1 Die Zukunft der Ökumene – wie könnte die versöhnte Verschiedenheit ausschauen? Dornbacher Ökumenerunde – 14. März 2011 Es ist gut, zuerst in der jüngsten Geschichte zurückzuschauen um zu sehen was schon geschehen ist, aber auch, was wir lernen können.- Schließlich stellen sich der Ökumene heute neue Aufgaben. 1. Lange ersehnte Versöhnung durch das Konzil 1 1.1 Die völlige Trennung der christlichen Kirchen vorher Verbot des gemeinsamen Gebetes Verbot öffentlicher Diskussionen Mischehenproblematik „Wiedertaufe“ Wichtig war nur, was uns trennt, nicht was uns eint 1.2 Die neuen ökumenischen Prinzipien der r.k. Kirche durch das Konzil 2 Pius XII schrieb 1943 in der Enzyklika Mystici Corporis: die Kirche Jesu Christi ist die römisch katholische Kirche Nun spricht das Konzil davon, dass die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche subsistiert. 3 Das heißt, dass es auch außerhalb der katholischen Kirche kirchenschaffende Elemente gibt. Liturgische Handlungen zeugen auch in anderen christlichen Kirchen „ohne Zweifel tatsächlich das Leben der Gnade“ und müssen „als geeignete Mittel für den Zutritt zur Gemeinschaft des Heiles angesehen werden“ 4 Der ökumenische Dialog, früher verboten, wird jetzt sogar gefordert. In Demut wird anerkannt, dass die Schuld der Trennung auf „beiden Seiten“ liegt und dass man in Gemeinsamkeit einander gegenseitig bereichern kann. Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“ Vgl. dazu H. Krätzl, Im Sprung gehemmt. Mödling 2 1994, 124 ff. 3 LG 8,2 4 UR 3,3.4 1 2 2 2. Ökumene beginnt in Österreich erstaunlich schnell zu wachsen. 2.1 Pro Oriente Am 4. November 1964, also noch vor Verabschiedung des Ökumenismusdekretes 5 gründete Kardinal König die Stiftung Pro Oriente. Ihr Kernauftrag war, die Beziehungen zu den orthodoxen und altorientalischen Kirchen zu fördern. Österreich war durch seine geographische Lage und seine Geschichte dafür besonders geeignet. Und Kardinal König hatte für diese Kontakte eine charismatische Begabung. Ich habe damals gelernt, dass Ökumene multilateral sein müsse, nicht nur bilateral, etwa einseitig zu den Kirchen aus der Reformation. 2.2 Initiative von evangelischer Seite Eine sehr frühe Initiative kam vom lutherischen Bischof in Österreich Dr. Georg May. Am 26. Mai 1965, also schon 6 Monate nach Verabschiedung des Ökumenismusdekretes am Konzil forderte er in einer Denkschrift an die österreichischen Bischöfe Konsequenzen 6 „auf Grund des neuen verpflichtenden interkonfessionellen Ethos“. Er schlug folgende Themen zur Beratung vor: Revision des Geschichtsbildes, Fragen der Mischehe, Anerkennung der Taufe, Zusammenarbeit auf karitativem, sozialen und kulturellen Gebiet, gemeinsame Gottesdienste Bereinigung der leidige Frage von Zwangskonversionen die gelegentlich in Krankenhäusern und am Totenbett vorgenommen wurden. . 2.3 Konkrete Schritte 1969 kam es zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe. Und als sich die Gesetzgebung der Mischehen (matrimonia mixta) zu ändern begann, fügten die österreichischen Bischöfe in der Versprechensformel des katholischen Teils zur katholischen Taufe und Erziehung der Kinder den viel beachteten Satz ein „Mit Rücksicht auf das Gewissen des Partners.“ Als diese Formel 1983 durch den neuen 5 6 Das Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“ wurde am 21. November 1964 feierlich verkündigt. Vgl. dazu Ch. Gleixner, Ökumene heute, ‚Wien 1980, 78 ff 3 Codex nicht gedeckt war, erreichten die österreichischen Bischöfe eine partikularrechtliche Lösung für Österreich. Gremien Schon am 1. Juli 1965 wurde in der Erzdiözese Wien eine Diözesankommission für Ökumenische Fragen gegründet 14. Jänner 1966 eine Gemischt Katholisch-evangelische Kommission. Ich selber habe sie lange paritätisch mit einem evangelischen Oberkirchenrat,(Michael Bünker) der schließlich lutherischer Bischof wurde geleitet. Neben theologischen Fragen wurden viele praktische Vorgänge und auch Irritationen, von welcher Seite immer, ganz offen angesprochen. 