1 Kirche - Ökumene (TK 8) 2007 - Moltmann Jürgen Moltmann Wer ist Christus für uns heute? 5 10 15 20 Nicht um ihrer selbst willen, sondern um der „Sache Jesu“ willen ist die Kirche da. Alle Eigeninteressen der Kirche – Bestandswahrung, Ausbau des Einflusses – müssen dem Interesse des Reiches Gottes nachgeordnet werden, sonst sind sie unberechtigt. Entsprechen der Geist und die Einrichtung der Kirche dem Reich Gottes, dann handelt es sich um Christi Kirche. Widersprechen sie dem Reich Gottes, dann verliert die Kirche jede Existenzberechtigung und wird zu einer überflüssigen Religionsgemeinschaft. Reich-Gottes-Orientierung der Kirche heißt heute: Evangelisation und Befreiung. Die göttliche Sendung der Kirche besteht darin, das Evangelium vom Reich Gottes allen Menschen und zuerst den Armen in dieser Welt zu verkündigen, um den Glauben zu wecken, der hier aufrichtet und des ewigen Lebens dort gewiss macht. Die göttliche Sendung der Kirche besteht zugleich darin, den Unterdrückten ihre Freiheit, den Erniedrigten ihre Menschenwürde und den Rechtlosen ihr Recht zu bringen. Evangelisation und Befreiung ergänzen einander so wie die Erhebung der gebeugten Seelen durch Glauben und die Heilung der geschundenen Körper. Das ist die Botschaft der Basisgemeinden und der Gemeinden im Volk in Lateinamerika, Asien und Afrika, dass beide untrennbar zusammen gehören: der Missionsauftrag Christi und der revolutionäre Imperativ, die Bekehrungspredigt und die Umwandlung ungerechter Verhältnisse in Wirtschaft und Politik zur besseren Gerechtigkeit, der Frieden mit Gott und der Kampf für eine friedliche Welt. Wo das Reich Gottes nahe herbeikommt, da sammelt sich das Volk Gottes. Dann verkündigt es die Botschaft vom Reich und führt die Welt in die rettende Umkehr hinein. Die Kirche ist eine evangelisierende und eine befreiende Gemeinschaft, sonst ist sie weder Christi Kirche noch überhaupt eine Kirche. Jürgen Moltmann, Wer ist Christus für uns heute?, Gütersloh, ²1997, S. 28. Teilaufgaben: 1. Geben Sie wieder, was Jürgen Moltmann unter „Reich-Gottes-Orientierung der Kirche“ (Z. 7f.) versteht. 2. Erläutern Sie Aufgabe und Funktion der Kirche an zwei Texten aus dem Neuen Testament. 3. „Entsprechen der Geist und die Einrichtung der Kirche dem Reich Gottes, dann handelt es sich um Christi Kirche. Widersprechen sie dem Reich Gottes, dann verliert die Kirche jede Existenzberechtigung und wird zu einer überflüssigen Religionsgemeinschaft.“ (Z. 4-7) Stellen Sie kirchliches Handeln an einem Beispiel aus der Geschichte dar und beurteilen Sie es nach dem im Zitat genannten Kriterium. Kirche - Ökumene (TK 8) 2007 - Moltmann Lösungsvorschlag 1. Der Schüler / die Schülerin sollte folgende Punkte herausarbeiten: 2. Aufgabe und Funktion der Kirche könnten z.B. an folgenden Texten aus dem Neuen Testament aufgezeigt werden: 3. Kirche bezieht ihre Legitimation nicht aus sich selbst; sie gründet in der Verkündigung Jesu vom Anbruch des Gottesreiches. Diese Botschaft hat Vorrang vor institutionellen Interessen (Besitzstandswahrung, Machtentfaltung usw.) „Reich–Gottes-Orientierung“ heißt nach Moltmann die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes in Wort und Tat in die Welt zu bringen. Kirche wird überflüssig, wenn sie der Reich-Gottes-Botschaft nicht entspricht. Die Kirche muss primär die Armen und Entrechteten in den Blick nehmen. Missionsauftrag und Bekämpfung ungerechter Verhältnisse gehören zusammen („Evangelisation und Befreiung“). Frieden mit Gott und Kampf für eine friedliche Welt sind untrennbar. „Reich-Gottes-Orientierung“ heißt mitzuarbeiten an einer Welt, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Mt 6, 9-13; Vaterunser: Die Bitte um das Kommen des Gottesreiches, die sich darin konkretisiert, dass nicht Eigennutz, sondern Gottes Wille Denken und Handeln leiten, dass Menschen satt werden, Vergebung das Miteinander bestimmt und Menschen ermutigt werden dem Bösen zu widerstehen. Mt 25, 31-46; Gleichnis vom Weltgericht: Gottesglaube und –liebe entfalten sich in der Nächstenliebe; vgl. dazu auch Joh 17,20-26. Lk 10, 25-37; Das wichtigste Gebot, der barmherzige Samaritaner: Gottesliebe und die Liebe zum Mitmenschen werden zum Doppelgebot der Liebe miteinander verbunden; die landläufige Vorstellung, dass der Nächste der Angehörige des eigenen Volkes und der Religion ist wird korrigiert und überboten: jeder Mensch wird mir zum Nächsten, wenn er meine Hilfe braucht. Apg 2, 42-47; Leben der ersten Gemeinde: Glaubensgemeinschaft äußert sich im Gottesdienst