Wahr oder unwahr, was
interessiert es? Hauptsache, es ist dienlich für den Kampf wider das katholische Priestertum. Da
sind die in der Kirche geschehenen Mißbrauchsfälle wahrlich ein Geschenk des Himmels für die
Reformer. Aber, der Kampf gegen das katholische Priestertum ist viel älter als die augenblickliche
Kampagne. Im Zentrum steht hier der Reformator Luther.
2. Priester oder Gemeindeleiter?
Luther hat das Priestertum abgeschafft. Das war sein erklärter Wille. Dafür hatte er theologische
Gründe. In einer eigentümlich obskuren Ausdeutung des Kreuzopfers Christi kam er zu der
Meinung, daß ob der Alleingenügsamkeit des Sühnopfers Christi es in der Kirche Jesu Christi kein
legitimes Opfer und somit auch kein Priestertum mehr geben dürfe. An die Stelle des Priesters sollte
der Prediger und der zur Lehrpredigt ausgebildete Akademiker treten. Das Meßopfer schaffte er ab
und die Eucharistie wollte er nur noch als Sakrament gefeiert wissen. Dazu muss man sich
vergegenwärtigen, dass in der katholischen Kirche die Eucharistie einerseits als Sacrificium, als
Opfer, und andererseits als Sakrament zelebriert wird. Als Opfer ist die Eucharistie eine Handlung
der Kirche, in der Christus selbst als Opferpriester wirkt, in der Gott das ihm wohlgefällige Opfer
dargebracht wird. Als Sakrament ist die Eucharistie eine Handlung der Kirche, in der die Früchte
des Opfers Christi an die Glieder der Kirche ausgeteilt werden. Im Luthertum wird das Abendmahl
demgegenüber ausschließlich als Sakrament als Dienst an den Menschen gefeiert. Dazu aber
braucht es keinen Priester. Während nach der Lehre der katholischen Kirche die Vollmacht, die
Worte Jesu „das ist mein Leib“ und „das ist mein Blut“ über Brot und Wein zu sprechen und sie so
zu verwandeln, durch die Priesterweihe vermittelt wird, hat nach Luther jeder Gläubige diese
Vollmacht schon dank seiner Taufe, kann von daher jeder Getaufte gültig das Abendmahl feiern.
Das war das Ende des Priestertums. Dieses aber ermöglichte den Frauen im 20. Jahrhundert
Pfarrerinnen zu werden. Die Beseitigung des Priestertums, genauer des Amtspriestertums, wurde so
das entscheidende Fundament für die Frauenemanzipation im Luthertum. Im reformatorischen
2
Christentum verschwand überall das Priestertum und mit ihm das Meßopfer. Allein in der
katholischen wie auch in der orthodoxen Kirche hielt man indessen am Priestertum und am
Messopfer fest. An die Stelle des Priestertums trat bei den Reformatoren der Pfarrerberuf, den man
als einen weltlichen Beruf verstand und dem man vor allem die Leitung der christlichen Gemeinde
zuordnete. In dieser Konzeption war der Pfarrer als Gemeindeleiter in der Regel auch Familienvorstand. Er war Berufsmensch, Familienmensch und Staatsbürger in einem, und im Hinblick auf diese
drei Rollen war er gut gebildet und sozialisiert, zumindest dem Ideal nach.
Innerhalb wie auch außerhalb der katholischen Kirche wünschen heute nun viele eine Reform nach
dem Muster der reformatorischen Gemeinschaften. Selbst der frühere Bundespräsident Horst
Köhler sprach sich kürzlich dafür aus und fand dabei nicht gerade eine geringe Resonanz. Man will,
dass sich auch die katholische Kirche verbürgerlicht und sich so der Welt gleichförmig macht. Im
Grunde geht es darum, dass die katholische Kirche die Reformation nachholt. So entspricht es
schon immer dem ökumenischen Konzept der reformatorischen Christen und auch der Erwartung
jener, die außerhalb des Christentums angesiedelt sind. Faktisch soll die katholische Kirche am
Wesen der Welt gesunden. Viele meinen, das sei das eigentliche Anliegen des 2. Vatikanischen
Konzils gewesen, wenn es die Öffnung der Kirche zur Welt hin gefordert habe. Warum auch sollte
die Kirche sich nicht verweltlichen und das Priesteramt zum Pfarrerberuf säkularisieren, um sich so
den Weltmenschen zu empfehlen und sie besser ansprechen und erreichen zu können? Sie würde
damit speziell dem deutschen Protestantismus nachfolgen, der diesen Weg in seinem Zeitgeistsurfing in letzter Konsequenz geht, bis zur völligen Selbstauflösung. Es ist bezeichnend, dass die
moderne Welt den Protestantismus heute weithin links liegen lässt, weil er nichts mehr zu sagen
weiß, was nicht andere schon gesagt haben, weil er nur noch das sagt, was alle sagen. Auch in
diesem Punkt folgt die katholische Kirche ihm auf dem Fuß.
