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Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
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ANTONIO VIVALDI
1. Leben und Wirken
1678 am 4. März in Venedig geboren;
Violinschüler seines Vaters; Priesterausbildung
1703 Priesterweihe - Vivaldi wird wegen
seiner roten Haare "il prete rosso" genannt,
"roter Priester".
1703-09 Anstellung als Violinlehrer am
Ospedale della Pietà.
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1711-16 Ernennung zum "Maestro de'concerti"
am Ospedale della Pietà, dem er musikalisch
auch in späteren Jahren verbunden bleibt.
1718-20 in Mantua am Hof des Markgrafen
von Hessen-Darmstadt.
1725 Impresario am Teatro S. Angelo in
Venedig.
1740 Reise nach Wien.
1741 stirbt Vivaldi am 28. Juli in Wien.
Vivaldis Vater war Barbier, später Violinist in
Venedig. Aus seiner Ehe mit Camilla Calicchio gingen neun Kinder hervor, das älteste war
Antonio. Er zeigte früh seine Musikbegabung an der Violine und soll schon in seiner Jugend
den Vater im Orchester vertreten haben.
Antonio Vivaldi erhielt mit 15 Jahren die Tonsur und die erste niedere Weihe, womit nach
damaliger Sitte noch keine Entscheidung für den Priesterstand verbunden war, wohl aber
das Ziel eines leicht gehobenen sozialen Status. Mit 18 Jahren erhielt er jedoch die erste
höhere Weihe (zum Subdiakon). Die Ausbildung zum Priester, weniger ein Studium der
Theologie als eine Berufsausbildung, absolvierte er in zwei nahe gelegenen Pfarreien. Mit
25 Jahren, ein Jahr später als nach canonischem Recht möglich, wurde er zum Priester
geweiht. Anschließend wurde er Kaplan an der Kirche S. Maria della Pietà und Violinlehrer
an dem dieser Kirche angegliederten Mädchenkonservatorium. Eineinhalb Jahre lang las er
dort Seelenmessen. Dann gab er die Ausübung des Priesteramtes für immer auf, behielt
aber den Status des Priesters. Die Aufgabe der Ausübung des Priesteramtes wurde in
einem wesentlich späteren Brief von ihm mit gesundheitlichen Problemen begründet (er
schreibt von "strettezza di petto", also "Enge der Brust", wörtlich übersetzt und auch nahe
liegend Angina Pectoris, vielleicht auch Asthma). Näher liegt aber wohl, dass er aus
persönlichen Gründen Konflikte und psychische Probleme mit diesem Amt hatte, ferner,
dass ihm der Musikerberuf bald kaum noch Zeit für kirchliche Aufgaben ließ und er sich auf
die Einnahmen aus der KaplansteIle auch nicht mehr angewiesen fühlte.
Wie aus den Gehaltsabrechnungen des Ospedale della Pietà hervorgeht, wurde er nach
kurzer Zeit nicht nur als Violinlehrer, sondern auch als Lehrer für Violoncello und Viola
d'Amore (Viola all' Inghlese) beschäftigt. Aus einer Anekdote geht hervor, dass er auch
Cembalo spielte. Wegen seiner vom Vater vererbten Haarfarbe wurde er "Il Prete Rosso"
("der rothaarige Priester") genannt. Viele Venezianer kannten ihn ausschließlich unter
diesem Namen.
Vivaldi betreute das Mädchenorchester des Ospedale della Pietà, zunächst als Lehrer auf
verschiedenen Streichinstrumenten, später als stellvertretender Leiter. Das Orchester
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
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erlangte bald einen für die damalige Zeit legendären Ruf und lockte zahlreiche
ltalienreisende an. Für das Ospedale entstand der größte Teil seiner zahlreichen
Violinkonzerte und Sonaten; sie wurden in den Gottesdiensten musiziert. Seinen Posten
hielt er bis in s Jahr 1716 ( mit einer Unterbrechung von Februar 1709 bis September 1711),
dann wurde er zum "Maestro di' concerti" berufen.
Nach zwei in Venedig gedruckten Sonatensammlungen (12 Triosonaten op. 1 und 12
Violinsonaten op.2, gedruckt 1705 bzw. 1709) wurde Vivaldi mit der Konzertsammlung
L'Estro armonico (etwa: "Die harmonische Eingebung") op.3 (gedruckt 1711) eine
europäische Berühmtheit. Bis 1729 erschienen insgesamt 12 Sammlungen, die ab op.3 alle
in Amsterdam gedruckt wurden, darunter auch die zwölf Konzerte op.8 (gedruckt 1725) Il
cimenta dell'armonia e dell'inventione (etwa: "Der Wettstreit zwischen Harmonie und
Erfindung"), welche als erste vier Konzerte die berühmten Le quattro stagioni (Die vier
Jahreszeiten) enthalten.
Schon während seiner Anstellung beim Ospedale della Pietà begann Vivaldi mit der
Komposition von Opern. Angefangen mit "Ottone in villa", die 1713 in Vicenza uraufgeführt
wurde, sollten bis 1739 über fünfzig weitere Opern folgen. In der Folgezeit übernahm
Vivaldi, neben seiner Anstellung am Ospedale della Pietà, mehr und mehr die Funktion
eines Impresarios am venezianischen Theater San Angelo.
Nach Streitigkeiten in Venedig wechselte er 1718 nach Mantua, wo er in den Diensten von
Landgraf Philipp von Hessen-Darmstadt hauptsächlich als Intendant und Opernkomponist
arbeitete. Nach 1721 hielt er sich mehrmals in Rom auf, spielte zweimal vor dem Papst und
erhielt viele Aufträge für Opern- und Kirchenmusik. 1726 kehrte er als musikalischer Leiter
des Teatro S. Angelo in seine Heimatstadt Venedig zurück. Dort wurde er, sowohl als
Komponist als auch als Geigenvirtuose zur lebenden Legende und zum "Wallfahrtsziel" für
viele Musiker aus ganz Europa. Um diese Zeit herum lernte er auch die damals 16 Jahre
alte Anna Giro, eine Sängerin, kennen, welche ihn fortan auf seinen Reisen begleitete.
Um 1730 setzte aber ein Stilwandel, weg vom Barock zum "galanten Stil" ein, der Vivaldis
Kompositionen immer unattraktiver erscheinen ließ. Deshalb zog er im Alter von 63 Jahren
nach Wien, um Unterstützung bei Kaiser Karl VI. zu suchen; dieser jedoch verstarb schon im
Oktober 1740. Doch auch Vivaldis Gesundheit war bereits so schlecht, dass auch er einen
Monat nach seiner Ankunft, am 28. Juli 1741, verstarb. Der einstmals bekannteste Musiker
Europas starb dort unbeachtet von der Musikwelt und wurde in einem einfachen Grab auf
dem Spitaller Gottsacker vor dem Kärntnertor beigesetzt, an dessen Stelle sich heute das
Hauptgebäude der Technischen Universität Wien (Karlsplatz) befindet.
Zum Werkverzeichnis.
Erst um 1940 begann die Wiederentdeckung verschollener barocker Meisterwerke. Der
französische Musikforscher Marc Pincherle und andere Sammler kauften in den 30er und
40er Jahren des 20. Jahrhunderts bündelweise Manuskripte auf, die auf Speichern von
Schlössern und in Klöstern über 200 Jahre gelagert wurden. Nach den ersten Versuchen,
Vivaldis Werke zu katalogisieren, machte Pincherle (P, PS oder PV für PincherleVerzeichnis) einen weiteren, noch bedeutsameren, euphorischen Versuch, ein
Werkverzeichnis von Vivaldis Kompositionen anzulegen, welches sich aber durch die
fortschreitende Forschung und das Auftauchen weiterer Werke bald auch als lückenhaft
erwies Der dänische Musikwissenschaftler Peter Ryom (*1937) veröffentlichte 1973
schließlich ein aktualisiertes Werkverzeichnis, das so genannte Ryom - Verzeichnis (Kürzel
RV); dieses hat sich gegenüber den anderen heute durchgesetzt.
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2a. Das Solokonzert (allgemein)
DAS RITORNELLKONZERT. Neben dem Concerto Grosso etablierte sich das konzertante Prinzip
im Konzert für ein oder mehrere Soloinstrumente und Orchester. Das Orchester ist im Regelfall ein
Streicherensemble mit zwei Violinen-, einer Viola- und einer Bassstimme. Dazu gehört der
Generalbass. Als Soloinstrument erschien zu Beginn die Trompete (Giuseppe Torrelli), die bald durch
die melodisch und harmonisch beweglichere Violine abgelöst wurde. Darüber hinaus gibt es
Solokonzerte für zahlreiche übliche und auch unübliche Instrumente (Violoncello, Querflöte, Oboe,
Fagott, Orgel usw.).
Pionier des Solokonzerts war Antonio Vivaldi, dem wir das Standardmodell des Solokonzertes in
seiner Satzfolge (schnell-langsam-schnell) verdanken. Er variierte es in mehr als 350 Werken.
Zugleich prägte er das Ritornellprinzip für die schnellen Ecksätze. Hier alternieren in fünf oder mehr
Formabschnitten Tutti und Solo, wobei zu Beginn und am Ende das thematische Material vorgestellt
wird, während die mittleren Ritornelle nur Teile dieses Materials bringen. Dazwischen schieben sich
Soloepisoden (Couplets), die das motivische Material aufgreifen und es oft virtuos oder figurativ
weiterführen. Harmonisch folgt ein solcher Satz einer übersichtlichen kadenzierenden Stufenfolge.
Allerdings kann sich dieses Schema, nicht zuletzt unter dem Einfluss programmatischer
Assoziationen, lockern und verändern: Vivaldis berühmteste Konzerte, die vier Violinkonzerte der
"Vier Jahreszeiten" zeigen seinen phantasievoll freien Umgang mit dem eigenen Formmodell. Sie
variieren und erweitern die Dreisätzigkeit und insbesondere die Ritornellform unter dem Einfluss des
außermusikalischen Programms auf oft unerwartete Weise. Dagegen besitzen die langsamen Sätze
zumeist einen kantablen Charakter, wobei die Solostimme vom Orchestersatz oder nur vom
Generalbass getragen wird. Den vier Konzerten liegen Sonette zugrunde, die möglicherweise von
Vivaldi stammen. In der Partitur sind sie jeweils abschnittsweise abgedruckt, so dass man die Absicht
des Komponisten recht genau verfolgen kann. Dagegen ist sein populäres Konzert a-Moll (RV 356)
für Violine und Streicher genau dem Muster des Ritornellkonzertes angepasst, ohne dass darunter
die Eingängigkeit der melodischen Erfindungskraft leidet. Die Ecksätze sind schnell (Allegro und