und konkretisiert sich im Dienst am Nächsten, d.h. in der Verantwortung füreinander und im gerechten Verteilen der Güter. Mt 20, 1-16; Arbeiter im Weinberg: Gegenentwurf zum Modell der Entlohnung nach Leistung: Jeder bekommt was er braucht. Erwartet wird, dass die Schülerin / der Schüler ein Beispiel aus der Kirchengeschichte darstellt und prüft, ob Eigeninteressen für das 2 Kirche - Ökumene (TK 8) Handeln der Kirche leitend waren oder ob Kirche in der Nachfolge Jesu ihre Stimme erhoben hat für die, die Hilfe brauchen. Hierbei kann sich die Schülerin / der Schüler auf das Handeln einzelner und / oder auf wichtige historische Ereignisse beziehen. Beispiele: Konstantinische Wende Franz von Assisi Kreuzzüge Martin Luther Reformation Dietrich Bonhoeffer Kirche im Nationalsozialismus, Deutsche Christen Barmer Theologische Erklärung Theologie der Befreiung u.a. Entscheidend für die Bewertung wird sein, ob das Beispiel inhaltlich richtig, auf die Fragestellung pointiert präsentiert wird, ob die Schülerin / der Schüler das in der Frage angeführte Kriterium sachgemäß zur Beurteilung heranzieht und wie differenziert und überzeugend das Urteil begründet wird. 3 4 Kirche - Ökumene (TK 8) 2007 - Rau Johannes Rau Kirche und Demokratie 5 10 15 20 25 Wir brauchen nicht nur Institutionen, die dem Recht und der Gerechtigkeit verpflichtet sind. Wir brauchen neben der rationalen auch die emotionale Bindung der Menschen an die Einrichtungen des Gemeinwesens, die Recht, Freiheit und Gerechtigkeit sichern. Kirche und Religionsgemeinschaften mischen sich nach ihrem eigenen Anspruch auch in die öffentlichen Angelegenheiten ein. Sie suchen – nach dem Prophetenwort – „der Stadt Bestes“. Was haben uns die Kirchen in Staat und Gesellschaft heute also zu sagen? Handelt es sich nur - wie ich das neulich einmal gelesen habe – um Funktionärsvereine ohne Unterbau? Sind es Gruppen, die im Mantel der Nächstenliebe eigene Privilegien und überkommene Rechte verteidigen? Kirchen und Glaubensgemeinschaften begleiten die Menschen vor allem an den Übergängen des Lebens. Die Kirchen sind dann gefragt, wenn es darum geht, den Schwachen Hilfe und den Stummen eine Stimme zu geben. Diakonie und Caritas sind keine Ersatzhandlungen für Gottesdienst und Liturgie, sondern zentraler Ausdruck kirchlichen Handelns in der Welt. Die Kirchen sollten sich in ihrem eigenen Interesse aber nicht darauf beschränken oder beschränken lassen, nur Retter in der Krise und in der Not zu sein. Ich weiß, dass es auch für die Kirchen nicht leicht ist, ihren Ort in unserer sich ständig verändernden Gesellschaft zu bestimmen. Mir steht es wahrlich nicht zu, ihnen ihren Ort zuzuweisen. Ich weiß aber, dass eine Kirche, die die Orientierungslosigkeit der Gesellschaft nur noch einmal verdoppelt, sich selber überflüssig macht. Eine Kirche, die glaubte, auf jedem Gebiet kompetenter zu sein als die jeweils Zuständigen, die dürfte sich nicht wundern, wenn sie eines Tages auch in den Fragen nicht mehr ernst genommen würde, auf die sie wirklich tragfähige Antworten hat. Johannes Rau, Auszug aus seiner Dankesrede „Will euch die Welt furchtsam machen“, gehalten am 6. September 2005 anlässlich der Verleihung des Karl Barth Preises der Union Evangelischer Kirchen. In: Zeitzeichen, 11/2005, S.55. 5 Kirche - Ökumene (TK 8) Teilaufgaben: 1. Zeigen Sie auf, welche Rolle Johannes Rau der Kirche in Gesellschaft und Staat zuweist. 8 2. „Die Kirchen sind dann gefragt, wenn es darum geht, den Schwachen Hilfe und den Stummen eine Stimme zu geben.“ (Z.12 ff. ) 12 Begründen Sie anhand von mindestens zwei Beispielen, dass sich der Autor mit dieser Aussage auf das Neue Testament berufen kann. 3. Stellen Sie dar, wie die rechtliche Stellung der Evangelischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland geregelt ist und entfalten Sie dies an einem Beispiel. 2007 - Rau kein Lösungsvorschlag ! 