Die Formelsprache der Nichtstandardanalysis (NSA) und das Axiom

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Die Formelsprache der
Nichtstandardanalysis (NSA) und das
Axiom vom idealen Punkt
Antje Rogalla
Freie Universität Berlin
31.10.2012
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
2 Die Formelsprache der NSA
4
3 Das Axiom vom idealen Punkt
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4 Quellen
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1 Einleitung
Die Nichtstandardanalysis nach Nelson baut auf den Axiomen der Zermelo-Fraenkel
Mengenlehre (ZF ), dem Axiom I vom idealen Punkt, dem Axiom S für die Bildung von
Standard-Mengen und dem Axiom T des Tranfers auf.
Die Zermelo-Fraenkel Mengenlehre (ZF ) ist das Axiomsystem aus dem die Standardanalysis abgeleitet wird. Die Axiome I, S und T erweitern die Standardanalysis um eine
zusätzliche Eingenschaft, die Eigenschaft, ob eine Menge Standard“oder Nichtstan”
”
dard“ist.
Die Nelsonsche Nichtstandardanalysis wird auch interne Mengenlehre oder Internal Set
Theory (IST) genannt.
Im Folgenden werde ich zunächst Formeln in der NSA vorstellen. Danach werde ich die
Eigentschaft Standard“, bzw. Nichtstandard“erklären und das Axiom I vom idealen
”
”
Punkt einführen.
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2 Die Formelsprache der NSA
Sei N ein Bereich von Mengen in dem die Axiome der ZF gelten. Zusätzlich gilt für N ,
dass es in zwei Teilbereiche, den Standard-Mengen und den Nichtstandard-Mengen, unterteilbar ist. Das heißt, es ist möglich, eine Aussage darüber zu machen, ob eine Menge
in N die Eigenschaft Standard oder Nichtstandard erfüllt.
(Die Begriffe Standard- bzw. Nichtstandard-Menge werden noch erklären.)
N ist eine abstrakte, allgemeine Beschreibung für die Klasse aller Mengen. M ∈ N
bedeutet, dass M eine Menge ist.
Um Aussagen formalisieren zu können, werden folgende disjunkte Mengen von Zeichen
benötigt:
1. Die elf Zeichen = (für Gleichungen), ¬ (für die Negation), ∀ (für Quantifizierungen), ∈ (für Elementbeziehungen), ∧ (für Konjungationen), h , i (für Paarbildungen), ( ) (für Klammerbildungen) und
Γ (für die Bildung eines (Funktions)wertes)
Das Zeichen Γ
Für g, a sei gΓa := b, falls genau ein b mit ha, bi ∈ g exsistiert.
Falls kein solches b oder mehrere b existieren, sei gΓa := ∅.
Eigenschaften von Γ:
(i) gΓa ∈ N für g, a ∈ N
(ii) Sei g Funktion und a ∈ D(g) (Definitionsbereich der Relation g),
dann gilt: gΓa = g(a)
(iii) Sind f, g Funktionen mit W (f ) ⊂ D(g)
(W (f ) Wertebreich der Relation f), dann gilt:
gΓ(f Γa) = g(f (a)) ∀a ∈ D(f )
Anschaulich ausgedrückt, ist das Zeichen Γ eine Verallgmeinerung des Funktionsbegriffs.
Beispiel: (+Γh1, 2i) = 1 + 2 = 3, mit g = +, a = h1, 2i und b = 3
2. Die Variablen x1 , x2 , x3 , ..., x, y, z, ..., A, B, C, ...
3. Die Elemente x1 , x2 , x3 , ..., x, y, z, ..., A, B, C ∈ N
Mit Hilfe dieser Zeichen können jetzt einige Begriffe eingeführt werden.
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Eine Zeichenreihe in N ist eine endliche Aneinanderreihung von Zeichen.
Beispiel: (∀x ∈ N)x ∈ R
Dieses Beispiel ist eine sinnvolle“Aneinanderreihung von Zeichen, denn es sagt aus:
”
Alle natürlichen Zahlen sind reele Zahlen.
Zeihenreichen können sinnvoll“sein, müssen es aber nicht. Formeln und Aussagen sind
”
Zeichenreihen, die mathemathische Sachverhalte beschreiben, also sinnvoll“sind.
”
Ein Grundbaustein für Formeln sind Terme.
Terme in N
(i) Elemente aus N und Variablen sind Terme in N .
