Jordi Lalinde i Juerss C/ Ribera de Sant Pere 19 08860 Castelldefels Tel. 93.664.31.48 e-mail: [email protected] Auslegungsverodnungen im deutschen und im spanischen Schuldrecht: mögliche Divergenzen zwischen der juristischen und der linguistischen Betrachtunsweise JORDI LALINDE JUERSS Escola Oficial d’Idiomes d’Esplugues Die Arbeit des Juristen ist eine Arbeit mit und an Texten. Daher ist die Interpretationslehre seit je her eine Kernfrage unter den Rechtstheoretikern, die sich schon immer, oder zumindest seit der Existenz schriftlich niedergeleger Texte, mit der Exegese von Texten befasst haben. So hat die juristische Auslegungslehre eine eigene Textlinguistik entwickelt. Welche Divergenzen es zwischen der juristischen und der linguistischen Betrachtungsweise bei der Textinterpretation gibt, ist das Ziel dieses Artikels, wobei den Auslegungsregeln von Verträgen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, da sie zum Einen von der sonst in der juristischen Mehodologie üblichen Gesetzesinterpretation abweichen und zum Anderen Aufschluss über die juristische Auslegungstätigkeit geben. Dabei werden sowohl die im deutschen BGB als auch im spanischen Código Civil enthaltenen Auslegungsregeln von Rechtsgeschäften berücksichtigt. 1. Die Arbeit des Juristen, sei es jetzt ein Rechtsanwalt oder ein rechtsprechendes Organ, ist, wie die des Linguisten, eine Arbeit mit und an Texten. Daher ist die Interpretationslehre eine Kernfrage unter den Rechtstheoretikern, die sich schon immer, oder zumindest seit der Existenz schriftlich niedergelegter Gesetze, mit der Exegese von Texten befasst haben. So hat die juristische Auslegungslehre eine eigene Textlinguistik entwickelt, genauso wie die Theologen in der Exegese hinduistischer, biblischer oder koranischer Texte eine eigene Interpretationslehre ausgearbeitet haben. 1.1. Es ist aber das römische Recht mit seiner Trennung von religiösen Aspekten dasjenige Rechtssystem, das eine Auslegungstheorie formuliert hat, die auf spätere Interpretationstheorien einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hat. Im römischen Recht bedürfen die juristischen Normen einer Interpretation, was sich aus deren allgemeinem abstraktem Charakter ergibt. Die Interpretation oder Exegese beabsichtigt eine Angemessenheit zwischen dem konkreten Fall und der ihm anzuwendenden Norm zu erstellen. Die Auslegung, die vom iudex –vom römischen Richter (richterliche Auslegung) – oder vom Juristen oder Rechtstheoretiker (doktrinale Auslegung) durchgeführt wird, kann grammatikalisch sein, wenn sie die wörtliche Bedeutung des Gesetzestextes aufzudecken versucht (vox iuris) oder logisch sein, wenn sie sich nach dem Sinn der Norm (ratio iuris) richtet, wobei dieser von der Herkunft der Rechtsverordnung, deren Zielen und harmonischer Einordnung in das juristische Normensystem abgeleitet wird. Dabei ist es möglich, dass der Gesetzestext nicht voll seinem Zweck entspricht (minus dixit quam voluit, das Gesetz sagt weniger aus, als besabsichtigt) oder, im Gegenteil, dass er seinen Zweck überschreitet (plus dixit quam voluit, das Gesetz sagt mehr aus, als beabsichtigt). Je nachdem, ist die Auslegung extensiv oder restriktiv. Falls keine Norm an diesem konkreten Fall anwendbar ist, weicht man auf eine analoge Auslegung aus, indem man entweder auf den konkreten Fall die Elemente einer Norm projeziert, die ähnliche Fälle voraussieht oder ein Prinzip, nach dem eine Reihe von Normen oder gar das ganze Rechtssystem aufgebaut worden sind. So ist diese Art der Interpretation anders als die rein teleologische, die nur den Inhalt der Normen zu vervollständigen sucht. Wenn die Prinzipien der Rechtsordnung analysiert und zu Hilfe gezogen werden, entsteht eine “höhere” Art der Interpretation, denn da werden die juristischen Begriffe auf ihre Einfügung in das Rechtssystem untersucht. Das ist auch die Technik, die der Jurist verwendet,wenn er eine neue Norm ins Leben rufen will und die der deutsche Romanist Ihering so ausführlich beschrieben hat. Diese Theorie der Auslegung, vermischt mit Elementen des kirchlichen Rechts, überlebt das Mittelalter und beeinflusst die Scholastik des 15.und 16. Jahrhunderts. Mit den Naturrechtlern und vor allem mit dem Vernunftrecht des 18. Jahrhunderts tritt die bis heute einflussreichste juristische Methodenlehre auf, nämlich die des Positivismus. 1.2. Der Positivismus stellt in der juristischen Methodenlehre die sogenannte Subsumtionstheorie auf, gemäss der der Rechtsanwender, d.h., der Richter, einen Tatbestand einer bestimmten Norm zuordnet. Das rechtsprechende Organ erfüllt damit eine fast automatische Funktion, die ihm wenig Spielraum gewährt. Die Elemente einer Rechtsnorm sind Tatbestand und Rechtsfolge. Hat der Richter einen Tatbestand überprüft und ihn einer Norm zugeordnet, ist er verpflichtet die im Gesetz erwähnte Rechtsfolge anzuwenden. Das wird im Strafrecht besonders deutlich und bildet seit Menschengedenken den Inhalt einer jeden Norm. So heisst es schon 1750 v. Chr. im babylonischen Codex Hammurabis, z. B. :“Wenn jemand etwas geraubt hat und man ihn ergreift, dann soll er getötet werden”. Wenn dem Richter die Zuordnung des Tatbestandes zu einer Norm klar und zweifellos erscheint, hat er ohne Weiteres die Rechtsfolge anzuwenden, er ist ja nur der Mund des Gesetzes, wie ihn Montesquieu in seinem Werk “De l’esprit des lois” darstellt: der Richter ist nichts als “la bouche de la loi, qui prononce les paroles de la loi, des êtres inanimés, qui n’en peuvent modérer ni la force ni la rigueur”. Das wird auch noch durch das Gesetzesbindungspostulat verschärft, das in den meisten Verfassungen explizit formuliert wird, so in der spanischen Verfassung, wo es in Paragraph 9 heisst: “Los ciudadanos y los poderes públicos están sujetos a la Constitución y al resto del ordenamiento jurídico”. Da viele der heute noch gültigen Gesetze aus einer Zeit stammen, in der das Grundgesetz in Deutschland oder die 1978er Verfassung in Spanien noch nicht in Kraft waren, ja sogar andere staatsöffentliche Prinzipien herrschten, kann man daraus schliessen, dass im Gesetzesbindungspostulat Grundauffassungen zum Tragen kommen, die den demokratischen Prinzipien unserer Zeit oft nicht entsprechen. Allerdings ist Interpretation immer Interpretation des Gesetzes, da man ja Lebenssachverhalte zu Tatbeständen vereinfachen muss, denen eine Rechtsfolge zugeschrieben wird. Tatbestände unterscheiden sich aber von Sachverhalten insofern, als sie einer näheren, einschränkenden Definition unterworfen werden, wie der Begriff “Verwandschaft” zeigt. Bis 1970 hiess es im Paragraphen 1589 BGB: “ Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als verwandt”, was den Abstand zwischen dem sprachgebräuchlichen und dem juristischen Begriff veranschaulicht. Die Subsumtionstheorie des Positivismus, aber, will für jede Tatbestandsformulierung eine Lösung in dem Gesetz oder in dem vom Gesetzgeber Gewollten finden. Da das Auffinden der zum Tatbestand passenden Norm immer eine Interpretationstätigkeit voraussetzt, kennt die herrschende Meinung der juristischen Auslegungslehre vier Methoden, -auch Aspekte oder Kriterien genannt-, die auf die 1802 verfasste