10 6 Kirche - Ökumene (TK 8) 2010 July Frank Otfried July Der Glaube ist keine Privatsache 5 10 15 20 25 30 35 Meine Vision und zugleich meine Hoffnung bestehen darin, dass es der Kirche auch in Zukunft gelingen möge, sich stark, deutlich und klar theologisch zu orientieren und somit sprachfähig zu sein im Blick auf die sich verändernde Welt. Die Kirche, die ich mir vorstelle, ist sich dessen bewusst, dass sie sich nicht selbst mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragt hat, dass sie in ihren Gottesdiensten nicht sich selbst feiert, sondern den dreieinigen Gott. Sie versucht, in all ihrem Tun dem von Gott erhaltenen Auftrag, dem sie sich verdankt, zu entsprechen: Sie möchte den Menschen die heilende Nähe Gottes zusprechen, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat. Dabei ist sie grundsätzlich und von ihren Anfängen an von dem Gedanken der Gemeinschaft bestimmt. (…) Weil Kirche vom Gemeinschaftsgedanken bestimmt ist, darum kann der Glauben keine Privatsache sein. Auch wenn immer mehr Kirchenmitglieder davon ausgehen, dass sie für ihren Glauben den Gottesdienstbesuch gar nicht nötig haben, ist hier deutlich zu widersprechen. Glaube und Kirche brauchen sich gegenseitig, auch in Zukunft. Der Glauben ist auf Gemeinschaft angewiesen. (…) Der Gemeinschaftsgedanke bedeutet ferner, dass die Kirche auch in Zukunft gesellschaftliche Mitverantwortung hat. Sie und ihre Mitglieder sind Teil der Gesellschaft. Sie mischen sich produktiv z.B. da ein, wo Menschen benachteiligt werden. Sie fordern durch ihre Interpretation des Evangeliums zu einem Diskurs über das Verständnis der Wirklichkeit auf. Sie bringen sich in die Wertediskussion dezidiert christlich ein. Sie zeigen Solidarität mit den so genannten Verlierern. Sie machen sich die Aufgaben der Diakonie und der Bildung zu Eigen. Eine Kirche, die vom Gemeinschaftsgedanken bestimmt ist, ist eine vielgestaltige Kirche. Pluralismus ist gleichsam etwas Urprotestantisches, existiert der Protestantismus doch in mehreren reformatorischen Kirchen. Die Kirchen müssen jedoch darauf Acht haben, dass sie in der Pluralität unverwechselbar sind. Es geht um ein evangelisches Selbstbewusstsein, das sich insbesondere in der Begegnung mit anderen Konfessionen und Religionen zeigt und sich ihnen gegenüber als tolerant erweist. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass sich unsere Kirche an einem gelingenden Dialog der Religionen beteiligt, der die Wahrheitsfrage gerade nicht ausklammert. Das bedeutet, dass die christliche Kirche im Dialog mit anderen Religionen ihren christlichen Blickwinkel als Maßstab bewusst beibehält. Sie setzt sich zugleich für Religionsfreiheit ein und erwartet, dass Übertritte in alle Richtungen akzeptiert werden, ohne dass die betroffenen Menschen dadurch Nachteile erleiden. Aus: Zukunft wagen! Träume und Visionen deutscher Bischöfinnen und Bischöfe, Gütersloh, 2006, S. 67f. (Text gekürzt). 7 Kirche - Ökumene (TK 8) Teilaufgaben 1. Geben Sie wieder, welche Vision und Hoffnung Bischof July für die Kirche hat. 8 2. Entfalten Sie das reformatorische Grundverständnis von Kirche. 12 3. Die Kirche „möchte den Menschen die heilende Nähe Gottes zusprechen, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat. Dabei ist sie grundsätzlich und von ihren Anfängen an von dem Gedanken der Gemeinschaft bestimmt.“ (Z.8 ff.) 10 Setzen Sie sich anhand von mindestens zwei Beispielen kirchlichen Handelns in der Gegenwart auseinander, wie die Kirche dem Gemeinschaftsgedanken Rechnung trägt. Lösungshinweise 1. Geben Sie wieder, welche Vision und Hoffnung Bischof July für die Kirche hat. Bischof July geht in seiner Vision und Hoffnung für die Kirche zunächst auf den Verkündigungsauftrag ein: Kirche soll sich klar theologisch orientieren, um sprachfähig zu bleiben und um Orientierung in der sich verändernden Welt zu geben. Sie hat den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen, den dreieinigen Gott zu feiern und den Menschen die heilende Nähe Gottes zu zusprechen. Kirche ist vom Gedanken der Gemeinschaft bestimmt. Deshalb: brauchen Glauben und Kirche sich gegenseitig, nimmt Kirche gesellschaftliche Mitverantwortung war, bringt sie christliche Positionen in den gesellschaftlichen Diskurs ein, setzt sich für Benachteiligte ein. Pluralismus ist ein Kennzeichen des Protestantismus. In der Pluralität soll die Kirche ein klares evangelisches Selbstbewusstsein zeigen. Aus dieser Perspektive soll sie in einen toleranten Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen treten und sich für Religionsfreiheit einsetzen. 