1968 erreichten wir im österreichischen Rundfunk eine eigene Sendezeit am Sonntag für eine „Ökumenische Morgenfeier“. in der 30 Minuten lang Vertreter von drei verschiedenen Kirchen ein theologisches Thema aufbereiteten.7 Hier kam es durch gemeinsame Arbeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen, bis hin zu Freundschaften. Mit wurde klar, dass ein unersetzbares Instrument der Ökumene ist, gemeinsam zu „verkündigen“. In Verantwortung vor dieser großen Öffentlichkeit ist eine neue Sprache entstanden und ein unüberhörbares Zeugnis, dass wir doch alle den einen Christus zu verkünden haben. ÖRKÖ Sobald es rechtlich möglich war, also 1994 bat die römische Katholische Kirche um Aufnahme in den Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich. Das schaffte die Voraussetzung, nun auf gleicher Augenhöhe, par cum pari, mit den anderen Kirchen zu leben, zu diskutieren, aber auch ihn aller Öffentlichkeit zu agieren. 2008 wurde die so erfreuliche Geschichte des ÖRKÖ in einer Festschrift genau dokumentiert. 8 Die Ökumene in gemeinsamer Verantwortung für die Gesellschaft Die Ökumene mag in manchen theologischen Fragen tatsächlich stecken geblieben zu sein. Sie hat sich dafür aber auf einem anderen Gebiet erprobt, nämlich in der gemeinsamen Verantwortung für die Gesellschaft. 7 Vgl. dazu L. Wallner, Ein heiliges Experiment, in ÖiÖ 128 ff. Ökumenische Morgenfeiern gab es bis 1997 4 2003 gab der ÖRKÖ ein eigenes Sozialwort heraus. Es wurde die soziale Situation in Österreich analysiert, notwendige Maßnahmen urgiert, aber auch jeweils eine Selbstverpflichtung der Kirchen formuliert. Die Wirkung war unerwartet stark. 9 Gemeinsame Verantwortung für den Religionsunterricht – eine pädagogische Hochschule der verschiedenen Kirchen. Wohl die spektakulärste Form ökumenischer Zusammenarbeit ist die 2006 errichtete pädagogische Hochschule der Kirchen in Wien-Krems.10 Die Hochschule ist zuständig für die gemeinsame Aus- und Weiterbildung von Religionslehrern. Beteiligt sind die Evangelischen Kirchen A. und H.B, die Altkatholische Kirche, die Griechisch-orthodoxe Kirche und die orientalisch-orthodoxen Kirchen. In der Präambel des Statuts heißt es: „Durch die Kooperation mit Partnerkirchen in der Erhaltung und Führung der Pädagogischen Hochschule realisiert sich hier ein wesentlicher Teil des von den Kirchen geleisteten Engagements im Bereich von Bildung im Sinne der Charta Oecumenica (II/23) – einer Herausforderung für Staat und Gesellschaft.“ Verfassungsrechtlich bleibt der getrennte konfessionelle Religionsunterricht aufrecht, aber hier wird auch die Voraussetzung für eine vorurteilslose und sachgerecht Darstellung der jeweiligen anderen Konfession geschaffen, aber auch die Möglichkeit zu einem konfessionell kooperativen Religionsunterricht. Das gibt Hoffnung, dass künftig konfessioneller Religionsunterricht zusammen führt und wohl eine Jugend herangebildet wird, die sich ihrer eigenen Kirche, aber auch der Einheit in Christus bewusst wird. 3. Sternstunden der Ökumene weit über Österreich hinaus 3.1 Ökumenische Versammlung in Graz 1997 Nach der 1. Europäischen Ökumenischen Versammlung 1989 in Basel 11 hat die Österreichischen Bischofskonferenz und der ÖRKÖ, die KEK und CCEE 1997 zur 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung nach Graz eingeladen. 12 Das Motto hieß 8 ÖRKÖ (Hg.) Begegnung und Inspiration. 50 Jahre Ökumene in Österreich. Graz 2008 abg. ÖiÖ Vgl. dazu A. Riedlsperger Das Sozialwort des ÖRKÖ in Österreich, in: ÖiÖ 186 ff. 10 W. Hagel-R.Kneucker, Die Pädagogische Hochschule der Kirchen, ihn: 50 Ök 261 ff. 11 Es ging um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. 