Methodik des preussischen Juristen Friedrich Karl Savigny zurückgehen. Von ihm werden die philologische, auch grammatische Methode genannt (vom Griechischen to gramma, Buchstabe, Schrift, Geschriebenes, also nicht Grammatik im linguistischen Sinn), die historische und die systematische Methode erwähnt. In der heutigen Auslegungsmethodik wird unterschieden zwischen: 1.2.1. Auslegung nach dem Wotlaut (grammatische Auslegung) 1.2.2. Systematische Auslegung (nach der Stellung im System des Gesetzes) 1.2.3. Auslegung nach der Entstehungsgeschichte (historisch) 1.2.4. Auslegung nach dem Zweck des Gesetzes (teleologisch) 1.2.1. In der Auslegung nach dem Wortlaut ist selbstverständlich linguistisch relevant, wie die Bedeutungsfindung von Seiten des Juristen tatsächlich vollzogen wird. Das übliche Herangehen an das Bedeutungsproblem ist durch die Orientierung an der sprachgebräuchlichen Bedeutung gekennzeichnet und meint in der Tat die Befragung der Sprachkompetenz des Interpreten. Der Jurist verfährt so, dass sein Sprachempfinden stellvertretend für den allgemeinen Sprachgebrauch steht, obwohl sich seine Interpretationen oft gewaltig von dem üblichen Sprachgebrauch unterscheiden, wie z. B. im Terminus Einigung, der auf eine fachsprachliche Terminologie verweist, die weit entfernt von seinem Usus in der Umgangssprache ist. In allen Methodenlehren, aber, ist Bedeutungsauffassung enthalten, die den Kern der juristischen Tätigkeit ausmacht. eine 1.2.2. Der zweite von dem Rechtsinterpreten eingeschlagene Weg ist der der systematischen Auslegung: in ihr wird die einzelne Norm in ihrem Verhältnis zu der gesamten Rechtsordnung überprüft, was ihre Bezüglichkeit auf die vielen verschiedenen Begriffe des Rechtssystems impliziert, auf die sogenannte Begriffsjurisprudenz oder System von Rechtsbegriffen, die sich im Laufe der Jahrhunderte heruaskristallisiert haben. Die systematische Auslegung würde im linguistischen Sinn einem Bedeutungshorizont entsprechen, der bei jeder Auslegung einer einzelnen Normformulierung stets schon vorhanden ist und ihr Ergebnis mit beeinflusst. Die Fragen der systematischen Auslegung gehören der juristischen Dogmatik an, das heisst, der Lehre von der Auslegung und Ordnung der Rechtsnormen. 1.2.3. Bei der genetisch-historischen Auslegung wird nach der Entstehungsgeschichte der Norm gefragt bzw. nach der Regelungsabsicht oder dem Willen des historischen Gesetzgebers, einer Fiktion, die aus der Zeit der absolutistischen Monarchie stammt, in der die Rechtsverordnung nur einem Gesetzgeber zuzurechnen war. Heutzutage wird ein Gesetz erst nach Protokollen von Parlamentsdebatten, Gesetzentwürfen, Kommentaren zu den Gesetzesvorlagen, usw. verabschiedet und ist also nie die Absicht eines einzelnen Gesetzgebers. Vom linguistischen Standpunkt würde heutzutage die historisch-genetische Auslegung wie ein Kontext zum Bedeutungshorizont des systematischen Aspektes wirken. 1.2.4. In der teleologischen Auslegung wird nach dem Zweck des Gesetzes gefragt. Das ist der Fall, wenn man z. B. den Diebstahl von Gas unter den Diebstahlsparagraphen des StGB subsumiert, wo von Diebstahl einer “fremden beweglichen Sache” die Rede ist. Schon bei Savigny fehlt diese Art der Auslegung, weil sie “der Willkür Tür und Tor öffnet” und eigentlich statt einer Interpretation den Gebrauch einer logischen Deduktionsmethode einführt, nämlich der analogischen. 1.3. Und das bringt uns zu einem grundsätzlichen Streit unter den Theoretikern der Methodenlehre, nämlich dem zwischen den Verfechtern der subjektiven Lehre und den Anhängern der objektiven Lehre. Die ersten legen den Akzent auf den Willen des Gesetzgebers, während die anderen die Rechtsquelle betonen, aus der die Intention des Rechtstextes zu entnehmen sei. So ist für Larenz das Gesetz oft vernünftiger als seine Urheber und im Gesetzestext ruht ein objektiver Geist, der der immanenten Teleologie des Gesetzes zu entnehmen ist. Daher ist dieser Aspekt der Eigenständigkeit des Textes auch für die Textlinguistik von Bedeutung und durchaus geläufig in der Interpretationslehre der literarturwissenschaftlichen Philologie. Es gibt für den Text nur eine einzig wahre Bedeutung, der man sich durch die Tätigkeit der Interpretation nähern kann. Dem aber kann man mit Recht entgegenstellen, dass es den Vertretern der objektiven Auslegungslehre gar nicht darum geht, die wahre Bedeutung des Textes festzustellen, sondern dieser ist vielmehr Ausgangspunkt für verschiedene Interpretationen, die sich nicht nur aus dem Kontext des betreffenden Textes ergeben, sondern auch aus hinzukommenden Bestimmungen, die ihre Sinnkraft auf den früheren Text ausstrahlen können. Daher kann man einen Parallelismus zur poetologischen Position der hermeneutischen Literaturwissenschaft, wo eine höhere Form der Bedeutungserfüllung zu einer ästhetisch-poetischen Wahrheit führen soll, das jenseits der Sinnintentionen des Autors und des Kontextes ist. Bei der Jurisprudenz soll der Regelungszweck diese Bedeutungserfüllung darstellen, so dass sich die Normtexte auf neue Rahmenbedingungen sozialer, politischer oder wirtschaftlicher Art einstellen können. Für die Anhänger der subjektiven Lehre, dagegen, ist nicht der Text ausschlaggebend, sondern die Interpretationstätigkeit, was eigentlich eher der in der Literaturwissenschaft bekannten Strömung der Rezeptionsästhetik ähnelt, wo jede Interpretation in einem aktuellen geistigen Umfeld geschieht, so dass der Text die Intentionen des Autors überschreiten kann, Intentionen, die er gar nicht voraussehen konnte. Aber die Interpretation juristischer Texte ist bestimmt von subjektiven Sprachkenntnissen, Kommunikationserfahrungen, Sinnhorizonten, Bedeutungsintentionen, usw., die in der Literatur keine so schwerwiegende Folgen haben. Ob der Sinn fortgebildet wird oder nicht, ist in der Literatur kein Problem, wohl aber in der Rechtsprechung, wo dem Richter die Rechtsfortbildung nur dann gestattet wird, wenn es Gesetzeslücken gibt. 2. Dietrich Busse untersucht in seinem Werk “Juristische Semantik” die Geschichte der juristischen Beschäftigung mit dem Thema Sprache und, vor allem, mit dem Problem Bedeutung, was sich in den verschiedenen Auslegungslehren widerspiegelt, die deutsche Juristen und Linguisten seit dem 18. Jahrhundert entwickelt haben und auch die Rolle, die in diesen Lehren der Sprachanalyse beigemessen wird. Wenn von juristischer Auslegung die Rede ist, handelt es sich hier fast ausschliesslich um Normen- bzw. Gesetzesinterpretation. . 