Das Priestertum muss liquidiert werden, Weltmenschen müssen an die Stelle der Priester treten, alle
sollen Leiter von christlichen Gemeinden sein, Männer und Frauen, Heterosexuelle, Homosexuelle
und Bisexuelle, zur Not auch Unverheiratete, vor allem aber Verheiratete und nicht zuletzt auch
Bigamisten und Polygamisten.
Wir stoßen hier auf ein tiefes metaphysisches Problem: Das Priestersein und seine Inkompatibilität
mit dem bürgerlichen Leben. Man könnte sagen: nur weil es ein nicht bürgerliches weltliches Leben
gibt, kann es auch eine bürgerlich weltliche Existenz geben. Der Vertreter eines nicht bürgerlichen
Lebens aber ist par excellance der Priester, in abgestufter Form sind es der Künstler1 und der
Soldat. Es handelt sich bei diesen drei Gruppen um Menschen, die ihr Lebenszentrum im Opfer, im
Sichopfern haben. Während der bürgerliche Mensch einen Beruf oder - postmodern ausgedrückt einen Job hat, um zu leben, ist für den Priester - in gewisser Weise gilt das auch für den Künstler
und den Soldaten - der Beruf sein Leben, opfert er sein Leben gänzlich seinem Beruf.
Wo liegen hier die Differenzen im Lebens- und Berufsverständnis im Einzelnen? Thomas Mann
könnte hier in seinem Lukacsreferat über die Differenz zwischen dem bürgerlichem und nichtbürgerlichem Künstlerdaseinsverständnis weiterhelfen. Er unterscheidet in diesem Zusammenhang
vor allem zwischen jenem fremden, gewaltsamen und maskenhaften, asketisch-orgiastischen Bourgeoistum, dessen berühmtestes Beispiel Flaubert ist, sofern sein Wesen die abtötende Verneinung
des Lebens zugunsten seines Werkes ist, und dem echt bürgerlichen Künstlertum eines Storm,
Keller und Mörike, sofern in ihm das Paradoxon seines Beiwortes erst eigentlich verwirklicht wird,
indem es eine bürgerliche Lebensführung, gegründet auf einem bürgerlichen Beruf, mit den harten
Kämpfen der strengsten künstlerischen Arbeit verbindet, und sofern dessen Wesen die Tüchtigkeit
des Handwerkers ist2. Die Charakterisierung des nichtbürgerlichen Künstlerdaseins in der Theorie
des Romans des G.. Lukacs zeigt eine augenfällige Ähnlichkeit mit dem Wesen der priesterlichen
1 Vgl. Thomas Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, 1988, 95 (die bürgerliche Existenzform des Künstlers).
2 Ebd.
3
Existenz auf. Unter diesem Aspekt könnte man etwa für Werk Opfer lesen und für abtötende
Verneinung des Lebens zölibatäre Existenz. Wenn Thomas Mann dem Mönchsästhetizismus
Flauberts die ethisch-handwerkliche Meisterschaft des bürgerlichen Künstlertums gegenüberstellt,
stehen wir vor einer Antithese, der im religiösen Raum die Grunddifferenz von katholischem
Priestertum und protestantischem Pfarrertum entspricht.
