Predigt + DEZEMBER 2015 17. DEZEMBER 2015 MT 1,1-17 Auffallend anders – Frauen im Stammbaum Jesu (Mt 1,1-17) Das kommt in den besten Familien vor!“ Von außen gesehen scheint alles in Ordnung zu sein, die Beziehungen stimmen, eine heile Familie. Und dann werden plötzlich Brüche sichtbar, Trennungen, negative Schlagzeilen. In den Tagen des Advent tritt die Lebensgeschichte Jesu in unser Blickfeld, seine Familiengeschichte. Menschlich gedacht erwarten wir eine heile Geschichte: intakte Familien, vorbildliche Menschen, exemplarische Vor-Eltern. Und das nicht nur im Blick auf die menschlichen Beziehungen. Heile Geschichten werden auch erwartet mit klaren religiösen Überzeugungen. Das „richtige Gebetbuch“ muss es sein. Für den Juden Jesus erwarten wir gläubige Vorfahren, die selbstverständlich zum auserwählten Volk gehören. Wie anders ist aber die Wirklichkeit. Matthäus stellt uns zu Beginn seines Evangeliums den Stammbaum Jesu vor. Dreimal 14 Generationen von Ur-Vätern und Ur-Müttern Jesu. Es sind viele Väter, die uns vor Augen gestellt werden. 42 Männer mit sehr unterschiedlicher und zum Teil auch brüchiger Lebensgeschichte, Männer mit nicht nur gutem Ruf. Männer, die nicht immer in Übereinstimmung mit den Gesetzen Gottes gelebt haben. Und dann sind da fünf Frauen. Nur fünf Frauen, aber immerhin: Maria, die Mutter Jesu, und Tamar, Rahab, Rut und die „Frau des Urija“, die an anderer Stelle der Bibel Batseba genannt wird. Auffallend anders sind diese Frauen – anders, als wir es für Ahnfrauen Jesu erwarten. Da ist Tamar, die – als Dirne verkleidet – von ihrem Schwiegervater ein ihr zustehendes Recht einfordert und von ihm schwanger wird. Die Heidin Rahab versteckt in ihrem Haus Männer, die Jericho auskundschaften, und bekennt ihren Glauben an den Gott Israels. Die Moabiterin Rut – Heidin wie Rahab – zieht mit ihrer Schwiegermutter Noomi in deren Heimat Betlehem. Dort erfährt sie Gott, der sie in seinen Schutz nimmt. Batseba, die „Frau des Urija“, wird von einer durch König David missbrauchten Frau zu einer Kämpferin, die ihrem Sohn Salomo den Thron rettet. Auffallend anders sind die Frauen, die im Stammbaum Jesu ihren Ort haben. Sie weisen darauf hin, dass nicht alles im Leben glatt und vorbildlich ist – und offensichtlich auch nicht sein muss. Dass es Brüche und Bruchstückhaftes geben darf. Dass es auch Schuld und Versagen geben darf. Wie entlastend ist das für uns. Die Frauen weisen uns auch darauf hin, dass im Stammbaum Jesu Heidinnen ihren Platz haben, Frauen, die einen anderen Gott verehren, die nicht den jüdischen Glauben leben. Frauen haben im Leben Jesu ihren Platz, die Fremde im Gelobten Land sind, Ausländerinnen, sogar solche, die nicht sehr geliebte Nachbarinnen sind. In diesem Jahr, in dem wir sehr viel über Flüchtlinge reden, über Menschen, die aus fernen Ländern zu uns kommen, dürfen wir in diesen biblischen Frauen Anwältinnen des Lebens bei uns sehen. Wie die Weisen aus dem Morgenland gehören Tamar, Rahab, Rut und Batseba an die Krippe Jesu – und ihre Schwestern und Brüder in unsere Gesellschaft. Die vier Frauen sind eigenständige Frauen, die sich ihrer Rechte, ihrer Würde und ihrer Zukunft sehr bewusst sind und die viel einsetzen, ihre Rechte einzufordern und zu erlangen. Dabei geht es nicht um moralische Wertungen. Ihre Lebensgeschichten zeigen uns, wie unkonventionell und provozierend das Leben mit Gott sein kann. Sie zeigen uns auch, dass Gott offensichtlich seine schützende Hand über diese Frauen hält. Im Volksmund heißt es: „Gott schreibt auf krummen Zeilen gerade!“ Für mich ist das eine wunderbare Entlastung – im Blick auf mein eigenes Leben und auch im Blick auf unsere Kirche. Manchmal reiben wir uns wund an ihren Ecken und Kanten. Der Stammbaum Jesu macht mir Mut. Das ist auch ein Weihnachtsgeschenk: Es muss nicht alles perfekt sein. Matthäus, der Schreiber des Evangeliums, hätte die Frauen leicht verschweigen können – so wie sicher viele andere Frauen in der Bibel keine Beachtung gefunden haben und verschwiegen worden sind. Er hat es nicht getan. Tamar, Rahab, Rut und die Frau des Urija haben ihren Ort im Stammbaum Jesu. Und sie haben ihn in der Botschaft Jesu. Sie „passen“ in sein Reden und Handeln. Sie sind Wegbegleiterinnen auf Weihnachten zu – Schwestern im Glauben. Gott sei Dank. Weihbischof Ludger Schepers Bischofsvikar für Weltkirche, Mission, Orden, Geistliche Gemeinschaften Bistum Essen + Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams: Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda und seinen Brüdern. Juda war der Vater von Perez und Serach; ihre Mutter war Tamar. Perez war der Vater von Hezron, Hezron von Aram, Aram von Amminadab, Amminadab von Nachschon, Nachschon von Salmon. Salmon war der Vater von Boas; dessen Mutter war Rahab. Boas war der Vater von Obed; dessen Mutter war Rut. Obed war der Vater von Isai, Isai der Vater des Königs David. David war der Vater von Salomo, dessen Mutter die Frau des Urija war. Mt 1,1-6 Impressum: missio, Internationales Katholisches Missionswerk e.V., Goethestr. 43, 52064 Aachen.