2.1. Die von Dietrich Busse benannte klassische Auslegungslehre wird in den 50er und 60er Jahren entwickelt und seine Hauptvertreter sind Coing, Betti und Engisch, auch wenn früher schon Ansätze eines erneuten Interesse für die Beziehung zwischen Recht und Sprache erscheinen. So sagt Forsthoff 1940, dass die Funktion der Sprache im Recht mehr ist als pure Verständigung und dass das Gesetz aus sich selbst und für sich existiert und nicht im Rahmen zu einem Adressaten, das positive Recht ist also höchstes interpretationsleitendes Prinzip. Für Neumann-Duesberg (1949) hängt dieses Mehr der Sprache von der Weltauffassung ab, die dem Rechtssystem immanent ist, legt aber das Schwergewicht auf die denotative Sprachfunktion. Die Unterschiede zwischen der Umgangssprache und der Juristensprache erklärt er durch die genauere juristische Terminologie. Jesch führt 1957 die Unterscheidung ein zwischen Begriffskern, wenn ein Begriff keiner Interpretation bedarf, und Begriffshof, wenn eine Interpretation nötig ist und die Begriffsgrenze diffus erscheint. Auch Hatz (1963) versteht die Semantik als Erklärung von Begriffen und versteht traditionsgemäss Begriffe als geistige Gebilde. So wird das Konzept objektiviert und der Andere (der Adressat) nicht berücksichtigt. Bei Hatz fehlt, wie bei den anderen, der Begriff des Intersubjektiven. Die klassische Hermeneutik verstand sich nicht in erster Linie als eine sprachbezogene Auslegungslehre. Bettis Ausführungen beschränken sich auf die Ablehnung behavioristischer und semiotischer Bedeutungstherorien, für ihn ist die Gesetzesauslegung eine Geistesbeschäftigung, die versucht, den Sinn einer Norm im Rahmen einer gegebenen Rechtsordnung zu erkennen. Helmut Coing benennt als Gegenstand der klassischen Hermeneutik “die Interpretation von Texten, von sprachlich fixierten Geisteswerken” und stellt die vier Kanones der hermeneutischen Methode: 1) als erstes, die Autonomie des Werkes, was bedeutet, das zu allererst der Text selbst, der Buchstabe des Gesetzes ausgelegt werden soll; 2) der zweite Aspekt ist der Gesichtspunkt der Einheit, -das Werk muss als Einheit verstanden werden, der einzelne Satz im Blick auf die Gesamtheit- die Gesamtheit aus der Interpretation der einzelnen Sätze begriffen werden. In der Rechtspraxis entspricht das der systematischen Auslegungsregel Savignys; 3) drittens, der Gesichtspunkt der genetischen Auslegung, das heisst, der Auslegung des Textes aus seinem Ursprung her, was so verstanden wird, dass die Individualität des Autors einen Zusammenhang mit der Vorgeschichte des Textes eingeht; 4) und zuletzt, die Auslegung aus der Sachbedeutung, die der teleologischen Auslegung entspricht und hauptsächlich für normative Texte gilt. So ist Coings Hermeneutik auch ein Produkt des Positivismus mit der einzigen Besonderheit, dass er anstatt der Auslegung nach dem Wortlaut die Auslegung des Werkes als Gesamttext in den Vordergrund stellt. Engisch hingegen, betont bei der Auslegung von Rechtstexten den teleologischen Aspekt und hebt ein in der juristischen Methodenlehre zentrales Thema hervor, nämlich das der Rechtsbegriffe, was auch zum Terminus Begriffsjurisprudenz geführt hat. Auslegung ist hauptsächlich Auslegung von Inhalt und Umfang der Rechtsbegriffe. Inhalt ist für ihn die Anführung der Begriffsmerkmale, während Umfang einzelne Fälle sind, die diesem Rechtsbegriff zu subordinieren bzw. zu subsumieren sind, eine Version also des Begriffskerns und Begriffshofs von Jesch. 2.2. Vor dem Linguistik-Boom der End-60er und frühen 70er Jahre findet in der juristischen Methodendiskussion Mitte der 60er Jahre die neue Philosophische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers Eingang, von dem der Begriff Applikation entlehnt wurde, der für die juristische Methodenlehre schon immer ein zentrales Thema war. Nun aber wird der Begriff Gadamers des Vorverständnisses grossen Anklang unter den neuen Hermeneutikern finden, da dieses Konzept der Interpretationstätigkeit eine neue und plausiblere philosophische Begründung darbietet. Hauptvertreter der neuen Richtung sind Esser, Kaufmann, Hruschka und Larenz. Was aber in der neuen Lehre auffällt, ist, dass sprachtheoretische Gesichtspunkte des Auslegungsproblems in den Hintergrund verdrängt werden. Hruschka greift die Idee Gadamers auf, dass die Welt durch an sie herangetragene Fragen erst gedeutet werden muss, und adaptiert sie an die Konstitution eines Sachverhalts durch den Richter. Der Tatbestand erscheint so als Antwort auf eine von ihm gestellte Grundfrage und bildet somit eine subjektive Deutung der Wirklichkeit. Es ist eher Auslegung von Welt als Auslegung von Texten. Auch in späteren Werken, in denen er das Verstehen von Rechtstexten in den Mittelpunkt rückt, geht es nicht um das Verstehen von Sprache, sondern um das Verstehen des Textes unter Rückgriff auf die Sache Recht, also auf das Vorverständnis des Rechtsanwenders. Auch Karl Larenz, der auch die Hermeneutik Gadamers rezipiert, bezieht sich auf die Sache Recht und verweist auch noch auf Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung und den Sprachspiel-Begriff. Indem das Recht als Sprachspiel aufgefasst wird, soll den Rechtsausdrücken ein fester Sinn (festgelegter Gebrauch) eingeschrieben werden. Busse sieht darin eine einfache Adaptation von Wittgensteins Begriffen, denn Larenz’ fester Sinn soll eher als ein Konsens der juristischen Interpretengemeinschaft verstanden werden, denn als Handlungszusammmenhang im Sinne Wittgensteins. Sprachspiel ist hier nichts anderes als das Vorverständnis, das zur Sammelkategorie wird und etwa dem juristischen Fachwissen und den sozialen Zusammenhängen und Interessenlagen entsprechen würde. Die juristische Textauslegung hat es stets mit problematischen Fällen zu tun, für Larenz ergibt sich die Entscheidung aus dem Zusammenhang der Rede, der Sache, von der sie handelt, oder den begleitenden Umständen. Sprachwissenschaftlich entsprechen diese Faktoren dem Kotext (bzw. der Textkohärenz), dem Fokus und der Situation, welche in der linguistischen Pragmatik eine Rolle spielen. Aber darunter versteht Larenz etwas Anderes, nämlich den allgemeinen Sprachgebrauch, die Auslegung im Sinne der Rechtsordnung und die teleologischen Aspekte, also erneut die Elemente der traditionellen juristischen Hermeneutik. 2.3. Seit Beginn der 70er Jahre kann man von einer philosophischen Wende sprechen, die vorwiegend von der angelsächsischen sprachanalytischen Philosophie beeinflusst ist. So erscheinen sprachtheoretische Adaptionen der logischen Semantik in der juristischen Methodendiskussion, allerdings koexistieren sie mit dem Neopositivismus, der auch in den Naturwissenschaften zu einer beherrschenden Strömung der modernen Wissenschaftsentwiklung geworden ist. Durch die Annäherung an beide Schulen entsteht eine stärkere Differenzierung und Pluralismus der Positionen gegenüber der Sprachfunktion im Recht. Zwei Bewegungen leiten diese Wende ein, einmal die analytische Rechtstheorie von H.L.A. Hart, aus dem angelsächsischen Bereich, die in der dt. Diskussion eine eher untergeordnete Rolle spielt, und zum Anderen die logische Semantik im Anschluss an Carnap, welche in der Tradition der Idealsprachen-Philosophie des “Wiener Kreises” steht, die lange die juristische Sprachtheorie beeinflust. Der Terminus Semantik ist in der Schule ein zentrales Thema und wird zum neuen Paradigma der rechtsmethodischen Sprachtheorie. 