Presto) und gliedern sich im Wechsel von Ritornell und Episode, wobei die Ritornell jeweils leicht
variiert werden und die Solostimme sich am motivischen Geschehen beteiligt. Der kantable Mittelsatz
(Largo) ist eine weit geschwungene Gesangsszene der Violine über einer zurückgenommenen
Streicherbegleitung, der ungewöhnlicherweise das Bassfundament fehlt.
Vivaldis Auseinandersetzung mit dem Konzertmodell ist alles andere als einförmig. So gibt es neben
den Vier Jahreszeiten zahlreiche Werke mit programmatischem Hintergrund, der sich in Überschriften
niederschlägt und den Verlauf der Kompositionen beeinflusst (La notte, La tempesta di mare).
Vivaldis Werke:
 44 Konzerte für Streichorchester
 über 300 Solokonzerte (davon über 200 für Violine)
 Konzerte für 2 und mehr Instrumente (davon über 40 Doppelkonzerte )
 Kammermusik (etwa 50 Solosonaten; etwa 30 Triosonaten; 22 Kammerkonzerte)
 Geistliche Vokalmusik (u.a. 60 Werke, Mess-Sätze, Psalmen, Oratorium Juditha triumphans )
 Weltliche Vokalmusik (etwa 40 Kantaten; 16 vollständig erhaltene Opern)
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2b. Antonio Vivaldi: Le Quattro Stagioni, Op. 8, 1 – 4 (RV 269, 315, 293, 297)
Schon 1740 konnte Johann Adolf Scheibe in seiner Festschrift Der Critische Musikus feststellen:
Wem sind nicht auch die vier Jahreszeiten eines Vivaldi bekannt", und noch heute sind die vier
Konzerte, die Antonio Vivaldi unter dem Titel Le quattro stagioni veröffentlichte, die mit Abstand
bekanntesten Werke des Komponisten. Obwohl Vivaldi eine Fülle bedeutender Vokalwerke
geschrieben hat und auch die Oper einen zentrale Platz in seinem Gesamtschaffen einnimmt,
beruhte sein europäischer Ruhm schon zu Lebzeiten vor allem auf seinen zahlreichen
Instrumentalkompositionen, von denen etliche in Handschriften kursieren, einige aber auch durch weit
verbreitete und vielfach beachtete Drucke bekannt wurden. Die Sammlung der zwölf Concerti Opus 3,
die Vivaldi 1712 unter dem Titel L 'estro armonico (ungefähr: "Der harmonische Einfall") herausgab,
sind ein Meilenstein der Entwicklung des barocken Konzerts, was sich nicht zuletzt an einer Vielzahl
von Nachahmungen und Bearbeitungen (unter anderem aus der Feder von Johann Sebastian Bachs)
ablesen lässt.
Vivaldis erste Konzertsammlungen bis Opus 7 erschien innerhalb weiniger Jahre, dann folgte eine
längere Pause bis 1725 das Opus 8 herauskam, eine Sammlung von wiederum zwölf Konzerten, der
Vivaldi den vieldeutigen Titel "Il cimento dell 'armonia e dell 'invenzione" gab. "Cimento" kann man mit
Wagnis, Herausforderung übersetzt werden, auch der Begriff "armonia" ist keineswegs
unmissverständlich, da mit ihm sowohl die Harmonik im heutigen Sinne wie auch das
Zusammenklingen aller in einer Komposition beteiligten Stimmen und damit das musikalische Werk
insgesamt gemeint sein kann; "invenzione" schließlich bedeutet Einfall, Idee. Vor allem im Blick auf
die vier Jahreszeiten-Konzerte liegt eine Deutung nahe, die den Titel als einen Hinweis auf die in den
Werken zu beobachtende Spannung zwischen Regelhaften (armonia) und Individuellem (invenzione)
versteht.
In den Jahreszeiten, aber auch in den anderen Konzerten des Opus 8, experimentiert Vivaldi auf bis
dahin nicht gekannte Weise mit den Möglichkeiten des barocken Solokonzertes, an dessen
Ausprägung und Etablierung er selbst mit seinen vorangegangenen Opera maßgeblich beteiligt war.
Charakteristisch für den barocken Konzertsatz ist das
 Abwechseln von Tutti-Ritornellen und Episoden, die der virtuosen Zurschaustellung eines
oder mehreren Solisten vorbehalten sind.
 Das in verschiedenen Tonarten wiederkehrende Ritornell bildet dabei das formale Rückgrat
des Konzertsatzes.
 An diesem Modell hält Vivaldi auch in den Konzerten des Opus 8 fest, teils in enger
Anlehnung an das selbst geschaffene Modell wie in La Primavera und L 'Autunno, teils nur
noch in Gestalt einer vagen Andeutung des Modells.
 Was aber die Jahreszeiten-Konzerte und auch die gleichfalls zum Opus 8 gehörenden
Concerti La tempesta di mare und Il piacere von den früheren Konzerten vor allem
unterscheidet, ist die Verknüpfung der Konzertform mit programmatischen Ideen, die Vivaldi
im Fall der Quattro stagioni in einem dem jeweiligen Konzert vorangehenden Sonetto
Dimostrativo, einem "erklärenden Sonett" in allen Einzelheiten mitteilt.
 Die "gewagten Einfälle", auf die der Titel der Sammlung anspielt, verstanden sich im 18.
Jahrhundert nicht von allein, sondern bedurften einer Begründung. Denn anders als die
Vokalmusik, deren Text mittelt, worüber die Musik spricht, galt Instrumentalmusik, die
üblicherweise ohne erklärende Worte auskommen musste, vielfach bloß als angenehmer
"Ohrenkitzel" ohne tiefere Bedeutung. In diesem Sinn ist so manches Vivaldische Konzert zu
verstehen: als Bewunderung erregende und unterhaltende Musik, die gleichwohl mit sicherer
Meisterschaft daherkommt. Die Konzerte des Opus 8 und insbesondere die Jahreszeiten
wollen indessen mehr als bloße Unterhaltung sein, in ihnen wagt Vivaldi einen expressiven
Reichtum, der nach dem Verständnis seiner Zeitgenossen ohne ein stiIvermittelndes
Programm kaum legitimierbar gewesen wäre.
Gleich der erste Satz von La Primavera zeigt, wie ingeniös Vivaldi den formalen Aufbau des
Konzertsatzes und das zugrunde liegende Programm zu einer Einheit verbindet. "Giunt'e la
Primavera" ("Der Frühling ist gekommen") heißt es erläuternd zum Eingangsritornell. Tonmalerisch
lässt sich die Ankunft des Frühlings nicht darstellen, und so komponiert Vivaldi einen tänzerischen
Satz der den Affekt festlicher Freude - die Ankunft des Frühlings - darstellt. (Einige Jahre später
diente die gleiche Musik in der Oper Giustino übrigens als Auftrittsmusik für die Göttin Fortuna.)
Als erste Soloepisode erklingt ein von drei Violinen angestimmtes "Vogelkonzert" ("und festlich
begrüßen ihn die Vögel mit frohem Gesang") gefolgt von einer Kurzfassung des Ritornells.
Als zweite Soloepisode schließt sich die tonmalerische Darstellung des Säuselns der Quellen an,
allerdings ohne prägnantes Hervortreten der Solisten, der erst in der nächsten Episode, der
Darstellung eines Frühlingsgewitters, wieder erscheint. Stärker als zuvor tritt das für Soloepisoden
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typische Element des Virtuosen hier in den Dienst einer programmatischen Anschaulichkeit. Nach
einer kurzen Wiederholung des Ritornells erklingt noch einmal das "Vogelkonzert", nun in einer vom
Eindruck der Naturgewalt geprägten Variante, bevor das vollständige Ritornell den Satz beschließt.
Nicht in allen Sätzen der Jahreszeiten strebt Vivaldi eine so deutlich an den Konventionen des
Konzertsatzes orientierte Formgestaltung an. Sie ist außer im Frühling noch im Herbst zu
beobachten, in den Konzerten also, die den "gemäßigteren" Jahreszeiten gewidmet sind.
Den extremeren Jahreszeiten von Sommer und Winter entspricht eine musikalische Gestaltung, die
nicht nur in formaler, sondern auch in harmonischer Hinsicht gewagter erscheint. Das Prinzip des
Ritornellaufbaus ist etwa im ersten Satz durch das auch den zweiten Satz beherrschende Prinzip
ständigen Tempowechsels verschleiert, dafür schafft Vivaldi aber auch durch ein in allen Sätzen
wiederkehrendes "Gewitter"-Motiv einen musikalischen Zusammenhang, der sinnfällig mit der
dargestellten Geschichte korrespondiert. Noch weiter wagt sich Vivaldi im Winter vor, dessen
Schlusssatz das Ritornellprinzip geradezu über den Haufen wirft.
Die lautmalerische Umsetzung von Naturerscheinungen ist allerdings nur ein Teilphänomen der
Jahreszeiten, denn vieles von dem, was die Sonette mitteilen, lässt sich tonmalerisch gar nicht
fassen, das behaglich Gefühl etwa, das sich einstellt, wenn man zur Winterzeit daheim am warmen
Kamin sitzt. Hier wie in anderen langsamen Sätzen fängt Vivaldi Stimmung und Affekt in kantablen
Melodien ein, deren Vorbild die Opernmusik ist. Vor allem die langsameren Sätze sind wie Arien
gestaltet, in denen die Solovioline gleichsam einen Gesangspart ohne Worte übernimmt, während die
übrigen Instrumente begleitend zurücktreten oder, besser gesagt, den Gesang des Solisten
begleitend kommentieren wie im zweiten Satz von La Primavera, in dem die beiden Tutti-Violinen das
Säuseln der Blätter illustrieren, während die Bratsche (nach Vivaldis Angaben "laut und abgerissen"
spielend) im Sinne eines naturalistischen Kontrapunkts das Bellen eines Hundes imitiert. Das Bellen
durchdringt die geschildert Idylle, lässt sie als bedroht oder doch zumindest gefährdet erscheinen
Eine Doppelbödigkeit dieser Art begegnet in den Jahreszeiten allenthalben, so wenn im Schlusssatz
von La Primavera die fröhliche Tanzweise plötzlich nach Moll umschlägt und ihren Charakter beinahe
einbüßt, oder wenn im Herbst die Betrunkenen in einen Schlaf fallen, der keineswegs so "dolcissimo"
zu sein scheint wie das Sonett verheißt. Wiederum versetzt Vivaldi einen Szenentypus der Oper, der
seit der venezianischen Oper des mittleren 17. Jahrhunderts so überaus beliebte Schlafszene, ins
Instrumentale, indem er statt zusammenhängender Kantilenen spannungsvoll umherirrende
Akkordfolgen komponiert, die alles andere als "süß" sind und' daran erinnern, das man anderer dieser
"Sonno"-Kompositionen von "fantasmi", von Gespenstern die Rede ist.