(ii) Sind τ, ρ Terme in N , dann sind auch hτ, ρi und (τ Γρ) Terme in N .
(iii) Aus (i) und (ii) in endlich vielen Schritten erzeugte Zeichenreihen sind Terme in N .
Beispiele:
1. Term ohne Variable: (+Γh1, 2i)
2. Term mit Variable: Sei f Funktion, f : R × R → R und (f Γhx, yi)
| {z }
f (x,y)
In der Definition für Terme werden sowohl die Zeichen = und ∈, als auch die logischen
Symbole ¬ (nicht), ∧ (und) und ∀ (Für alle) noch nicht eingeführt. Aussagen über
z. B. Elementbeziehungen, oder Negationen können mit Termen noch nicht beschrieben
werden. Terme erweitert um die Zeichen =∈ ¬ ∧ ∀ sind Formeln in N .
Formeln in N
(i) Sind τ, ρ Terme in N , dann sind τ = ρ, τ ∈ ρ und s(τ ) Formeln in N .
(ii) Sind ψ, χ Formeln in N und ist x eine Variable, dann sind ¬ψ, (ψ ∧ χ), und (∀x)ψ
Formeln in N .
(iii) Aus (i) und (ii) in endlich vielen Schritten erzeugte Zeichenreihen sind Formeln in
N.
Interne Formeln in N sind Formeln, in denen das Zeichen s nicht vorkommt.
Standard-Formeln in N sind interne Formeln in N , in denen alle Elemente StandardElemente sind.
Externe Formeln sind Formeln, in denen das Zeichen s vorkommt.
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Beispiel: (∀x ∈ N)x ∈ R ist eine Formeln aber kein Term, weil das Zeichen ∈ Teil der
Zeihenreihe ist.
Variablen können in einer Formel gebunden oder frei vorkommen. Gebundene Variablen sind Varaiblen, die in Abhänigkeit von Quantoren auftreten. Im Beispiel tritt x
gebunden auf. Beispiel für eine Formel mit freie Variable ist: (x ∈ N).
Eine Formel ohne freie Variable heißt Aussage.
Die Formeln s(τ ), (∀x)ψ und die Bezeichungen interne, externe, oder StandardFormeln existieren in der Standardanalysis nicht. Es sind Ausdrücke, über die nur in
der Nichtstandardanlysis Aussagen getroffen werden können.
Die Nichtstandardanalysis ist eine Erweiterung der Standardanalysis um die Eigenschaft
Standard bzw. Nichtstandard. Das bedeutet, dass alle Definitionen, alle Formeln, alle
Aussagen, alle Sätze, etc. die in der Standardanalysis gelten, auch in der Nichtstandardanalysis gelten.
Im Folgenden wird unter klassischer Mathematik, die Mathematik basierend auf der ZFMengenlehre ohne die zusätzliche Axiome der Nichtstandardanalysis verstanden.
Genauso wie in der klassischen Mathematik stellt sich in der Nichtstandardanalysis die
Frage, wann eine Formel, oder Aussage wahr oder falsch ist.
Gültigkeit der Formeln s(τ ) und (∀x)ψ
(i) s(τ ) ist genau dann gültig, wenn τ ein Standard-Element ist.
(ii) (∀x)ψ ist genau dann gültig, wenn ψ für alle Elmente x aus N gültig ist.
Das beschränkte Quantifizieren aus der klassischen Mathematik ist ein Spezialfall des
unbeschränkten Quantifizieren. Dabei kann z.B. (∀x ∈ N)ψ als eine Abkürzung für
(∀x)(x ∈ N ⇒ ψ) angesehen werden.
Anders ausgedrückt gelten für interne, externe, oder Standard-Formeln folgende Aussagen:
Eine interne Formel ist eine Menge für die eine Formel, oder Aussage aus der klassischen
Mathematik gilt, aber nicht alle Elemente der Menge müssen Standard-Elemente sein!
Eine Standard-Formel ist eine Standard-Menge für die eine interne Formel gilt und in
der alle vorkommenden Elemente Standard-Elemente sind.
Eine externe Formel ist eine nichtklassische Formel. Das heißt, die Formel muss nicht
aus der klassischen Mathematik stammen. Die Eigenschaft Standard bzw. Nichtstandard
kann in einer externen Formel vorkommen.