12 B. Rauchwarter, Graz macht Geschichte(n), in: ÖiÖ 162 ff. 9 5 „Versöhnung – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“. Graz wurde zu einem Ort der Utopie, wie eine evangelische Teilnehmerin sagte. Utopie, weil erstmals eine große Zahl osteuropäischer Teilnehmer gekommen war und weil die „Basis“ sich überaus lebendig zeigte. Kardinal Lehmann stellte fest, dass „Kirche von unten lebe“.13 Dagegen war es ernüchternd, wie unbeweglich z.T. die Kirchenführungen waren. Erneuerungen kommen meist nicht „von oben“, sondern von unten. Das gibt auch für die Ökumene der Zukunft Hoffnung. Übrigens kam von Graz die Anregung zur späteren Charta oecumenica. Österreich hat daran maßgeblich mitgearbeitet. 14 3.2 Die gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigung – 1999 Vertreter des Vatikans und des Lutherischen Weltbundes unterzeichneten in Augsburg eine gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigung. Damit wurde ein Hauptstreitpunkt mit den Kirchen aus der Refomation und der katholischen Kirche aus der Welt geschafft. Gleichzeitig wurde damit ein Modell geschaffen für weitere Ökumene in theologischen Fragen: Einigung in einem Hauptthema, Nebenthemen bleiben stehen und müssen incht mehr kirchentrennend sein. 3.3 Europäische Versammlung in Sibiu 2007 Zu einer weitere Sternstunde sollte in einer unerwarteten Weise die 3. Europäische Ökumenische Versammlung in Sibiu- Hermannstadt im September 2007 werden.15 Das Motto war „Das Licht Christi scheint über alle – Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa.“ In Österreich hatte man sich dafür gut vorbereitet. Dann aber kollidierte der Termin mit einem Papstbesuch in Maria Zell zum 850 Jahr-Jubiläum. Es schien, als komme es zu einem ökumenischen Eklat. Es mussten ja wohl alle römisch katholischen Bischöfe zu Hause bleiben. Die anderen christlichen Kirchen verstanden das. Mehr noch. Auf Einladung der österreichischen Bischofskonferenz veranstaltete der ÖRKÖ vom 17.18. März 2007 eine eindrucksvolle Studientagung zum Erstaunen vieler gerade in 13 A.a.0 164 Sie wurde dann von allen 14 Kirchen sofort rezipiert. 15 H. Sturm, Die dritte europäische ökumenische Versammlung. In ÖiÖ 166 ff. 14 6 Mariazell. Ich durfte der Eröffnungsvesper vor dem Mariazeller Gnadenaltar vorstehen. Ich begrüßte die Vertreter aller Kirchen und meinte, auch wir Katholiken bleiben bei unserer Wallfahrt nach Maria Zell nicht bei Maria stehen, sondern lassen uns von ihr zu Christus führen. Und dann hielt der Superintendent der methodistischen Kirche vor dem Gnadenaltar eine ergreifende Homilie über Maria, wie sie uns die Schrift sehen lehrt. Ich musste an meine Kindheit denken und war tief bewegt, dass wir nach einer unrühmlichen Vergangenheit, in der Maria zwischen uns zu 16 stehen schien, nun gerade an einem Marienwallfahrtsort gemeinsam beten können. Im September fuhr dann eine große Delegation der Mitgliedskirchen des ÖRKÖ (50 Teilnehmer) nach Sibiu. Die österreichische Delegation fiel auf, weil sie im Gegensatz zu anderen Ländern so geschlossen auftrat. Sibiu und Maria Zell haben die Ökumene in Österreich neuerdings gestärkt und vorbildlich für andere gemacht. Fast ist man versucht zu sagen, der Papst muss nicht immer nur ein Hindernis für die Ökumene sein! 4. Irritationen zwischen den Kirchen: Hemmnis oder neue Herausforderung? Wachsende Einheit wird immer wieder durch Irritationen von verschiedenen Seiten gestört. Das raubt vielen die Hoffnung- Es gibt verschiedene Gründe für Irritationen: Klarstellungen, Abgrenzungen, Profilierungssucht, Angst um die eigene Identität, die besonders durch den Mitgliederschwund fast bei allen Kirchen wächst. Den Gründen muss man nachgehen, und die entsprechenden