Ethische Existenz meint in diesem Zusammenhang einen Lebensstil, der den Anforderungen des
Familien- Berufs- und Staatsbürgerlebens gleichermaßen gerecht zu werden versucht, wobei das
Handwerkliche dann die erlernte Sozialkompetenz für diese drei Lebensräume meint. Ästhetisch
mönchisch meint hier im Hinblick auf das Künstlerdasein das, was im religiösen Raum heiligzölibatär meint, das ganz auf Gott ausgerichtete Dasein, ein Dasein der Weltfremdheit, in dem man
um des Dienstes vor Gott willen nicht der Welt dient. Dabei dient indessen der Priester wie der
Künstler gerade in dieser seiner asketischen Ausrichtung der Welt, und zwar durch sein Werk, durch
sein Opfer.
Thomas Mann führt diese Grunddifferenz im Verhältnis von Leben und Werk so aus: Wo das Werk
des Künstlers - und somit in Parallele dazu das Opfer des Priesters - als das Produkt einer asketischen Verneinung des Lebens betrachtet wird, da bildet das bürgerliche Verständnis der Künstlerexistenz die Antithese, sofern in ihr ist das künstlerische Werk ein Moment der ethischen Lebensführung des Künstlers ist. Unter Verneinung des Lebens versteht Mann den Tatbestand, daß das
endliche Weltleben nicht als der höchste Wert anerkannt und gelebt wird, daß es vielmehr ein Ziel
gibt, einen Wert, zu dem hin das endliche Leben der Weg ist.3
Um Pfarrer zu sein im Sinne eines Leiters einer christlichen Gemeinde braucht man nicht Priester
zu sein. Damit hat Luther durchaus recht, dazu bedarf es lediglich eines ethisch handwerklich
ausgebildeten Laien, der durch einen rein kirchenrechtlichen Akt in sein Amt eingeführt wird. Bei
der Gemeindeleitung geht es um eine Berechtigung, nicht eine Bevollmächtigung. Die Berechtigung, eine Gemeinde zu leiten, setzt die Befähigung dazu voraus, welche durch das entsprechende
Studium und die damit verbundenen Prüfungen erworben wird, durch eine theoretische und
praktische Ausbildung. Der katholische Priester dagegen wird zu seinem Amt bevollmächtigt durch
das Sakrament der Weihe. In ihm erhält er vor allem die Konsekrationsvollmacht und die Vollmacht
zur Spendung des Bußsakramentes, zum Vollzug jener zwei Sakramente, die den Kern der priesterlichen Tätigkeit darstellen.
Das zölibatäre Leben ist ein wesentliches Element des Priestertums, weil das Priestertum zunächst
auf das Opfer hingeordnet ist. Das gilt in allen Kulturen. Desgleichen sind die Priester als Opfernde
in allen Religionen Männer. Wenn sich die katholische Kirche der Forderung widersetzt, Frauen am
Priestertum teilhaben zu lassen, liegt dem nicht nur diese tief verwurzelte Überzeugung zugrunde.
Die Verbürgerlichung des Priesteramtes und die Herabstufung des Priesters zum Gemeindeleiter
erhalten demgegenüber ihren Impetus nicht zuletzt auch aus der Zielsetzung, das Amt auch für
Frauen und auch für Verheiratete zugänglich zu machen. Weibliche Priester sind jedoch ein
absolutes Novum im Christentum. Ihre Einführung hat nicht nur theoretisch, sondern auch faktisch
eine Metamorphose des priesterlichen Amtes zur Voraussetzung. Diese begegnet uns, wie gesagt,
schon an der Wiege des reformatorischen Christentums. Der protestantische Pfarrer ist kein Priester,
und er will es auch nicht sein.
Mit dem genuinen Priestertum ist im Grunde auch nicht die Führung einer Ehe vereinbar. Wenn die
Priester in den orthodoxen Kirchen verheiratet sind, ist das als eine Konzession, als ein
Zugeständnis zu verstehen. Immerhin müssen die Bischöfe auch in ihnen ein zölibatäres Leben
3 Vgl. ebd., 97.
4
führen.
Man wird nicht sagen können, dass das dem Mann vorbehaltene zölibatäre Priestertum von der
Vernunft zwingend gefordert wird, dennoch kann man nicht wenige Vernunftgründe dafür anführen.