Die Bedrohung, die im Frühling und im Herbst halb im Verborgenen lauert, wird im Sommer mit seinen
Unwettern und im Winter mit seinen unwirtlichen Temperaturen, die die Zähne - hörbar - klappern
lassen, offenkundig. Doch gehört es zum wundersamen programmatischen Wechselspiel dieses
Zyklus, nicht nur das Bedrohliche in der Idylle zu entdecken, sondern ebenso den harten
Naturgewalten ihre freundlichen Seiten abzugewinnen, und so heißt es in den erläuternden Versen
zum Schlusssatz von L 'Inverno: "Das ist der Winter, aber welche Freude bringt er doch."
Vivaldis Darstellungen aus den Bereichen Natur, Tier, Mensch
Unbelebte Natur
Wasser:
Quellgemurmel oder
Zephiretten
(I,1)
Regenrauschen
(IV,3)
Brechendes Eis
(IV,3)
Wind:
Säuseln (I,2)
Zephiretten (II, 1)
Scirocco (IV, 3)
Schreckl. Wind (IV,1)
Boreas u. ungestüme
Winde (II,1 IV,3)
Gewitter:
Frühlingsgewitter
(I,1)
Donner (II,2)
Sommergewitter
(II,3)
Tiere
Tierstimmen:
Vogelgesang (I,1)
Taube, Distelfink
(II,1)
Kuckuck (II,1)
Hundegebell (I,2)
Lärm d. Hunde (II,2)
Durch Tiere
hervorgebrachte
Geräusche:
Mücken- und
Fliegenschwirren
(II,2)
Fliehendes Wild
(III,3)
verendendes Tier
(III,3)
Mensch
Bewegungen
Gemütszustände und
Hirten- oder Schäfer- Ähnliches:
tanz ( I,1; III,1)
Schlaf Hirten (I,2)
Reaktionen auf
und des Betrunkenen
Kälte:
(III,1)
Zittern,
Zähneklappern,
Ruhe (II,2),
Füße stampfen
Zufriedenheit (IV,2)
(IV,1)
Arten des Gehens:
Bangigkeit (II,1)
Torkeln d.
Schmachten (II,1)
Betrunkenen (III,1),
Klagen, Weinen (II,1)
Über Eis gehen
(IV,3)
Vorsichtig und
ängstlich gehen
(IV,3)
Raschlaufen,
ausrutschen, fallen
(IV,3)
Gegenstände
Klang des
Dudelsacks
(I,3)
Klang der
Jagdhörner (III,3)
Flintenknall (III,3)
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2c. Die Stellung der "Quattro stagioni" in der Musikgeschichte
In der Geschichte der Tonmalerei, die ja auch in der späteren Programmmusik eine Rolle gespielt hat,
nehmen die von Vivaldi gestalteten Genreszenen jedoch einen hervorragenden Platz ein. Die
sorgfältige Kommentierung, ebenso der Umfang des aus vier Konzerten (12 Sätzen) bestehenden
Werkes bezeichnen seine Sonderstellung im Schaffen des Venezianers wie auch überhaupt im
musikalischen Repertoire der damaligen Zeit.
Noch eine Reihe anderer Kompositionen von Vivaldi ist an außermusikalischen Vorbildern orientiert:
an bestimmten Gemütshaltungen, an Vogelgesang, Meeressturm und Nacht. In dem ersten Buch des
Op. 8 gehören außer den "Stagioni" auch die beiden folgenden Konzerte in den weiten Bereich
deskriptiver Musik. Aber nur jene vier Werke hat ihr Verfasser durch Gedichte "erklärt". Es lag nahe,
hier von "Programmmusik" zu sprechen. Doch ist dieser Begriff durch die Symphonik seit Hector
Berlioz so sehr auf andere Stile und Inhalte festgelegt, dass seine Anwendung auf Vivaldis Musik
Missverständnisse hervorrufen könnte.
Als Ganzes wirken die "Stagioni" weit gehend ohne Vorbild. Wir wissen zwar, dass die musikalische
Darstellung von Jahreszeiten bei höfischen Aufzügen schon des frühen 17. Jahrhunderts eine große
Rolle gespielt hat; Jean Baptiste Lullys Sing-"Ballet des Saisons" (1661) und ein römisches
Theaterstück "La Contesa delle Stagioni" vom 24. Dezember 1698 bezeugen die anhaltende
künstlerische Aktualität dieses Themas bei feierlichen Veranstaltungen für Augen und Ohren. Vivaldis
Versuch dagegen wendet sich nicht an den Gesichtssinn, sondern allein an die Vorstellungskraft.
Seine Concerti sind also in ähnlicher Weise unabhängig von der Szene wie die kantaten- und
oratorienhaften Abhandlungen dieses Themas etwa von Georg Philipp Telemann und dann viel
später von Joseph Haydn.
Anregungen für die Komposition der Jahreszeiten kann Vivaldi sehr wohl aus der Musik seiner Zeit
empfangen haben:
 In Opern finden sich zahlreiche "Seestürme", ländliche Idyllen und Schlummerszenen. Auch
die Darstellung des Zitterns vor Kälte scheint vom Theater her inspiriert.
 Mehrere französische Ouvertürensuiten enthielten Sätze mit der überschrift "somneil" (Schlaf).
 In Italien bestand seit den Violinisten Carlo Farina (1627) und Don Marco Uccellini (um 1640)
eine geigerische Tradition der musikalischen Nachahmung von Tierlauten.
 Die Vereinigung aller möglicherweise anderweitig vorgebildeter Details in einer Reihe textloser
Konzerte war jedoch Vivaldis eigene, persönliche Leistung, die dem neuartigen Werk bald
nach seinem Erscheinen zu besonderer Beliebtheit verhalf.
Nach den Veröffentlichungen der "Jahreszeiten":
 Schon 1728 erklang es in den "Concerts spirituels" zu Paris. Am französischen Königshof
stand es in hohem Ansehen. Mehrere Arrangements bezeugen seine Popularität.
 In Deutschland entstand um 1740 eine Bearbeitung für Sologambe.
 Etwa zur selben Zeit bemächtigte sich in Frankreich die noch verhältnismäßig neue Mode des
Dudelsack- und Radleierspiels der durch Vivaldi gestalteten Schäferszenen.
 Der französische Organist Michel Corette legte 1765 das Frühlingskonzert einer lateinischen
Motette zugrunde, und Jean-Jacques Rousseau veröffentlichte um 1775 dasselbe Werk sogar
in einer Fassung für Flöte allein.
 Erst nach der Amsterdamer Ausgabe der "Stagioni" sind ähnliche Versuche anderer Autoren
bekannt. 1733 veröffentlichte der Darmstädter Hofkapellmeister Christoph Graupner "Vier
Partien auf das Clavier, unter der Benennung der Vier Jahreszeiten Winter, Frühling, Sommer
und Herbst".
 Auch die "Bizzarien und seltzamen Erfindungen" für zwei Violinen und Generalbass in dem
"Musikalischen Instrumental-Calender" von Gregor Werner, dem Amtsvorgänger Joseph
Haydns in Eisenstadt, mit klingenden Naturbildern und Darstellungen des ländlichen Lebens
erschienen erst mehrere Jahre nach Vivaldis Op. 8 im Druck.
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
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3. Concerto No. 1 L'Iverno , Op. 8/1 RV 297
a) Übersicht
1. Satz: Allegro non molto, 4/4 Takt, f-Moll
1. Satz: Allegro non molto, 4/4 Takt, f-Moll
A Aggiacciato tremar trà nevi algenti
A Vor Kälte zittert man inmitten des eisigen Schnees
B
B bei heftiger Böe eines bitterkalten Windes;
AI severo spirar d' orrido Vento
C Correr battendo i piedi ogni momento
C man läuft mit den Füßen unablässig stampfend;
D e per soverchio gel batter i denti
D und wegen des strengen Frostes klappert man mit den
Zähnen.
2. Satz: Largo, 4/4 Takt, Es-Dur
2. Satz: Largo, 4/4 Takt, Es-Dur
E
E
Passar al foco i di quieti, e contenti
Mentre la pioggia fuor bagna ben cento
Ruhige und frohe Tage am Feuer, während draußen
Hunderte vom Regen durchnässt werden.
3. Satz: Allegro, 3/8-Takt, f-Moll
3. Satz: Allegro, 3/8-Takt, f-Moll
F
F
Caminar sopra 'I giaccio; e à passo lento
Man geht auf dem Eis und zwar mit langsamem Schritt
G Per timor di cader girsene intenti
G aus Furcht, bei unvorsichtiger Bewegung hinzufallen.
H Gir forte, sdrucciolar cader à terra
H man geht schnell, rutscht aus und fällt zu Boden;
I
di nuovo ir sopra 'I giaccio, e correr forte
I
geht erneut auf dem Eis und läuft schnell;
L
Sin che 'I giaccio si rompe, e si disserra
L
bis das Eis kracht und zerbricht;
M Sentir uscir dalle ferrate porte
M Man hört sie aus der eisernen Pforte heraustreten,
N Sirocco, Borea, e tutti i venti in guerra
N Südostwind, Nordwind und alle Winde im Krieg:
Questi è 'I Verno, mà tal, che gioia apporte.
So ist der Winter, wie er Freude bereitet.
Anmerkung zu Vivaldis Buchstaben - Indizierung: Im Italienischen werden die Buchstaben "J und "K" praktisch nicht verwendet,
daher folgt auf " I" das "L".
Vivaldis Sonette über den Winter decken sich formal und inhaltlich in Bezug auf das Erleben des
Winters im Freien und im geschützten Haus. "Außen" begegnet man den Kampf gegen Kälte, Schnee,
Eis, Wind und Zähneklappern durch unablässiges Stampfen (1. Satz) und läuft dabei Gefahr,
auszurutschen, hinzufallen und im Eis einzubrechen. Wenn dann (auch noch) "alle Winde im Krieg"
sind, dann scheint der Protagonist vielleicht recht ironisch seine Freude am Winter festzustellen (3.
Satz). Umklammert von den Ecksätzen schildert Vivaldi "Innen", im Zuhause den Kontrast, die
Behaglichkeit bei Wärme, Geschütztheit und Ruhe.
Obwohl sich die Ecksätze in Gestalt und Ausdruck stark voneinander unterscheiden, legt Vivaldi auch
eine musikalisch-motivische Klammer durch die Gestaltung des Windes über alle drei Sätze hinweg
und erreicht einen ausgeglichenen und geschlossenen Gesamteindruck des dreisätzigen Konzertes.
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b) Analyse des 1. Satzes
A
Ritornell A
T. 1 – 11
Tonart:
f-Moll
B
Couplet 1
T. 12 – 18
Tonart:
c-Moll (V)
Ritornell A'
T. 19 – 22
Tonart:
f-Moll
C
Ritornell B
T. 22 – 26
Tonart:
f-Moll
Couplet 2
T. 26 – (33) 38
Ritornell A'
T. 38 – 43
Tonart:
Es-Dur
D
Couplet 3
T. 44 - 46
Es-Dur  c-Moll
Ritornell A'
T. 47 – 55
Tonart:
c-Moll  f-Moll
Ritornell B
T. 56 – Ende
Tonart:
f-Moll
Schnee/Kälte: Triller,
dissonante Harmonik, erstarrte
Motorik, starres Satzbild,
fehlen von Melodik
abscheulicher Wind
statische c-Moll-Akkorde
wie Ritornell. A
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
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Teil A
Ritornell A T. 1 – 11
Die erstarrte Winterlandschaft vertont Vivaldi mit einem "erstarrten musikalischen Satzbild" (siehe
Schuberts "Winterreise"!):