2. Entfalten Sie das reformatorische Grundverständnis von Kirche. Das reformatorische Kirchenverständnis entstand in der Auseinandersetzung mit der römischen Kirche des Spätmittelalters. Orientierung ist die reformatorische Erkenntnis "sola gratia, sola fide, sola scriptura" und die Lehre vom Priestertum aller Gläubigen. Mittelpunkt des Gottesdienstes ist die Bibel und ihre Auslegung. Der Absolutheitsanspruch des Papstes wird abgelehnt. Der einzelne Christ ist selbst Gott und seinem Gewissen gegenüber verantwortlich. Kirche - Ökumene (TK 8) 3. Evangelische Geistliche werden nicht zum Priester geweiht, sondern ordiniert, d.h. beauftragt zu Predigt und Sakramentsverwaltung. Als Sakramente gelten nur Taufe und Abendmahl, weil nur diese vom HERRN eingesetzt sind. Laut M. Luther ist die Kirche ein „Geschöpf des Evangeliums“. Nach CA VII gibt es „eine heilige christliche Kirche“; Kirche ereignet sich als "Versammlung aller Gläubigen“, ... „ bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente gemäß dem Evangelium gereicht werden“; ihre Einheit hängt nicht an einheitlichen Zeremonien. Kirche ist "semper reformanda"; sie ist nicht unfehlbar. Die (sichtbare) Kirche ist unvollkommen und braucht die Gnade genauso wie die einzelnen Christen. u.a. Die Kirche „möchte den Menschen die heilende Nähe Gottes zusprechen, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat. Dabei ist sie grundsätzlich und von ihren Anfängen an von dem Gedanken der Gemeinschaft bestimmt.“ (Z.8 ff.) Setzen Sie sich anhand von mindestens zwei Beispielen kirchlichen Handelns in der Gegenwart damit auseinander, wie die Kirche dem Gemeinschaftsgedanken Rechnung trägt. Der Schüler/die Schülerin soll zwei Beispiele kirchlichen Handelns in der Gegenwart darstellen und ein begründetes eigenes Urteil dazu entwickeln. Denkbar ist: Vesperkirche Seelsorge in Betrieb, Krankenhaus, Altenheim ... Hospizarbeit Diakonische Arbeit mit benachteiligten Menschen Kirchliche Entwicklungshilfe Gottesdienst u.a. Die Reflexion darf ergebnisoffen sein. 8 9 Kirche - Ökumene (TK 8) 2010 – Rosien Peter Rosien Die Kirche muss sich neu erfinden 5 10 15 20 25 30 Wir haben in Europa religiös eine historisch noch nie dagewesene Situation. Geht es um Gott, haben die meisten Leute eine „Ich-weiß-nicht-Haltung“. Philosophisch wird sie Agnostizismus genannt. Solche Haltung ist heute die Regel. Daneben gibt es aber auch religiöse Sehnsucht. Eine Kirche, die unter solchen Umständen die Menschen wieder ansprechen will, muss sich heute im Grunde neu erfinden. Sie muss aus ihren äußeren Organisationsstrukturen ebenso ausbrechen wie aus den inneren Strukturen ihrer Lehre und Verkündigung. (...) Die Verantwortlichen haben die Lage scheint es noch gar nicht wirklich begriffen. Sie haben aber auch kaum jemanden, der ihnen einen Spiegel hinhält, in dem sie ihre Kirche einmal von außen betrachten könnten. (…) So wird diese Kirche wohl in ein, zwei Generationen zu einer Sekte verkommen sein. Mit dem früheren Dekan Herbert Koch zu sprechen: Sie wird sich darstellen als „ein Zusammenschluss von Menschen, der ein `Wissen` pflegt, das in hohem Maße abweicht von dem, was sonst in der Gesellschaft auf Grund von breiter Zustimmung als Wissen in Geltung steht.“ Ich bin wenig zuversichtlich, dass es anders kommt. Aber träumen darf man ja mal. Was müsste sich denn wohl im Einzelnen ändern, damit Kirche wieder wirksam von Gott reden kann und darin gehört und anerkannt wird? Ändern müssten sich zunächst die äußeren Kirchenstrukturen: Sie müssten entschlossen aufgerissen werden, damit Nicht-Theologen, Laien, wirklich mitreden können und den Insidern klarmachen, wie es draußen bei den normalen Kirchenmitgliedern tatsächlich aussieht. (…) Geht es um die inneren Strukturen von Lehre und Verkündigung, so müsste in der Kirche ein deutlicher Perspektivenwechsel eingeübt werden. Gilt doch offiziell immer noch dies: Das Evangelium von der Liebe Gottes wird von außen an die Menschen herangetragen, in Texten, Symbolen und Lehre. …Einige Menschen haben die Offenbarung erhalten und verstanden. Nun wollen sie sie anderen weitergeben: Sender an Empfänger. Diese Art der Kommunikation funktioniert heute aber überhaupt nicht mehr (…). Eine Kirche, die dem gerecht werden will, kann heute nur eine dialogische Kirche sein. Als Gnadenanstalt und dogmatische Bekenntniskirche hat sie längst ausgespielt. Was wir brauchen, ist eine gottoffene Gemeinschaft, in der sich Menschen ungezwungen über ihren Glauben, ihre Zweifel und Fragen austauschen können. Peter Rosien, Mein Gott, mein Glück, Publik-Forum, 2007, S.175 ff.(Text gekürzt). 10 Kirche - Ökumene (TK 8) Teilaufgaben 1. „Die Kirche muss sich neu erfinden“. Stellen Sie dar, wie Peter Rosien diesen Gedanken im Text ausführt. 8 2. Erläutern Sie an einem Beispiel aus Geschichte oder Gegenwart das Verhältnis von Kirche und Staat. 11 3. Entfalten Sie das Verständnis von Kirche, wie es in Mt 28 und Apg 2, 1-18 zum Ausdruck kommt. 11 Lösungshinweise 1. „Die Kirche muss sich neu erfinden“. Stellen Sie dar, wie Peter Rosien diesen Gedanken im Text ausführt. 