Es müssen jedoch nicht alle Ordnungen und Anordnungen Gottes der menschlichen Vernunft einsichtig sein. In vielem handelt Gott kontingent in der Geschichte der Offenbarung. So hat er etwa
Israel zum seinem Volk erwählt, nicht die Griechen oder die Ägypter. So hat Christus Jünger um
sich gesammelt und aus ihnen zwölf auserwählt, die an seiner messianischen Vollmacht partizipieren und das Fundament des Priestertums der Kirche bilden sollten
Es soll nun hier nicht das tiefsinnige Buch von Manfred Hauke „Die Problematik um das Frauenpriestertum“4 referiert werden, in dem nachgewiesen wird, dass gemäß dem Neuen Testament
und gemäß der ununterbrochenen Überlieferung der Kirche das Amtspriestertum dem Mann vorbehalten ist. Uns genügt es, darauf hingewiesen zu haben, dass dort, wo es in christlichen Gemeinden
Frauen im Pfarrdienst gibt, zuvor das Amtspriestertum abgeschafft werden musste und tatsächlich
abgeschafft wurde. Das geschah nicht von ungefähr.
3. Zum Mißbrauch des Mißbrauches- der Anlaß zur Abschaffung des Priestertumes
Die in den letzten Monaten bekannt gewordenen Fälle von sexuellem Mißbrauch innerhalb der
katholischen Kirche mißbraucht man nun zur Abschaffung des Priesteramtes, wenn man behauptet in der Regel wohl wider besseres Wissen -, der Zölibat sei der entscheidende Grund dafür. Man
setzt sich dabei darüber hinweg, dass alle Statistiken eindeutig bezeugen, daß die überwiegende
Mehrzahl jener, die hier schuldig geworden sind, nicht zölibatär Lebende sind, sondern Männer aus
dem engeren Verwandtenkreis der Opfer, ja oft selbst die Väter der betroffenen Kinder. In der Logik
derer, die die Mißbrauchsfälle zum Anlaß der Abschaffung des Zölibates nehmen wollen, müßte
man angesichts dieser Tatsache die Familie abschaffen.
Es ist zu vermuten, dass die sexuelle Verführung von Kindern - auch wenn das gegen die politische
Korrektheit ist, sei es hier gesagt - eine Variante der Homosexualität ist. De facto sind nicht wenige
Täter Homosexuelle mit pädophilen oder besser pädosexuellen Neigungen, also Menschen, die
weniger an der Führung einer Ehe interessiert sind. Schon von daher ist es absurd, hier etwas von
der Abschaffung des Zölibates zu erwarten.
Der Hauptgrund für die beklagenswerten Mißbräuche, die viele menschliche Tragödien zur Folge
haben, dürfte in der „sexuellen Revolution“ liegen, die sich seit Jahrzehnten mit dem ihr eigenen
totalitären Anspruch ausbreitet. Sie hat zu einem Pansexualismus geführt, in dem jede Sexualmoral
liquidiert wird, gemäß dem im sexuellen Bereich alles erlaubt ist, was „Spaß macht“, und die Lehre
der Kirche von der Tugend der Keuschheit lächerlich gemacht und verhöhnt wird. Die Priester,
deren Vergehen man nun entrüstet anprangert, haben ihren Auftrag von Grund auf verraten und sich
dem Geist der Welt angepasst. Sie haben das getan, wozu die Welt sie in ununterbrochener Monotonie seit Jahrzehnten aufgefordert hat, wozu sie sie mit immer neuen Versprechungen verlockt hat.
Hand in Hand mit der Umkehrung der Sexualmoral der Kirche, wie sie in den vergangenen
Jahrzehnten erfolgt ist, geht die Verfälschung grundlegender moralischer und dogmatischer Wahrheiten. Die Sünde wurde als solche in Frage gestellt, desgleichen wurden das Dogma von der Erlösung und das Bußsakrament in Frage gestellt. Das Gottesbild wurde verfälscht, indem man Gott nur
noch als den Barmherzigen, nicht aber als den Gerechten verstehen wollte. Verheerend hat sich auch
die Propagierung eines Heilsoptimismus ausgewirkt, gemäß dem es weder ein Fegfeuer noch eine
Hölle gibt, gemäß dem alle das Heil finden, ganz gleich, wie sie gelebt haben.