Ostinate Triller-Achtel (= Zittern) als monotone Repetitionen mit geringst möglichen Sprüngen
schichten sich zu einem rein akkordisch geprägten Stimmungsbild, welches seinen Reiz
ausschließlich durch die bizarre Harmonik erhält. Jede Melodik ist "eingefroren".

Der Basso continuo beginnt im ersten Takt mit der Repetition des Grundtons f, im zweiten
Takt nehmen Violen mit ihrer Sekundreibung den erwarteten Aufbau der Tonika hinweg und
mit dem sukzessiven Einsetzen der zweiten und ersten Violine wird klar, dass Vivaldi – sehr
raffiniert und ungewöhnlich – das Concerto eigentlich mit einem verkürzten dominantischen
(Septnon-) Vorhaltsakkord beginnt (mit Quart-Vorhalt f im Bass).

Ebenso raffiniert reiht Vivaldi T. 8 – 10 quintaufwärts Septimakkorde aneinander. Die
waghalsige Rückung von T. 8 auf 9 mit ihrem drohenden Satzfehler (zwischen Violine 1 und
Viola, "vermindert –rein, das lass' sein") wird in der Viola nur spärlich kaschiert.
Harmonik:
T. 4
T. 5
T. 6
Cvb97/F
Cvb97/E Fm
T. 7
T. 8
T. 9
T. 10
T. 11
Fm64
F7
Gv7/G7
Dvb97/Fis G4-3
Es ist schon sensationell, dass Vivaldi sein Concerto mit einem Ritornell beginnt, welches zwar einmal
in T. 6 die Grundtonart erreicht, diese aber nicht befestigt und auch am Ende in T. 11 zur Tonart der 5.
Stufe moduliert (c-Moll, T. 12)
Teil B
Couplet 1 T. 12 - 18
Drei Mal, jeweils nach oben sequenziert, illustriert die virtuose Solovioline den „abscheulichen“ Wind
mit fallenden und gebrochenen c-Moll-Dreiklängen und -Tonleitern in einer langen ZweiunddreißigstelKette. Nach jeder der drei solistisch dargestellten Windböen setzt das Ripieno mit dem repetierten cMoll-Akkord ein, als Sinnbild des frierenden Menschen, gleichsam eine Rückblende zum
Anfangsritornell.
Ritornell A' T. 19 – 22