Auseinandersetzungen fruchtbar machen. Katholischerseits brachte 2000 die Erklärung der Glaubenskongregation „Dominus Jesus“ große Aufregung. Zunächst war diese Erklärung gedacht, sich gegenseitig zu ermutigen, im interreligiösen Gespräch doch nicht auf das Christusbekenntnis zu verzichten. Erst im 4. Kapitel kam dann die Unterscheidung zwischen Kirchen und „nur“ kirchlichen Gemeinschaften. Auch in Wien wurde das ökumenische Klima dadurch stark gestört. Da lud Kardinal Schönborn alle Mitgliederkirchen des ÖRKÖ zu einer „Krisensitzung“ und dann zu einem „runden Tisch“, zu dem auch Bischof Walter Kaspar kam, der tags zuvor 16 Das Gnadenbild von Maria Zell zeigt Maria, wie sie mit einem übergroßen Finger auf Christus, den sie im Arm 7 gerade zum Kardinal ernannte worden war. Das offene Gespräch milderte den Ärger und vor allem, weil auch Kardinal Kaspar den Werdegang dieses Dokumentes kritisch beleuchtete. Mir scheint überhaupt eine wesentliche Frucht der Ökumene zu sein, dass man sich heute gegenseitig sogar gemachte Fehler eingesteht. 2007 gab die Glaubenskongregation „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“. Wer und warum diese Frag neu aufgerollt wurde weiß ich nicht. Wieder wurde den Kirchen aus der Reformation das Kirchesein mit Berufung auf das Konzil abgesprochen Bis heute belastet die Ökumene die Unterscheidung in Kirchen und kirchliche Gemeinschaften. Sie stammt aus den Debatten am Konzil, 17 bei denen man sich über die rechte Abgrenzung zur orthodoxen Kirche und jenen aus der Reformation nicht einig werden konnte 18 Kardinal Jäger sagte nach dem Konzil:“Die unter den Theologen disputierten Fragen über die Art der Anwendung der Bezeichnung ‚Kirche‘ auf die einzelnen christlichen Bekenntnisse bleibt der weitern Forschung überlassen.“ 19 In der Tat hat sie nie stattgefunden, vielmehr wurden die seinerzeitigen Unterscheidungen in allen offiziellen römischen Aussagen immer nur in Berufung auf das Konzil weitergeschrieben. Längst ist also eine vertiefte theologische Diskussion notwendig über „Kirche“, und was die einzelnen Konfessionen selbst darunter verstehen. Wer sich selbst also solche bezeichnet und vor dem Staat sogar als solche anerkannt ist, dem dürfte man diesen Titel nicht absprechen. Ist nicht auch dort Kirche, wenn auch nach katholischer Auffassung Kirche nicht „voll verwirklicht“ ist? Wo ist dies überhaupt im letzten Sinn des Wortes? Eine schwerwiegende Irritation brachte aber von der „anderen Seite“ im November 2006 eine Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD zur Berufung zu Wortverkündigung hält, weist. 17 Vgl. dazu H.Krätzl, „Dominus Jesus“ – war das Konzil in der Ökumene nicht schon weiter? In: H. Krätzl, Neue Freude an der Kirche. Innsbruck 22002, 204-222 18 Die vorliegende Formulierung stammt übrigens von Kardinal König Das belegt P. Neuner in: Belastungsprobe für die Ökumene. In: StdZ 11(2000) 732. 19 Jäger, Das Konzilsdekret „Über den Ökumenismus“, Paderborn 1968,150 8 und Sakramentenverwaltung mit dem Titel „Ordnungsgemäß berufen“ („rite vocatus“).20 Darin werden faktisch Ordination und Beauftragung zur Wortverkündigung und Sakramentenverwaltung gleichgesetzt. Nach mehrjährigen Diskussionen ging man damit von der Tendenz ab, doch alle im Verkündigungsamt zu ordinieren. Wie umstritten diese Frage innerhalb der VELKD war zeigt, dass die Vorsitzende des Theologischen Ausschusses Prof. Dr. Dorothea Wendebourg aus theologischen und traditionsgeschichtlichen Gründen dagegen stimmte. Damit ist aber eine erhoffte Annäherung in der Ämterfrage zumindest zwischen r.k. Kirche und den Lutheranern wieder in weite Ferne gerückt. Oder ist das doch wieder ein Anlass, selbst über Dienst und Amt, über gemeinsames und ministerielles Priestertum neu nachzudenken? Differenzen wird es künftig zunehmend auch auf dem Gebiet ethischer Fragen geben, besonders was die Bioethik und die Gentechnologie anlangt. Ethik 21 Sicher muss in diesen Fragen unter Christen nicht nur eine Meinung letztgültig sein. Aber dennoch stellt sich die Frage, wie gerade in diesen so heiklen Problemen der Moderne in Berufung auf die Hl. Schrift argumentiert werden kann. Zu vermeiden ist, gegenteilige Meinungen zu verwerfen oder gar als rückständig zu bezeichnen. Vielmehr ist es eine Herausforderung, die jeweils eigene Position immer wieder neu zu prüfen. 