4 Manfred Hauke, Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und
Erlösungsordnung, 1982.
5
4. Zum Mißbrauch des Missbrauchs - das Kreuzopfer Christi als Grund der Abschaffung des
Meßopfers
Die Forderung nach der Abschaffung des Priestertums nährt sich nicht nur aus den sexuellen
Missbräuchen in der Kirche, die die gegenwärtige Öffentlichkeit beherrschen, sie nährt sich auch
aus dem Unverständnis, das man heute dem Kreuzopfer und dem Opfer überhaupt entgegenbringt.
Das Priestertum gibt es nicht ohne das Opfer.
In diesem Zusammenhang sei auf das „Neue Handbuch theologischer Grundbegriffe“ von dem
Küng-Schüler Peter Eicher verwiesen, den Spiegel einer Theologie, die in erschreckender Weise die
Verbindung mit ihren Wurzeln verloren hat. Da wird unter dem Stichwort „Priester/Bischof“ ein
neues Priesterbild entfaltet, das de facto das Priestertum abschafft und an seine Stelle unverhohlen
den protestantischen Pfarrer setzt5. In diesem sich als Kompendium verstehenden Opus schreibt
Bogdan Smela in einer systematisch-theologischen Reflexion zum Priestertum: „Der Gemeinde
obliegt es, die wandernden und die ansässigen Apostel und Propheten auf ihre Echtheit hin zu
prüfen (Did 11-13), von sich aus ohne leitende Amtsperson Taufe (7,1-4), Eucharistie und Salbung
(9 und 14) zu feiern und Bischöfe sowie Diakone zu wählen.“ Bezeichnenderweise beruft er sich
dabei auf den protestantischen Exegeten Wengst. Mit ihm behauptet Smela an dieser Stelle, das
Urchristentum kenne gemäß dem Zeugnis der Didache als Opfer nur „das bei der Malfeier mit Brot
und Wein gesprochene Gebet der Danksagung“6. Dann wird die protestantische Verfallstheorie beschworen, wenn festgestellt wird, dass sich die Kirche in den folgenden Jahrhunderten immer
weiter von ihrem Ursprung entfernt hat in der Entwicklung des kirchlichen Amtes und der hierarchischen Struktur der Kirche, bis schließlich Martin Luther in der Reformation die notwendige Reform gebracht habe und die Rückkehr zum Evangelium bewirkt habe. Die Kontinuität der gegenwärtigen Kirche zur Urkirche und zu den Evangelien liegt also nicht bei der römischen Kirche,
sondern bei den reformatorischen Gemeinschaften. Die Urgemeinde war gemäß dieser Darstellung
priesterlos und kultlos, in ihr gab es keine Hierarchie, und sie war, rein demokratisch strukturiert,
einem bürgerlichen Verein ähnlich. Das Priestertum der römischen Kirche ist somit eine Fehlentwicklung, ebenso die Ehelosigkeit der Priester und die von ihnen verlangte Abstinenz gegenüber
der Politik und dem staatsbürgerlichen Leben. Wörtlich heißt es in dem „Neuen Handbuch theologischer Grundbegriffe“: „Wegen der Auflösung des alttestamentlichen Priestertums in Jesus Christus gibt es keine neutestamentlichen Priester“. Das Fazit lautet: Weil Jesus das Priestertum aufgelöst hat, das alttestamentliche, deshalb kann und darf es im Christentum kein Priestertum mehr geben, kein Priestertum und auch keine Kirche, kann und darf es im Christentum nur noch demokratisch organisierte Gemeinden geben. Das ist ein Paukenschlag und mehr als das, das ist das Ende
der Kirche Christi, von der das Zweite Vatikanische Konzil sagt, dass sie in der katholischen Kirche
subsistiert.
