Predigt im Taufgottesdienst am 10.02.08 in Oslo „Er ist mein Vater" Hoch über dem Marktplatz einer kleinen Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil gespannt und machte dort oben unter den staunenden Blicken vieler Zuschauer seine gefährlichen Kunststücke. Gegen Ende der Vorstellung holte er eine Schubkarre hervor und fragte einen der Anwesenden: "Sagen Sie, trauen Sie mir zu, daß ich die Karre über das Seil schiebe?" "Aber gewiß", antwortete der Gefragte fröhlich, und auch mehrere andere der Unstehenden stimmten der Frage sofort zu. Dass ich einen Menschen hinüber fahren kann? Äh, ja. "Würden Sie sich dann meiner Geschicklichkeit anvertrauen, sich in die Karre setzen und von mir über das Seil fahren lassen?" fragte der Schausteller weiter. Da wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Nein, dazu hatten sie keinen Mut! Nein, das trauten sie sich und ihm nicht zu. Plötzlich meldete sich ein Junge. "Ich setze mich in die Karre", rief er, kletterte hinauf, und unter dem gespannten Schweigen der Menge schob der Mann das Kind über das Seil. Als er am anderen Ende ankam, klatschten alle begeistert Beifall. Einer aber fragte den Jungen: "Sag, hattest du keine Angst da oben?" "Oh nein", lachte der, "der mich über das Seil schob, ist ja mein Vater!" 1. Also mich hätten keine 10 Pferde in diese Schubkarre gebracht. Hättet ihr so was mitgemacht? Auf einem wackeligen Seil. In diesem Blechgestell? Ein Mordsrisiko. Da wird es mir ganz schwindlig, wenn ich daran denke. - Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird’s gut machen. Das Leben ist riskant genug. Ich bin ja froh, wenn ich mich einigermaßen halten kann. Wenn ich auf dem Boden mit meinem Leben einigermaßen zurecht komme. Solche waghalsigen Experimente sind nichts für mich. - Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen. Wenn man bei so einer Wahnsinnsaktion mitmachen sollte, da bräuchte man ein genauso wahnsinniges Vertrauen. Da müsste ich den Seiltänzer schon sehr genau kennen. Da wollte ich sehen, wie er 20 Leute vor mir rüber gebracht hat. Und das jeden Tag, ein ganzes Jahr lang. Dann vielleicht. Klar, der kleine Junge, der war sein Kind. Der kannte den Seiltänzer und vertraute ihm, er war ja sein Vater. - Wenn jetzt Gott wie so ein Seiltänzer wäre, der mich einlädt in die Schubkarre zu steigen? Wenn Gott jetzt zu mir sagen würde: Hei, steig ein. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bringe dich über die Abgründe deines Lebens. Dir wird nichts passieren. Ich sorge dafür. Ja, wenn ich Gott kennen würde, wenn ich ein ganz großes Vertrauen zu ihm hätte…. - Und doch gibt es das, dass Menschen von Gott ganz ähnlich reden wie einer, der bei einem Seiltänzer in die Karre steigt. In den Psalmen: - Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. - Trotz allem bleibe ich ganz nah bei dir. Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. - Da wird Gott genannt: meine Burg, mein Schutz, meine Zuflucht, mein Fels, meine Hoffnung. Oder den Taufspruch von Maya: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stossest. „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?