5. Die getrennten Tische – das wohl derzeitig größte Ärgernis ohne Hoffnung? Die Sehnsucht nach gemeinsamer Eucharistiefeier wächst. Seit 1978 haben bedeutende offizielle Dialoge zwischen Katholiken und Lutheranern stattgefunden. Im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentages in Berlin 2003 haben katholische und evangelische Theologen diese Annäherungen in einem Buch „Eucharistische Gastfreundschaft“ 22 aufgelistet. Man kam zum Schluss, die bisherigen Kontroversen über das Abendmahl als Sakrament vor allem zwischen r.k. Kirche und den Lutheranern sind faktisch 20 Die Empfehlung wurde am 13. Oktober 2005 in Ahrensberg von der Bischofskonferenz der VELKD konsensuell angenommen. 21 U, Körtner (Hg.) Christliche Ethik – evangelische Ethik? Das Ethische im Knflikt der Interpretationen. Neukirchener 2004, bes. 91 ff. 22 J. Brosseder-H.G. Link (Hg.) Eucharistische Gastfreundschaft. Ein Plädoyer evangelischer und katholischer Theologen. Neukirchen-Vluyn 2003 9 beigelegt, kirchentrennend ist noch die Amtsfrage. Die offiziellen Theologengespräche sind viel weiter gekommen, als die Kirchenleitungen auf beiden Seiten bisher rezipiert haben. Aber muss nicht zuerst die volle Einheit kommen, um dann gemeinsam zu feiern, wie es bei uns Katholiken immer heißt? Vielleicht sollte die katholische Kirche auch da wie sonst bei den ökumenischen Prinzipien ihre Haltung überdenken und gegebenenfalls ändern. Gemeinsame Feiern könnten schneller auch in anderen Fragen zu Einheit führen. Was uns sicher eint ist die Taufe. Wir sind in den einen Leib Christ hineingetauft, 23 Wir sind also der Leib Christi, können aber den eucharistischen Leib noch nicht teilen. Die Ehe ist für uns Katholiken Sakrament, auch eine zwischen Katholiken und evangelischen Christen. Beide sind also sakramental vereint, und dürfen doch das Sakrament der Einheit und Liebe nicht gemeinsam empfangen? Wie ist dieses „Skandal“ der getrennten Tische zu lösen? In der Basis hat man vielfachpragmatische Lösungen gefunden, vor allem in gemischten Ehen, - wir sagen auch gerne: „ konfessionsverbindende Ehen“. Aber muss diesen oft so verantwortungsvollen Versuchen nicht auch die Kirchenleitung endlich entsprechen? Philipp Harnoncourt, emeritierter Liturgieprofessor in Graz, ließ mit einem eigenartigen Vorschlag aufhorchen. Er hält getrennte Eucharistiefeiern bei ökumenischen Anlässen als dem Wesen der Eucharistie widersprechend. Er rät vielmehr, dort „eucharistisch zu fasten“ und dafür einen gemeinsamen Bußgottesdienst, zum Zeichen der Schuld-Einsicht und der Busse zu feiern. Diesen Antrag stellte er schon 1997 bei der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz und dann 2008 in Hermannstadt/Sibiu. Beide Male wurde darüber nicht einmal diskutiert. Nun hat er seinen Vorschlag in verschiedenen einschlägigen Zeitschriften vorgelegt. 24 Er hat auch Kardinal Kaspar davon informiert. Zunächst kam eine zurückweisende Antwort „Was Jesus eingesetzt hat, haben wir nicht auszusetzen“. Später aber ging der Kardinal doch auf die Idee vorsichtig ein. „Ich kann 23 Vgl. 1 Kor 12,12 Gottesdienst 43 (2009) S. 72f. Christ in der Gegenwart 61 (2009) S. 265f. Diakonia 40 (2009) S. 287-294. Die Furche Nr. 34 v. 20.9. 