8 Der Schüler/die Schülerin sollte folgende Punkte herausarbeiten: 2. In Europa herrscht im Blick auf die Frage nach Gott die Haltung des Agnostizismus vor. Daneben gibt es aber tiefe Sehnsucht nach Religion. Die real existierende Kirche erreicht die Menschen nicht mehr mit ihrer Botschaft. Die Verantwortlichen haben diese Tatsache noch nicht voll erfasst, da sie im Glashaus sitzen. Wenn nichts passiert, dann verkommt die Kirche zur Sekte. Kirche muss sich deshalb neu erfinden. Dies geschieht im Blick auf äußere Kirchenstrukturen, d.h. konkret, dass mehr Nicht-Theologen in der Kirche Verantwortung bekommen müssen. Kirche muss aber auch die inneren Kirchenstrukturen verändern und damit einen Perspektivenwechsel mitsamt einer Veränderung der Kommunikationsstruktur vornehmen. Das Ziel dieser Kirche, die sich neu erfindet, ist eine dialogische Kirche, in der sich Menschen über ihren Glauben, ihre Fragen und Zweifel offen austauschen können. Erläutern Sie an einem Beispiel aus Geschichte oder Gegenwart das Verhältnis von Kirche und Staat. Das Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland ist durch das Grundgesetz geregelt, das den christlichen Kirchen verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert zugesteht. Die Kirchen haben den Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“; damit verbunden sind eine Reihe von Privilegien. Grundsätzlich besteht eine Trennung von Staat und Kirche; der Staat verhält sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen neutral. Kirche und Staat kooperieren jedoch in einigen Bereichen. Als ein konkretes Beispiel für das Verhältnis von Staat und Kirche in der Gegenwart könnte der Religionsunterricht (RU) an öffentlichen Schulen gewählt werden: RU ist „ordentliches Lehrfach“ (Art.7 GG). RU wird auf konfessioneller Grundlage „unbeschadet des staatlichen 11 11 Kirche - Ökumene (TK 8) 3. Aufsichtsrechts ... in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt. Kirche und Staat arbeiten zusammen bei der Gestaltung von Lehrplänen, Prüfungen, Schulbüchern etc. Es besteht grundsätzlich Teilnahmepflicht; durch die in Art.4 GG garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit kann aber niemand zur Teilnahme am RU gezwungen werden. Eine Abmeldung vom RU ist daher möglich. RU soll auf wissenschaftlicher Grundlage und in Freiheit des Gewissens im Rahmen der geltenden Schulgesetze unterrichtet werden. In einzelnen Bundesländern gelten Sonderregelungen. Mögliche andere Beispiele könnten sein: Geschichte: Kirche in der Minderheit, Konstantinische Wende, Landesherrliches Kirchenregiment u.a. Gegenwart: Militärseelsorge, Gefangenenseelsorge, Kirchensteuer u.a. Entfalten Sie das Verständnis von Kirche, wie es in Mt 28 und Apg 2, 118 zum Ausdruck kommt. Mt 28, 1-20 Matthäus berichtet vom Ostergeschehen in einem gewaltigen Naturschauspiel. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass Gott am Werk ist und die verheißene Heilszukunft beginnt. Die Jünger erhalten den Auftrag zur Mission. Sie sollen das Evangelium in die ganze Welt tragen, alle Menschen auf den dreieinigen Gott taufen und im Glauben unterweisen. Der Welthorizont einer heidenchristlichen Kirche wird hierin angedeutet. Apg 2, 1-18 Lukas schildert die Zungenrede als Zeichen der Ausgießung des heiligen Geistes an Pfingsten in Jerusalem. Symbolisch werden hier Sprachgrenzen überwunden und die Völker durch den Heiligen Geist miteinander verbunden. Die Jünger, allen voran Petrus, wehren den Vorwurf der Trunkenheit ab. Er deutet das Pfingstgeschehen mit einem Zitat des Propheten Joel. Darin erscheint die Geistbegabung als Ausgießung des prophetischen Geistes, der für die Endzeit verheißen ist. Insgesamt will die Erzählung das Bekenntnis an eine heilige apostolische Kirche veranschaulichen, in dem sie aufzeigt, dass die Kirche ihren Ursprung in der Tat Gottes hat. Sie hat von Gott den Geist erhalten, der sie befähigt, das Evangelium in die ganze Welt zu tragen. Die Weltkirche wird als Erfüllung der Geschichte des Volkes Israel verstanden. In beiden biblischen Texten kommt zum Ausdruck, dass: die Kirche ihren Ursprung in der Tat Gottes hat, es der Geist Gottes ist, der sie befähigt das Evangelium in die ganze Welt zu tragen und alle Völker zu taufen und im Glauben zu unterweisen, die heidenchristliche Kirche sich als Weltkirche versteht, die die Heilsgeschichte Israels vollendet. 