“ sagt Paulus in Römer 8. Und: Alle Dinge dienen zum Besten denen, die Gott lieben. Da wird es einem fast wieder ein wenig schwummrig bei so viel Vertrauen. Aber diese Leute aus der Bibel würden uns heute sagen: Der Seiltänzer in eurer Geschichte hat sich selber und seinen Schubkarren voll unter Kontrolle. Klasse. Aber Gott hält die ganze Welt in der Balance. Die ganze Welt gerät wegen ihm nicht aus dem Gleichgewicht, stürzt nur wegen ihm nicht in den Abgrund. Wir müssen keine Angst haben, wenn wir mit unserem Gott selbst die tollsten Kunststücke wagen! Und, würden sie sagen: er ist doch unser Vater! Er wird uns doch nicht in der Schubkarre sitzen lassen, wenn er uns nicht halten könnte. Er lädt uns doch nicht ein zum Abenteuer des Lebens und lässt uns dann aus der Hand rutschen. Er wird uns sicher über das Seil dieses Lebens bringen, er ist der Herr über die Tiefe unter uns, über alle Schrecken und selbst noch über den Tod. Es kann uns nichts geschehen. Der "Vater" fährt uns über den Abgrund! Gott ist dein Vater, der dich unter allen Umständen halten wird – darum geht es bei der Taufe. 2. Der Seiltänzer hätte auch jedes andere Kind oder jeden anderen Erwachsenen sicher über das Seil gebracht! Wenn die sich getraut hätten. Aber - und das ist der entscheidende Punkt an der Geschichte: Nur dieser eine Junge wagt es und vertraut sich ihm an. Weil er der Sohn ist, den Vater kennt. Und das ist ein großer Unterschied. - Gott liebt jeden Menschen genauso, ob er getauft ist oder nicht. Gott fängt ja nicht erst an, sich an einen Menschen zu gewöhnen, ihn lieb zu gewinnen, wenn er getauft wird. Wenn das stimmt, was die Bibel über Gott erzählt, dann war er dabei, als wir ins Leben traten, schon vorher, als er uns sich liebevoll ausdachte. Er wollte uns. Und er wirbt um unser Vertrauen. Er will, dass wir das Leben mit ihm wagen… Dass Gott unser Vater ist, das sollen wir genau in diesem Zeichen der Taufe erfahren. Und ein Leben lang umsetzen - Und das könnte uns den Mut geben, uns ganz in seine Hand zu geben? Gott will unser Leben segnen, bewahren, über jedem Abgrund halten und sicher nach drüben begleiten dorthin, wo einmal unser irdisches Leben in ein ewiges übergehen soll. Sonst würden wir heute nicht so ausdrücklich von seiner Macht und seiner Liebe, von seinen Zielen und seinem Segen reden. Wenn Gott als Seiltänzer jede Gleichgewichtsverschiebung wieder ausbügeln kann, warum dann nicht auch meine wackelige Lebenssituation, meine Fehlentscheidungen, meine Schwächen? Diese grundsätzliche Ermutigung brauchen wohl manche andere in unserer Umgebung, damit sie Gottvertrauen wagen. Es gibt ja auch in unseren Tagen weiß Gott viel Angst und Sorge. Und manches, was misstrauisch machen könnte Gott gegenüber. Wenn andere sehen, wie wir uns an Gott halten und er uns hält – das wäre etwas für die, die hoffnungslos und eingeschüchtert sind in unserer Umgebung. Und es wäre gut, wenn wir vor allem selbst nicht vergessen, dass der Vater die Karre unseres Lebens schiebt und sicher hält. Wir werden nicht fallen. Wir kommen einmal drüben an, auf der anderen Seite, in Gottes neuer Welt, im Leben, das uns Jesus Christus schenkt. - Und Gott wirbt um unser Vertrauen, so geduldig und ausdauernd. Klar: eine Schubkarre ist kein Sofa, das Leben mit Gott fordert uns manchmal einiges ab. Aber er trägt durch. Die wunderbaren Schlussverse aus dem Psalm 91, aus dem unser Taufspruch ist, möchte ich uns allen mit auf den Lebensweg geben. Vielleicht schaffen sie es, uns aufs Seil mit Gott zu bringen. 3. Er ist ja mein Vater – sagt der Junge. Und er ist stolz dabei. Gott selber sagt zu dem Menschen der ihm vertraut: Du hast einen Vater im Himmel, der dich trägt. Du hast einen Vater, an den du dich wenden kannst. Wenn wir das unserem Taufkind Maya heute und in Zukunft zusprechen, weil sie getauft ist, dann sollten wir das ruhig noch etwas lauter als bisher auch in unsere Welt hineinsprechen. 14 »Dieser Mensch liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.15 Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; / ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. 16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.« Amen.