1970 erscheint Lampes Buch “Juristische Semantik” mit seiner Auffassung der Semantik als ein Teilgebiet der Logik, während er unter Logik eine Theorie der Sprache versteht. Die Position der logischen Semantik kreist um das von Carnap abgeleitete Modell von Begriffen, für die anhand der Kriterien von Extension (Begriffsumfang) und Intension (Begriffsinhalte) eine präzise Definition gegeben werden soll und zwar, indem ihre Merkmale bestimmt werden. Man möchte damit eine klare Trennung zwischen festen Bedeutungen und vagen Rändern treffen und somit auch eine klare Linie zwischen Bedeutungsfeststellung (Kernbereich eines Begriffs) und Bedeutungsfestsetzung (im vagen Begriffshof) ziehen. Wichtig ist dabei der Begriff semantische Regel. Semantik wird hier mit logischer Semantik gleichgesetzt und erneut wird von Wörtern und Ausdrücken bzw. Begriffen als den sprachlichen Einheiten ausgegangen, es wird also Sprachsemantik praktiziert. Hauptvertreter dieser juristischen Methodenlehre sind Hans Joachim Koch und Helmut Russmann, der das Verfahren des Richters so beschreibt: “Der Richter sucht nach den semantischen Regeln, welche die im gesetzlichen Tatbestand und in der Sachverhaltsschilderung verwendeten sprachlichen Ausdrücke (Prädikate) so miteinander verbinden, dass die Rechtsfolge eine logische Folge aus Gesetzen, semantischen Regeln und Sachverhaltsbeschreibung ist.” An dieser Konzeption kritisiert Busse einerseits, dass die Bedeutungen mit Begriffen identisch sind, so dass Begriffe keine sprachlichen Zeichen mit einer Ausdrucks- und einer Inhaltsseite sind, sondern als abstrakte Entitäten aufgefasst werden, andererseits ist intensionale Semantik eigentlich Merkmalssemantik. Mit Merkmalen ist aber nichts Geistiges, im menschlichen Bewusstsein Befindliches gemeint,sondern etwas Physikalisches, das die Dinge in der Welt haben. 2.4. Zu Beginn der 70er Jahre entsteht eine Vielfalt sprachtheoretischer Überlegungen, sowohl von juristischer als auch von linguistischer Seite. In diesen Jahren nähern sich die Juristen der logischen Semantik und verfolgen die Ideale einer auf Konstruktsprachen aufbauenden “unified science”, ähnlich wie sie im Rahmen der Naturwissenschaften vom Neopositivismus entwickelt wird. Zu gleicher Zeit aber beginnt in der Linguistik die ebenfalls an Formalisierung, Systematisierung und Idealisierung orientierte generative Transformationsgrammatik des amerikanischen Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky Einzug zu halten. Wenn bis dahin nur Juristen sich mit der Funktion von Sprache in der juristischen Auslegung beschäftigt hatten, so entsteht 1970 in Darmstadt eine Arbeitsgruppe, gebildet aus Juristen und Linguisten, um eine Textanalyse der juristischen Sprache mit linguistischen Mitteln durchzuführen. Leider sind die an der Tagung anwesenden Linguisten Anhänger der generativen Transformationsgrammatik und daher nur nebensächlich an der Semantik interessiert, die zu “einer armen Verwandten der Syntax” (so Hörmann) degradiert worden war. So wurde eine formale Textgrammatik mit generativer Phrasenstrukturbasis gewählt, die damals ja nur eine systemlinguistisch orientierte sein konnte, da die interpretative oder kommunikativ orientierte Textlinguistik noch gar nicht existierte. Als Aufgabe der Textlinguistik wird dabei angesehen, eine vollständige Textgrammatik für die Rechtssprache zu erstellen. Damit wird die formale Ableitung aller Texte einer Gesetzessprache auf Regelbasis und die grammatikimmanente Definition der Paraphrasenrelationen ermöglicht. Was aber diese Ableitung nicht zulässt, sind die Semantikprobleme, die man lösen wollte, indem man durch textlinguistische Verfahren die komplexe Semantik der Rechtssprache auf wenige Basissemanteme zu reduzieren versuchte, deren Bedeutung der autorisierte Sprecher zu definieren hatte. Dieser logische Atomismus, auch bei Carnap gegenwärtig, löst aber das interpretative Problem nicht, denn in welche Semanteme eine Bedeutung zerlegt werden soll, ist eben ein interpretatives Problem. Auch die Paraphrasenbeziehungen in juristischen Texten lassen nur die Texte strukturell beschreiben, nicht aber die semantischen Probleme aufdecken. Zuletzt wurde in der Darmstädter Gruppe versucht, eine Referenzsemantik zu erarbeiten, in der die sog. Sinnrelationen (Hyponymie, Hyperonimie und Synonymie) zusammengestellt wurden. Sie wurden in Wortlisten zusammengestellt, ohne aber deren Status in den vorliegenden Status zu untersuchen, was zu einem intuitiven Verfahren führte, das auf das Vorverständnis der Juristen zurückweist. So kann ein grammatischer Formalismus keine semantische Analyse ersetzen. Auch andere Theorien der Linguistik fangen in den Siebzigern an, die jurististische Auslegungslehre zu beeinflussen, sei es die Semiotik, die linguistische Pragmatik oder sogar die Kommunikationstheorie, aber in allen Fällen werden sie von den Juristen für ihre Zwecke benutzt und zwar, um die traditionsträchtige Auslegungslehre des Positivismus mehr oder weniger zu unterstützen oder um ihr neue theoretische Grundlagen zu verschaffen. 2.5. Ende der 70er Jahre beginnt eine Hinwendung zu sprachtheoretischen Konzeptionen, welche in der Sprachwissenschaft unter dem Titel Linguistische Pragmatik zusammengefasst werden. So widmet sich ein Jurist, nämlich Schiffauer, einer genaueren Untersuchung der Sprachphilosophie Wittgensteins, der in Juristenkreisen zu einer Zitierauthorität geworden war, aber von dem nur einige Aspekte seines Werkes rezipiert worden waren. Schiffauer wendet Wittgensteins Sprachphilosophie auf das semantische Grundproblem der juristischen Interpretationstheorie an, indem er die gängigen Theorien der Wortbedeutung krititisch überprüft. Im Mittelpunkt steht die gängige Abgrenzung von Auslegung und Analogie (Rechtsfortbildung), wobei er die Theorie der Wortlautgrenze kritisiert, da die Bedeutung eines Wortes nicht per se existiert, sondern erst im Zusammenhang mit seiner Verwendung. Was daraus folgt, ist, dass die als Bezugsgrösse fungierende Sprachgemeinschaft erst in Betracht genommnen werden muss und dass die Verwendungsregeln nachgewiesen werden müssen. Daher kann die Bedeutungsgrenze nicht auf Wortebene basieren, sondern muss in Anbetracht des Verwendungskontextes bestimmt werden. Schiffauer kritisiert die Konzeption von Bedeutung als “die der sprachlichen Wortbildung zu Grunde liegende, gedankliche vorausgehende ideal-objektive geistige Entität”, denn, wenn der Begriff eine abgeschlossene ideale Entität ist, so kann er auch kein Kriterium für die Auslegung eines Normwortes liefern. Er versucht also, die juristische Semantik im Licht von Wittgensteins Theorien neu zu durchdenken und rückt sowohl die kommunikative Funktion von Sprache, als auch ihren sozialen Charakter in den Vordergrund. Die Bedeutung des Wortes, so sagt er, wird nicht erklärt durch eine Relation zwischen dem Wort und irgendeinem Gegenstand, sondern durch eine Relation zwischen mindestens zwei Sprechern, die sich nach Regeln verständigen. Schiffauer will auch den Regelbegriff Wittgensteins an die juristische Semantik anwenden, aber da begeht er einen grossen Fehler, denn Regeln oder Gesetze beziehen sich in den Naturwissenwissenschaften auf eine naturhafte Regelmässigkeit, die sich in einer Beschreibung oder Formulierung der empirischen Daten ausdrücken, was nicht auf die juristischen Normen übertragen werden kann. Auf der anderen Seite, wenn man nach Wittgenstein die Bedeutung eines Wortes als Regel seiner Anwendung in einer Sprachgemeinschaft auffasst, dann kann die Auslegung eines Gesetzestextes verstanden werden, als Vorgang der Prüfung, ob die Anwendung eines Textes auf den konkreten Fall mit der Bedeutunsregel der Textbestandteile übereinstimmt. Dabei unterscheidet er die sicheren Fälle und die offenen Fälle, in denen kein vorgängiger Konsens besteht. Da entsteht dann das Auslegungsproblem, was Konsequenzen für die juristische Grenzziehung zwischen Auslegung und Analogie hat, und ob ein Wort nach seiner wirklichen Bedeutung Anwendung findet oder in einer analogen Bedeutung aufzufassen ist. Da greift aber Schiffauer auf das juristische Vorverständnis der Regel zurück, was ihn ja von Wittgenstein entfernt, dem es gerade darum ging, von der Verdinglichung der Bedeutung fortzukommen und zwar zu einem Sprachbegriff, der regelhaftes Handeln (Wortverwenden) dynamisch als “das Gleiche tun”, als ein Handeln also nach Analogien fasst. 