11 12 Kirche - Ökumene (TK 8) 2013 Kopp Eduard Kopp Wie missionarisch darf die Kirche sein? Es gibt TV-Werbespots, die innerhalb kürzester Zeit Kultstatus erreichen. Die Spots über neue Elektroherde gehören dazu. Da streift Gemüse, zum Anbeißen frisch, vor den Augen der Betrachter vorbei, das Ceranfeld des Herdes leuchtet rot auf, der Panzer eines Hummers... zerbricht - und während sich die Iris des Auges lustvoll verkleinert, stellen sich, alles in Nahaufnahme, die Härchen auf den Armen des Kochs auf. Noch bevor das Logo des Elektrokonzerns auftaucht, ist der Zuschauer gewonnen, durch eine Werbung, die Emotion, Lust, Erlebnisse verheißt... Auf solche Weise werben können die Kirchen aus einem einfachen Grund nicht: Ob jemand Glück und Segen in der Kirche findet, hängt nicht von der Perfektion des Angebots, sondern von jedem Menschen selbst - und von Gott ab. Wie missionarisch darf Kirche also sein? Unbegrenzt. Es ist ihr Kernmerkmal: Mission bedeutet Sendung. Nach den Berichten der Evangelien erschien Jesus nach seiner Auferstehung seinen Anhängern und trug ihnen auf: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes..." (Mt 28). Diese Aufforderung wird traditionell als Missionsbefehl Jesu bezeichnet. Zu den Menschen zu gehen, -ihnen die Botschaft vom Reich Gottes zu überbringen, in dem jeder zu seinem Recht kommt, das ist die Aufgabe der Kirche. Vorbei ist die Zeit, in der Mission verknüpft war mit religiösem Zwang und barocker Strafpredigt, mit Kolonisation. Zum Glauben, so forderten schon die Reformatoren, sollte man niemanden zwingen - ein Grundsatz, der im Augsburgischen Bekenntnis von 1530 seinen Niederschlag fand: Die Weitergabe des Glaubens muss „sine vi, sed verbo", also „ohne Gewalt, sondern durch das Wort" erfolgen. .... Heute ist Kirche eine einladende Kirche. … Eine einladende Kirche belagert andere Menschen nicht mit ihrer Botschaft, aber in ihr geben die Menschen offen darüber Auskunft, was für sie wichtig ist und was sie zum Handeln motiviert. Hier tauschen sich Menschen über ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen aus und versuchen, andere dafür zu interessieren. Solche Mission ist nicht nur eine Sache der Worte, sondern auch des beispielhaften Handelns. Eine unerwartete Hilfe für Nachbarn, eine liebevolle Betreuung von Kindergartenkindern, eine behutsame Pflege im Krankenhaus, ein verantwortungsvoller Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: All dies kann Menschen einen Eindruck davon vermitteln, was Christen wichtig ist. Es ist heute Konsens, dass Mission nur dialogisch sein darf, dass die, die ihre Botschaft anbringen, persönlich bereit sein müssen, sich anderen Ansichten zu öffnen. ... Die Kirche der Zukunft wird plural sein: In ihr werden die Glaubenserfahrungen der vielen integriert. Eine missionarische Kirche zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie souverän die vielen Fäden zusammenknüpft. Kopp, E., Wie missionarisch darf die Kirche sein? chrismon 11/2011. www.chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/wiemissionarisch-darf-die-kirche-sein-12659 (gekürzt und leicht verändert). Aufgaben 1. Geben Sie den Gedankengang des Autors wieder. (9 P.) 2. Entfalten Sie einen Brennpunkt der Kirchengeschichte. (12 P.) 3. „Mission ist nicht nur eine Sache der Worte, sondern auch des beispielhaften Handelns." (Z. xx f.). Entwickeln Sie Perspektiven für das Handeln der Kirche heute. (9 P.) Kirche - Ökumene (TK 8) 13 Lösungshinweise Zu Aufgabe 1 Geben Sie den Gedankengang des Autors wieder. Die Teilaufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich l. Der Operator „wiedergeben" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie den Inhalt des Textes unter Verwendung der Fachsprache in eigenen Worten ausdrücken. Eduard Kopp setzt sich in seinem Artikel „Wie missionarisch darf die Kirche sein?" mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche auseinander, grenzt dabei Werbung und Mission voneinander ab und stellt abschließend sein Missionsverständnis dar. Fernsehwerbung und kirchliche Mission: Werbung spreche Sinne und Emotionen der Zuschauer an und verspreche Lust, Erlebnisse und vor allem Glück. Solch ein Versprechen könnten die Kirchen nicht abgeben, da es nicht von einem Produkt, sondern vom einzelnen Menschen sowie von Gott abhänge, was die Kirche bewirke. Kernaufgabe der Kirche: Kopp betont, dass es Kernaufgabe der Kirche sei, das Reich Gottes zu verkünden. Mission bedeute Sendung. Der Verfasser begründet dies mit Jesu Auftrag in Mt 28. Mission dürfe aber, wie schon im Augsburger Religionsbekenntnis festgehalten, nicht mit Zwang und der Androhung von Strafe verbunden sein. Kirche