2009, S. 18 24 10 ihre Initiative als einen dringend notwendigen geistlichen Anstoß verstehen, um in der gegenwärtigen Situation endlich einen weiteren Schritt voranzukommen. ... Sie scheint mir aber ein hohes Maß an geistlicher Reife und vor allem an tiefer Wertschätzung der Eucharistie vorauszusetzen.“ 25 Harnoncourt „fastet“ seither innerhalb der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Ist das ein nachahmenswertes Zeichen? 26 Übrigens hat Kardinal Kasper nach der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung 1999 gemeint, bald könnte mit Lutheranern eine ähnliche Erklärung über Eucharistie erfolgen. Nun sind über 10 Jahre vergangen. Wann kommt sie endlich? 6. Der umstrittene Petrusdienst Johannes Paul II hat in der Enz. Ut unum sint 1995 zu einem brüderlichen Dialog über das Papstamt aufgerufen, das ja ein Hindernis in der Ökumene ist. Eine Ökumenische Annäherung Ulrich Kühn, Evangelischce Theologe aus Leipzig, der 4 Jahre noch vor der Wende in Wien dozierte, hat in einem Vortrag im überfüllten Auditorium maximum an der Wiener Universität über den Petrusdienst aus evangelischer Sicht gesprochen . Später, übrigens genau ein Jahr nach dem Aufruf des Papstes zum Dialog, hat er seine Überlegungen in "Catholica", einer Vierteljahresschrift für Ökumenische Theologie veröffentlicht . Kühn betont, dass in letzter Zeit besonders zwei Aspekte die evangelische Seite zu einer vorsichtigen Öffnung zum Thema „Papstamt“ bewogen haben. Einmal neue Einsichten in den biblischen Befund, zum anderen aber eine neue Sicht der Kirche, wie sie das II.Vatikanum eröffnet hatte. Neue Einsichten im neutestamentlichen Befund sieht Kühn in einer wachsenden Konvergenz zwischen protestantischen und katholischen Exegeten im Hinblick auf die Auslegung der Stelle der Schlüsselübergabe bei Mt 16,17-19. Kühn sieht nun eine weitgehende Übereinstimmung zwischen katholischen und evangelischen Exegeten, 25 Zit. in: Ph. Harnoncourt, Rückschau auf das Jahr 2009, Ein Rechenschafts-Bericht. Private Vervielfältigung S. 7 11 diese Stelle nicht mehr als historisches Datum anzusehen. Die genannten Kirchenstiftungsworte umschreiben vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach ein späteres Petrusbild, wie es in der Tradition des Matthäusevangeliums überliefert und Jesus in den Mund gelegt worden ist. Historisch hingegen werden von den Exegeten übereinstimmend die Erscheinungen des Auferstandenen vor Petrus angesehen und seine darauf gründende führende Rolle in der Jerusalemer Gemeinde, wie sie uns die Schriftstellen 1 Kor 15 5 und Lk 24,34 zeigen. Dennoch hatte Petrus keine monarchische Stellung, denn neben ihm standen auch die Herrenbrüder Jakobus und Johannes als „Säulen“ in hohem Ansehen, wie wir im Galaterbrief 2,9 lesen. Und dies schloss nicht aus, dass auch Paulus, wenn auch in Absprache mit den Säulen in Jerusalem, eine eigenständig missionarische und kirchenleitende Tätigkeit entfaltete. Besonders wichtig aber ist, dass es in den späteren Schichten des NT so etwas wie eine Petrustypologie gibt: Petrus wird über seine historische Gestalt hinaus zu einem Symbol, zu einer Legitimationsgestalt, auf die man sich beruft, um die Notwendigkeit bestimmter, zunehmend wichtiger kirchlicher Funktionen zu begründen. Das Neue Testament kennt in der Gestalt des Petrus einen für die Gesamtkirche wichtigen Petrusdienst. Dies ist eine Figur, die auch zu einem systematisch- ekklesiologischen Nachdenken anregt, wie Kühn sagt. . Die neue Ekklesiologie des II. Vatikanums bietet Kühn für dieses Nachdenken wichtige Ansatzpunkte. Nach dem Kirchenbild des Konzils verwirklicht sich die Kirche primär am Ort und zwar in der Versammlung der Gläubigen, die aus dem Wort Gottes und den Sakramenten lebt. Das betont die Selbständigkeit der Kirche am Ort und den Vorrang der Gemeinde vor dem Amt. Die sichtbare Einheit der Ortskirchen in Lehre und Sakrament auf regionaler und universaler Ebene aber ist gewährleistet durch die Anerkennung ordinierter Ämter, die die einzelnen Kirchen repräsentieren. Die sichtbare Einheit der Kirche braucht Strukturen. Wesentlich für diese sind eine personale Gesamtverantwortung, die kollegiale Verantwortung der ordinierten Amtsträger und die 26 Am Münchener Kirchentag wird es angeblich ein Work-Shop dafür geben. 