spez a iell lisc zusa für h mm e Mit B Alle m eg usik Das musikalische Bilderbuch Antonio Vivaldi D Lene Mayer-Skumanz Winfried Opgenoorth D C t lei hepunkte Hö uch en ses B llt die geste n Zeittafel 1678 Am 4. März wird Antonio Vivaldi in Venedig als Sohn des Friseurs und Geigers Giovanni Battista Vivaldi und seiner Frau Camilla geboren. 1685 Vivaldis Vater wird Geiger im Domorchester von San Marco, ab 1689 auch Mitglied des Orchesters im Teatro San Giovanni Grisostomo und unterrichtet Antonio im Geigenspiel. 1693 Als Vorbereitung auf den Priesterberuf erhält Antonio Vivaldi die Tonsur. Er studiert nicht in einem Seminar, sondern als Gehilfe in venezianischen Pfarren. So kann er weiter Geige spielen und komponieren. 1703 wird Vivaldi zum Priester geweiht und sechs Monate später zum Geigenlehrer am Ospedale della Pietà ernannt. Ab 1704 unterrichtet er auch Viola all‘inglese. 1705 In Venedig wird sein Opus I – 12 Triosonaten – gedruckt. Wegen seiner Krankheit gibt Vivaldi das Lesen der Messe auf. 1709 Vivaldi widmet sein Opus II – 12 Violinsonaten – König Friedrich IV. von Dänemark und Norwegen. 1711 erscheint in Amsterdam Vivaldis drittes Werk, die Konzertsammlung »L‘Estro Armonico«. 1713 Uraufführung von Vivaldis erster Oper »Ottone in villa« in Vicenza. 1714 In Amsterdam erscheint Opus IV »La stravaganza«, 12 Konzerte für vierstimmiges Streichorchester, Continuo und Solovioline. Kern_Vivaldi_2011.indd 2 1720 In der Spottschrift »Il teatro alla moda« wird Vivaldi als kleiner Engel mit Priesterhut karikiert, in Anspielung auf seinen Posten als Theaterleiter des Teatro Sant‘Angelo (angelo = Engel). 1723 1724 Vivaldi in Rom. Pier Leone Ghezzi zeichnet eine Karikatur von Vivaldi: »Der rote Priester.« Vivaldi spielt vor Papst Benedikt XII. Im Herbst 1724 debütiert Anna Giraud in Venedig. 1725 erscheint in Amsterdam die Konzertsammlung Opus VIII für Solovioline und Streichorchester »Il Cimento dell‘Armonia e dell‘Inventione« – darunter »Die vier Jahreszeiten« – die großen Erfolg haben. 1726 Begegnung mit dem Flötisten Johann Joachim Quantz, der Vivaldi für Querflöte begeistert. 1728 stirbt Vivaldis Mutter Camilla. Begegnung mit Kaiser Karl VI. in Triest, dem Vivaldi sein Opus IX »La Cetra« (Die Leier) gewidmet hat. 1729 Beruflich erfolglose Reise nach Wien gemeinsam mit dem Vater und Anna Giraud. 1735 Vivaldi trifft in Venedig den Lustspieldichter Carlo Goldoni, der das Textbuch der Oper »Griselda« für ihn bearbeiten soll. Vivaldi wird wieder als Konzert- leiter an der »Pietà« angestellt. 1736 stirbt Vivaldis Vater Giovanni Battista. 1737 Kardinal Ruffo verbietet Vivaldi, nach Ferrara zu kommen und hier Opern aufzuführen. 1715 arbeitet Vivaldi neben seiner Anstellung in der »Pietà« auch als Theaterleiter und Komponist für das Teatro 1738 Anlässlich der 100-Jahr-Feier des Amsterdamer Schouwburg-Theaters dirigiert Vivaldi dort ein Festkonzert. Doch in seiner Heimatstadt ist Vivaldi Sant‘Angelo. 1716 wird Vivaldi zum »Maestro de‘Concerti« an der »Pietà« ernannt. Freundschaft mit dem Violinvirtuosen Johann Georg Pisendel. Im November wird an der »Pietá« Vivaldis Oratorium »Juditha triumphans« uraufgeführt. 