ist eine Variation zum Anfangsritornell (welches vom musikalischen Empfinden gar kein Ritornell
ist), es baut ab Ende T. 18 doppelt so schnell wie zu Beginn (in Halbtakten) die entsprechende
Akkordstruktur auf.

Violine 1 repetiert nicht Achtel, sondern Sechzehntel: Der musikalische Fluss und das
Spannungsniveau des voran gegangenen Abschnitts bleibt gewahrt,

Diese drei Takte leiten zum zweiten (eigentlichen) Ritornell B in Teil C über.
C-Teil
Ritornell B T. 22 – 26
Erst nach einem Drittel des Satzes formt sich ein "echtes" Ritornell aus, das nach Vivaldi
"Füßestampfen" darstellt.

Das Anfangsmotiv repetierter Achtel bleibt aber ständig präsent; es diminuiert sich sogar auf
Sechzehntel und Zweiunddreißigstel (jeweils in der zweiten Takthälfte) und bildet nun das
"Zähneklappern" ab,oder das Anfangsmotiv erscheint in der jeweils ersten Takthälfte als
ostinate Wechselnote innerhalb des Dreiklangs: Das tapfere Stampfen wider die Kälte.

Mit diesem "eigentlichen" Ritornell kehrt Vivaldi zu der bislang noch nicht manifestierten
Haupttonart f-Moll zurück.
Der Schwung und Charakter dieses Ritornells ist genau der, den man von einem Kopfsatz eines
Concertos erwartet hatte, es eignet sich von daher weit besser zum Abschluss des Satzes.
Couplet 2 T. 26 – 38
Die Zweiunddreißigstel-Windböen von Couplet 1 werden nun vielfältig variiert und ausgebaut:
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins







10
zunächst hauptsächlich in ansteigenden diatonischen Girlanden T.26 - 28,
dann aber im Wechsel von fallenden und steigenden Vierer- und Achtergruppierungen
(T. 28 – 30)
bis zur atemlosen, dreitaktigen Kette (T. 31 - 33).
Das Continuo begleitet mit repetierenden Achteln des Anfangsmotivs
Das Wechselspiel von Solist und Orchester von Abschnitt T. 12 – 18 überträgt Vivaldi auf T.
33 – 38, aber in halbtaktig-gedrängter Form. Das Orchester besitzt ebenfalls nun "WindFunktion":
Dieser Teil ist die Vorwegnahme des "Kriegs der Winde", wir er am Ende des Sonetts
beschrieben wird. Vivaldi verwendet daher diesen Teil am Ende des dritten Satzes wieder
(ab T. 120)!
Harmonik: Dieser Teil ist stabil in f-Moll bis T. 34, (kurze Chromatik des b.c. in T. 31),
Modulation ab T. 34 – 37 nach Es-Dur
Ritornell A' T. 38 – 43 und Couplet 3 T. 44 -46
T. 38 – 43 ist der (einzige) Dur-Teil des ersten Satzes. Der Anfangsteil klingt nun in Es-Dur etwas
versöhnlicher und leitet zu dem kurzen, fröhlich-beschwingten Couplet in T. 44 über, bei dem selbst
der Basso continuo das Achtel-Zittern aufgibt.
Teil D
Ritornell A' T. 47 – 55
Dieser Abschnitt steigert das Ritornell von T. 19 – 22:
Konnte man sich zuerst noch mit dem Füßestampfen wärmen, so fällt nun dieses Mittel sichtlich weg:
Die Bassinstrumente haben Pause.
Dafür klappern nun "Ober- und Unterkiefer" (in Violine 1 und Violine 2)
der Teil ist nun auf zehn Takte ausgedehnt und ist harmonisch beweglicher mit kurzen
Quintfallsequenz-Anleihen mit den dazugehörigen, barock-typischen Nonvorhalten.
Funktion des Abschnitts: Vorbereitung des stürmischen Schlusses.
Die vorgeschriebenen Doppelgriffe und die hohe Lage geben der Solovioline eine erhabene Position.
Ritornell B T. 56 - Schluss
Wie bereits oben beschrieben schließt Vivaldi den Satz mit dem zweiten, "eigentlichen" Ritornell B
schwungvoll ab.
Zur Figurenlehre:
Die bewusste Verwendung musikalisch-rhetorischer Figuren ist nicht schriftlich von Vivaldi bestätigt,
aber deren Kenntnis vorauszusetzen. Vivaldi benutzt hier vorwiegend Hypotyposis-Figuren, also
malende und abbildende Figuren, z.B. "Tirata" und "Circulatio" in T. 12 um den Wind plastisch
darzustellen (ebenso T. 26 ff.) oder das Stampfen der Füße nachzuzeichnen. Ob Vivaldi beim
chromatischen Durchgang des b.c. in T. 31 an einen "passus duriusculus" gedacht hat, wissen wir
nicht.
Zur Form:
Wie schon bei den anderen drei Jahreszeiten experimentiert Vivaldi kreativ mit der Concerto-Form.
In diesem Satz lockert Vivaldi das stereotype Abwechseln von Ritornell und Couplet auf durch die
Verwendung eines zweiten, zum ersten deutlich kontrastierenden Ritornells. Verdeutlicht das Ritornell
A die erstarrende Wirkung der Kälte auf den Menschen, dann erfahren wir durch das lebendige
Ritornell B, wie dieser Wirkung abzuhelfen ist. Der Solovioline weist Vivaldi die Rolle des Windes zu
(m.A. von T. 44-46).
Zum Konzertieren:
Der erste Satz lebt, ganz in der Tradition des barocken Solokonzerts, vom Wetteifern zwischen
Solisten und Tutti. Vivaldi beginnt diesen Satz, indem er zunächst Tutti-Teile blockartig mit den
Couplets abwechselt. Diese Anordnung dramatisiert er, indem diese Wechsel schneller erfolgen lässt,
bis in T. 33 ff. eine Wechselbeziehung zwischen Solisten und Tutti entsteht. In T. 47ff. wird aus einem
"Gegeneinander" ein "Miteinander" – und dies in dreierlei Tempi.
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
11
c) Analyse des 2. Satzes
Der zweiteilige Mittelsatz ist wohl der zugänglichste und formal geschlossenste des Zyklus, er zeigt
die Behaglichkeit und Wärme am Kamin, während „draußen“ der Regen an die Scheibe pocht (im
Pizzicato der Geigen). Der Gegensatz zwischen der Welt im Haus und der unwirtlichen Natur draußen
könnte kaum größer sein.
Aufbau: Zweiteiliger, liedhafter Aufbau A – A'
Teil A
T. 1
T.2
T. 3
T. 4
T. 5
T. 6
T. 7
T. 8
a
b
a'
a'
c
c
b'
Kad.
T. 9
T. 10
T. 11
T. 12
T. 13
T 14.
T. 15
T. 16
T. 17
T. 18
a
b
b
a'
a'
b''
b''
Kad.
Orgelp.
Orgelp.
Teil A'
Anmerkung: Rudolf Kloiber (Handbuch des Instrumentalkonzerts, Bd. 1) beschreibt den Aufbau des Satzes als dreiteilig A
(T. 1 – 4) – B ("Mittelsatz" T. 5 – 8) – A (T. 9 – 18).
Analyse

2-taktiges Soggetto (T.1+2), mit kontrastiven Takten. Takt 1, etwas ruhiger, gleichmäßigere
Rhythmen, von T => D; Takt 2 bewegter, anmutiger, in Gegenbewegung von T.1, von D => T.

Dieses Soggetto wird "barock-typisch" bis zur Kadenz (in B-Dur) in T. 8 fortgesponnen.

Der zweite Teil beginnt in B-Dur (die Großform T. 1 – 18 folgt harmonisch der Kleinform von T.
1/2), er wiederholt das Soggetto, sequenziert dabei T. 10 zu T. 11 aus harmonischen Gründen,
um ab T. 12 in As-Dur, also von der Subdominante aus die Sequenz des Motivs a' (nun aufwärt
sequenzierend) beginnen zu können.

Ab T. 14 wird in aller Ruhe auf dem Orgelpunkt b abkadenziert, die Tonika wird in T. 16 erreicht,
Vivaldi gönnt dem Stück noch zwei Takte zum Auslauf (und um dem langen Orgelpunkt T. 13 – 15
auf "b" ein Gegengewicht auf "es" zu geben.