2.6. Aber auch die Referenzsemantik beeinflusst die juristische Methodenlehre, wie der Versuch Bernd Jeand’Heurs zeigt. Der Autor setzt an der Frage an, wie die Grundlage der juristischen Auslegungstätigkeit, nämlich die In-Beziehung-Setzung eines Normtextes mit einem gegebenen konkreten Lebenssachverhalt, genauer bestimmt werden kann. Die Vorstellung, dass die Grundfunktion sprachlicher Zeichen ist, auf Gegenstände oder Sachverhalte hinzuweisen, auf sie zu referieren, ist eine bei den Juristen gängige Vorstellung. Diese vorgängig bestehende Beziehung zwischen dem einzelnen sprachlichen Zeichen und einem Gegenstand oder Sachverhalt, auf den das Zeichen verweist, ist aber für Jeand’Heur ein zu lösendes Problem. Es wird deutlich, dass der Autor sich zum Ziel setzt, die Regeln des Referenzvorganges näher zu beschreiben und darin liegt der pragmatische Aspekt, so dass der Norminterpret in einer aktiven sprachlichen Handlung Normtexte auf Sachverhalte bezieht. Referieren wäre demnach nicht so sehr eine semantische Eigenschaft sprachlicher Zeichen, die der Interpret bloss noch passiv wahrnimmt, sondern ein aktives, sprachliches Verhalten von Sprachbenutzern (und zwar sowohl von Textproduzenten wie von Textinterpretern): jedes begriffsjuristische Auslegungsverfahren kann als merkmalsanalytisch bezeichnet werden. Was jedoch falsch ist, ist, in der Meinung Jeand’Heurs, zu denken, dass es möglich sei, die Merkmalsmenge einer Wortbedeutung abstrakt festzustellen. Aus linguistisch pragmatischer Sicht kann man das nicht akzeptieren, vielmehr sind die Sprachbenutzer selbst (Sprecher wie Rezipienten), die auf Gegenstände referieren und auf bestimmte Eigenschaften des Referenzobjektes Bezug nehmen. Referieren ist für Jeand’Heur nicht die blosse Repräsentation eines bestehenden Weltbildes, stattdessen eher eine sprachlich vermittelte Wirklichkeitsbeziehung, so dass bei einer derartigen Konstituierung von Wirklichkeit der schöpferische Anteil von Sprache zum Vorschein kommt. 3. In seinem Werk „Recht als Text“ bietet Dietrich Busse ein Beispiel für den Umgang mit Texten im Bereich der Rechtsgeschäfte (cf. Busse 1992:193 und ff.) Der Fall ist folgender: A und B sind Gesellschafter des Autohauses V-OHG; A ist alleinvertretungsberechtigt. K. kaufte am 9.1.1991 bei der V-OHG unterVermittlung von A einen gebrauchten PKW Opel Omega zum Preis von DM 21.000.- Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Kaufvertrag enthielt auf der Vorderseite u.a. die Regelung: „Der Käufer übernimmt das Fahrzeug gebraucht, wie besichtigt und unter Ausschluss jeder Gewährleistung“. In den auf der Rückseite des Kaufvertrages abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen der VOHG hiess es: 1) Für den Kaufgegenstand ist jede Gewährleistung ausgeschlossen. Dies gilt nicht, wenn und soweit der Verkäufer schriftlich in einem gesonderten Garantieschein eine Gewährleistung übernimmt. 2) Ein Anspruch auf Wandlung, Minderung oder Schadensersatz besteht nicht. A hatte auf Drängen des K auf der Vorderseite des Vertrages noch zusätzlich handschriftlich vermerkt: „ Der Wagen wird in verkehrssicherem und einwandfreiem technischen Zustand übergeben.“ Der Vorbesitzer des Opel hatte, da er den Wagen nur auf Landstrassen fuhr, aus Kostengründen statt der laut Kfz-Brief und Kfz-Schein vorgeschriebenen Hochgeschwindigkeitsreifen vom Format 185/70 VR 14 Billigreifen der Spezifikation 185/70 R 14 aufziehen lassen, die für dieses Modell nicht zulässig waren. Dies war dem A nicht aufgefallen, da er es versäumt hatte, den äusserlich makellosen Wagen auch nur flüchtig zu prüfen. Der als Handelsvertreter tätige K legte nach der Übernahme des Wagens am 11.1.1991 immer grössere Strecken auf der Autobahn zurück; dabei kam es am 5.3.91 zu einem Unfall, bei dem das Fahrzeug total zerstört wurde. K wurde nur geringfügig verletzt. Aus dem Unfallbericht eines Sachverständigen, den K am 20.4.1991 erhielt, ging hervor, das der Unfall vornehmlich auf die fehlende Schnellauffestigkeit der montierten Reifen zurückzuführen sei. Mit einer gegen die V-OHG, A und B gerichteten Klage, die den Beklagten am 17.9.1991 zugestellt wurde, machte k nunmehr Schadensersatzansprüche in Höhe von DM 21.000.- des Marktwertes des Unfallwagens, vor dem sachlich und örtlich zuständigen Landgericht in N geltend. Haften die V Frage: -OHG, A oder B dem Grunde nach auf Schadensersatz? Dieser Sachverhalt, sagt Busse, kann als alltagsweltlicher Bezugsrahmen beschrieben werden, da Gebrauchtwagenkauf Bestandteil des Alltagswissens ist. Solche Wissensrahmen werden in der Textlinguistik auch als „Skripts“ oder „Frames“ beschrieben. Der alltagsweltliche Gebrauchtwagenkauf konstituiert auch einen komplexen juristischen Bezugsrahmen, der wissensbasiert und zum grossen Teil durch Normtexte gestützt ist. In diesem Wissensrahmen tauchen vier Bezugsgrössen auf, nämlich Käufer, Verkäufer, Kaufgegenstand und Vertragstext. „Als juristischer Laie würde man zunächst davon ausgehen, dass die rechtlich relevanten Momente dieses Bezugsrahmens in der Bezugsgrösse Vertrag enthalten sind. Dies ist aber nicht so; tatsächlich stellt sich heraus, dass nicht nur der Bezugsrahmen (Autokauf als Vertragsverhältnis), sondern auch alle daran beteiligten Bezugsgrössen für sich rechtlich konstituiert sind. So verweist das Kaufgegenstand Auto in diesem Falle auf die Strassenverkehrszulassungsordnung. Der Käufer hat, je nachdem ob er Privatmann, oder, wie im vorliegenden Fall, Kaufmann ist, eine unterschiedliche rechtliche Stellung bei Handelsverträgen, d.h., er wird als Privatmann nach dem BGB beurteilt und als Kaufmann nach dem Handelsgesetzbuch... Die Bezugsgrösse des Verkäufers setzt sich im vorliegendem Falle zusammen aus einer juristischen Person, genauer: einer Personengesellschaft, welche wiederum aus zwei natürlichen Personen besteht, deren jeweilige Haftung gegenüber dem Käufer, aber auch untereinander, und ihre Vertretungsbefugnis im BGB und im HGB geregelt werden. Und schliesslich kann der Vertragstext als solcher sich auf mehrere Gesetzeswerke beziehen, nämlich neben dem BGB und HGB in diesem Fall auf das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“ Man sieht daraus, dass alle Bestandteile des alltagsweltlichen Bezugsrahmens überformt sind durch rechtliche Bestimmungen, welche die Bewertung ihrer Rolle jeweils festlegen bzw. regulieren. Damit ist dieser Bezugsrahmen, über seine alltäglichen Wissensmomente hinaus, grundsätzlich und in allen Aspekten rechtlich konstituiert. 