soll eine einladende Kirche sein. Mission - eine Sache der Worte und des Tuns: Gerade christliches Handeln in verschiedenen Lebensbereichen, wie z. B. sozialen und wissenschaftlichen Einrichtungen, solle anderen Menschen zeigen, was Christen wichtig ist. Dabei werde sowohl das Reden über wichtige Glaubensinhalte sowie Lebens- und Glaubenserfahrungen als auch das helfende und Verantwortung übernehmende Handeln als zentral angesehen. Mission dialogisch: Die Träger der Mission müssten sich persönlich mit den Ansichten der anderen auseinandersetzen und sie hätten für den Verfasser die Aufgabe, die Glaubenserfahrungen von vielen zu integrieren. Die Kirche der Zukunft werde plural sein. Zu Aufgabe 2 Entfalten Sie einen Brennpunkt der Kirchengeschichte. 12 Die Teilaufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich II. Der Operator „entfalten" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie einen Sachverhalt mit Informationen und Beispielen nachvollziehbar veranschaulichen. Die Schülerin / der Schüler wählt einen Brennpunkt aus den Bereichen „Frühe Kirche", „Mittelalter" oder „Kirche im Widerstand" bzw. „Kirche im Sozialismus" und führt diesen aus, z.B.: Auf dem Weg zur Reichskirche: Das Beispiel der frühen Kirche zeigt einerseits, wie frühchristliche Gemeinden immer wieder unter Verfolgung litten (z.B. durch Nero, Trajan, Diokletian) und mit dieser umgingen, andererseits aber auch, wie die gewachsene Kirche infolge der Konstantinischen Wende sich veränderte, so dass Kirche - Ökumene (TK 8) 14 am Ende des 4. Jhdts. unter Kaiser Theodosius das Christentum Staatsreligion wurde und ihrerseits Andersgläubige unterdrückte. Aus einer verfolgten Religion war eine verfolgende Religion geworden. Kirche im Mittelalter: Investiturstreit, Kreuzzüge, Inquisition: Am Beispiel der Kirche des Mittelalters lassen sich sowohl (innerkirchliche) Machtkämpfe als auch der Kampf gegen andere Religionen (Kreuzzüge) veranschaulichen und problematisieren. Kirche im Zeitalter der Reformation: Der Einsatz der Reformatoren für die Freiheit in Glaubensfragen und die dadurch ausgelöste Entwicklung zeigen eine heftige Auseinandersetzung um Glaubensinhalte und verdeutlicht, wie sich Christen gegen Widerstände behaupten. Kirche im Nationalsozialismus: An der Entwicklung der Kirche im Nationalsozialismus lässt sich zeigen und problematisieren, wie sich große Teile der Kirche durch Politik instrumentalisieren lassen. Gleichzeitig kann am Beispiel der Bekennenden Kirche oder einer Einzelperson (z.B. Bonhoeffer) auch dargestellt werden, wie Christen ihren Glauben trotz extremer Zwänge lebten und verteidigten. u.a. Zu Aufgabe 3 „Mission ist nicht nur eine Sache der Worte, sondern auch des beispielhaften Handelns." (Z. 30 f.). Entwickeln Sie Perspektiven für das Handeln der Kirche heute. Die Teilaufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich III. Der Operator „Perspektiven entwickeln" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie für das Handeln der Kirche Schlussfolgerungen ziehen, Handlungsmöglichkeiten, Modelle u.a. entfalten. Es können sowohl eigene Erfahrungen aus der Kirche, das Grundverständnis kirchlichen Handels (Diakonia, koinonia, martyria, leiturgia) wie auch ein ekklesiologischer Entwurf in die Antwort einfließen. Ebenso könnte die Antwort von einem konkreten Projekt z.B.: „Brot für die Welt" entwickelt werden, in dem die Kirche ihren missionarischen Auftrag gleichzeitig mit der Verbesserung der Lebensbedingungen und Hilfe zur Selbsthilfe verbindet. Neben der konkreten Darstellung gehört die Reflexion des Projektes und davon ausgehend das Entwickeln von Perspektiven zur Beantwortung der Aufgabe. u.a. 15 Kirche - Ökumene (TK 8) 2013 Mawick Reinhard Mawick Glaube ohne Kirche - kann das gehen? Wer aber die biblische Tradition ernst nimmt, kommt an der Kirche nicht vorbei. Zwar offenbart sich der biblische Gott auch regelmäßig einzelnen Menschen, doch immer steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt der Beziehung zwischen Gott und Mensch ... Die beiden grundlegenden Sakramente des Christentums verweisen auf die Gemeinschaft. Mit der Taufe wird jeder Mensch in den Kreis der Glaubenden, die Kirche, aufgenommen. Ein sinnfälligeres Symbol für die Gemeinschaft im Glauben ist das Abendmahl. Und außerdem heißt es im wichtigen apostolischen Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an die heilige christliche Kirche." Damit ist ausgedrückt, dass Kirche und christlicher Glaube nicht nur organisatorischpraktisch, sondern