Es geht noch weiter. Der Exeget Joseph Blank stellt in dem besagten Artikel mit Berufung auf den
protestantischen Exegeten Ulrich Wilckens fest: „Mit der in Christi Tod vollzogenen eschatologischen Sühne hängt zusammen, daß im Urchristentum von Anfang an die kultische Sühne im Tempel
bedeutungslos geworden ist“. Sodann wird apodiktisch das Ende des Kultes für das Christentum
konstatiert, wenn es heißt: „ Mit der Abrogation des Kultes ist ein tiefer, ja der entscheidende Bruch
urchristlicher Religion mit der zeitgenössischen jüdischen geschehen“7. Dem Christentum ist somit
jeder Kult fremd, Jesus hat jedes kultische Sühneritual für überflüssig erachtet, und für ihn kann es
kein Opfer und kein Priestertum mehr geben. Selbst der Hebräerbrief bezeugt in dieser Darstellung
5 Vgl. Art. Priester/Bischof (Blank, Snela, Lang), in: Peter Eicher, Hrsg, Neues Handbuch theologischer
Grundbegriffe, Bd. III, 1985, 411-441.
6 Ebd., 429.
7 Ebd..
6
das Ende allen kultischen Priestertums8. Daraus folgt, dass es im Christentum so nur noch das
„Opfer des Lobes“ geben kann9.
Martin Luther eröffnete mit seiner These, um der Einzigartigkeit des Sühnopfers Christi willen
dürfe es kein anderes Opfer und kein anderes Priestertum als das Kreuzesopfer und das Priestertum
Christi mehr geben, den Kampf gegen das Herzstück der Kirche, gegen das Meßopfer. Diese These
machen sich heute nicht wenige katholische Theologen zu eigen, die ein andere Kirche wollen, eine
Kirche ohne Priestertum und Hierarchie, eine Kirche, die sich faktisch als ein bürgerlicher
Religionsverein darstellt, in der Hetero- Homo- und Bisexuelle, Verheiratete und Unverheiratete,
Monogame und Polygame als Gemeindeleiter fungieren können. Nach 500 Jahren drängen sie der
katholischen Kirche die „Errungenschaften“ der Reformation auf. Man fragt sich, woher dieser ihr
Missionseifer kommt. Einfacher hätten sie es, wenn sie, da ihnen die protestantischen Positionen
plausibler erscheinen, aus der katholischen Kirche austreten und sich dem Protestantismus
anschließen würden.
5. Ein Versuch, die Einheit von Kreuz- und Meßopfer zu denken
Was diese Reformer nicht bedenken, das ist das Faktum, dass die These Luthers sich bereits dadurch desavouiert, dass Luther nicht in der Lage war, das Urbild des Kreuzesopfers und dessen Abbild, die alttestamentlichen Vorbilder des Kreuzesopfers und deren Abbild, als Einheit zu denken, so
daß die Vorbilder für ihn zu verschiedenen selbstständigen Opfern wurden und um des einen Opfers
Christi willen zu Nichtopfern entwertet wurden. Zudem konnte Luther nicht die innere Einheit des
Kreuzesopfers und seine kultische Feier nachvollziehen. Das eine Opfer und die vielen Opfer, im
Blick auf das Alte Testament wie auch im Blick auf die Kirche, das war sein Problem, nicht aber
das Problem der Kirche und ihrer authentischen Überlieferung.
Man könnte nun fragen, ob denn die Tempelopfer, das Kreuzesopfer und das Meßopfer überhaupt
als Einheit gedacht werden können. Es gibt hier indessen nicht wenige Anhaltspunkte für das Denken.
Die Heilige Schrift und die Tradition lehren, daß die gesamte Menschheit durch das eine Opfer
Christi erlöst wurde, dass Gott selber jedoch den Opferkult des Alten Bundes als Vorbereitung auf
das Kreuzesopfer und auf dessen kultische Präsentierung in der heiligen Messe eingesetzt hat.