4. All die vorangegangenen Theorien möchten das Verfahren der Gesetzesauslegung und der Rechtsanwendung beschreiben, aber vielleicht können gerade Auslegungsregeln, die sich nicht auf Gesetze beziehen, sondern auf Verträge oder sonstige Rechtsgeschäfte eher Aufschluss über die juristische Interpretationstätigkeit geben. Zuerst müsste man die Institution des Rechtsgeschäfts ins Auge fassen. 4.1. Unter den Kategorien des Privatrechts bildet das Rechtsgeschäft das Bindungsglied zwischen den Kategorien Person und Sache: es ermöglicht, dass der Mensch die Sachen zu seinen Gunsten benutzen und mit ihnen Handel und Tausch betreiben kann. Wichtige Voraussetzung für den Handel ist, dass beide Teile sich an das Vereinbarte halten. So erzählt Tacitus über die Germanen, dass sie eine grosse Leidenschaft für Glücksspiele zeigten, die so weit ging, dass sie sogar ihre persönliche Freiheit aufs Spiel setzten. “Der Verlierer wird zum Sklaven, ohne Widerstand zu leisten, lässt sich fesseln und verkaufen, obwohl er vielleicht jünger oder stärker ist, so stark ist die Sturheit, die in diesen absurden Angelegenheiten herrscht. Sie nennen das Treue (fides)”. Treue ist also ursprünglich der vor dem Spiel geleistete Schwur. Derjenige, der den Schwur ablegte, drückte sein Versprechen aus, indem er Zauberformeln aussprach und magische Gesten durchführte, die das Urteil symbolisierten, für den Fall, dass er sich nicht an das Geschworene hielt. Wer seinen Schwur brach, blieb der berufenen Gottheit überlassen. Wer sich selbst durch einen Schwur aufs Spiel setzte, erfüllte sein Versprechen, um die göttliche Strafe nicht über sich ergehen zu lassen. Der Schwur war aber kein Vertrag und die juristische Stabilität ruhte nicht auf den Versprechen der Rechtsbenutzer, sondern auf der Macht der Gottheit. Noch im Mittelalter behielten die magischen Formeln ihre Gültigkeit, aber sie konnten nicht mehr die Sicherheit des juristischen Lebens garantieren. Auch im alten Rom hat das Schuldverhältnis einen ähnlichen Ursprung: Wenn ein filius familias oder ein Sklave einer anderen Familie einen Schaden anrichtete, sei es jetzt Personen-oder Sachbeschädigung, wurde, um einen Krieg zwischen beiden Familien zu vermeiden, als Lösung akzeptiert, dass der Schuldige an die verletzte Familie ausgehändigt wurde (noxae dedictio), die ihn töten oder als Sklaven behalten durfte, um seine Schuld zu löschen. Debitor (deudor, im Spanischen) und culpabilis (culpable, im Spanischen) sind zu der Zeit dasselbe, was sich im Deutschen noch heute widerspiegelt, wo Schuld den spanischen Begriffen von culpa und deuda entspricht. Der Schuldner wird vom Gläubiger gefesselt gehalten, obligatus, und dieses Band, die obligatio, existiert weiter, auch wenn ihm die Fesseln abgelegt werden, solange der Schuldige seine Schuld nicht büsst oder eine Entschädigung dafür zahlt, die ihn aus diesem Zustand befreit. Später wird diese Art der Schuldbegleichung auch in anderen Bereichen angewandt, zum Beispiel, wenn es um die Pflicht geht, das geliehene Getreide oder andere Darlehen zurückzuerstatten. Derjenige, der das Darlehen angenommen hat, bietet dem Gläubiger in der Zeremonie des nexum oder mancipium seine Person als Bürge an. Um aber an einen modernen Begriff des Schuldverhältnisses zu gelangen, muss man noch vier Jahrhunderte lang nach der Gründung Roms warten, und zwar bis zum Jahre 326 v.Chr., als von Titus Livius berichtet wird, dass ein sogenannter Lucius Papirius, der sich im oben erwähnten Zustand eines nexus befand, durch eine Schuld, die sein Vater eingegangen war, den Händen des Gläubigers entwich und die Herzen der Römer bewegte, die die Senatoren um Gnade baten, da ihn der Gläubiger schwer misshandelt hatte. Die patres zeigten Mitgefühl und verabschiedeten die sogenannte Lex Poetalia, gemäss der man für eine Schuld lediglich mit Hab und Gut einsteht und nicht mit der persönlichen Freiheit. Im späten Mittelalter und in den norditalienischen Städten wurde das alte römische Recht neu entdeckt und zu neuem Leben erweckt. Somit fing ein langer Prozess an, bis die Menschen des Abendlandes zu ihrer einzigen und individuellen Persönlichkeit als Basis für das rechtliche Handeln fanden. Dazu verhalfen die Lehren des Naturrechts, die im 16. und 17. Jhdt. erschienen. Trotzdem hatte sich im Vernunftsrecht des 18. Jahrhunderts, das noch vom Naturrecht stark beeinflusst war, immer noch nicht das Rechtsgeschäft als Ausdruck der privatautonomen Gestaltung von Rechtsbeziehungen durchgesetzt. Noch im preussichen Gesetzbuch (Allgemeines Landrecht) von 1794 fand die iusnaturalistische Lehre der Willenserklärung Anklang, obwohl die Bearbeiter dieses Gesetzbuches, Ernst Ferdinand Klein und Carl Gottlieb Suarez, die Theorien Kants schon kannten. Immanuel Kant definierte den Vertrag als ein Instrument mittels dessen jemand jemand anderem einen Teil seiner Freiheit zur Verfügung stellt. Diese Definition Kants würde später zu der modernen Auffassung des Vertrags als Gestaltungsinstrument von privaten Rechtsbeziehungen führen. Im 19. Jhdt. und unter dem Einfluss Savignys bleibt der Einfluss dieser Theorie bestehend, obwohl 1889 der Jurist Ludwig Enneccerus eine neue Perspektive einführt und somit die sogenannte Willenstheorie ins Leben ruft. Was ist wichtiger, der interne Aspekt des Vertrags, also der Wille beider Parteien, oder der externe Aspekt, nämlich der Ausdruck, die Erklärung? Soll man den Willen der Vertragsparteien, die Privatautonomie, auch Vertragsfreiheit genannt, nicht über mögliche Fehler einer Erklärung stellen? Als aber das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft tritt, hat sich die Erklärungstheorie zugunsten der Sicherheit des Handelns durchgesetzt, denn das Gesetz konnte nur einer Willenserklärung Gültigkeit verleihen. Trotzdem, und wie wir sehen werden, sind im BGB auch Überbleibsel der Willenstheorie enthalten. Das Rechtsgeschäft bildet heute eine zentrale Institution in allen bürgerlichen Zivilbühern der Welt. Um aber diese Selbstverständlichkeit zu erklären, ist es angebracht, einen kurzen geschichtlichen Überblick über das dt.BGB und den span. CC zu gewähren: 4.1.1. Das BGB: Nach langen Diskussionen, die sich über das 19. Jahrhundert erstrecken, in denen sich die zwei Hauptströmungen, die des Liberalismus und die des wachsenden Nationalgefühls in Deutschland bekämpfen, kommt es doch zu der Kodifizierung des deutschen Privatrechts. Dazu hat der Einfluss des Code Napoleon beigetragen, aber auch die Einigung Deutschlands unter der Dynastie der preussischen Könige. Die Vorarbeiten für ein Gestezbuch begannen schon 1873 mittels einer im Reichstag einberufenen Kommission. Mehr als 20 Jahre später nahm der Reichstag das neue Gesetzbuch an. Am 1.Januar 1900 trat es in Kraft. Mehr als ein Vierteljahrhundert hatte es bis zu seinem Inkrafttreten gebraucht.. Die Verfasser des BGB versuchten, von den vorhandenen Rechtsordnungen ausgehend, eine einheitliche Lösung zu finden, wobei sie sich auf das gemeine Recht stützten, das sich aus Rechtsquellen des dt. Mittelalters und der in den einzelnen Landesteilen darauf aufbauenden Gesetzgebung. Das heisst, dass dt. Gewohnheitsrechte des Mittelalters ausschlaggebend für die Kodifikation des BGB waren. Aber das ausgehende Jahrhundert sah sich mit einer Reihe noch nie dagewesener Entwicklungen konfrontiert, wie die Bevölkerungsexplosion, die Entstehung eines Industriestaates und die daraus resultierende vollständige Umgestaltung der wirtschaftlichen Grundlagen des Landes, was auch dazu führte, dass neue Lösungen auch für die neuen Probleme gefunden werden mussten. Das BGB, in dem die systematische Schule der Pandektenwissenschaft und die Lehren Savignys ausschlaggebend waren, ist ein streng systematisch aufgebautes, abstraktes Produkt fachjuristischer Leistung. Da das BGB zeitlich mit dem Fortschreiten der Industrialisierung und der Entstehung einer bürgerlichen Moral zusammenfällt, ist unter diesen Umständen normal, dass das Schuldverhältnis und die Figur des Vertrags eine zentrale Rolle im neuen Gesetzbuch spielten. 