wesentlich zusammengehören. Den christlichen Glauben können Menschen nicht nur allein leben. Um ihn zu bekennen und zu festigen, benötigen sie, wenn auch nicht immer, die Gemeinschaft. Die Erfahrung zeigt: Nur das zu tun, zu denken und zu glauben, was einem selbst in den Sinn kommt, ist vielleicht eine Zeit lang, aber nicht ein Leben lang befriedigend. Eine „Erschöpfung von der Liebesaffäre mit sich selbst" diagnostiziert der evangelische Theologe Fulbert Steffensky beim modernen Menschen. Allen Lebenssinn aus sich selbst zu ziehen, das macht unglücklich. Deshalb plädiert er für einen Glauben mit der Kirche. Er ist überzeugt: „Man lernt seinen Glauben, seine Lebenshoffnung und das Vertrauen auf die Güte des Lebens, indem man nachsprechen lernt, was man erst halb glauben kann." Glaube braucht eben Vorbilder und gemeinsame Erfahrungen. Die Kirchen verlangen keinen bedingungslosen Gehorsam mehr. Sie haben gelernt, die Individualität des modernen Menschen zu achten und zu respektieren. Zum Glück kann heute jeder Mensch selbst bestimmen, wie viel Nähe oder Distanz zur Kirche er will. Das gibt ihm die Möglichkeit, sich in aller Freiheit dem Schatz der kirchlichen Tradition zu nähern. Ob nur auf Sichtweite oder ganz nah dran - das bleibt jedem selbst überlassen. http://www.evangelisch.de/kompass/glauben-und-leben/glaube-ohne-kirche-kann-das-gehen612; 02.12.2011, 16.23 Uhr. Aufgaben: 1. „Wer aber die biblische Tradition ernst nimmt, kommt an der Kirche nicht vorbei." (Z. 1). Zeigen Sie auf, wie der Verfasser diese These entwickelt. (9 P.) 2. Erläutern Sie das Verhältnis von Kirche und Staat an einem Beispiel. (12 P.) 3. Die Kirche hat den Auftrag das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat einladend zu bezeugen. Entwerfen Sie Perspektiven, wie die Kirche diesem Auftrag insbesondere für junge Menschen gerecht werden kann. (9 P.) Kirche - Ökumene (TK 8) 16 Lösungshinweise: Zu Aufgabe 1 "Wer aber die biblische Tradition ernst nimmt, kommt an der Kirche nicht vorbei" (Z. 1). Zeigen Sie auf, wie der Verfasser diese These entwickelt. Die Aufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich l. Der Operator „aufzeigen" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie den Gedankengang des Verfassers mit eigenen Worten darlegen. Gemeinschaft steht im Mittelpunkt der Beziehung zwischen Gott und Mensch Zwei Sakramente sind im Zusammenhang mit Gemeinschaft zu sehen: Taufe: Aufnahme in die Gemeinschaft, Abendmahl: Symbol für Gemeinschaft. Glaubensbekenntnis verweist auf die "Kirche" (Gemeinschaft) Glaube ohne Gemeinschaft geht nicht, weil er sich schnell erschöpft und unglücklich macht, weil man Vorbilder braucht, weil man gemeinsame Erfahrungen braucht. Es bleibt jedem selbst überlassen, wie viel Nähe oder Distanz er zur Kirche haben will. Zu Aufgabe 2 Erläutern Sie das Verhältnis von Kirche und Staat an einem Beispiel. 12 Die Aufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich II. Der Operator „erläutern" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie das Verhältnis von Staat und Kirche an einem Beispiel nachvollziehbar veranschaulichen. Dies kann an folgenden Beispielen geschehen: Verhältnis von Kirche und Staat im NT (Urchristentum), etwa am Beispiel von Mk 12. Verhältnis von Kirche und Staat in der Reformation, am Beispiel von Luthers Lehre von den zwei Regimenten. Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, etwa am Beispiel des Religionsunterrichts. u.a. Zu Aufgabe 3: Die Kirche hat den Auftrag das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat 9 einladend zu bezeugen. Entwerfen Sie Perspektiven wie die Kirche diesem Auftrag insbesondere für junge Menschen gerecht werden kann. Die Aufgabe bezieht sich auf den Anforderungsbereich III. Der Operator „entwerfen" verlangt von den Schülerinnen / den Schülern, dass sie sich mit der Aufgabenstellung kreativ auseinandersetzen. Dabei kann auch Bewährtes aufgenommen und weiter entwickelt werden. Punkte, die genannt werden können, sind: Integration der Jugendlichen in die Kirche durch: Kirche - Ökumene (TK 8) moderne Liturgie / Lieder / Sprache /... Themen der Jugendlichen ansprechen und verständlich aufbereiten Gestaltungsmöglichkeiten für Jugendliche innerhalb der Gemeinde (Jugendarbeit, u.a.) Kirche öffnen für die Kritik Jugendlicher und zum Dialog einladen Kirche erschließt sich moderne Kommunikationsformen und - wege Kirche sein bedeutet für den Menschen da zu sein, nicht umgekehrt (Bonhoeffer) u.a. 17 Kirche - Ökumene (TK 8) 18