1740 Vivaldi löst seinen Haushalt in Venedig auf und übersiedelt mit Anna Giraud nach Wien. Im Oktober stirbt sein Gönner Kaiser Karl VI. 1718 1720 ist Vivaldi Kammerkapellmeister des Landgrafen Philipp von Hessen-Darmstadt in Mantua. Seine Schülerin, die Sängerin Anna Giraud, ist von nun an seine treue Begleiterin. nicht mehr »in Mode«. 1741 In der Nacht vom 27. auf 28. Juli stirbt Antonio Vivaldi mit 63 Jahren verarmt in Wien. 11.05.11 09:23 Lene Mayer-Skumanz Ein musikalisches Bilderbuch mit CD Mit Bildern von Winfried Opgenoorth Kern_Vivaldi_2011.indd 3 11.05.11 09:24 D »Dem verraten wir nichts.« Schon sitzt Mario selig lächelnd auf einem Hocker vor Lucios Weinladen und Camilla schlendert zur Frisierstube weiter. Durch den offenen Eingang sieht sie den Meister einen Kunden rasieren. An der Wand hängen Musikinstrumente: eine Geige, eine Blockflöte, eine Laute. Damit können wartende Kunden sich die Zeit vertreiben. Aber es ist sonst keine Kundschaft da. Der Lehrling spielt, ein Junge von vielleicht fünfzehn Jahren, rötlichblondes Haar hängt ihm in die Stirn. Camilla weiß seinen Namen: Giovanni Battista. »Bravo!«, ruft der Kunde. »Du spielst gut! Wo lernst du?« »Jetzt nirgendwo«, antwortet der Junge. »Bei uns daheim in Brescia hat mir ein Verwandter das Spielen beigebracht. Vor fünf Jahren sind wir hierher übersiedelt, meine Mutter und ich.« er Schneidermeister Camillo Calicchio ist ein strenger Vater. Er lässt seine zehnjährige Camilla nicht allein auf die Straße. Zu viele Diebe, zu viele Bettler, zu viele Bandenmitglieder zwischen den Scharen fremder Reisender, die von Kirche zu Kirche, von Palazzo zu Palazzo eilen! In Venedig summt es wie in einem Bienenkorb! Nur in Begleitung des alten Dieners Mario darf Camilla raus, zu genau vorgeschriebenen Zielen: im Haus Grimani den neuen Mantel ausliefern, Signora Negri den Termin für die Anprobe ausrichten, auf dem Rückweg Brot besorgen und auf keinen Fall bei Lucio haltmachen! Camilla horcht. Da weht er wieder über den Platz, der süße Geigenton aus der Frisierstube neben Lucios Weinhandlung. Camilla zupft den alten Diener am Ärmel. »Mario, hast du nicht Lust auf ein Glas Rotwein?« »Ja, große Lust, aber dein Vater – « 4 Kern_Vivaldi_2011.indd 4 11.05.11 09:24 »Er hat keine eigene Geige«, sagt der Meister. »Er spielt nur hier, wenn wir auf Kundschaft warten.« Camilla denkt: Auch mein Vater ist von auswärts gekommen. Aber für mich ist Venedig »daheim«. Ich bin hier geboren. Armer Giovanni, er sehnt sich nach Brescia und der Geige dort. Der Kunde ist aufgesprungen, obwohl er noch nicht fertig rasiert ist. Er wischt sich Seifenschaum von der linken Wange und nimmt die zweite Geige von der Wand. »Gib acht, Junge, ich zeig dir ein paar Griffe!« Der Friseurmeister lacht. »Publikum habt ihr auch schon ...« Camilla wird rot, aber sie weicht nicht von der Stelle und lässt Giovanni nicht aus den Augen. »Ich kenn sie«, sagt der Meister. »Camilla, Schneiderstochter. Immer schleicht sie da herum, wenn der alte Mario Pause macht.« »Sie liebt Musik«, sagt der Kunde schmunzelnd. »Junge, vielleicht solltest du Geiger werden und kein Barbier!