4.1.2. Das Código Civil: Auch in Spanien war der Kodifizierungsprozess langwierig. Nach der napoleonischen Besatzung versuchten die Cortes de Cádiz schon 1812 die Verabschiedung eines bürgerlichen Gesetzbuches, beeinflusst durch den Code Napoleon und den Geist des Liberalismus. Doch dieses Projekt hatte es mit drei Hindernissen zu tun: das erste, die konservativen Kräfte, die sich unter dem absolutistischen König Ferdinand VII. sehr stark zeigten. Trotzdem wurde eine Comisión general de codificación geschaffen, die 1851 ein erstes Projekt vorlegte. Das zweite Hindernis waren die sogenannten Derechos forales, die in vielen Teilen des Landes eigene gültige Rechtsordnungen, die um ihr Überleben fürchten mussten und die Übermacht des kastilischen Rechts ablehnten. Diese Opposition brachte dieses erste Projekt zum Scheitern. Dreissig Jahre später versuchte der damalige Justizminister Alonso Martínez Vertreter der Länder mit eigenen Rechtsordnungen in die Kommission miteinzubeziehen, was auch keinen Erfolg brachte, bis ein anderer Minister, Silvela, 1885 die Entscheidung traf, sämtliche Rechtsordnungen zu respektieren, womit dieses Hindernis auch überwunden wurde. Das dritte Hindernis war eine technische Schwierigkeit, nämlich im Parlament ein von Juristen erarbeitetes Projekt mit 2000 Paragraphen zu besprechen, was Alonso Martínez mit einem Rahmengesetz löste, das die Kammern verabschieden würden, so dass eine technische Kommission auf dieser Basis den restlichen Korpus erstellen würde. In diesem Rahmengestz stand, dass die Kommission von dem Projekt von 1851 ausgehen und dass der CC eine Systematisierung der alten kastilischen Gesetze sein sollte, die klar und einfach formuliert werden sollten. Gleichzeitig war man sich im Klaren, dass man neuen Bedürfnissen auch neue Lösungen geben müsste. 1889, und nach einer Revision, trat der neue CC unter der Regentschaft Maria Cristinas von Habsburg in Kraft. Auch der spanische CC kann als ein Werk fachjuristischer Leistung angesehen werden, denn seine Verfasser nahmen auf die Gesetzbücher der damaligen Zeit Rücksicht und fassten mit einem klaren, modernen und präzisen Stil das alte kastilische Recht. Beide Werke sind aber ein Produkt ihrer Zeit und der damals in der juristischen Methodenlehre herrschenden Theorie und das war die des Positivismus. 4.1.3. So enthalten beide Gesetzbücher Auslegungsregeln, die an Verträge und an Willenserklärungen anzuwenden sind. Wie gesagt, können diese Regeln Aufschluss über die juristische Interpretationstätigkeit geben: Im deutschen BGB sind es nur zwei: Par. 133 : „Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“ Par. 157 : „Verträge sind so auszulegen, wie Treue und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“ Im spanischen Código Civil sind es neun Artikel, von denen nur acht von linguistischem Interesse sind: Art. 1281 : Si los términos de un contrato son claros y no dejan duda sobre la intención de los contratantes se estará al sentido literal de sus cláusulas. Si las palabras parecieren contrarias a la intención evidente de los contratantes, prevalecerán ésta sobre aquéllas. Art. 1282 : Para juzgar de la intención de los contratantes, deberá atenderse principalmente a los actos de éstos, coetáneos y posteriores al contrato. Art. 1283 : Cualquiera que sea la generalidad de los términos de un contrato, no deberán entenderse comprendidos en él cosas distintas y casos diferentes de aquellos sobre que los interesados se propusieron contratar. Art. 1284 : Si alguna cláusula de los contratos admitiere diversos sentidos, deberá entenderse en el más adecuado para que produzca efecto. Art. 1285 : Las cláusulas de los contratos deberán interpretarse las unas por las otras, atribuyendo a las dudosas el sentido que resulte del conjunto de todas. Art. 1286: Las palabras que puedan tener distintas acepciones serán entendidas en aquella que sea más conforme a la naturaleza y objeto del contrato. Art. 1287 : El uso o la costumbre del país se tendrán en cuenta para interpretar las ambigüedades de los contratos, supliendo en éstos la omisión de cláusulas que de ordinario suelen establecerse. Art. 1288 : La interpretación de las cláusulas oscuras de un contrato no deberá favorecer a la parte que hubiese ocasionado la oscuridad. Ohne jetzt auf jede einzelne Norm einzugehen, ist es offensichtlich, dass der eigentliche Text des Vertrags eine untergeordnete Rolle spielt, während der Wille, die Absicht der Vertragsparteien ausschlaggebend für die Gültigkeit des Vertrags ist. Das ist womöglich auf die Willenstheorie des Rechtsgeschäfts zurückzuführen, gemäss der die falsa demonstratio non nocet, das heisst, dass die falsche Bezeichnung nicht schadet. Ein Beispiel dafür ist der Fall des Onkels, der seinem Neffen seine Bibliothek verkauft oder schenkt, wobei beiden bekannt ist, dass der Onkel mit den Worten „meine Bibliothek“ immer seinen Weinkeller bezeichnet. Der Vertrag über „die Bibliothek des Onkels“ regelt also die Übertragung des Inhalts des Weinkellers auf den Neffen. Es ist in diesen Fällen übrigens gleichgültig, ob die Vertragspartner eine Bezeichnung in einem Sinn gebrauchen, der vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht, wenn sie sich nur beim Abschluss des Vertrags richtig verstanden haben. Aber abgesehen von der Bedeutung des Willens beider Parteien, gibt es in diesen Normen eine Unzahl von Referenzen, die sowohl einen textbezogenen, als auch einen aussertextlichen Charakter haben: a) der Bezug auf einen unbestimmten Rechtsbegriff, eine Generalklausel, wie „Treue und Glauben“, was dem Richter in der Interpretation des Vertrags eine grosse Freiheit gewährt; b) der Bezug auf die Verkehrssitte, die normalerweise in anderen Texten erhalten sein wird und daher auch eine Referenz auf Intertextualität bedeutet; c) auf den Wortsinn, nach der traditionellen Auslegungstheorie des Positivismus; d) auf den Kontext; e) auf die bei der Verhandlung des Vertrags entstandenen Situationen, also auf pragmatische Aspekte; f) auf die mögliche Zweideutigkeit der gewählten Worte; g) auf die Textkohärenz und auf die Textkohesion; h) auf die Natur des Vertrags, was sich auch auf