Die Eigenschaft Standard bzw. Nichtstandard wird im folgenden Abschnitt erklärt.
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3 Das Axiom vom idealen Punkt
Die Eigenschaft Standard ist mit dem Begriff Endlich vergleichbar.
Eigenschaft
Satz
Standard
Y Standard-Menge und x ∈ Y
Endlich
Y endliche Menge und x ∈ Y
; x Standard-Element
; x endlich
Y = {N, R}, dann ist Y endlich
und enthält zwei Elemente, aber
x = N ∈ Y ist nicht endlich
Beispiel
Damit ein Beispiel zur Eigenschaft Standard gemacht werden kann, muss zunächst das
Axiom vom idealen Punkt eingeführt werden.
Das Axiom vom idealen Punkt sichert die Existenz von unendlichen großen Zahlen oder
unendlich kleinen Zahlen.
Das Axiom vom idealen Punkt
Sei R = R(x, y) eine klassische binäre Relation in N , dann sind äquivalent:
(i) Für jede endliche Standard-Menge F existiert ein x = xF , so dass für alle y ∈ F
die Relation R(x, y) gilt.
(ii) Es existiert ein x, so dass die Relation R(x, y) für alle Standard-Elemente y gilt.
Klassisch bedeutet an dieser Stelle, dass die Relation bereits aus der klassischen Mathematik bekannt, das heißt in der Standardanalysis definiert wird. R ist eine interne Formel.
Die Bezeichnung x = xF soll verdeutlichen, dass die Wahl des x von der Menge F
abhängt.
Punkt (i) kann umformuliert werden:
Für jede endliche Standard-Menge F , existiert ein x, so dass R(x, F ) gilt.
Im folgenden Teil gilt die Notation: R(x, y)∀y ∈ F =: R(x, F )
Bespiele:
1. R(x, y) := x > y für x, y ∈ N
F ist endliche Standard-Menge und F ⊂ N,
dann existiert ein n ∈ N, so dass F ⊂ [0, n].
∀y ∈ F gilt: y ≤ n < n + 1
⇒ Für jede endliche Standard-Menge F ⊂ N gibt es ein x, z.B x = n + 1, so
dass die Relation R(x, F ) gilt.
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Nach dem Axiom I ist die Aussage äquivalent zu:
∃x ∈ N : x > y ∀ Standard-Elmente y ∈ N
(Es existiert ein x ∈ N, so dass die Relation x > y für alle Standard-Elemente y
aus N gilt.)
Folgerungen:
a) Es existieren nicht Standard-Elemente!
x ist ein Nichtstandard-Element, denn es ist größer als alle Standard-Elemente
y und damit kein Standard-Element.
b) N enthält mindestens ein Nichtstandard-Element x.
2. R(A, y) := A ⊂ E, A ist eine endliche Menge und y ∈ A ⊂ E
⇒ F ={y|y ∈ A ⊂ E}, dann gilt R(A, F ) = A
Sei F ⊂ E, F endliche Standard-Menge. Es gilt:
∀F ∃A(R(A, F ))
(Es existiert eine endliche Menge A (z.B.: A = F ), so dass für alle endlichen
Standard-Mengen F gilt: A, F ⊂ E und F ⊆ A ⊂ E )
⇔
Es existiert eine Menge A, so dass die Relation A ⊂ E, A endliche Menge und
y ∈ A für alle Standard-Elemente y ∈ E gilt.
Folgerungen:
a) Die Menge A enthält alle Standard-Elemente.
Alle Standard-Elemente y ∈ N sind in A enthalten.
Die Aussage A enthält genau alle Standard-Elemente.“ist falsch. A kann
”
zusätzlich zu allen Standard-Elementen auch Nichtstandard-Elemente enthalten.
Es ist möglich eine Aussage darüber zu treffen, ob die Menge A Standard
bzw. Nichtstandard ist, aber es kann keine Aussage darüber gemacht werden,
ob in A ausschließlich Standard-Elemente enthalten sind.
b) Die Menge A ist endlich.
Der Begriff endliche Menge wird in der Nichtstandardanalysis verwandelt. Es
muss Abstand von der Vorstellung endlicher Mengen aus der Standardanalysis genommen werden, um den Endlichkeitsbegriff in Nichtstandardanalysis
verstehen zu können.