« Sechs Jahre später geht für Giovanni Battista Vivaldi ein Traum in Erfüllung: Er ist Berufsmusiker geworden. Im August 1676 heiratet er Camilla. Im Winter 1677 wissen sie, dass sie zum ersten Mal Eltern sein werden. Giovanni geigt zärtliche Melodien für Camilla und das werdende Kind. Camilla presst kichernd die Hand auf den Leib. »Unser Kind strampelt, wenn du spielst!« Giovanni strahlt. »Wenn es ein Mädchen ist, wird sie eine berühmte Sängerin. Wenn es ein Junge ist, wird er der beste Geiger Europas!« Camilla lacht und das Kind in ihrem Bauch strampelt noch mehr. 5 Kern_Vivaldi_2011.indd 5 11.05.11 09:25 Zu denen gehört Maestro Gasparini von der »Pietà«. König Friedrich IV. von Dänemark und Norwegen besucht Venedig Ende Dezember 1708 mit einem Gefolge von fünfzig Personen. Und was wünscht er sich für den ersten Abend? Einen Opernbesuch! Gut, sofort ist eine Loge im Theater San Giovanni Grisostomo bereit. Z wei Hauptspielzeiten für Oper gibt es in Venedig: die Karnevalszeit, die am 26. Dezember beginnt und bis zum Fastnachtsdienstag reicht, und drei Monate im Herbst. In der Karnevalszeit tragen alle Personen, die sich in der Öffentlichkeit bewegen, eine Maske – auch Priester. In die Oper geht man nicht nur wegen der Musik. Man speist in den Logen, plaudert mit Freunden, spielt Karten. Wenn die berühmte Primadonna ihre Arie trillert, unterbricht man Gespräch und Spiel. Das einleitende Vorspiel, die »AnfangsSinfonie«, muss meist mit drei dröhnenden Akkorden das Publikum zum Zuhören einladen. Fleißige Opernkomponisten schreiben zwei oder drei Opern im Jahr. Für den nächsten Morgen, einen Sonntag, wünscht er sich ein Konzert in der Pietà. Antonio Vivaldi dirigiert, weil Maestro Gasparini wieder einmal abwesend ist – zum Glück für Antonio. Der König bedankt sich bei Vivaldi persönlich für den Kunstgenuss. Antonio spürt, dass er jetzt geschäftstüchtig sein muss. Damit der König ihn nicht vergisst, wird er ihm sein Opus II widmen, man braucht es nur schnell nachzudrucken. 12 »... Eurer Majestät niedrigster, ergebenster und ehrerbietigster Diener ...« Es sind 12 Sonaten für Violine und Cembalo, in der kunstvollen Art, wie Michieletta sie liebt. Für den Nachdruck bleibt genügend Zeit, weil der König länger in Venedig weilt. Sein dritter Wunsch ist es nämlich, unauffällig in einem Maskenmantel durch die Stadt zu bummeln. Antonio grinst. sammengefasst. Beim schnellen Vom-BlattSpielen erkennt man sie auf den ersten Blick. Der gebürtige Franzose hat eine echte Spürnase für neue Talente. Er und später sein Schwiegersohn verlegen Vivaldi gern. Dessen 12 Konzerte Opus III – »L’Estro Armonico« (Die harmonische Eingebung) – machen Vivaldi im Jahr 1711 mit einem Schlag Bummeln nun 50 Gefolgsleute unauffällig mit? Für die Widmung bedankt sich der König mit einem reichen Geschenk.Wirklich schön und leicht lesbar sind die venezianischen Notendrucke aber nicht! Antonio entschließt sich, seine nächsten Werke in Amsterdam beim Verleger Roger herauszugeben. In dessen Druck werden Noten, die metrisch zusammengehören, also zum Beispiel Achtel- oder Sechszehntelnoten, durch gemeinsame Balken zu- in ganz Europa berühmt. Sie sind für acht Stimmen geschrieben: vier Violinen, zwei Bratschen, ein Cello und Orgel (die kann durch Kontrabass und Cembalo ersetzt werden). Besonders bekannt wird das Konzert Nummer 8 für zwei Soloviolinen und Ensemble. 13