die Textsorte beziehen kann. 5. Schlussfolgerungen Im letzten Kapitel seiner „Juristischen Semantik“ fragt sich Dietrich Busse, ob die juristische Arbeit wirklich eine vorrangig semantische Arbeit ist und ob Gesetzestexte in dem Prozess der Rechtsanwendung mit den üblichen Kategorien und Modellen der Textlinguistik und linguistischen Semantik beschrieben werden können. Es geht um die Anwendbarkeit der Begriffe Text, Textkohärenz, Textkohäsion, usw., aber auch um die Frage, ob die linguistischen Kategorien die Textfunktionen ausreichend beschreiben können. Vielleicht sollte man für die juristische Textanalyse die bekannten Kategorien der Textlinguistik neu formulieren. Besonders wichtig ist in der juristischen Textanalyse der Bereich der Referenz, die sprachliche Bezugnahme auf Sachverhalte, für die ein eigenständiger juristischer Rechtsbegriff erst gefunden werden müsste, und der Bereich der Textkohärenz, die eher im Rahmen der Intertextualität zu suchen ist, also im Rahmen verschiedener Texte, die aber den selben Gegenstand behandeln. Auch der Begriff Wissensrahmen ist sinnvoll, um ihn auf dasjenige fachlich-juristische Wissen anzuwenden, welches zum organisierenden Faktor in der Textarbeit der juristischen Entscheidungsfindung wird. Kennzeichnend für die juristische Tätigkeit ist auch die Einpassung von realweltlichen Vorkommnissen in die juristische Entscheidungsarbeit, wo sie umgeformt und somit erst in das Rechtsuniversum integriert werden darf. Auf jeden Fall handelt es sich um einen komplexen Vorgang, der ein „Hin-und HerWandern des Blicks zwischen Normtext und Sachverhalt“ verlangt und in dem sich die Textauslegung in vielen kleinen Schritten, in vielen Einzelentscheidungen vollzieht, bis die Endentscheidung gefällt worden ist. Um jedoch wieder auf die Auslegungsregeln der Verträge zurückzukommen, muss noch ein anderes Element in Betracht gezogen werden, nämlich die Existenz verschiedener Texte, die entgegengesetzten Interessen entsprechen und daher verschiedene Wirklichkeiten darstellen. Der Ausleger, in den meisten Fällen der Richter, muss eine Integrationsarbeit verrichten, indem er die verschiedenen Elemente dieser Texte wie ein Puzzle zusammenzusetzen hat. Dabei muss er die Vielfalt der Referenzen, die in den Auslegungsregeln enthalten sind, beachten, um schliesslich aus den verschiedenen Wirklichkeiten bzw. Versionen eines Sachverhalts, die sich ihm darbieten, einen für ihn unumstrittenen Sachverhalt zu entnehmen. Diesen Sachverhalt wird er mittels seines fachlichen bzw. fachsprachlichen Wissens einer Norm zuordnen müssen, so dass sich eine für die strittigen Parteien bindende Rechtsfolge ergibt. Daher überschreitet die Auslegungsarbeit die reine Textanalyse, obgleich diese einen bedeutenden Teil der Auslegung ausmacht und greift in andere Aspekte über, wie sie schon in den obigen Auslegungsregeln erwähnt worden sind. Wenn man im deutschen BGB auf einen unbestimmten Begriff wie Treue und Glauben Bezug nimmt, dann hängt dies ab von der psychologischen Überzeugung, die der Richter den ihm vorgelegten Beweismaterialien abgewonnen hat, was auch auf dem Prinzip der freien Beweiswürdigung beruht. Nach Par. 286 der Zivilprozessordnung hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. In den Urteilsgründen ist allerdings anzugeben, welche Gesichtspunkte für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Durch die freie Beweiswürdigung, also, und durch die Einbeziehung unbestimmter Rechtsbegriffe in die juristische Auslegungsarbeit ist juristische Auslegung etwas mehr als reine Textanalyse und muss eher als ein komplexer Vorgang verstanden werden, in dem folgende Aspekte eine Rolle spielen: - Verschiedene Versionen eines Sachverhalts, was normalerweise die Auslegung von Texten voraussetzt; - Findung eines für den Ausleger unumstrittenen und juristisch relevanten Sachverhalts und freie Beweiswürdigung durch den Richter, was psychologische Aspekte impliziert; - Ein unumgänglicher Subsumtionsvorgang, der in der Findung einer zum Sachverhalt passenden Norm endet und der oft einen Adaptationsprozess der sozialen Veränderungen an verknöcherten Normtexten bedeutet; - Entscheidungsfällung, die von vorhergegangenen Entscheidungen stark beeinflusst ist und den Konsens der Interpretengemeinschaft und die Einbeziehung oft politischer Elemente darstellt. Daher muss die Interpretation juristischer Texte als ein bedeutender Teil der juristischen Auslegung verstanden werden, nicht aber juristische Interpretation mit Textanalyse gleichgestellt werden. Bibliographie - Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl. 1985. München. Beck. - Busse, Dietrich, 1993. Juristische Semantik. Berlin. Duncker-Humblot. - Busse, Dietrich, 1992. Recht als Text. Linguistische Untersuchungen zur Arbeit mit Sprache an einer gesellschaftlichen Institution. Tübingen. - Busse, Dietrich, 1989. Was ist die Bedeutung eines Gesetzes? Sprachwissenschaftliche Argumente im Methodenstreit der juristischen Auslegungslehre. Hg. Friedrich Müller, Untersuchungen zur Rechtslinguistik. Berlin. Duncker- Humblot. - Castán Tobeñas, José, 1949, Derecho civil español, común y foral, T.1. Madrid. Instituto Editorial Reus - Código Civil, 5ª ed. 1986. Madrid. Tecnos. - Deutsches Rechtslexikon, 1992, Bd.3. Hg. Dr. Horst Tilch. München. Beck. - Iglesias, Juan, 1965, Derecho Romano. Barcelona. Ariel.. - Jeand‘Heur, Bernd, 1989. Gemeinsame Probleme der Spach-und Rechtswissenschaft aus der Sicht der Strukturierenden Rechtslehre. Hg. Friedrich Müller, Untersuchungen zur Rechtslinguistik. Berlin. Duncker-Humblot. - Medicus, Dieter, 1998. Bürgerliches Recht, 17. Aufl., Köln. Heymanns. - Pawlowski, H.M., 1987. Allgem. Teil des BGB, 3. Aufl., Heidelberg. C.F. Müller Juristischer Verlag Auslegungsverordnungen im deutschen und spanischen Schuldrecht: mögliche Divergenzen zwischen der juristischen und der linguistischen Betrachtungsweise Auslegungslehren: - Römisches Recht: „grammatikalische“, „logische“ und „analoge“ Auslegung - Positivismus (18.und 19. Jht.): Subsumtionstheorie, Auslegung nach dem Wortlaut, systematische, historische und teleologische Auslegung - Subjektive und objektive Lehre(19. Jht): Wille des Gesetzgebers/objektiver Geist der Rechtsquelle - Klassische Hermeneutik (50er u. 60er Jahre): Sprachbezogenheit, Begriffsjurisprudenz oder Auslegung des Inhalts der Rechtsbegriffe, Autonomie des Werks - Neue Hermeneutik (Mitte der 60er Jahre): Gadamers philosophischer Begriff des Vorverständnisses wird entlehnt und erste Rezeption Wittgensteins - Philosophische Wende (70er Jahre): logische Semantik (Carnap), Unterscheidung von Extension und Intension im Begriff, Merkmalssemantik - Vielfalt sprachtheoretischer Überlegungen: logische Semantik, Neopositivismus (unified science), Annäherung zwischen Juristen und Linguisten - Linguistische Pragmatik (70er und 80er Jahre): kommunikative Funktion von Sprache, die Bedeutung des Wortes entsteht erst im Zusammenhang mit seiner Verwendung - Referenzsemantik (90er Jahre): In-Beziehung-Setzung eines Normtextes mit einem gegebenen Sachverhalt Das Rechtsgeschäft - Das BGB - Der Código Civil Die Auslegungsverordnungen Ein praktischer Fall