Daraus folgt, dass auch die Opfer des Alten Bundes Gott wohlgefällige Opfer gewesen sind
Wie aber ist die Einheit hier zu denken? Das Urbild und die Vorbilder stellen im Blick auf das
Abbild eine substantielle Einheit dar. Das Abbild hat sein Wesen in der Substanz des Urbildes. Die
Differenz zwischen der Vorabbildung oder den Vorabbildungen und der Nachbildung tangiert nicht
deren Wesen. Der Alte Bund ist in seiner Gesamtheit auf den Neuen Bund hingeordnet. Das
Kreuzesopfer Christi erlöst die Menschheit in seiner inneren Verbindung mit dessen Vorbildern im
Alten Bund. Und es ist innerlich geeint mit seiner kultischen Gegenwärtigsetzung in den vielen
Messen, die ihrerseits das eine Kreuzesopfer fruchtbar machen in der Menschheit.
6. Resümee
Mit der Leugnung der Identität des Kreuzesopfers mit dessen kultischer Darstellung in den vielen
Messen verliert das Priestertum der Kirche sein Fundament. Dann verliert aber auch die zölibatäre
Lebensweise der Priester ihren Sinn, werden dann doch die Priester zu Leitern von christlichen
Gemeinden. Als solche können dann aber Verheiratete oder Unerheiratete, Heterosexuelle oder
8 Vgl. ebd., 423 f.
9 Vgl. ebd., 427.
7
Homosexuelle, Männer oder Frauen fungieren. Die Gemeindeleiter üben einen bürgerlichen Beruf
aus. Die Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche, die die Medien seit geraumer Zeit hochspielen, werden von vielen, innerhalb der Kirche wie auch außerhalb ihrer, instrumentalisiert für die
Aushebelung nicht nur des Zölibates und der Sexualmoral, sondern auch des Priestertums der
Kirche und damit für eine Neustrukturierung der Kirche nach reformatorischem Vorbild.
Supplemente
1. Papst Leo XIII. schreibt in seiner Enzyklika: „Caritatis studium“: „Das Wesen und die Natur der
Religion selbst enthüllt die Notwendigkeit des Opfers. ...Und wenn man die Opfer entfernt, kann
eine Religion weder sein noch gedacht werden.“10
Wo das Amtspriestertum der Kirche genichtet wird, wird die christliche Religion und die Kirche
Jesu Christi damit genichtet. Wo kein Priestertum mehr ist, kann auch keine Kirche mehr sein.
Die vielfach geschmähte Erklärung der Glaubenskongregation „Dominus Jesus“ aus dem Jahr 2000
spricht von daher den reformatorischen Gemeinschaften nixht zu Unrecht das Kirchesein ab.
Der Angriff auf das Priestertum der Kirche zielt in jedem Fall auf die Zerstörung des Wesens der
Kirche Christi, beabsichtig oder unbeabsichtigt. Christus hat seine Kirche als hierarchisch verfasste
Gemeinschaft begründet, und er hat in ihr das Messopfer eingesetzt und das Priestertum gestiftet.
Das Konzil von Trient lehrt verbindlich, daß Christus selber seiner Kirche das neue Pascha eingestiftet hat und dass er in ihm in der Feier der heiligen Messe immerfort unter sichtbaren Zeichen
durch die Priester geopfert werden wollte11.
2. Die Kirche ist das Licht der Welt und das Salz der Erde. Sie ist die Norm für die Welt, nicht aber
ist die Welt die Norm für die Kirche. Der heilige Paulus ermahnt die Heiligen von Rom, nicht der
Welt konform zu werden (Rö 12, 2). Diese Mahnung wurde von den für die Missbrauchsfälle
Verantwortlichen missachtet. In verhängnisvoller Weise haben sie sich der Welt angepasst.
3. Die Polemik der Reformatoren gegen das Messopfer, gegen die kultische Feier des Kreuzesopfers
in der Kirche Christi und gegen das Priestertum erhält heute neue Aktualität, sofern sie nun auch innerhalb der Kirche mehr und mehr eine Plattform findet, speziell auch im Anschluss an den Missbrauchswirbel. Da gilt es, die innere Kontinuität der Theologie des Messopfers und des Priestertums
offensiv darzulegen, das protestantische „allein“ als Verkürzung der Offenbarung Gottes zu kennzeichnen und einer pragmatischen Ökumene oder einer Ökumene des Verzichtes auf das specificum
catholicum entgegenzutreten.
Uwe Christian Lay
10 Denzinger/Schönmetzer Nr.Nr. 2005, 3339
11 Ebd., Nr. 1740.
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