Obwohl Vivaldi nur den Violinen eine Funktion zuweist (Regen), drängt es sich auf, auch den
anderen Stimmen eine Zuweisung in diesem raffiniert gestalteten Satz zu geben: Hier werden
Schüler sich leicht zurechtfinden, z.B. Solo-Violoncello => Feuerknistern. (Diese Oktavfigur des
Cellos ist von Vivaldis "Gloria" bekannt, hier aber wird der Cellist durch das Tempo gezwungen,
kurz zu spielen. Durch die permanenten Saitenwechsel erhöht sich automatisch der
Geräuschanteil- bestimmt der von Vivaldi gewünschte Affekt). Die Viola => Wärme und
Geborgenheit am Feuer. Die Solovioline => der genießende Mensch.
Zum Konzertieren:
Der zweite Satz demonstriert anschaulich nicht das Gegeneinander, wie im ersten Satz, sondern das
Miteinander der Stimmen. Die Tutti-Stimmen pulsieren in je verschiedenen Tonlängen (als Vorgriff zu
den spätromantischen oder impressionistischen polyrhythmischen Strukturen), darüber rhythmischfrei, die Solovioline.
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
12
d) Analyse des 3. Satzes
Im Schlusssatz zieht ein "Eisläufer" (= Schlittschuhläufer?) seine Kreise; andere Menschen gehen
vorsichtiger und setzten in der Glätte bedächtig die Schritte voreinander, bis plötzlich doch jemand
hinfällt. Der "Eisläufer" aber läuft weiter und zeigt immer virtuosere Figuren, bis das Eis schließlich
bricht. Wieder zu Hause, hören wir den Scirocco von fern durch die geschlossene Tür, bis urplötzlich
wieder der Sturm losbricht – Scirocco und Boréas vereinigen sich und fegen alles hinweg.
Das Sonett schließt: „So ist der Winter. Aber was bringt er für Freude!“ – Vivaldi sah offensichtlich
keinen Weg oder keinen Bedarf, uns auch diese angedeuteten Freuden musikalisch näher zu bringen.
Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass das Gedicht erst nach der Komposition entstand.
Der inhaltliche Bruch in diesem dritten Satz, das wieder Aufgreifen der Windthematik, dient der
Geschlossenheit des gesamten Gedichtes, setzt aber auch eine Zäsur in diesem Satz.
Es wird manchmal bezweifelt, dass es im Italien des 18. Jahrhunderts so kalt war, dass Vivaldi Schnee gekannt haben könnte.
Tatsächlich war dies der Fall – in Mitteleuropa war es damals deutlich kälter als heute; dieses Phänomen ist unter dem Namen
"Kleine Eiszeit" bekannt.
Vivaldi wagt in diesem dritten Satz freier mit der Ritornellform umzugehen als in allen anderen Sätzen
der "Quattro Stagioni". Er löst sich zugleich von mehreren Konventionen: Schon der solistische Anfang
in einem Ecksatz ist neu, weiter verändert er die Ritornelle so weit, dass sie kaum als "Wiederkehr"
wahrgenommen werden können. Den ersten 89 von 154 Takten unterliegt ein Orgelpunkt – kaum gab
es zuvor Vergleichbares in der konzertierenden Instrumentalmusik. Das "Programm" war für Vivaldi
wichtiger als der formale Aspekt eines Schlusssatzes. Dafür lassen sich mehrere Indizien dafür finden,
dass Vivaldi eine Geschlossenheit der drei Sätze anstrebte, indem der dritte Satz Merkmale des
ersten Satzes wieder aufgreift:
 das Schlussritornell des ersten Satzes wird im dritten Satz (als Schlussritornell) wieder
verwendet
 die ostinat repetierenden Achtel werden im dritten Satz zunächst zu langen Orgelpunktpartien
verschmolzen, ziehen sich aber dann ebenfalls weiträumig durch das Stück
 der sehr kurzräumige Durteil des ersten Satzes, der programmatisch etwas verloren dasteht
Aufbau
Da Vivaldi hier formal neue Wege geht, entstehen neue Möglichkeiten der Interpretation des Aufbaus.
Dieses Schema benutzt Kloiber, jedoch beschreibt es nicht die Zusammengehörigkeit motivisch-thematischer Teile (was bei der
ursprünglichen Bedeutung von "Ritornell" unumgänglich ist), sondern folgt dem Wechsel der Besetzungen:
T. 1 - 20
Solo 1
T. 21 - 50
Ritornell 1
F
T.1
T. 21
S1
R1
T. 51 - 84
Solo 2
G
H
T. 25
T 40
T. 85 - 92
Ritornell 2
T. 93 – 100
Solo 3
T. 101 - 119
Ritornell 3
I
T.42
48
T.51
120 - 137
Solo 4
L
73
80
S2
85
89
93
R2
98
S3
138 - Ende
Ritornell 4
M
N
T.101
T. 120
T. 137
R3
S4
R4
Bezeichnet man diejenigen Teile folgerichtig nach ihrer "Wiederkehr" im Notentext, dann entdeckt man andere
Zusammenhänge: Vivaldi lässt nicht nur größere Taktzusammenhänge wiederkehren, sondern auch kleinere
Bausteine, die er formal mehrfach aufgreift.
S 1, 2, 3, 4: Größere solistische Partien
R 1, R 1': "Große" Ritornelle, die (immerhin) mehrere Takte Umfang besitzen
r1, r1 ', r2, r2', Mini- Ritornelle, verwendet als Zwischenbausteine oder mit kadenzierender Funktion,
aber jeweils wiederkehrend.
Kadenz =


F
G
H

I
T.1
T. 21
T. 25
T 40
T.42
48
T.51
73
80
85
S1
r1
R1
r2
r3
r2
S2
r3'
r2'
r1 r3''
S2
f-Moll (c-Moll)
f-Moll

L
89
M
N
93
98
T.101
T. 120
T. 137
r3'''
r2
R1'
S 3/4
R4
Es-Dur
f-Moll
S2
c-Moll
Die großen Formabschnitte werden durch Kadenzen gebildet. Alle Teile sind untereinander motivisch verwandt.
Siehe auch: Übersichtsblatt im Anhang
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
13
Teil F





S1: bis T. 20 komponiert Vivaldi ungewöhnlich: Fünf Viertakter durchziehen eine monotone
Sechzehntelkette, die eine gleichmäßige (Kreis-) Bewegung suggeriert. Jeder Viertakter ist
geprägt durch eine eintaktige, ostinate Figur geprägt, deren Ausdrucksgehalt sich auf die
Monotonie einer Bewegung beschränkt, sonst nichts: Keine dynamische, melodische oder
dramaturgische Entwicklung, keine Kontraste! Von Viertakter zu Viertakter verändert Vivaldi
nur subtil die vorhandene Figur, vorwiegend durch die Tonlage, oder durch nur kleine
Veränderung im Tonhöhenverlauf innerhalb einer Figur. Der dritte Viertakter lässt die
Sechzehntelkette von Tief nach Hoch ansteigen (= Entfernungswechsel des Akteurs?).
Unter allem lässt Vivaldi lediglich den Basso continuo mit einem einzig liegenden f –
Orgelpunkt als Sinnbild der Eisdecke ruhen (Tasto solo). Fernab von jeder Konvention
zeichnet hier Vivaldi in aller Ruhe sein "Winter-Gemälde" und dies zu Beginn des sonst
üblicherweise virtuosen Schlusssatzes!
r1: behutsam (Eisdecke!) nehmen in T. 21 nach einer kleinen Zäsur die Ripieno-Spieler die
bisheriger Faktur auf: die Viola spielt die Terz zum vorhandenen Orgelpunkt, Violine 1 spielt
mit dem Solisten und Violine 2 imitiert Violine 1 im darauf folgenden Takt.
Takt T. 21 – 24 ist in zweifacher Hinsicht ein Überleitungsteil: Einerseits verbindet dieser Teil
den solistischen Teil mit der Vollbesetzung des ersten Ritornells, andererseits wirkt das neue
Motiv von T. 25 (absteigendes Dreitonmotiv) durch die wechselnde Tonleiterausschnitte (eine
Fortspinnung von T.1) nahtlos angefügt.
ab T. 21 wechselt der Orgelpunkt auf c (Dominante) und verharrt bis T. 47
Teil E




R1: "Camminar piano, e con timore": Vivaldi augmentiert die ersten drei Töne von T. 20,
"leise gehen" ist also auch "halb so schnell gehen". Die Angst beim Auftritt vertont Vivaldi
durch Vermeidung eines "harten Auftritts": nur noch tastend-fallende Dreitonfiguren setzt
Vivaldi nebeneinander, nur noch geringfügig wechselt die Tonhöhe (Gangart).
ab T. 26 spielt Violine 2 von Takt zu Takt wechselnd die Ober- und Unterterz zur Violine 1, die
Viola spielt mitunter gegenläufige Figuren (T. 27/29)
ab T. 29 wird "der Schritt auf dem Eis" noch vorsichtiger: Die abfallenden Tonleiterschritte
repetieren nun auf demselben Ton, ganz vorsichtig – in chromatischen Schritten (bestimmt
kein "passus duriusculus) – schiebt sich Violine von Takt zu Takt von as2 auf c3 aufwärts (die
Harmonisierung wählt Vivaldi ebenso minimal: Violine 2 verharrt auf dem f, Viola schreitet in
Gegenbewegung diatonisch abwärts).
T. 35 "zieht" Violine 2 in Imitation der ersten Violine "nach".
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
14
Teil H




obwohl erst in T. 48 "Cader à terra" steht, thematisiert der gesamte Formteil H von T. 40 – 51
das Hinfallen.
r2, T. 40/41: müsste dann ein "beinahe hinfallen" sein. Dieser Tonleiterabgang über
eineinhalb Oktaven, der das "Motiv" aus T. 21 weiterführt, verselbständigt sich im weiteren
Verlauf als Formteil(chen), der wieder in Takt 48 , 80 und 98 verwendet wird.
r3, T. 42 – 47: Die nun eintaktige "Ausrutschbewegung" wird ruckartig, also kürzer, schneller
und öfter ohne merklich ihre Gestallt zu verändern.
r2': Der große Fall (man bedenke: Kadenz kommt von cadere = fallen) umfasst nun eine
Duodezime, kadenziert zur Tonika f-Moll und beendet den ersten großen Formteil.
Teil I