12 synodale Verantwortung von nichtordinierten und ordinierten Repräsentanten des Gottesvolkes. Die personale Gesamtverantwortung auf regionaler Ebene trägt vor allem der Bischof, in der evangelischen Kirche oft auch Superintendent genannt. Auf universaler Ebene kann auch nach evangelischem Verständnis von der Sinnhaftigkeit, ja Notwendigkeit eines gesamtkirchlichen Petrusdienstes gesprochen werden. Seine Aufgabe wäre, - so formuliert es Kühn - "Sorge zu tragen für das Bleiben der universalen Kirche in der apostolischen Wahrheit, sowie für die weltweite volle Gemeinschaft der Kirchen, und ebenso, die Orts- und Regionalkirchen zu heutigem Glauben, Verkündigen und Dienst zu ermutigen.“ In diesem Sinn hätte der Papst eine pastorale Aufgabe an allen Kirchen und wäre zugleich ihr Repräsentant und Sprecher nach innen und außen. Die Rechtsform eines solchen Petrusdienstes kann unterschiedlich gedacht werden. Unerlässlich aber wäre sein Eingebundensein in kollegiale und synodale Verantwortungsstrukturen und die Anerkennung und Bewahrung der Vielfalt und die relative Eigenständigkeit der Regionalkirchen. Und der Verbindlichkeitsanspruch müsste ständig und grundsätzlich mit dem Verbindlichkeitsvorbehalt gegenüber der immer größeren Wahrheit des Evangeliums, wie sie die biblische Überlieferung bezeugt, gekoppelt sein. Die Bindung eines universalen Petrusdienstes an den Bischof von Rom legt sich für die abendländische Christenheit aus historischen Gründen nahe, wäre aber auch ein besonderer Gegenstand der Gespräche mit den Ostkirchen. Kühn stellt dabei zur Diskussion: "Könnte die Figur eines gesamtkirchlichen Ehrenprimates des Bischofs von Rom, wie er im ersten nachchristlichen Jahrtausend Gestalt gewonnen hat, ein Modell für einen künftigen - über die römisch-katholische Teilkirche hinausreichenden universalkirchlichen Petrusdienstes sein ?" Und Kühn schließt mit den Worten: "Es wäre spannend und hoffnungsvoll zugleich, wenn diese Gedanken und Gesichtspunkte in dem vom Papst angebotenen Dialog über sein eigenes hohes Amt erörtert werden könnten." 13 7. Was man sich von der Ökumene zu Recht für die Zukunft erwartet Der Kirchentag in München 2010 stand unter dem Titel: „Damit ihr Hoffnung habt“ . Dieses Leitwort ist vielversprechend und anspruchsvoll, zeigt aber auch eine wesentliche Aufgabe der Ökumene. Hier geht es nicht nur um die Hoffnung hinsichtlich der Ökumene, sondern um eine gemeinsame Aufgabe der christlichen Kirchen, Hoffnung zu geben aus dem Reichtum der Bibel, aus der Erfahrung der einzelnen Kirchen, aus der bergenden Gemeinschaft der Kirche. Was Menschen heute von Kirchen erwarten, was sie brauchen, und was Kirchen geben können und müssen, wollen sie glaubwürdig sein/bleiben. Ich erwarte mir zuerst Worte der Hoffnung für die Menschen in ihrer Orientierungslosigkeit, Zukunftsangst, persönlichen Krise. Freilich muss jede Kirche sich selbstkritisch fragen, wie weit sie den Menschen tatsächlich Geborgenheit gibt, Freiheit schenkt, in Krisen zu neuen Anfängen ermutigt. Aber der Mensch muss auch in der Ökumene im Vordergrund stehen! Dafür tragen alle Kirchen gemeinsam Verantwortung! Dann ist es wohl Auftrag der Kirchen, im Geiste Jesu einen Beitrag zu einer Gesinnungsänderung in der Gesellschaft zu leisten. Vorbild und Hilfe zu sein zu mehr Solidarität, die sich am