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3. R(x, y) := x 6= y in einer bestimmten Menge E
Falls F ⊂ E ⇒ R(x, F ) := x ∈
/F
Sei E unendliche Menge, dann gilt:
Für alle endlichen Mengen F existiert ein x ∈ E mit x ∈
/ F.
⇔
Es existiert ein x ∈ E, so dass die Relation x 6= y für alle Standard-Elemente y ∈ E
gilt.
Folgerungen:
a) In jeder unendlichen Menge gibt es ein Nichtstandard-Element.
In jeder unendlichen Menge E gibt es ein x ∈ E ungleich zu allen StandardElementen. x ist ein Nichtstandard-Element.
b) In jeder unendlichen Menge gibt es mehrere Nichtstandard-Elemente.
Beweis:
Sei E 0 = E − {x}
E 0 ist unendliche Menge
⇒ Es existiert ein Nichtstandardelement x0 in E 0 .
x0 ∈ E 0 ⇒ x0 ∈ E
x, x0 ∈ E mit x 6= x0 und x, x0 Nichtstandard-Elemente
⇒ In jeder unendlichen Menge gibt es Nichtstandard-Elemente.
Die Kontraposition dieser Aussage lautet:
Wenn alle Elemente Standard sind, dann ist E endlich.
Mengenbildung in der NSA
Ein wichtiger Unterschied zur Standardanalysis ist die Mengenbildung in der NSA. Das
Aussonderungsschema der ZF-Mengenlehre muss auf die klassische Mathematik eingeschränkt werden, da mit der Eigenschaft Standard bzw. Nichtstandard im Allgemeinen
keine Mengen gebildet werden können. Es ist im Allgemeinen nicht möglich Mengen mit
Hilfe der Eigenschaft Standard bzw. Nichtstandard zu definieren.
Beispiel
Kommentar
klassische Mathematik
A = {x ∈ N : 2|x}
2|x ist eine Aussage aus der klassischen Mathematik. Es kann die
Menge der geraden natürlichen Zahlen gebildet werden.
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NSA
A = {x ∈ N : x ist Nichtstandard}
Die Menge A kann nicht gebildet
werden, denn es gibt kein kleinstes
Nichtstandard-Element.
Die natürlichen Zahlen N besitzen kein kleinstes Nichtstandard-Element.
Beweis:
Sei n ∈ N Nichtstandard-Element.
In = [0, n[= {m ∈ N : m < n} = {0, 1, 2, ..., n − 1}
Wenn n ∈ N mit n > m, dann gilt auch: n + 1 > m, n + 2 > m, ..., n + k >
m(∀k ∈ N)
Jn = N − In = {m ∈ N : m ≥ n} = [n, ∞[
⇒ Jn enthält nur Nichtstandardelemente, denn für jede Teilmenge In
existiert ein Nichtstandard-Element n ∈ N, so dass für alle m ∈ In : m <
n gilt. n ist gerade ein Element aus Jn .
Aber Jn entält nicht alle Nichtstandard-Elemente, denn (n − 1) ist ein
Nichtstandard-Element und (n − 1) ∈
/ Jn .
Damit mit auch mit nicht klassischen Relationen, wie z.B. x ist Standard, eine Art
Teilmenge gebilden werden kann, werden in der NSA die externen Mengen eingeführt.
Externe Mengen können mit Menge mit externer Formel verglichen werden. Aber externe Mengen sind keine Mengen!
Bespielsweise ist die Menge der Nichtstandard-Elemente von N eine externe Menge ohne
kleinstes Element.
Zum Abschluss noch eine anschauliche Beschreibung für Standard-Elemente und Nichtstandard-Elemente:
Standard-Elemente sind Elemente, die erreichbar sind, z.B. endliche natürliche Zahlen.
Nichtstandard-Elemente sind Elemente, die nicht erreichbar sind, z.B. unendlich große
Zahlen.
Ein Computer kann reelle Zahlen bis zu einer bestimmten Länge darstellen. Als StandardElemente können in diesem Fall die Zahlen bezeichnet werden, die der Computer exakt
darstellen kann. Nichtstandard-Elemente wären die Zahlen, die der Comupter nur noch
gerundet darstellen kann, weil sie unendlich viele Nachkommerstellen haben, z.B. π.
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4 Quellen
Robert, Alain: Nonstandard Analysis. A Wiley-Interscience publication: University of
Neuchatel, 1985.
Rogge, Lothar: Nichtstandard Analysis. Springer-Verlag: Berlin, 1994.
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