S2, T. 52 – 72 (eigentlich bis T. 84) variiert den Anfangsteil S1:
bei gleicher Sechzehntelstruktur nun raumgreifender bis in höchste Lagen
der Orgelpunkt (Eisdecke) wird von den Violinen1/2 gespielt
die Viola schreitet in Achteln als Gegenbewegung zur Violine 1 taktweise über eineinhalb
Oktaven hinab.
ab T. 62 wechselt der Orgelpunkt auf c und ins Cello (c-Moll wird dann mit dem
[dominantischen] Orgelpunkt G ab T. 73 als neue Tonika legitimiert), der vorangegangene
"Violenabgang" von wird nun in Terzen von den Violinstimmen übernommen.
r3': ab T. 73 wird die Bewegung mutiger, rhythmisch mit Zweiunddreißigstel und großen
Sprüngen durchsetzt und bezieht sich in Gestalt und Wirkung als "Virtuosenteil" auf r3.
r2': (T. 80 – 84) "fällt" die Solovioline in Anlehnung an eine "Solo-Kadenz" und in Variation zu
r2 (in Triolenachteln) zwei Oktaven, die eigentliche Kadenzierung wird aber durch den
Einschub von
r1 T. 85 – 88 hinausgezögert und vollzieht sich erst nach Teil L in Takt 93 nach c-Moll.
Teil L

r3", "Il Giaccio si rompe", die direkte Variation von r3 (T. 42) steigert das Hinfallen zum


Einbrechen im Eis durch den großen Sprung nach den Zweiunddreißigsteln und durch das
Unisono des gesamten Orchesters.
Die Kadenz nach c-Moll in T. 93 beendet den zweiten großen Formabschnitt.
S3 = r3''', T. 93 – 97: Variiert das Motiv r3'' durch Verlängerung und Wechsel der
Bewegungsrichtung, sequenziert bis T. 97 aufwärts zu c3 und mündet in
r2, hier in solistischer Darbietung.

Teil M





R1', T. 101 – 119; Vivaldi inszeniert "die Ruhe vor der Sturm" durch den warmen, milden
Scirocco, den er gleich ab T. 106, sogar zu einem "Lüftchen" ausdünnt.
die dramaturgische Doppelfunktion ist hier geschickt gewählt: Einerseits wird durch diese
Ruhe dieses Abschnitts das darauf folgende Finale gesteigert, andererseits möchte Vivaldi R1
(T. 25 ff.) als erstes "richtiges" Ritornell nicht isoliert und unausbalanciert dastehen lassen,
deshalb schafft er mit dieser Variation von R1 (siehe Grafik) ein dramaturgisches Gegenstück.
Durch Verzicht auf die Bassstimme wird der Scirocco noch leichter und milder.
Gleichwohl gewinnt dieser Teil an Anmut durch erstmaliges Weglassen des Orgelpunkts, der
von T. 97 – 100 noch bruchstückhaft (Eisschollen...) wirksam ist.
Leicht und unmerklich kadenziert – so ganz anders – dieser Teil in T. 120 nach Es-Dur (siehe
"Tonartenfahrplan" 1. Satz) und beendet diesen Formteil.
Teil N





Wie schon oben angemerkt dient das erneute Thematisieren der "Winde" in Vivaldis Sonette
(oder in seinem Concerto – je nach dem, was zuvor exisiterte) formal-ästhetischen Gründen.
S 4, T. 120 – 136. Dennoch gerät dieser Teil nicht zum Bruch zum gesamten Satz, da Vivaldi
thematisch die Motive des 3. Satzes weiter verwendet, hier durch die Diminution von S2 (oder
der Anfangsfigur).
Nach und nach setzten "andere" Winde mit ein, dabei verzahnt Vivaldi mit Hilfe der TuttiRepetitionen (ab T. 127) diesen Schluss mit dem ersten Satzes (siehe 1. Satz, T. 33 ff.).
Vivaldi lässt den stürmischen Winden reichlich Raum und holt das nach, was von einem
Schlusssatz erwartet wird: Fulminante Virtuosität.
Darin mag der Grund liegen, weshalb den Zusatz " So ist der Winter, wie er Freude bereitet"
keine Beachtung schenkt.
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
15
AB 1
Analyse des 1. Satzes
A
Ritornell A
T. 1 – 11
Tonart:
B
Couplet 1
T. 12 – 18
Tonart:
Ritornell A'
T. 19 – 22
Tonart:
C
Ritornell B
T. 22 – 26
Tonart:
Couplet 2
T. 26 – 38
f-Moll  Es-Dur
Ritornell A'
T. 38 – 43
Tonart:
D
Couplet 3
T. 44 - 46
Ritornell A'
T. 47 – 55
Tonart:
Ritornell B
T. 56 – Ende
Tonart:
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
16
AB 2
DIE RITORNELLFORM
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
= Ritornell, oft dreiteilig
= Couplet, meist Solist + b.c.
Beispiele:
Vivaldi Concert a-Moll, 1. Satz
Vivaldi Concerto c-Moll, 3. Satz
17
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
18
DIE RITORNELLFORM
= Ritornell, oft dreiteilig
= Couplet, meist Solist + b.c.
Beispiele:
Vivaldi Concerto a-Moll für Violine und Orchester, op.3/6, 1. Satz
Vivaldi Concerto für Violine und Orchester c-Moll "Il Sospetto", 3. Satz RV 199
Vivaldi L'Inverno, 1. Satz
Rit A
Rit A'
Rit B
Rit A
Rit A'
Rit B
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
19
AB 3
Übersichtsblatt: Vivaldi, L'Inverno, 3. Satz
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
T.1
S1
T. 51 S 2
T. 101 R1'
T. 21 r1
T. 73
r3'
T. 120 S 3
20
T. 25 R1
T. 21
T. 80
r2'
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
T. 40
T. 85
r2
T. 42 r3
r1
T. 137 R 4 (r3'')
T. 48
T. 89
Klammer zum 1. Satz:
=> r3' (r3'',T.93)
1. Satz, (z.B.) T. 35
21
r2
T. 98 r2
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
22
Literatur:
Braun, Werner, Meisterwerke der Musik. Vivaldi, Concerti grossi op. 8, Nr. 1 – 4, Die
Jahreszeiten, München 1975 – Genaue Entstehungsumstände, Analyse
Schweizer, Klaus u. Arnold Werner – Jensen, Reclams Konzertführer: Orchestermusik,
Stuttgart 1998 – Erläuternde Beschreibung
Kloiber, Rudolf, Handbuch des Instrumentalkonzerts. Bd. 1 Vom Barock bis zur Klassik,
Wiesbaden/Leipzig 1983
Raeburn, Michael und Alan Kendall, Hrsg., Schott, Geschichte der Musik Bd.1 Von den
Anfängen bis zur Wiener Klassik, Mainz 1993
Seedorf, Thomas u. Gottfried von der Golz, CD-Begleitheft-Text in: Antonio Vivaldi, Le
quattro stagioni, Freiburger Barockorchester, Andreq Lawrence-King; DHM/BMG
05472773842; 12/1996
weiterführende Literatur:
(Stadtbücherei Stuttgart)
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
23
Antonio Vivaldi – "L'Inverno"- F. Kleinheins
24
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