Liebesgebot Jesu Maß nimmt. Mut zur Versöhnung zu machen über scheinbar unüberbrückbare Gräben der Ideologie, politischer Parteiung, nationalen Denkens, Egoismen jeglicher Art, individuell und kollektiv. Kirchen sollten gemeinsam Zeichen und Werkzeug eines Friedens werden, den sich die Welt selber nicht geben kann. 14 Das setzt aber voraus, dass wir das Prinzip der „Versöhnten Verschiedenheit“ unter den Kirchen selbst vorleben. Wo wir Unterschiede nicht pragmatisch verwischen oder rechthaberisch pflegen, sondern darin geradezu eine Herausforderung sehen, von einander zu lernen und sich aus dem Schatz unterschiedlicher Traditionen beschenken zu lassen. Ich erwarte mir auch eine Antwort auf die wachsende Säkularisierung. Sie darf nicht als Bedrohung kirchlichen Bestandes und wohlerworbener Traditionen gesehen werden, sondern als Chance, die je eigene Stellung in dieser und zu dieser Welt aus dem Glauben heraus zu vertiefen. Und dem heutigen Menschen, der der Welt und dem Irdischen ganz verfallen erscheint, - aber immer noch mit unstillbarer Sehnsucht nach mehr – gerade dort die vielfachen Spuren Gottes in der Schöpfung, in der Welt, in Kunst, Kultur und in der Liebe erkennen zu helfen. Es ist auch an der Zeit, eine positive Strategie gegen den wachsenden, oft schon polemischen Atheismus zu entwickeln. Es tut not, die Wurzeln des Atheismus zu entdecken. Wohl das stärkste Argument der Atheisten in die so quälende Frage der Theodizee. Wie gehen wir in unserer Verkündigung mit dieser Frage um? Aber selbstkritisch sollten wir, wie es das Konzil tat, erkennen, dass wir Christen selbst Schuld am Atheismus tragen. Denn der Atheismus ist keine ursprüngliche und eigenständige Erscheinung, sagt das Konzil, sondern entsteht vielmehr aus verschiedenen Ursachen, zu denen auch die kritische Reaktion gegen die Religionen, und zwar in einigen Ländern vor allem gegen die christliche Religion zählt. „Deshalb können an dieser Entstehung des Atheismus die Gläubigen einen erheblichen Anteil haben, insofern man sagen muss, dass sie durch Vernachlässigung der Glaubenserziehung, durch missverständliche Darstellung der Lehre oder auch durch Mängel ihres religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Lebens das wahre Antlitz Gottes und der Religion eher verhüllen, als offenbaren.“ 27 Das Heilmittel gegen den Atheismus kann nur von einer situationsgerechten Darlegung der 27 GS 19, 3 15 Lehre und vom integren Leben der Kirche und ihrer Glieder erwartet werden. 28 Was ist also der Atheismus doch für eine Herausforderung für unsere Kirchen! Gerade diese gemeinsame Verantwortung für die Welt, für die Gesellschaft und den Glauben in ihr mit allen Auswirkungen für die Gestaltung des individuellen und Gemeinschaftslebens drängt, Ökumene nicht stocken zu lassen. sich nicht mit dem status quo zufrieden zu geben. Das sind wir der Welt und dem Auftrag Jesu schuldig, der uns so nachdrücklich zur Einheit mahnt, damit die Welt glauben kann. . Möge wie in Sibiu die Basis dynamisch werden, auch ihre Unruhe zeigen, wo Ökumene zu stocken droht. Möge sie den Kirchenleitungen Mut macht, ja sie drängen, nicht nur um den Geist der größeren Einheit zu beten, sondern auf die vielfältige Sprache des Geistes zu hören, wie er auch heute, gerade durch die Jugend spricht. Und mögen unsere Kirchen doch endlich bereit sein, von diesem Geist beseelt auch Neues zu wagen. Und über Hoffnung werden wir nur glaubwürdig reden, wenn wir selbst in unseren eigene Anliegen und auch denen der Ökumene trotz mancher Rückschläge, trotz vermeintlicher Stagnation, die Hoffnung nicht verlieren, Hoffnung ausstrahlen, und wider alle enttäuschte Hoffnung glauben, dass Ökumene keine Utopie, sondern möglich ist, gerade heute notwendig ist, „damit die Welt wieder glauben kann“. 28 Vgl. GS 21, 5